Köln, 9.6.2001, Aktion gegen amtlichen Rassismus vor dem Kölner Dom
'Tolerantes und
weltoffenes Köln'
Mit Polizeigewalt gegen Bürgerforum für Völkerverständigung - Flugblatt vom 7. Juni 2001
Von Dezember 2000 bis Mitte April diesen Jahres konnten an den Wochenenden auf der Domplatte wieder Kartontäfelchen für Völkerverständigung, gegen Rassismus und soziale Kälte geschrieben werden. Klaus Steffenhagen, der neue Polizeipräsident, ermöglichte die Klagemauer-Aktion im Rahmen angemeldeter Versammlungen. Sie fand große Resonanz. Viele glaubten schon an einen 'Kölner Frühling'.
Bereits die Ankündigung eines 'Klagemauer-Frühlingsfestes' auf der Domplatte zum 21. April rief die Domkirche und den Kölner Klüngel auf den Plan, die sich nach Räumung der großen fest installierten Klagemauer im Oktober 1996 geschworen hatten: 'Nie wieder Klagemauer!'. Die Offensive gegen den Neustart der Klagemauer eröffnete CDU-Ratsmitglied Wolfgang Simons. Er steht der Domkirche nahe und leitet im erzbischöflichen Generalvikariat das Referat für Sonderschulpädagogik.
Simons stellte im städtischen Polizeibeirat, dessen Vorsitzender er ist, in Abrede, daß wir die Kriterien einer Versammlung - Personenmehrheit und kollektive Meinungskundgabe - erfüllten. Obwohl wir stets mindestens zu dritt vor Ort waren und darüber genau Buch führten, behauptete er, dort sei fast immer nur einer anzutreffen, nämlich Walter Herrmann. Er zitierte dann zwei von Kindern geschriebene Karten, die angeblich nichts mit den Kundgebungsthema "Für friedliches Miteinander - gegen Rassismus und soziale Kälte" zu tun hatten. Auf einer Karte stand "Laßt die Wale leben!"; auf der anderen: "Sei zufrieden mit dem, was du hast".
Umgehend, also ohne rückzufragen, zog das Polizeipräsidium sämtliche Versammlungsbestätigungen für April zurück. Wir sollten beim Ordnungsamt Innenstadt eine Genehmigung für die zeitlich begrenzten Klagemauer-Aktionen beantragen. Daß wir von dort keine Genehmigung bekommen würden, war eh klar.
Damit waren die Weichen gestellt für spektakuläre Ordnungsamts- und Polizeiauftritte gegen unser antirassistisches Projekt auf der Domplatte. Zunächst begnügten sich Ordnungsamt und Polizei damit, die Kordeln einer Klagewand für Völkerverständigung zu durchschneiden. Bei ihrer nächsten Aktion -- wir hatten uns inzwischen auf Klagestangen umgestellt - beschlagnahmten sie zwei Standplatten für Klagestangen und einen Karton, auf dem wir Leerkarten und Eddingstifte zur Selbstbedienung ausgelegt hatten.
Selbst das Abstellen eines Kartons in der Größe von 60 x 50 x 60 cm gilt inzwischen als 'genehmigungspflichtige Sondernutzung', jedenfalls wenn dieser Karton mit der 'Aktion Klagemauer' in Verbindung gebracht werden kann. Nach wie vor dürfen aber Goldmänner und andere Marionettenimitatoren dort auf mitgebrachten Podesten stehen. Als 'Künstler' benötigen sie angeblich keine ordnungsbehördliche Genehmigungen.
Das Prinzip Klagemauer funktioniert nur, wenn die Passanten, - oft Ausländer, die weder deutsch noch englisch sprechen - Kartontafeln schreiben können, ohne deswegen bei jemanden nachfragen zu müssen. Das Minimum sind: eine Stange, die nicht von Hand gehalten wird, sondern von einer Standplatte, und ein abgestellter Karton mit Schreib-Utensilien. Also wird beides von der Stadt als 'genehmigungspflichtige Sondernutzung' erklärt und verboten. Zur wirksamen Durchsetzung des Verbots erhält Herrmann als 'Rädelsführer' regelmäßig einen Platzverweis und wird' zur Gefahrenabwehr' vorsorglich bis in die Nacht in Polizeihaft genommen.
Am Sonntag, den 27. Mai, gingen Ordnungsamt und Polizei noch einen Schritt weiter, um die Klagemauer-Aktion auf der Domplatte abzuwürgen. Diesmal erklärten sie sogar das Abstellen eines Fahrrads als 'genehmigungspflichtige Sondernutzung'. Da Herrmann sein Fahrrad nebst Anhänger nicht unverzüglich von der Domplatte entfernte, wurde er wieder verhaftet; diesmal für 15 Stunden. Fahrrad und Anhänger mit allem, was sich darauf befand (Postkarten, Klagestangen, Kleidung, Fotomappen usw.), kassierte das Ordnungsamt. Als Herrmann am nächsten Tag sein Fahrrad abholen wollte, erklärte ilun Amtsleiter Engels, die Sachen blieben sichergestellt, weil er nicht die Gewähr biete, sich an Bestimmungen zu halten.
Herrmann's Verhaftung am 27. Mai rief bei den Zeugen der Polizeiaktion, darunter viele ausländische Mitbürger, heftigen Protest hervor. Einige versuchten, den Streifenwagen mit Herrmann an Bord am Wegfahren zu hindern. Offensichtlich als Reaktion auf den breiten Widerstand, verfaßten Herr Lanzerath (Vertreter des Ordnungsamts) und Herr Wilhelm (Einsatzleiter der Polizei) anschließend im Polizeipräsidium ein Protokoll, in dem sie Herrmann 'Widerstand ... .. Beleidigung' und 'öffentlicher Aufruf zu Straftaten' zur Last legten. Sie wollten ihn sogar dem Haftrichter vorfahren lassen. Herrmann soll kriminalisiert werden.
Initiative Klagemauer, c/o Alte Feuerwache, Melchiorstr.3, 50670 Köln