Köln, 20.6.2001, Aktionen gegen das deportation business der Lufthansa AGBilder

Ein märchenhafter Tag: Menschenrechte kontra Ökonomie

Pressemitteilung von 'kein mensch ist illegal köln' vom 20.6.01 zu den Protestaktionen während der Hauptversammlung der Lufthansa AG in Köln - Lufthansa muss sich neuen Herausforderungen stellen

An einem sonnigen Tag im Juni 2001. Das Rentnerehepaar Hans und Lise Müller hatte vor, sich einen schönen Tag in Köln zu machen. Zur Lufthansa-Aktionärsversammlung reisten sie extra aus Thüringen an, auch wenn die Aktien gerade nicht gut standen und die Frage war, ob man sich eigentlich solche Ausflüge überhaupt noch leisten könne. Dennoch, vieles sprach einfach dafür: das gute Essen, das einem von der Lufthansa in den Pausen geboten wurde, das Gefühl, zum Kreis der Besitzenden zu gehören und die Verlockung, nach dem Tagesprogramm am Rheinufer entlang promenieren zu können. Nicht zuletzt wollte man natürlich hautnah mitbekommen, was diejenigen, denen man das schwer verdiente Geld anvertraut hatte, eigentlich gedachten, gegen den stetigen Wertverlust desselben zu unternehmen. Trotz aller Verunsicherung bezüglich der wahren Interessen der Mächtigen und der scheinbar unberechenbaren Kräfte des Weltmarktes ist man guter Hoffnung.

Aber der Tag verläuft nicht so idyllisch wie geplant. Bereits an der Eingangstür der Köln-Arena stehen Stewardessen und Stewards und verteilen Plastiktüten, Zeitungen und Flyer zum Thema "deportation-class", die allgemein von den Besuchern gern entgegengenommen werden. Dann ein neugieriger Blick auf das Straßentheater, das immer wieder eine Szene mit der gleichen Botschaft wiederholt: "Ihr Verhalten kann Leben retten" - wie wichtig es sei, dass die Fluggäste sich einmischen, um Abschiebungen und Gewalt an Bord zu verhindern. Beim Einlass finden massive Kontrollen statt, sogar die persönlichen Utensilien in der Handtasche müssen präsentiert werden. Veranstalter und Angestellte wirken eher genervt. Heute ist kein guter Tag für sie, denn antirassistische Gruppen, die bereits seit mehr als einem Jahr gegen das "Geschäft mit den Abschiebungen" mobil machen, haben ihre Proteste angekündigt. Auf ihre Forderung, keine Flüchtlinge mehr aus Deutschland abzuschieben, gibt es bislang keine Antwort. Zwar ist immer wieder ist die Rede von Gesprächen mit der Bundesregierung über den Ausstieg aus der sogenannten "Beförderungspflicht". Tatsache ist aber: Weiterhin werden täglich Flüchtlinge in Flugzeugen der Lufthansa aus Deutschland abgeschoben.

Der Vorsitzende des Aufsichtsrates, Klaus G. Schwede, kündigt bereits in der Eingangsrede an, dass jede Stellungnahme zum Thema "Abschiebungen" sofort per Stromversorgung unterbrochen werden wird. Er maßregelt ausdrücklich alle diejenigen, die bereit sind, "kriminelle Gruppen" zu unterstützen. In diesem Moment enthüllen die gerade Genannten vor der Rednertribüne ein Transparent gegen die "deportation.class". Die Stimmung im Saal ist gespannt. Vorstandsvorsitzender Jürgen Weber fordert über das Mikrophon die Security auf, die "Störer" aus dem Saal zu befördern. Mit jedem neuen Transparent, das im Saal auftaucht, steigern die Security-Leute ihren "Jagdtrieb" und greifen immer härter zu. Unruhig laufen sie in den Seitengängen hin und her, um potentielle "Störer" schon im Vorfeld dingfest zu machen. Bei den letzten Aktionen fühlen sich einige Aktionärinnen in einem seltsam deutschtümelnden Verständnis von Courage dazu berufen, selbst aktiv zu werden und den AktivistInnen eigenmächtig das Transparent aus der Hand zu reißen.

Hans und Lise Müller aus Thüringen sind entsetzt. So hatten sie den "wilden Westen" noch nicht erlebt. Kapitalismus - ja das war gut, aber die Meinungs- und Redefreiheit war ihnen doch als ein verbürgtes Grundrecht angepriesen worden. Ein Aktionär kritisiert in seiner Rede, dass allen Besuchern beim Eintritt das Informationsmaterial über die "deportation.class" abgenommen worden sei. Eine Reporterin des Fernsehsenders n-tv hatte sich bereits über den schikanösen Umgang mit der Presse beschwert. Dabei konnte die Wichtigkeit der gestellten Forderungen nach Meinung der Müllers nicht einfach von der Hand gewiesen werden.

Ähnlich argumentieren am Nachmittag die als Aktionäre auftretenden Sprecherinnen und Sprecher der Kampagne "kein mensch ist illegal". Nachdem eine kritische Stellungnahme abgewürgt worden war, haben die Veranstalter zumindest soviel Respekt, den ehemaligen Zwangsarbeiter Jan Matusiak, der sich während der Nazi-Zeit im Berliner Werk der Lufthansa bei einem Unfall schwere Verletzungen zugezogen hat, ausreden zu lassen. In einer weiteren Rede wird Entschädigung für die Angehörigen von Aamir Ageeb gefordert.

Angesichts so viel dokumentierter, von der Lufthansa zu verantwortender Unmenschlichkeit muss es nicht wundern, dass auch die Geschäfte des Konzerns schlecht laufen. Mit einer online-Demonstration gelingt es an diesem Morgen, die Webseite der Lufthansa so zu blockieren, dass 10 Minuten lang ein Zugriff auf die Seite nicht möglich war, wie Martin Rieker von der LH gegenüber der Presseagentur ap bestätigt. Vielleicht führt dies ja in den Chefetagen zu einem Nachdenken über "moral economy", anstatt weiterhin nur über die vermeintlichen Heilkräfte der "new economy" zu spekulieren. Hans und Lise Müller jedenfalls sitzen gedankenverloren auf der Bank vor der Köln-Arena und verstehen die Welt nicht mehr - oder vielleicht doch ein bisschen besser als zuvor ("mer wes et nit"): Der Aktienstand erreicht an diesem Tag den absoluten Tiefstand des Jahres. (Jahresdurchschnitt: 27,5; tiefster Stand in diesem Jahr: 18,9; heutiger Stand: 18,8)


world-wide-web:
Virtuelles Sit-In auf dem Lufthansa-Server erfolgreich

Erklärung von 'kein mensch ist illegal' und Libertad! zur Online-Demonstration vom 20. Juni 2001

Virtuelles Sit-In auf dem Lufthansa-Server erfolgreich - Websites der Lufthansa zeitweise lahmgelegt

"Die Demo war ein voller Erfolg", so eine erste Bilanz der OrganisatorInnen der Online-Demonstration gegen die Lufthansa. "Das schmutzige Abschiebegeschäft hat die Aufmerksamkeit erfahren, die es verdient," sagt die Kampagnensprecherin Anne Morell. "Wer Zeitung liest, weiss nun, dass die Lufthansa Menschen gegen ihren Willen ausser Landes verfrachtet und auch noch davon profitiert."

Das Ziel sei der Demo sei nicht ein technisches Knockout des Servers gewesen, sondern durch eine massive Beteiligung und Berichterstattung die Kritik an den Abschiebeflügen zu verstärken. Parallel zur Online-Demo hatten etwa 150 AktivistInnen auf der Lufthansa-Aktionärsversammlung mit Strassentheater protestiert und zeitweise die Reden der Vorstandsmitglieder unterbrochen.

Die Online-Demonstration war von zahlreichen AbschiebegegnerInnen aus dem In- und Ausland unterstützt worden. Wieviele DemonstrantInnen aber tatsächlich zwischen 10 und 12 Uhr online waren, ist nicht bekannt: "Wir wissen nur, dass es sehr viele waren. Die Lufthansa hat technisch alles aufgefahren, was zur Vefügung stand, und trotzdem wackelte der Server" so Anne Morell.

Trotz der angekündigten Sicherung des Internetportals war der Lufthansa-Server schon kurz nach zehn Uhr für etwa zehn Minuten nicht erreichbar. Die Online-DemonstrantInnen hatten mithilfe einer eigenen Software in Hochgeschwindigkeit auf Lufthansa-Rechner zugegriffen. 'kein mensch ist illegal' und 'Libertad!' machten damit wahr, was sie dem Konzernvorstand bereits am vergangenen Montag per email angekündigt hatten: "Lufthansa Goes Offline".

Im Lauf des 20. Juni wurden widersprüchliche Meldungen über den Verlauf der Online-Demo bekannt. Mancherorts waren Lufthansa-Seiten mit nur leichter Verzögerung erreichbar, in anderen Regionen liess sich dagegen nicht einmal die Startseite aufrufen. "Die Lufthansa kappte pauschal, ohne Ansehen von Kundin oder Demonstrant, IP-Netze, von denen viele Anfragen ausgingen", erklärt Anne Morell die regionalen Unterschiede.

Anderen Berichten zufolge waren statische Seiten zwar verfügbar, aber bei Flugabfragen traten erhebliche Probleme auf. Um die massiven Zugriffe der AbschiebegegnerInnen aufzufangen, habe der Konzern auf ein zusätzliches Breitbandnetz zurückgegriffen und dafür den möglichen Verlust von Flugbuchungen in Kauf genommen: beim Umschalten von einem in das andere Netz gingen wohl, so die AbschiebegegnerInnen, temporäre Benutzerdaten verloren.

Unterdessen haben WissenschaftlerInnen verschiedener Universitäten berichet, dass die Einwahl über das Deutsche Forschungsnetz heute blockiert war. Die Frage stellt sich, ob damit die Beteiligung von StudentInnen und WissenschaftlerInnen mit Breitbandleitungen an der Online-Demo torpediert werden sollte.

"Auf Kosten der Funktionalität versuchte die Lufthansa, das Image des aufstrebenden Netz-Konzernes und den Schein ständiger Erreichbarkeit zu retten", resümiert die Online-Aktivistin Morell die Gegenstrategie der Lufthansa: "Die Webseite glich einem Potemkinschen Dorf".

Die Sorge um das Image sei allerdings mehr als verständlich: noch nie ist soviel über das Abschiebegeschäft der Lufthansa berichtet worden wie in den letzten Tagen. "Es wäre wünschenswert, wenn die Verantwortlichen bei der Fluglinie daraus die einzig angemessene Konsequent zögen", meint Anne Morell: "Schluss mit dem Abschiebegeschäft."

Für kein mensch ist illegal und Libertad!, Jan Hofmann und Sven Maier


Soziale Konflikte im Internet

junge Welt vom 22.6.2001 - Verfassungsschutz beobachtete Online-Demo gegen Abschiebe-Airline. Lufthansa rüstete Hardware auf

Der gelbe Kranich, das Symbol der Lufthansa AG, stürzte am Mittwoch entgegen der Ankündigung von Abschiebegegnern nicht ab. Dennoch bewerten die Online- Aktivisten die Demonstration als Erfolg. "Das schmutzige Abschiebegeschäft hat die Aufmerksamkeit erfahren, die es verdient", so Sprecher Sven Maier. Ziel der Demo sei nicht der technische Knockout des Servers gewesen, sondern durch eine massive Beteiligung und Berichterstattung die Kritik an den Abschiebeflügen zu verstärken. Wenn im Vorfeld der Aktion ein anderer Eindruck entstanden sei, so hofft Sven Maier, daß es jetzt nicht zu "großen Enttäuschungen" komme. "Was hinter der graphischen Oberfläche der Lufthansa-Seiten passierte", gibt er zu bedenken, "war nicht deutlich erfahrbar. Es war aber so, daß Lufthansa nur mit einem riesigen Aufwand den Schein ständiger Erreichbarkeit bewahren konnte".

Während in Köln etwa 150 Abschiebegegner in und vor der Aktionärsversammlung der Lufthansa protestierten, beteiligten sich Tausende vor ihren Rechnern an Deutschlands erster virtueller Demonstration. "Wir haben verstärkte Zugriffe registriert", mußte Lufthansa-Sprecher Thomas Ellerbeck zugeben. Während der Vorstandschef des Konzerns, Jürgen Weber, vor den Aktionären von den erfolgreichen Online-Aktivitäten der Airline schwärmte, wurde die Homepage des Konzerns mittels einer speziellen "Online Protest Software" in Hochgeschwindigkeit mit Anfragen bombardiert. Dadurch habe sich der Aufruf der Seiten "verlangsamt", räumte Ellerbeck ein. Sein Kollege Martin Riecken gestand allerdings, rund zehn Minuten sei es nicht möglich gewesen, die Homepage aufzurufen. Obwohl die Lufthansa sich nach außen gelassen gab, hatte sie in den vergangenen Tagen Vorkehrungen getroffen und zusätzliche Netzkapazitäten organisiert. "Bis Mittwoch nacht haben unsere Experten noch daran gearbeitet, auf die geplante Blockade reagieren zu können. Wir hatten unsere Kapazitäten entsprechend erweitert", so die E-commerce- Sprecherin des Konzerns, Astrid Oppelt gegenüber Antirassisten in Köln. Das bestätigt auch Sven Maier: "Lufthansa hat aufgerüstet, was an Hardware und Breitband in Deutschland zur Verfügung stand."

Inwieweit die Aktion, die vom antirassistischen Netzwerk "kein mensch ist illegal" und der Solidaritätsinitiative "Libertad!" organisiert wurde, juristische Folgen haben wird, ist momentan nicht absehbar. "Sollte uns bei der Attacke ein Schaden entstanden sein, werden wir Ansprüche geltend machen", kündigte Lufthansa-Sprecher Ellerbeck an. Die Aktivisten selbst sehen ihre Aktion durch das Demonstrationsrecht gedeckt. "Das Internet ist ein öffentlicher Raum, hier muß es möglich sein, soziale Konflikte auszutragen", so Sven Maier.

Das sieht der Verfassungsschutz ganz anders. Wie der Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, in einem Interview mit der Welt am Sonntag vom 17. Juni über die "wachsende Bedrohungen Deutschlands durch Wirtschafts-Agenten aus dem Osten, Islamisten sowie linke und rechte Extremisten" kundtat, zählt für ihn auch die Online-Demo gegen Abschiebung dazu. "So wollen beispielsweise Angehörige der autonomen und antiimperialistischen Szene am 20. Juni die Homepage der Lufthansa mit einer riesigen Menge von E-Mails lahm legen", behauptete Fromm in Unkenntnis des wahren Sachverhalts und belegte damit wieder einmal, wie gut informiert seine Behörde ist.

Beat Makila


Wie Abschiebemaschinerie des Staates stoppen?

Interview in junge Welt vom 22.6.2001mit Anne Harms

* Anne Harms arbeitet als Sozialarbeiterin in einer Flüchtlingsberatungsstelle. Außerdem kandidiert sie auf der Liste der Regenbogen-Gruppe für die Hamburger Bürgerschaft für den Bereich Flüchtlingspolitik

F: Hamburg schiebt konsequenter ab als Bayern", so der neue Innensenator Olaf Scholz vor kurzem in den Medien. Eine stolze Bilanz oder eher ein trauriger Rekord?

Für uns, die wir jeden Tag mit den Folgen dieser inhumanen Asylpolitik konfrontiert werden, ganz sicher ein trauriger Rekord. Aber der Senat sieht das anders. Scholz präsentierte den Medien nicht nur einfach die Zahl - knapp 2000 Abschiebungen im vergangenen Jahr - sondern er tat es ganz offen voller Stolz. Abschiebung ist gut, das ist der Konsens zwischen Innenbehörde und Ausländeramt. Im Koalitionsvertrag ist immerhin noch vom Schutz der Familie und von minderjährigen Flüchtlingen die Rede. In der Praxis jedoch wird ständig gegen diesen Vertrag verstoßen. Familien werden kompromißlos auseinandergerissen und Jugendliche gnadenlos abgeschoben.

F: Die Zahlen, mit denen Scholz an die Presse tritt, sind das Werk seines Vorgängers Hartmuth Wrocklage. Befürchten Sie, daß die Situation für Flüchtlinge unter der Ägide Scholz noch härter wird?

Das müssen wir einkalkulieren. Die SPD ist unter Zugzwang und muß schnelle Erfolge präsentieren. Da ist zu befürchten, daß die Kampagne, die unter dem Stichwort "Innere Sicherheit" läuft, auf Flüchtlinge focussiert wird. Es ist einfacher, hilflose Flüchtlinge abzuschieben, als die Hintermänner des Drogenhandels und die Drahtzieher des organisierten Verbrechens dingfest zu machen. Da wird dann skrupellos in Kauf genommen, daß die Öffentlichkeit das mit "afrikanischer Jugendlicher gleich Drogendealer" übersetzt. Entsprechend wird sich das politische Klima verändern.

F: Und was kann man dem entgegensetzen?

Auf der parlamentarischen Ebene fände ich es wichtig, den Petitionsausschuß zu einem Instrument zu machen, der wirkungsvoll die Rechte der Flüchtlinge wahren kann. Als Gegenpartei zur Ausländerbehörde, in deren Ermessen sämtliche Entscheidung über Bleiben oder Ausweisung liegt. Der Leiter der Ausländerbehörde sagt ganz offen, sein Ziel sei Abschiebung. Das ist die Grundlage, auf der diese Behörde arbeitet. Der Apparat hat sich total verselbständigt und entzieht sich jeglicher Einflußnahme von außen. Das Sinnvollste ist es, die eklatanten Zustände zu dokumentieren und die Öffentlichkeit über diese organisierte Unmenschlichkeit zu informieren. Viele Menschen wissen überhaupt nicht, was da läuft. Das ist beispielsweise so ein Konzert wie "Rage against Abschiebung" eine Möglichkeit, darauf aufmerksam zu machen. Das ist eine Mischung aus Kultur und Politik, in der Künstler sich klar gegen Abschiebung und Rassismus positionieren. Der Erlös des Konzerts kommt dem Hamburger Flüchtlingsfonds zugute, der vor kurzen gemeinsam vom Flüchtlingsrat, dem Arbeitskreis Asyl, flucht.punkt, Woge e.V., der Roten Hilfe und der Gruppe Regenbogen - für eine neue Linke gegründet wurde. Ziel des Flüchtlingsfonds ist es, Spenden zu sammeln und sie den Betroffenen zur Finanzierung der juristischer Unterstützung zur Verfügung zu stellen. Wir hoffen auf diese Weise eine Menge Geld zusammen zu bekommen.

Interview: Birgit Gärtner


Vorstand und Aufsichtsrat der Lufthansa muß die Entlastung verweigert werden

Antrag des Dachverbands der kritischen Aktionärinnen und Aktionäre - Abschiebung von Flüchtlingen und Verschleppung der Zwangsarbeiter-Entschädigung werden die HV beschäftigen

Zur Hauptversammlung der Deutschen Lufthansa AG am 20. Juni 2001 beantragt der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre:

zum Tagesordnungspunkt 3:
"Dem Vorstand wird die Entlastung verweigert."

Begründung:
Vorstandsvorsitzender Weber versprach in der Hauptversammlung 2000 Verhandlungen mit der Bundesregierung über die Befreiung von der Beförderungspflicht für sogenannte 'deportees'. Doch aus der Ankündigung ,die Abschiebepraxis zu beenden, wurde nichts. Nach spektakulären Protesten wurde das Geschäft mit Abschiebungen für den Konzern zunehmend zum Imageproblem. Denn auch im vergangenen Jahr wurden tausende Flüchtlinge mit Linienmaschinen der Lufthansa abgeschoben. Deshalb gehen die Proteste gegen die Abschiebungen in der 'deportation.class' weiter und ziehen immer größere Kreise, wie die Resonanz auf die Internetseite www.deportation-alliance.com beweist. Ende April 2001 protestierten auf dem Warschauer Flughafen sogar Lufthansa-Beschäftigte gegen Abschiebungen.

zum Tagesordnungspunkt 4:
"Dem Aufsichtsrat wird die Entlastung verweigert."

Begründung:
Die Lufthansa ist dem Stiftungsverband der deutschen Wirtschaft zur Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter zwar beigetreten, drängt aber nicht auf die sofortige Auszahlung der bereitstehenden Gelder. Die Auszahlung wird aufgeschoben bis selbst die unwesentlichste Klage in den USA vom Tisch ist. So sterben täglich etwa 200 der hochbetagten ehemaligen Zwangsarbeiter, ohne für die unmenschliche Behandlung entschädigt worden zu sein. Der Aufsichtsrat deckt diese in der Öffentlichkeit vielfach kritisierte Hinhaltetaktik der deutschen Wirtschaft. Viele Anteilseigner der Lufthansa übertragen deshalb ihre Stimmrechte an den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre, Telefon 0221-5995647

wichtige Hinweise:

Der Vorstand der Deutschen Lufthansa hat die Veröffentlichung unseres Gegenantrags zum TOP 3 verweigert und die Begründung unseres Antrags zum TOP 4 nur verkürzt veröffentlicht. Das mag bei enger Auslegung des § 126 Aktiengesetz rechtmäßig sein. Es verhindert jedoch die objektive Information der Aktionärinnen und Aktionäre. Wir werden in der Hauptversammlung entsprechend darauf reagieren.

Wenn Sie uns die Stimmrechte Ihrer Lufthansa-Aktien übertragen möchten, stellen Sie bitte die "Vollmacht für Banken/Aktionärsvereinigungen" auf dem Formular der Lufthansa für unseren Verband aus und schicken es uns im Original. Mit dem gleichen Formular können Sie auch gerne Eintrittskarten bestellen, und diese mit einer auf der Rückseite unterschriebenen Vollmacht an uns weiterleiten.


An die Redaktionen Wirtschaft und Inland

Presseinformation des Netzwerk "kein mensch ist illegal" vom 17.6.2001 - Der Lufthansa stehen nach dem Pilotenstreik wegen ihrer Abschiebepraxis zur Aktionärsversammlung in Köln erneut Turbulenzen bevor

Das Netzwerk "kein mensch ist illegal", der "Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre" und "Libertad!" kündigen zur Jahreshauptversammlung der Deutschen Lufthansa AG am Mittwoch, 20. Juni, in der KölnArena heftige Proteste gegen das Geschäft mit Abschiebungen in der "deportation.class" an.

"Wir werden den reibungslosen Ablauf der Aktionärsversammlung stören", so Kurt Lindner von "kein mensch ist illegal": "Gleichzeitig werden international Zehntausende an der Online-Demo im Internet teilnehmen." Ziel der Proteste sei es, den Konzern endlich zur Aufgabe des "deportation-business" zu bewegen. "Wir fordern eine verbindliche Erklärung der Lufthansa, Abschiebehäftlinge grundsätzlich nicht mehr zu befördern", erklärt Lindner.

Mit Aktionen auf Flughäfen im In- und Ausland, vor Niederlassungen des Konzern, in Reisebüros und im Internet sei es "kein mensch ist illegal" gelungen, die Öffentlichkeit auf die Mitverantwortung des Luftfahrtkonzerns bei der Abschiebepraxis aufmerksam zu machen. "Der Imageschaden für den Konzern ist enorm", sagt Lindner. Der Aufruf zur Zivilcourage gegen Abschiebungen sei nicht ohne Wirkung geblieben. Immer mehr Piloten der Airline verweigern den Transport von Abschiebehäftlingen. Die Pilotenvereinigung Cockpit fordert Flugkapitäne dazu auf, "passengers not willing to travel" nicht mehr zu transportieren.

Das Management reagiert nervös. Weil die angekündigten Proteste nicht verboten sind, bedroht der Konzern nun Initiativen, die den Protest gegen Abschiebungen unterstützen, mit horrenden Zwangsgeldern. Auf Antrag der Lufthansa AG erließ das Landgericht Frankfurt gegen die Berliner Forschungsgesellschaft Flucht und Migration, deren Büro früher als Postadresse für "kein mensch ist illegal" fungierte, eine einstweilige Verfügung mit dem Ziel, eine verfremdete Werbung aus dem Internet zu entfernen. "Das ist ein lächerlicher Einschüchterungsversuch", so der Sprecher von "kein mensch ist illegal". "Wenn die Lufthansa weiter abschiebt, wird sich die Kampagne gegen das "deportation-business" des Konzerns international verbreitern, schließlich sind auch andere internationale Fluggesellschaften Ziel von Protestaktionen gegen Abschiebungen."

weitere Informationen:
Tel 0179-4982450;
Email: kmii-koeln@gmx.net;

Mi.20.6. ab 14:00
aktuelle Informationen und Bilder von Aktionen:
www.kmii-koeln.de

Hintergründe:
www.deportation-alliance.com
http://go.to/online-demo
www.kritischeaktionaere.de


Online gegen Abschiebungen

Pressemitteilung von 'Libertad!' und 'kein mensch ist illegal', Berlin, 18.6.2001

150 Antirassismus-Gruppen wollen am 20. Juni die Lufthansa-Homepage blockieren - Protest-Software auf 30 Internetseiten veröffentlicht.


150 Antirassismus-Initiativen kündigten heute in einem Brief an den Vorstand der Lufthansa AG ein virtuelles Sit-In auf dem Internetserver der Fluglinie an. Die Online-Demonstration während der Aktionärsversammlung des Konzerns richtet sich gegen die jährlich etwa 10 000 Abschiebungen, die mit Lufthansa-Maschinen durchgeführt werden.

"Es ist ein schmutziges Geschäft, mit Abschiebungen Geld zu verdienen", schrieb Demo-Anmelder Jan Hofmann heute an den Vorstand der Fluggesellschaft, "reichen zwei Tote nicht, um endlich die Konsequenzen zu ziehen?" 1994 war der Nigerianer Kola Bankole, 1999 der Sudanese Amir Ageeb bei Abschiebungen auf Lufthansa-Linienflügen zu Tode gekommen.

Seit dem späten Sonntag abend, drei Tage vor der virtuellen Demo, wird eine "Online Protest Software" auf 30 Internetseiten im In- und Ausland angeboten. Mit Hilfe des Softwarepaketes könnten AbschiebegegnerInnen den Lufthansa-Server am kommenden 20. Juni durch Zugriffe überlasten, sagt Kampagnensprecherin Anne Morell. Die Software dringe nicht in geschlossene Systeme ein und zerstöre keine Daten, verspricht die Online-Aktivistin. Jede und jeder solle teilnehmen können: neben der Installation von Protest-Programmen für Windows- und Linux-Systeme besteht auch die Möglichkeit, am 20. Juni ein Programm direkt auf der Homepage der AktivistInnen zu starten. So kann virtuell mitdemonstrieren, wer im Internetcafé oder auf dem Arbeitsplatz nichts aus dem Internet herunterladen darf - oder einen Macintosh zuhause hat.

Drohen nun leere Bildschirme bei www.lufthansa.com? Die Fluggesellschaft will am 20. Juni um 10 Uhr eigentlich die Rede des Vorstandsvorsitzenden Jürgen Weber über ihr Internetportal live streamen. Wenn nun, wie Abschiebegegnerin Morell prophezeit, stattdessen nur "leere Bildschirme und lange Nasen" auf der Aktionärsversammlung zu sehen sein werden? Sicherlich kein guter Start für das ehrgeizige "Online Travel Portal", das der Konzern mit weiteren Fluglinien im Herbst eröffnen will. "Bei uns können sie am 20. Juni den Kranich im Sturzflug sehen", verspricht dagegen die Abschiebegegnerin Morell. Die Initiativen wollen den Verlauf ihrer Aktion auf einer eigenen Internetseite, die kurzfristig bekanntgegeben werden soll, dokumentieren.

Die Online-DemonstrantInnen, die von zahlreichen internationalen Antirassismus-Gruppen unterstützt werden, ernten indes nicht nur Zustimmung. Am 10. und 17. Juni wurden die Mail-Adressen der OrganisatorInnen mit knapp 12 000 emails bombardiert - Absender: NPD.net. Die Neonazis hatten versucht, sich hinter einer falschen Adresse ("www.pds-online.de") zu tarnen. "Der Inhalt war von der Qualität, die man vom Absender erwarten kann", so Anne Morell, "Datenmüll, den wir einfach auf dem Server gelöscht haben".

Berlin, 18.06.2001
Für Libertad! und kein mensch ist illegal, Sven Maier


Kontakt: 0177 - 5029083
Info: http://stop-depclass.scene.as http://go.to/online-demo
und zahlreiche mirrorseiten

Dokumentation:
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Von : online-demo
An : juergen.weber@dlh.de
Datum : Montag, 18. Juni 2001, 09:53
Betreff: Deportation Business/Aktionärsversammlung
Dateien: <none>
===============
Sehr geehrter Herr Weber,
sehr geehrte Damen und Herren,
am kommenden Mittwoch, den 20.Juni findet die jährliche Aktionärsversammlung Ihres Unternehmens statt.

Im vergangenen Jahr erklärten Sie zu diesem Anlass den Aktionärinnen und Aktionären sowie der besorgten Öffentlichkeit, über einen Ausstieg aus dem Geschäft mit der Abschiebung in Verhandlung treten zu wollen.

Zusammen mit zahlreichen Abschiebegegnerinnen und Abschiebegegnern müssen wir jedoch feststellen, dass Sie die breite Kritik der Öffentlichkeit an diesem Geschäftszweig nicht ernst nehmen. Stattdessen erlauben Sie sich den Zynismus, von Abschiebungen zu sprechen, die "mit freundlichem Service vonstatten gehen" (telepolis, 17.3.2001).

Es ist müssig zu erörtern, ob dies dem Ernst der Sache angemessen ist. Reichen Ihnen zwei Tote nicht, um endlich die Konsequenzen zu ziehen?

Es würde Ihnen gut bekommen, sich einen Augenblick über ihr Selbstbewusstsein als grosses Unternehmen hinwegzusetzen. Im Folgenden steht Ihnen die Möglichkeit offen, das zu lesen, was Abschiebegegnerinnen und Abschiebegegner aus vielen Ländern der Welt Ihnen zu sagen haben.

Sollten Sie dies nicht wahrnehmen wollen, bleibt mir nur stellvertretend darauf hinzuweisen, dass am 20. Juni eine Online-Demonstration gegen Ihr Abschiebegeschäft stattfinden wird.

Es ist ein schmutziges Geschäft, mit Abschiebungen Geld zu verdienen.

18.06.2001,
für 'kein mensch ist illegal' und 'Libertad!', Jan Hofmann


Online-Demonstration against Deportation Business - Abschiebung hat einen Namen: Lufthansa - goes offline!

"They won't have your names when you ride the big airplane, all they will call you will be 'deportees'." (Woody Guthrie)

Deutschland schiebt jährlich 40.000 Menschen ab, davon 30.000 im Luftverkehr als menschliches Stückgut. Der Mensch wird zum "Schübling" - und der wird bei Bedarf gefesselt, geknebelt oder betäubt. Und die Lufthansa AG verkauft den Löwenanteil dieser als "deportee-tickets" gekennzeichneten Flugscheine. Zweimal bereits bedeutete diese Deportation.Class den Tod: Kola Bankole (1994) und Aamir Ageeb (1999) überlebten ihre Deportation nicht. Beide starben durch die Hand von BGS-Beamten, beide saßen in einem Flugzeug der Lufthansa.

Wir protestieren gegen das Deportation.Business. Wenn Konzerne wie die Deutsche > Lufthansa AG ins Internet gehen, dann soll unsere Empörung über das gleichermaßen einträgliche wie auch tödliche Geschäft nicht nur auf der Straße stehen. Denn auch der Datenhighway eignet sich zur "Sitzblockade". Anreisen muss dazu niemand. Das massenhafte und zeitgleiche Einloggen ins Internet ist notwendig, damit der Zugang zur Homepage der Lufthansa AG durch zigtausende Internetnutzer/innen als Zeichen des Protestes versperrt wird. Ähnlich wie bei einer Sitzblockade rufen deshalb die Initiativen kein Mensch ist illegal und Libertad! für den 20. Juni 2001 parallel zur Aktionärsversammlung der Lufthansa in Köln zu einer Online-Demonstration gegen Abschiebung auf. Wir unterstützen die Online-Demonstration und rufen zur Teilnahme auf:

kein mensch ist illegal- und Libertad!-Gruppen in zahlreichen Stadten

(... folgend 500 Unterschriften)


Abschiebungen

Artikel der Pilotenvereinigung Cockpit e.V. zu Abschiebungen - aus dem Mitglieder-Magazin VC-Info von Januar/Februar 2001

Seit geraumer Zeit beschäftigt sich die Vereinigung Cockpit mit dem Problem der Abschiebungen (im Fachjargon "Rückführungen" genannt). Zu dem Thema wurden mehrere Presseerklärungen herausgegeben bzw. Artikel in der VC-Info veröffentlicht. Bis heute ging man - was die juristischen Verantwortlichkeiten bei Verletzung oder Tod des Abzuschiebenden angeht - davon aus, dass der verantwortliche Luftfahrzeugführer (Kommandant) eine Beförderung nur dann ablehnen kann, wenn eine konkrete Gefährdung der Sicherheit des Fluges absehbar ist.

Man unterstellte, dass durch Fesselung oder angemessenen Begleitschutz durch Beamte der Polizei- oder Grenzschutzbehörden eine solche Gefährdung ausgeschlossen werden könne. Ebenso nahm man an, dass für Handlungen der begleitenden Beamten, durch welche der Rückzuführende Schaden erleidet, der Kommandant nicht zur Verantwortung gezogen werden könne.

Aufgrund der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Kleine Anfrage der PDS im Deutschen Bundestag (BT-Drucks. 14/1454 vom 27. Juli 1999) hat sich die herrschende Meinung dahin geändert, dass Beamte der staatlichen Organe an Bord von Luftfahrzeugen der aus § 29 Abs. 3 LuftVG resultierenden Polizeigewalt des verantwortlichen Luftfahrzeugführers unterliegen. Mit dem Schließen der Außentüren verlieren sie ihre hoheitlichen Kompetenzen. Befindet sich das Luftfahrzeug außerhalb des deutschen Hoheitsgebietes, erlischt die polizeiliche Hoheitsmacht ohnehin. Eine Fortgeltung derselben ist - im Gegensatz zur Polizeigewalt des verantwortlichen Luftfahrzeugführers - weder in multilateralen Abkommen festgelegt noch gewohnheitsrechtlich aufgrund des Völkerrechts anerkannt. Bilaterale Abkommen über die Fortgeltung der hoheitlichen Befugnisse von Beamten in oder über femdem Staatsgebiet gibt es nur zwischen wenigen Staaten.

Ausgehend vom Verlust der polizeilichen Befugnisse der Beamten bedient man sich nunmehr des so genannten "Delegationsmodells". Hierbei delegiert der verantwortliche Luftfahrzeugführer seine Polizeigewalt auf die Beamten. Unproblematisch ist dies in den Fällen, in denen der Abzuschiebende sich zunächst ruhig verhält und erst während des Fluges gewissermaßen zum Unruly Passenger wird. Hier gelten dann die allgemeinen Grundsätze zur Gefahrenabwehr, wie sie auch für "normale" Vorfälle mit Unruly Passengers anwendbar sind.

Schwieriger wird es, wenn der Abzuschiebende bereits unter Anwendung von Zwang (zum Beispiel Fesselung) an Bord des Luftfahrzeuges gebracht wird. Da, wie oben dargestellt, die Beamten nur über eine vom verantwortlichen Luftfahrzeugführer abgeleitete Hoheitsgewalt verfügen, die notwendigerweise nicht über dessen Hoheitsgewalt hinausgehen kann, stellt sich die Frage, ob dieser im Rahmen seiner Polizeigewalt die Befugnis hat, Rückführungen zwangsweise durchzusetzen.

Dies ist zu verneinen, da sich die Befugnisse des verantwortlichen Luftfahrzeugführers nach nationalem und internationalem Recht darauf beschränken für die Sicherheit und Ordnung des Fluges zu sorgen. Hierzu hat er gemäß dem rechtsstaatlichen Prinzip der Verhältnismäßigkeit das mildeste Mittel anzuwenden. Ist bereits vor Flugantritt abzusehen, dass Sicherheit und Ordnung nur unter Zwangsanwendung aufrechterhalten werden können, ist das mildeste Mittel, den Abzuschiebenden nicht an Bord zu nehmen. Dies ergibt sich auch aus Artikel 7 des Tokioter Abkommens. Dort steht, dass unmittelbarer Zwang nur bis zum Ort der nächsten Zwischenlandung aufrechterhalten werden darf.

Wenn die Befugnisse der Begleitbeamten vom Kommandanten abgeleitet werden, ist dieser auch im rechtlichen Sinn verantwortlich, sollte der Abschübling Schaden erleiden. In diesem Sinne wurden in letzter Zeit Strafverfahren gegen mehrere Flugkapitäne angestrengt, auf deren Flügen Rückzuführende zu Schaden oder gar zu Tode kamen. Dies stellt für die an Abschiebungen beteiligten Flugkapitäne ein unkalkulierbares rechtliches Risiko dar.

Die Vereinigung Cockpit rät deshalb ihren Mitgliedern, sich nur noch an Abschiebungen zu beteiligen, bei denen der Abschübling freiwillig fliegt. Dies entspricht der Policy des Weltpilotenverbandes IFALPA, der die Begriffe "willing to travel" bzw. "not willing to travel" eingeführt hat. Die Freiwilligkeit kann schon dann verneint werden, wenn der Abzuschiebende unter Zwangsanwendung an Bord gebracht wird, also etwa gefesselt oder sediert (unter dem Einfluss von Beruhigungsmitteln). Auch die Begleitung durch übermäßig viele Polizeibeamte impliziert die Unfreiwilligkeit. Am sichersten lässt sich die Freiwilligkeit dadurch ermitteln, dass man die Person befragt. Fällt der Abschübling in die Kategorie "not willing to travel", sollte die Beförderung unter Hinweis auf das rechtsstaatliche Verhältnismäßigkeitsprinzip verweigert werden.

Ergänzend sei an JAR-OPS 1.265 erinnert:
"Der Luftfahrtunternehmer hat Verfahren für die Beförderung von Fluggästen, denen die Einreise verwehrt wurde (inadmissible passengers), von zwangsweise abgeschobenen oder in Gewahrsam befindlichen Personen (deportees or persons in custody) festzulegen, um die Sicherheit des Flugzeuges und seiner Insassen zu gewährleisten. Der Kommandant muss benachrichtigt werden, wenn solche Personen befördert werden sollen."

Natürlich reicht es im Sinngehalt dieser Vorschrift nicht aus, wenn dem Kommandanten kurz vor dem Einsteigevorgang lediglich mitgeteilt wird, dass an Bord seines Fluges eine Abschiebung stattfinden soll. Die Informationen müssen rechtzeitig vorliegen und so umfangreich sein, dass dem Kommandanten eine Risikoabschätzung ermöglicht wird. Im Flugbetriebshandbuch einer großen deutschen Fluggesellschaft ist dies so geregelt:

The "Notice to Captain regarding a Deportee" shall contain:
  • the name, gender and nationality of deportee
  • the reason for deportation
  • whether he needs an escort or not and the number of escorts
  • the itinerary of the deportee
Nach deutschem Recht haben Polizei oder Bundesgrenzschutz keine Möglichkeiten den Kommandanten zur Beförderung des Abzuschiebenden zu zwingen, indem etwa die Startgenehmigung verweigert wird. Solche Maßnahmen sind nur zulässig zur Gefahrenabwehr. Sollten Sie als Kommandant diesbezüglich schlechte Erfahrungen mit den Behörden gemacht haben, bitten wir darum, uns diese mitzuteilen.

Klaus G. Meyer


Links

Kein Mensch ist illegal - Kölner Netzwerk
Kritische Aktionäre - Kritik an der Deutschen Lufthansa AG
Libertad! - Mitorganisatoren der Online-Demonstration
Kein Mensch ist illegal - Forschungsstelle Flucht und Migration e.V., Berlin
Kein Mensch ist illegal - Wien
D.I.R. - Dokumentations- und Informationszentrum für Rassismusforschung, Marburg
Aktionsbündnis gegen Abschiebungen Rhein-Main
Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V.
Informationen zum Fall Aamir Ageeb
Antirassistische Initiative Berlin e.V.
Antirassismusbüro Bremen
Büro antirassistischer Initiativen Kassel
Bürgerinitiative Asyl Regensburg
Verein für politische Flüchtlinge Münster
Zürcher Komitee zur Unterstützung der sans-papiers