Köln, 19.1.2003, Aktion 'Krieg - nicht in unserem Namen' - Ein Schiff für den Frieden auf dem RheinBilder

"Zwischen den Kriegen"

Text des Literatur-Nobelpreisträgers Günter Grass für die Aktion 'Friedensschiff'

Das vergebliche Warnen vor drohender Kriegsgefahr gerinnt mittlerweile zur Routine; und dennoch gilt weiterhin zählebig, was Matthias Claudius zu seiner Zeit reimte:

's ist Krieg! 's ist Krieg! O Gottes Engel wehre, Und rede Du darein! 's ist leider Krieg - und ich begehre Nicht schuld daran zu sein!'

Viele Ausrufzeichen stützen die erste Strophe dieses Gedichtes, dem die Vergeblichkeit seiner Warnung Dauer garantiert hat. deshalb, weil es so viele Schlachten überdauert hat, setze ich es an den Anfang meiner Warnung - "Und rede Du darein!" -, die als Dreinrede, wie ich befürchte, überhört werden wird.

Krieg droht. Wieder einmal droht Krieg. Oder wird nur mit Krieg gedroht, damit es nicht zum Krieg kommt? Bedeutet das einschränkende Wort "nur", daß der seit Wochen auf der Arabischen Halbinsel und im Roten Meer inszenierte Aufmarsch nordamerikanischer und englischer Truppen und Flottenverbände, der die Medien mit Bildern militärischer Überlegenheit füttert, eine bloße Drohgebärde ist, die schließlich - sobald der eine von zwei Dutzend weltweit herrschenden Diktatoren sich ins Exil verkrümelt hat oder wünschenswert tot ist - als friedenssichernde Machtdemonstration verbucht und abgeblasen werden kann?

Wohl kaum. Dieser drohende Krieg ist gewollt. In planenden Köpfen, auf den Börsen aller Kontinente, in wie vordatierten Fernsehprogrammen findet er bereits statt. Der Feind als Zielobjekt ist erkannt, benannt und eignet sich, neben anderen noch zu erkennenden und benennenden Feinden auf Vorrat, für die Beschwörung einer Gefahr, die alle Bedenken nivelliert. Wir kennen die Machart, nach der man sich einen Feind, sollte er fehlen, erfindet. Bekannt ist gleichfalls jene bildgesättigte Spielart des Krieges, nach der zielgenau daneben getroffen wird. Geläufig sind uns die Wörter für Schäden und Verluste an Menschenleben, die als unvermeidbar hinzunehmen sind. Es ist uns üblich geworden, daß nur die relativ wenigen Toten der herrschenden Weltmacht gezählt und betrauert werden, während die Masse der toten Feinde samt deren Frauen und Kindern ungezählt bleibt und keiner Trauer wert ist.

Also warten wir auf den Wiederholungsfall. Diesmal sollen neue Raketensysteme noch genauer danebentreffen. Ein uns als Bildauswahl vertrauter Krieg droht. Weil wir seine vom detaillierten Schrecken gesäuberte Bilderflut kennen und auch die Fernsehrechte an den uns bekannten Sender der drei abkürzenden Buchstaben vergeben sind, erwarten wir eine Fortsetzung des Krieges als Seifenoper, unterbrochen nur von Werbespots für friedliche Konsumenten. Am Rande geht es zur Zeit allenfalls darum, wer beim schon stattfindenden kommenden Krieg lautstark oder halbherzig mitmacht oder nur ein bißchen dabei sein mag, wie die Deutschen, denen zwangsläufig das Kriegführen vergangen ist oder sein sollte.

Gegen wen wird dieser Krieg, der so tut, als drohe er nur, geführt? Es heißt: Gegen einen schrecklichen Diktator. Aber Saddam Hussein war, wie andere Diktatoren auch, einst Waffenbruder der demokratischen Weltmacht und ihrer Verbündeten. Stellvertretend - und mit Hilfe des Westens hochgerüstet - führte der Irak acht Jahre lang Krieg gegen den Iran, weil im Nachbarland des Diktators ein Diktator herrschte, der dazumal Feind Nummer eins war.

Aber, heißt es weiter, Saddam Hussein verfügt - was nicht bewiesen ist - mittlerweile über Massenvernichtungsmittel. Das sagt der Westen, der - was zu beweisen wäre - über Massenvernichtungsmittel verfügt. Zudem wird versprochen: Nach dem Sieg über den Diktator und sein System soll im Irak die Demokratie eingeführt werden. Doch die dem Diktator benachbarten Länder Saudiarabien und Kuwait, die dem Westen verbündet sind und ihm als militärische Aufmarschbasis dienen, werden gleichfalls diktatorisch beherrscht. Sollen diese Länder Ziel der nächsten demokratiefördernden Kriege sein?

Ich weiß, diese Fragen sind müßig; die Arroganz der Weltmacht gibt Antwort auf jede. Doch jederman kann wissen oder ahnen, daß es ums Öl geht. Oder genauer: Es geht wiederum ums Öl. Das Gespinst der Heuchelei, mit dem die zuletzt verbliebene Großmacht und der Chor ihrer Verbündeten ihre Interessen zu verdecken pflegen, ist im Laufe der Zeit so verschlissen, daß sich das Herrschaftsgefüge nackt zeigt; schamlos stellt es sich dar und gemeingefährlich in seiner Hybris. Der gegenwärtige Präsident der USA gibt dieser Gemeingefährlichkeit Ausdruck.

Ich weiß nicht, ob die Vereinten Nationen standhaft genug sind, dem geballten Machtwillen der Vereinigten Staaten von Amerika zu widerstehen. Meine Erfahrung sagt mir, daß diesem gewollten Krieg weitere Kriege aus gleichem Antrieb folgen werden. Ich hoffe, daß die Bürger und die Regierung meines Landes unter Beweis stellen werden, daß wir Deutschen aus selbstverschuldeten Kriegen gelernt haben und deshalb Nein sagen zu dem fortwirkenden Wahnsinn, Krieg genannt.

'Was sollt' ich machen, wenn im Schlaf mit Grämen Und blutig, bleich und blaß Die Geister der Erschlagnen zu mir kämen, Und vor mir weinten, was?'

Diese Frage stellt die zweite Strophe des Gedichtes 'Kriegslied' von Matthias Claudius. Eine Frage, die wir im Rückblick auf unsere Kriege und deren "Erschlagne" bis heute nicht gültig beantwortet haben. Jener ferne, drohende Krieg, der bereits stattfindet, der nie aufgehört hat, stellt sie uns abermals.

's ist leider Krieg - und ich begehre nicht schuld daran zu sein.'


"Liebe Freunde"

Text von Konstantin Wecker für die Aktion 'Friedensschiff'

Für die ehemalige amerikanische Außenministerin Albright war der Tod von über hunderttausend irakischen Kindern, auf Grund des Krieges und des Embargos, ein „Kollateralschaden“, ein Preis, der es „wert war, bezahlt zu werden.“ Diesem Zynismus können und dürfen wir uns nicht anschließen. Auf dem Reißbrett der Militärs werden Menschen verschoben wie leblose Zahlen. Von Strategen, die nicht daran denken würden, sich selbst oder ihre Kinder zu opfern. Auf den Schlachtfeldern haben diese Zahlen ein Gesicht, eine Geschichte, sind voller Hoffnung und Sehnsucht, haben Familie und Träume.

Für unsere Delegation hat das Leid der Menschen im Irak ein Gesicht bekommen.

Aus Zahlen und Statistiken wurden Menschen.

Menschen, die von dem härtesten Wirtschaftsembargo, das je über ein Land verhängt wurde, geschunden werden und von einem grausamen Diktator geknechtet sind, der bis kurz vor dem ersten Golfkrieg von den Westmächten gehätschelt wurde. Das Giftgas, das er gegen die Kurden einsetzte, kam aus den Vereinigten Staaten und aus Deutschland, und die Moral, die man jetzt so vehement wieder entdeckt, wurde dem big business wie so oft untergeordnet. Diese Tatsache entschuldigt Hussein nicht, aber sie nimmt uns in die Pflicht!

Mit einem Krieg gegen den Irak würde das Recht des Stärkeren installiert, anstatt das Recht zu stärken. Statt Terror zu verhindern, würde man den Terrorismus in der zutiefst gedemütigten islamischen Welt fördern.

Der damalige Außenminister James Baker sagte 1991: „Unsere Streitkräfte werden dafür sorgen, dass der Irak ins vorindustrielle Zeitalter zurückgeworfen wird“. Genau das ist geschehen.

In den 1980er-Jahren hatte das Land ein für diese Region vorbildliches Gesundheits- und Bildungssystem. Nun sterben fast 5000 Kinder monatlich an den Folgen des Krieges und der Sanktionen und 40 Prozent des irakischen Trinkwassers sind verunreinigt. 31 Prozent der Mädchen und 17 Prozent der Jungen verdienen, statt die Grundschule zu besuchen, Geld für die Familie, den Kranken stehen keine Medikamente zur Verfügung.

Wieder einmal haben geopolitische Erwägungen und die mit dem Erdöl verknüpften Interessen mehr Gewicht, als das Leid der Menschen.

„Wer Frieden will, muss mit dem Frieden anfangen“, sagt Gandhi, und Frieden beginnt mit Mitgefühl und Begegnung, Dialog und Respekt vor den Menschen.

„Je größer die Aufgabe und Verantwortung Einzelner bei der Gestaltung der Geschichte wird, ums so wichtiger ist es, dass jeder von uns lernt, seine Verantwortung im neuen Jahrtausend zu akzeptieren und an ihrer Erfüllung zu arbeiten.“

Diesen Worten des japanischen Friedenspreisträgers Daisaku Ikeda sollten wir uns jetzt mehr denn je verpflichtet fühlen.

Und ich glaube wirklich, wir haben noch eine Chance.

Gestern habe ich gelesen, dass der Stadtrat von Chikago mit großer Mehrheit eine Resolution gegen den drohenden Irak-Krieg unterschrieben hat. Mir wurde von Freunden aus der amerikanischen Friedensbewegung viel ermutigendes mitgeteilt. Sie ist jedenfalls viel größer, als es uns die Medien glauben machen wollen. Jan Winters, ein amerikanischer Kriegsveteran und Friedensaktivist, sagte mir in Bagdad, er danke den Deutschen für das Geschenk, das sie dem amerikanischen Volk machen, wenn sie gegen Bush und gegen den Krieg sind. Soviel zum Thema Antiamerikanismus. Und nicht nur in Amerika werden die Stimmen gegen den Krieg immer lauter. Auch hier bei uns scheint es, als würden viele aus einer langen Lethargie wieder aufwachen.

"Ein Tropfen auf dem heißen Stein kann der Beginn eines langen Regens sein!" Dieses Wort mexikanischer Ureinwohner sollte uns Mut machen.

Krieg ist Krankheit - keine Lösung.

In diesem Sinne grüßt Euch herzlich

Euer Konstantin Wecker


"Mr. President, nicht mit uns!"

Text von Walter Jens für die Aktion 'Friedensschiff'

Kein Drumherumreden, bitte sehr! Die Lage ist eindeutig, der Friedensauftrag der Deutschen unwiderrufbar. „Handlungen, die geeignet sind ...., die Führung eines Angriffskriegs vorzubereiten, sind verfassungswidrig und“ - aufgepasst! - „unter Strafe zu stellen“. Der Artikel 26 des Grundgesetzes kann nur von Politikern ausgehebelt werden, die bereit sind, einen Verfassungsbruch zu begehen - und dafür die Konsequenzen zu ziehen haben.

Warum also der entwürdigende Kotau vor der derzeit herrschenden amerikanischen Regierung und den Interessen der texanischen Oil-Connection? Eine schlichte Geste genügte - die Überreichung des Grundgesetzes: DA! Lesen Sie, Ladies und Gentlemen, und denken darüber nach, dass es in Deutschland einmal einen Mann namens Carlo Schmid gab, der sehr genau wusste, warum er im Grundgesetzausschuss den Verteidigern des Angriffskrieges die „in einer Verfassung stärkste rechtliche Verurteilung“ zudiktierte.

Und dabei soll’s bleiben: Kein Hinweis auf Bündnisverpflichtungen, wie sie heute von den Vereinigten Staaten, eigenen Interessen zunutze, in der Form eines Oktrois vertreten werden, setzt den in unserer Verfassung als zentrale Verpflichtung aller Deutschen formulierten Friedensvertrag außer Kraft.

George W. Bush und die Seinen haben endlich zu realisieren, dass zwischen Rhein und Oder Menschen mitbestimmen, die keine willfährigen „Bürger draußen im Lande“, sondern verantwortungsbewusste citoyens sind, die sich weigern, durch eine unbelehrbare Militärpolitik preisgebene Opfer wieder einmal als „Kollateralschäden“ abzubuchen.

So, Mr. President, nicht mit uns!


"Die Stimme (Unsere Stimmen gegen Krieg)"

Gedicht von Maryam Akhondy, aus Solidarität mit der Aktion 'Friedensschiff'

In Kabul herrscht Krieg
Die Mütter von New York vergießen Tränen
Teheran hat einen Knoten im Hals
Hungrige Kinder sind das Kopfsteinpflaster der Straßen von Delhi
Islamabad hat Fieber
Der Mensch ist krank
Und ich denke an die Stimme
An Musik
An Liebe
Die zwischen den Saiten des Robab*
In Kabul gefroren ist
Und an den einlullenden Gesang,
der auf den Zungen der Mütter von New York
vertrocknet ist
Und an die Sitars von Gandhi
Deren Protestsaiten verrostet sind
Und die Kinder jeden Tag im fünf -achtel Takt zu Boden fallen

Ich denke an Liebe, Musik und Stimmen
Und an die palästinensischen Mütter
Und an die Frauen von Kabul
Und an die Mädchen von Teheran
Und an die israelischen Witwen
Und die Ehefrauen von New York

Erhebt Euch!
nicht in Schweigen,
Sondern in Respekt vor Menschen
Und schenkt Eure Stimmen und Eure Liebe der Mütter der Welt
damit sie die 2000 Jahre alte Wünde der Menschen ertragen kann
Singt über Liebe, Liebe, Liebe
Und schreit ganz laut:
Menschen wollen Frieden
Hört auf mit dem Krieg! Liebe, Liebe, Liebe

Maryam Akhondy
Mitternacht, 25.09.2001

*Afghanisches Saiteninstrument