Köln, 1.5.2004 (3), DGB-Veranstaltung zum Ersten MaiBilder

Protest gegen Steinbrück ein großer Erfolg

Presseerklärung des Kölner Kommunalwahlbündnisses 'gemeinsam gegen sozialraub', 02.05.2004

SPD-Landtagsabgeordnete Anke Brunn konnte nicht mehr viel sehen, als "gemeinsam gegen sozialraub" aus Protest gegen Steinbrück das Transparent direkt vor der Rednerbühne entrollte.

Das Bündnis zu den Kölner Kommunalwahlen, „gemeinsam gegen sozialraub", wertet die massiven Proteste von Gewerkschaftern gegen den Auftritt des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Steinbrück auf der 1.Mai-Kundgebung des DGB in Köln, als einen großen Erfolg.

Das Wahlbündnis „gemeinsam gegen sozialraub" hatte auf seiner letzten Mitgliederversammlung einstimmig beschlossen, gegen den Auftritt des „Sozialräubers Steinbrück am 1. Mai massiv zu protestieren".

Pressesprecher und Ratskandidat Jörg Fischer erklärte hierzu: „Die Menschen auf dem Rudolfplatz haben deutlich gemacht, das sie von der Sozialraubpolitik der neoliberalen Einheitsparteien die Schnauze voll haben. Wir wissen, dass es derzeit weder im Bundestag, noch im Landtag, noch im Kölner Rat eine Interessensvertretung der Beschäftigten, der Erwerbslosen, der RenternerInnen und der Jugend gibt. Das aber wird sich, zumindest in Köln, bei den Kommunalwahlen im September mit dem Einzug von „gemeinsam gegen sozialraub" in den Rat ändern. Die Menschen sind nicht mehr bereit, sich jede Schweinerei von oben gefallen zu lassen, das hat jeder am 1. Mai auf dem Rudolfplatz sehen und hören können." Auch in der Zukunft will „gemeinsam gegen sozialraub" mit vielfältigen und phantasievollen Protesten Sozialräubern deutlich machen, dass es Widerstand gegen ihre asoziale Politik zu Lasten der Menschen gibt.

Jörg Fischer

Quelle: www.gemeinsam-gegen-sozialraub


Offener Brief an den DGB zum 1. Mai

Offener Brief der Sozialistischen Alternative Köln (SAV) vom 05.05.04 an Wolfgang Uellenberg-van Dawen

Herr Uellenberg-van Dawen,

am 1. Mai luden Sie als DGB Vorsitzender von Köln den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Peer Steinbrück (SPD) als Redner ein und standen neben ihm auf dem Podium. In verschiedenen Interviews haben Sie die Protestaktionen gegen dessen Auftritt aus Ihrer Sicht dargestellt.

Für die TeilnehmerInnen stellte sich die Situation bei der 1. Mai-Kundgebung entschieden anders dar. Es war die Mehrheit der Anwesenden, die Herrn Steinbrück "weggepfiffen" hat und keineswegs eine kleine Minderheit von 20-30 Störern. Die SAV war mit ihrem Protest nicht allein. Die Pfiffe, das Meer der Transparente und "roter Karten für Steinbrück", die "Hau ab" Rufe aus vielen hundert Kehlen haben eine klare Sprache gesprochen. Neben der Gewerkschaft ver.di zeigten auch Kölner Initiativen wie Pro Hort dem Ministerpräsidenten die "Rote Karte". Selbst die DGB-Jugend Köln forderte: "Kein Rederecht für diejenigen, die die Errungenschaften der Arbeiterbewegung angreifen". Bei dem gemeinsamen Protest konnten wir keine von der Presse als "Chaoten" bezeichneten Menschen wahrnehmen.

Herr Uellenberg-van Dawen, Ihre Einladung an Peer Steinbrück als Redner zur 1. Mai Kundgebung stellt den wahren Skandal dar, damit haben Sie die Proteste erst provoziert. Herr Steinbrück "steht gegen alles, wofür die Gewerkschaften in der Vergangenheit gekämpft haben" (Zitat eines Spontan-Redners). Die Einführung von Studienkonten und -gebühren, Arbeitszeitverlängerung und damit Lohnsenkungen im öffentlichen Dienst, und der Widerstand gegen die Ausbildungsplatzabgabe sind nur die jüngsten Beispiele des Streichorchesters, für das er und seine Politik stehen.

Mitglieder der SAV haben als Teil des Personen-Wahlbündnisses gemeinsam gegen sozialraub am 1. Mai teilgenommen. Am Feiertag der Arbeiterbewegung war es selbstverständlich, sowohl an Demo und Kundgebung als auch am Protest gegen diesen Redner teilzunehmen, der sich als einer der schärfsten Verfechter von sozialen Verschlechterungen für die meisten Menschen in NRW hervorgetan hat. Wenn Leute wie er vor Publikum für ihre arbeitnehmerfeindliche, unsoziale Politik Werbung machen wollen, dann sollen sie eine eigene Veranstaltung organisieren.

Die Mitglieder der SAV sind keine Chaoten. Viele sind selbst aktive Gewerkschaftsmitglieder. Ein SAV-Mitglied wurde auf die Bühne gebeten, bei seiner spontanen Rede argumentierte er für mehr Arbeitsplätze und gerechten Lohn. Steinbrück habe den Kontakt zu den Arbeitern und Erwerbslosen verloren. Ein anderer Redner wandte sich gegen Stellen- und Sozialabbau. Er schlug vor, bei der Rüstung zu sparen, man brauche keine Eurofighter.

Die Stimmung gegen Sozialabbau aktiv zu werden wird größer. Ob die Verschlechterungen nun von schwarz, grün, gelb oder rot kommen, macht für Erwerbslose, Beschäftigte, RentnerInnen und Jugendliche keinen Unterschied. Der DGB sollte an vorderster Stelle beim Widerstand gegen eine Politik im Interesse einer kleinen reichen Minderheit stehen. Er sollte vielmehr für die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung eintreten!

Für weitere Informationen über die SAV: www.sozialismus.info

Mehr Informationen über das Wahlbündnis gemeinsam gegen sozialraub finden Sie unter: www.gemeinsam-gegen-sozialraub.de.

Für die Sozialistische Alternative (SAV), Frank Kühl, Nadja Hujer

Quelle: www.sozialismus.info


Steinbrück lautstark ausgepfiffen

Einschätzung der IG Metall zur Mai-Kundgebung des DGB NRW in Köln

Rote Karten, gellende Pfiffe, lautstarke "Hau-ab"-Schreie: Als NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück auf der Mai-Kundgebung in Köln sprechen wollte, hatte er Mühe, sich Gehör zu verschaffen. Der SPD-Politiker nahm dem Protest die Spitze, bat einen der Demonstranten auf die Bühne. Steinbrück stehe "für alles, wogegen die Gewerkschaften kämpfen", erklärte der junge Mann seine Empörung.

Steinbrück verteidigte die Arbeitszeitverlängerung im öffentlichen Dienst mit den gestiegenen Personalkosten, die den Landeshaushalt immer stärker belasteten. Er stieß damit aber auch beim DGB auf kein Verständnis. "Die 41-Stundenwoche muss weg", forderte der Kölner DGB-Vorsitzende Wolfgang Uellenberg-van Dawen.

Zur Ausbildungsplatzumlage äußerte sich ihr Gegner Steinbrück nicht. Der DGB-Vorsitzende von NRW, Walter Haas, appellierte an den Ministerpräsidenten, das geplante Gesetz nicht am Votum Nordrhein-Westfalens scheitern zu lassen. Es sei "ein Armutszeugnis", dass nur ein Viertel aller Betriebe ausbilde.

Quelle: www2.igmetall.de


Steinbrück in Köln ausgepfiffen

Artikel von Frank Überall und Jürgen Schön in der 'taz' Köln vom 3.5.2004

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Peer Steinbrück wird am 1. Mai bei der Kundgebung des DGB mit "Hau ab" und Roten Karten empfangen. Nach knapp zehn Minuten bricht er seine Rede ab

Ministerpräsident Peer Steinbrück war der Auftritt sichtlich unangenehm. Bei der Kundgebung zum 1. Mai am Samstag in Köln wurde er mit mit Pfiffen, "Hau ab!"-Rufen und "Roten Karten" begrüßt. Seine Kritiker wollten ihn nicht zu Wort kommen lassen - und schafften es schließlich. Nach zehn Minuten brach er seine Rede ab. Er hätte vorgewarnt sein müssen: Schon als Kölns DGB-Chef Wolfgang Uellenberg-van Dawen ihn zu Beginn der Kundgebung angekündigt hatte - "es ist seit 38 Jahren Tradition, dass der Ministerpräsident bei der zentralen NRW-Kundgebung auftritt, auch wenn wir nicht einer Meinung sind" - hatte es lautstarke Proteste gegeben. Ver.di hatte zuvor hunderte "Roter Karten" verteilt, um zu zeigen, "dass wir mit Steinbrücks Politik nicht einverstanden sind", sagte Gewerkschaftssekretär Bernd Petri und meinte vor allem die Arbeitszeitverlängerung im öffentlichen Dienst und Steinbrücks Ablehnung der Ausbildungsplatzabgabe.

Knapp 2.000 Menschen - die Hälfte von ihnen Mitglieder ausländischer Organisationen und Parteien - waren dem Aufruf des DGB zum 1.-Mai-Marsch gefolgt. Er endete erstmals auf dem Rudolfplatz, der traditionelle Alter Markt war wegen Bauarbeiten gesperrt. Hier drängelten sie sich zwischen Bier- und Würstchenbuden und den Infoständen von Gewerkschaften und Parteien.

War die Stimmung bei den Reden von Uellenberg - im Gewerkschaftsjargon würde man sie "kämpferisch" nennen - und des DGB-Landesvorsitzenden Walter Haas - er las vom Blatt ab und wurde nur selten von Beifall unterbrochen - noch ruhig, eskalierte sie mit dem Auftritt von Steinbrück.

Zwei Minuten lang ertrug der SPD-Politiker den Protest schweigend. Dann versuchte er es mit "Pfeifen löst kein Problem" und wies auf "Gesichter mit unverständlichem Hass" hin. Schließlich schaffte er noch zu spärlichem Beifall ein paar Sätze zur Agenda 2010, der Notwendigkeit, das Renten-, Sozial- und Gesundheitssystem zu reformieren, zu EU-Erweiterung und Irak-Krieg.

Doch auch das stoppte den Protest nicht. So bat er dann zwei Protestler zur "Talkshow" auf die Bühne, die von dieser Gelegenheit, ihre Forderungen öffentlich zu machen, sichtlich überrascht waren. Die Protestler waren trotzdem zufrieden: "Wir haben gezeigt, dass sich die Bevölkerung nicht alles bieten lässt", sagte einer der taz. Für Uellenberg war klar: "Die Störer kamen von der selbst ernannten Avantgarde der Sozialistischen Alternative und der MLDP. Sie sollen in Zukunft gucken, wo sie bleiben." Er habe zunächst erwogen, mit Ordnern gegen sie vorzugehen, dann aber darauf verzichtet. Die Gewerkschaften würden es aushalten, dass ein Ministerpräsident auf ihrer Veranstaltung rede.

Zwar kritisierte auch Uellenberg Steinbrücks Politik heftig, lobte zugleich aber auch, dass dieser bislang Eingriffen in die Tarif- und Betriebsautonomie widerstanden habe. Zugleich las er seinen SPD-Parteifreunden in Land und Bund die Leviten: "Überlegt doch mal, was da an Vertrauen kaputt gegangen ist. Die Menschen sind doch nicht dumm oder verbiestert."

Mit einer eher peinlichen Versöhnungsgeste endete der politische Teil der Veranstaltung: Haas, Steinbrück und Uellenberg nahmen sich bei den Händen und knödelten eher als dass sie sangen "Brüder zur Sonne zur Freiheit".

Quelle: www.taz.de


Peer Steinbrück haute ab

Artikel in der 'taz' NRW vom 3.5.2004

Zu einem so genannten "Eklat" kam es auf der DGB-Kundgebung zum 1. Mai in Köln. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) musste seine Rede (siehe Monsterkillen in Nippes) auf der Veranstaltung wegen eines lauten Pfeifkonzertes abbrechen. "Ich weiche ungern", so Steinbrück. "Aber dies ist ein Armutszeugnis, das mit Politik nichts zu tun hat und Dialogunfähigkeit zeigt." Die rund 2.000 Teilnehmer der landeszentralen DGB-Aktion hatten Steinbrück mit "Hau ab"-Rufen und hochgehaltenen roten Karten empfangen. Peer Steinbrück versuchte vergeblich, den Reformkurs der rot-grünen Bundes- und Landesregierung zu erklären.

Auf den Vorwurf der Dialogunfähigkeit entgegnete der DGB-Landesvorsitzende Walter Haas: "Wir haben es nicht nötig, uns vorschreiben zu lassen, wen wir reden lassen wollen." Die Gewerkschaftsführung bezeichnete die laut schreienden Demonstranten nach Veranstaltungsende als "einzelne Chaoten". Zwei Teilnehmer der Kundgebung holte sich Steinbrück auf die Bühne, um mit ihnen zu diskutieren. Dabei beschimpften sie ihn unter anderem als "Polit-Bonzen". Der SPD-Politiker stehe für alles, gegen das die Gewerkschaft bisher gekämpft habe, sagte ein Demonstrant. Die Steinbrück-Fans machten sich bei der Kundgebung nicht lautstark bemerkbar. Im Bild: der junge Kölner SPD-Chef Jochen Ott (rechts).

Quelle: www.taz.de


Pfiffe für »Politbonzen« Steinbrück

1. Mai in Köln: Schröders Landesfürst verging die Lust am Reden - Artikel von Jochen Bülow in 'Neues Deutschland' vom 3.5.2004

Pfiffe und »Hau ab«-Rufe für Ministerpräsident Peer Steinbrück; geringe Beteiligung an den 1.Mai-Demos der Gewerkschaften in NRW – die Verstimmung zwischen Arbeitnehmern und SPD ist groß.

Vielleicht 1000 Menschen waren dem Aufruf des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zur zentralen Mai-Kundgebung in Köln auf den Rudolfplatz gefolgt. Zum Vergleich: Den endgültigen Abschied des 1. FC Köln aus der Fußballbundesliga wollen einige Stunden später und einige Kilometer entfernt etwa 50000 Menschen sehen.

Von Festtagsstimmung ist aber auch bei den Fußball-Abstinenzlern keine Spur zu erkennen, eher mürrisch nimmt die Basis die Worte der DGB-Redner zur Kenntnis. Auch mehr oder weniger deutliche Kritik an der Berliner Regierung, am Kanzler, an Hartz und der als »Gelaber 08/15« verspotteten Agenda 2010 lockt kaum jemanden aus der Reserve.

Das ändert sich erst als NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) die Bühne betritt: »Hau ab, Hau ab«, schallt es ihm aus einigen hundert Kehlen entgegen, sehr viele Zuschauer recken dem Ministerpräsidenten rote Pappen mit der Aufschrift »Rote Karte für Steinbrück« entgegen. Eine Weile schaut Steinbrück dem Volkszorn ins Auge. Wartet ab. Dann nutzt er doch die phonetische Überlegenheit der Verstärkeranlage.

Zu seiner Rede kommt Steinbrück nicht. Dabei hatte er sogar ein wenig Selbstkritik vorbereitet: »Ich weiß, dass unsere Politik, die Politik der Landesregierung und der Bundesregierung, für viele erst einmal Zumutungen bedeutet.« Steine statt Brot. Dann übermannen ihn basisdemokratische Anwandlungen: »Los, hoch hier«, beordert der Ministerpräsident einen Demonstranten mehr auf die Bühne als er ihn einlädt: »Sie sind mir als besonders erregt aufgefallen«, erklärt er und lässt den Mann ans Mikro. Der nutzt die Chance: »Sie sind ein Polit-Bonze«, sagt er Steinbrück ins Gesicht, »Sie stehen genau für die Dinge, die Gewerkschafter schon immer bekämpft haben – und wir werden das weiter tun.«

Mit versteinertem Gesicht nimmt der Mann im feinen Zwirn den Anwurf zur Kenntnis – und erwidert später, er habe keine Argumente, sondern nur Vorwürfe und Beleidigungen gehört. Begleitet von Personenschützern und Polizisten in voller Kampfmontur verlässt Steinbrück den für ihn ungastlichen Ort – nur um kurze Zeit später in Duisburg, auch bei einer DGB-Demo zum 1. Mai, ähnlich warm empfangen zu werden.

In Köln klärt derweil Wolfgang Uellenberg-van Dawen über die sprachlichen Möglichkeiten eines örtlichen DGB-Vorsitzenden auf: »Verdammte Sch..., wir lassen uns nicht vorschreiben, wen wir auf unsere Mai-Demo einladen.« Höhnisches Gelächter ist die Antwort. Offenbar hat kaum jemand die Diskussion über die 41 Arbeitsstunden pro Woche im Öffentlichen Dienst und das gekürzte Weihnachtsgeld vergessen. Im Gegensatz zu den Texten gewerkschaftlichen Liedgutes: Geradezu kläglich und vom Band streben die »Brüder zur Sonne, zur Freiheit«. Dann geht es kollektiv an die Bierstände. Im Kölner Fußballstadion wäre die Entscheidung des Schiedsrichters klar gewesen: Der DGB steht im Abseits.

Quelle: www.nd-online.de