Berlin, 14.5.2004, 'Es geht auch anders!' - Perspektivenkongress | ![]() |
Radikalisierung der Aktionsformen in Aussicht Von Hans-Dieter Hey, Arbeiterfotografie Vom 14. bis 16. Mai trafen sich in Berlin Vertreter von Gewerkschaften, attac, Sozial- und Umweltverbänden, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie über 1000 Teilnehmer, um den gemeinsamen Nenner für einen Widerstand gegen die immer brutaler werdenden sozialen Verhältnisse in Deutschland auszuloten. Unter dem Motto „Es geht auch anders“ hat der hochkarätig besetzte Perspektivkongress deutlich gemacht, dass ein breites Spektrum alternativer Politikansätze existiert. Neben der Entwicklung dieser Perspektiven in über 100 Vorträgen und Workshops soll eine breite Front gegen das neoliberale Gesellschafts- und Politikmodell geschaffen werden, welches immer mehr Menschen in Not und Verzweiflung bringt. Die Politik von Margreth Thatcher hat in den 80er Jahren zu einer Kahlschlagpolitik in Großbritannien geführt, die als sogenannte „TINA-Doktrin“ - There Is No Alternative - bezeichnet wurde. Längst findet sich diese Politik als „Sachzwangpolitik“ bei rot-grün wieder, die Schröder ebenfalls als alternativlos bezeichnet. Doch diesen Sachzwang gibt es nicht, weil er auf purer Ideologie gründet. Und nun werden die Risse dieser Ideologie immer deutlicher, der hinterlassene Scherbenhaufen größer und damit die Ausbruchsversuche aus dem zwangsweise verordneten Fatalismus heftiger. Der Kongress konnte davon überzeugen, dass eine andere und zukunftsweisende Politik möglich ist. Mit Vorschlägen zu Bürgerversicherung, einem existenzsichernden Mindesteinkommen, zu ökologischem Umbau, Kontrolle der internationalen Finanzmärkte, sozialer Gerechtigkeit, zukunftsweisender Wirtschaftspolitik, gerechter Finanz- und Steuerpolitik, Bildungs- oder Tarifpolitik und einem Europa als Zivil- statt Militärmacht will man andere Wege gehen. Doch das ist offensichtlich von rot-grün und schwarz-gelb nicht gewollt. Die bürgerlichen Parteien setzten weiterhin auf eine Umverteilung der Vermögen von unten nach oben und eine Militarisierung Europas und machen damit klar, dass sie dem Druck der neoliberalen Lobbyisten nichts entgegen setzen wollen und eine Politik gegen immer mehr Bürgerinnen und Bürger vorziehen. Deutlich wird dies auch durch den Kniefall der Sozialdemokratie vor dem Euro-Finanz-Diktat, welches den Zerfall des historischen Bündnisses von Sozialdemokratie und Gewerkschaften herauf beschwor und zum offenen Bruch führte. Es ist die Zwangsfolge neoliberaler sozialdemokratischer Politik. Dieser Bruch hat aber auch eine positive Seite: Die Befürworter einer anderen Politik, die sich für eine Rückgewinnung der Demokratie oder für eine Befreiung der Gewerkschaften vom Parteiendiktat einsetzen, erhalten den notwendigen Auftrieb. Sie wollen ihre Kräfte zukunftsweisend als außerparlamentarische Opposition oder in anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen entfalten. Doch die Gegner sind vermögend und daher mächtig: Mit 100 Millionen Euro unterstützt die deutsche Wirtschaft den neoliberalen Kurs unter der Überschrift „Neue soziale Marktwirtschaft“, berichtet „Neues Deutschland“ an jenem Wochenende. Sie bedient sich dabei der deutschen Einheitspresse, damit auch dem letzten deutschen Michel klar wird, wo’s hingehen soll. Die indische Schriftstellerin Arrundhati Roy machte die weltweite Gefährdung der Pressefreiheit auf dem Weltsozialforum 2004 in Mumbay sehr deutlich: „Pressekonzerne unterstützen nicht das liberale Projekt, sie sind das liberale Projekt“. Und so werden auch hier errungene Freiheitsrechte aufs Spiel gesetzt. Es bleibt daher nicht aus, dass mehr Gegendruck von unten folgen muss und die Forderung nach Verstärkung des Widerstandes erhoben wird. Mit zivilem Ungehorsam sollen sich die Menschen ihre sozialen Rechte wieder aneignen. P. Shayar von attac setzt dabei auf einen harten Widerstand: „Es ist an der Zeit, über eine Radikalisierung der Aktionsformen nachzudenken“, erklärt er der taz. Für die Akteure drängt die Zeit. Denn ab dem 1. Januar 2005 wird „Hartz IV“ umgesetzt. Bis dahin möchte Sven Giegold von attac „den Herrschaften gehörig in die Suppe spucken“, verspricht er der Wochenzeitung „Freitag“ am 14.05. Mit der Einführung des Arbeitslosengeldes II und der Senkung der Sozialhilfe bedeutet das für über zwei Millionen Menschen das soziale und finanzielle Aus und bittere Armut. Dies führt zu einem unerhörten Druck auf bestehende Beschäftigungsverhältnisse und Tarife mit einem noch größeren Heer verarmter Erwerbsloser. Und so war es kein Wunder, dass ein Kongressteilnehmer sich erboste: „Das ist Faschismus pur“ und eine Teilnehmerin sich aufregte: „Diese neoliberale Politik schüttet die Menschen in den Abfluss wie Schmutzwasser als wären sie nichts“. Die Angriffe sind zu verstehen, denn eine derartige Ausgrenzung von Millionen von Menschen aus den Grundrechten und der Lebenswelt des Rests der Republik bedeutet eine Form von „Apartheid“ und trägt damit faschistoide Züge. Doch nicht nur hier brennt es. Unter dem Deckmantel der Gründung Schröderscher „Eliteuniversitäten“ sollen die Bürgerinnen und Bürger darüber getäuscht werden, dass hier ein großer Kahlschlag geplant ist. Unter Anspielung auf den Mauerbau 1961 machen Studenten dies auf einem Spruchband deutlich: „Niemand hat die Absicht, eine Fakultät zu schließen“. Damit nicht genug: Gegen das Europäische Parlament und unter Ausschaltung des demokratischen Willens der Bürger hat die Europäische Kommission den gentechnologischen Anbau von Naturprodukten beschlossen. Und als ob dies noch nicht reicht: Die geplante europäische Verfassung sieht erstmals eine militärische Aufrüstung vor. Eine Aufrüstung mit Verfassungsrang und eine Eingreiftruppe, die Angriffskriege ohne Einschaltung der Parlamente durchführen kann, ist einmalig in der europäischen Nachkriegsgeschichte und außerordentlich bedrohlich für den Frieden. Hierdurch wird klar, dass sich Europa immer weiter von demokratischen Grundsätzen entfernt und Wahlen zur Makulatur werden. Trotz der Massenproteste und Demonstrationen überall in der Republik, dem Vertrauensschwund gegenüber den Politikern und gegenüber Europa lässt man sich nicht zu einer anderen Politik bewegen. Dabei wird immer deutlicher, dass diese längst nicht mehr das Sagen hat, sondern vor dem Druck der neoliberalen Lobbyisten zu Kreuze kriecht. Inzwischen nimmt es jedoch eine Form von krankhaftem Starrsinn an, wenn die Rogowskys und Hundts, die Schröders, Merkels, Mertz, Fischers und Westerwelles dieser Republik den erkennbaren Verfall des Neoliberalismus nicht wahrhaben wollen, weil nicht sein kann was nicht sein darf. Doch das Scheitern hegemonialer Großmannssucht wird immer deutlicher. Und die Menschen bleiben dabei auf der Strecke. Deshalb darf mit Spannung erwartet werden, ob die Bürgerinnen und Bürger genug Kraft aufbringen, Widerstand gegen den neoliberalern Kahlschlag zu erheben. Es geht auch anders! Aufruf zum Perspektivenkongresses (vom Februar 2004) Wir erleben eine zunehmende Polarisierung unserer Gesellschaft: Menschen werden aus dem Erwerbsleben ausgegrenzt oder in prekäre Beschäftigung abgedrängt, die Ungleichverteilung von Lebens- und Beteiligungschancen wächst und die soziale Schieflage bei Einkommen und Vermögen nimmt zu. Das Bildungssystem verfestigt soziale Barrieren statt sie zu überwinden. Marktlogik und Konkurrenzdenken durchdringen immer mehr Lebensbereiche und prägen das soziale und kulturelle Klima. Der Sozialstaat wird mit gezielten Kampagnen in seinen Fundamenten angegriffen. Auf Kritik reagieren Politiker und ihre Berater aus Wirtschaft und Wissenschaft einsilbig: ”Weiter so! Es gibt keine Alternative”. Dies ist nicht nur Betrug an Hoffnungen, Bedürfnissen und Wünschen der Menschen, es ist schlicht falsch. Weder auf Globalisierung noch auf das Älterwerden einer Gesellschaft muss mit der ”betriebsbedingten Kündigung” der Solidarität der Starken mit den Schwachen reagiert werden. ”Eigenverantwortung” ist zum Schlagwort geworden, mit dem Lebensrisiken zur Privatsache erklärt werden und den Menschen gesellschaftliche Solidarität entzogen wird. Es heißt, jede und jeder könne des eigenen Glückes Schmied werden - wer aber sein Glück nicht selber schmiedet, hat auch keins und bleibt auf der Strecke. Wir erfahren, wie mächtige Akteure aus Unternehmen, Parteien, Medien und Wissenschaft eine radikale Marktgesellschaft durchsetzen wollen und dabei beanspruchen, im Interesse aller zu handeln. Denen, die ihre sozialen Interessen verteidigen und den Ausgleich der ökologischen und sozialen Schwächen des Marktes fordern, wird vorgehalten, sie seien egoistisch. Das Wort ”Reform” bedeutet heute fast immer Kürzungen und Einschnitte, die auf einen grundlegenden Umbau der Gesellschaft zielen und dabei der Bevölkerung gesamtwirtschaftlich weitgehend nutzlose Opfer abverlangen. ”Strukturreformen” wie die ”Agenda 2010” sind für viele zum Sinnbild einer sozial ungerechten Politik geworden, bei der immer mehr Menschen an Freiheit verlieren, das eigene Leben zu gestalten. Gegenwärtig besonders betroffen sind Frauen und Langzeitarbeitslose, die hinter bereits erreichte Standards zurückgeworfen werden und ökonomische Unabhängigkeit einbüßen. Die Wirtschafts- und Sozialpolitik senkt seit Jahren Steuern und Sozialabgaben für die Unternehmen und will mit einer verbesserten internationalen Wettbewerbsfähigkeit die binnenwirtschaftliche Krise lösen. Gleichzeitig wird nach dem europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt das Kürzen öffentlicher Haushalte zum obersten Ziel der Finanzpolitik. Das verstärkt die gravierende Nachfrageschwäche, die auch vielen Unternehmen zum Verhängnis wird. Im globalen Maßstab nehmen Konzentrationsprozesse und Verteilungskonflikte zu. Angesichts dessen steigt die Tendenz, den Zugang zu Ressourcen und Märkten mit militärischer Gewalt abzusichern und durchzusetzen. Welche Alternativen lassen sich der Markt- und Wettbewerbsideologie entgegensetzen und wie kann man die Menschen für diese Perspektiven gewinnen? Wie kann ein demokratisches solidarisches Zusammenleben aussehen? Wir wollen uns diesen Fragen im Rahmen eines großen Kongresses stellen. Wir wollen Alternativen finden, verbreiten und für sie streiten. Dazu zählen z.B. der ökologische Umbau, der Ausbau sozialer Dienstleistungen, mehr öffentliche Investitionen in Bildung und Infrastruktur, eine wirksame Umverteilung nach unten durch Vermögensteuern und Mindestbesteuerung von Unternehmen, eine solidarische Bürgerversicherung oder ein existenzsicherndes Mindesteinkommen für alle Menschen. Viele gute Ideen, von der Arbeitszeitverkürzung über die Nachfrageorientierung in der Wirtschaftspolitik bis hin zur stärkeren Unternehmenskontrolle, sind auch heute sinnvoll und müssen wieder Eingang in die politische Debatte finden. Unter Innovation verstehen wir etwas anderes als vorrangig Hochtechnologie zu subventionieren und den Niedriglohnsektor auszuweiten. Auch wenn wir uns als Kritikerinnen und Kritiker der gegenwärtigen Politik keineswegs in allen Punkten einig sind, so verbindet uns doch die Überzeugung, dass bessere Wege möglich sind, wenn man sie politisch will. Wir sind uns ebenfalls einig, dass wir Alternativen nicht im nationalstaatlichen Rahmen isoliert denken und umsetzen wollen. Alternativen eines solidarischen Miteinanders müssen für alle Menschen in Europa und in anderen Weltregionen eine lebenswerte Perspektive bieten. So groß auch immer die Herausforderung klingen mag, ein Anfang ist gemacht. Nicht erst seit der großen Demonstration am 1. November 2003 in Berlin werden die Stimmen lauter, die eine andere Politik fordern und an Veränderungen arbeiten wollen. Am 3. April 2004 wird europaweit gegen einschneidende und einseitige Sozialreformen protestiert. Für den Mai 2004 laden wir all jene zu einem Kongress über die Perspektiven einer emanzipatorischen Gesellschaft nach Berlin ein, die Wege zu mehr Gerechtigkeit und demokratischer Teilhabe finden und gehen wollen. Der Kongress soll einen Beitrag leisten, den möglichen Alternativen Gehör zu verschaffen. Dafür wünschen wir uns ein breites Bündnis aus gewerkschaftlichen und kirchlichen Milieus, sozialen Initiativen, Migrantinnen und Migranten, Studierenden, Künstlerinnen, Künstlern und der Umwelt-, Frauen-, Friedens- und globalisierungskritischen Bewegung. Bieten wir der angeblichen Alternativlosigkeit die Stirn! Solidarität und soziale Gerechtigkeit sind möglich! Quelle: ![]() Abschlußerklärung Gemeinsame Pressemitteilung vom 16. Mai 2004 Rund 2000 Teilnehmer bei »Perspektivenkongress« in Berlin Konzepte für Steuergerechtigkeit, Bürgerversicherung und Arbeitszeitverkürzung Mit rund 2000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern hat der »Perspektivenkongress«, der heute in der TU Berlin zu Ende geht, die Erwartungen der Veranstalter weit übertroffen. Unter dem Motto »Es geht auch anders!« ging es in 125 Veranstaltungen um Alternativen zur neoliberalen Politik und Strategien zu ihrer Durchsetzung. In den Vorträgen, Workshops und Podien wurde deutlich, dass es - anders als von Regierung und Opposition behauptet - viele realisierbare Alternativen gibt. Statt die sozialen Sicherungssysteme abzubauen und zu privatisieren, sollten sie zu einer umfassenden Bürgerversicherung für alle Menschen und Einkunftsarten ausgeweitet werden. Auf große Zustimmung stieß auch das Konzept einer »Solidarischen Einfachsteuer« von ver.di und Attac, das kleine und mittlere Einkommen entlastet, während Steuerflucht bekämpft wird. Den aktuellen Bestrebungen, die Arbeitszeiten zu verlängern, setzte der Kongress die Forderung nach Umverteilung und Verkürzung der Arbeitszeiten entgegen. Auf breite Ablehnung stießen die Hartz-Gesetze, die für Millionen Menschen auch jeden noch so schlecht bezahlten Job für zumutbar erkären oder sie in die Armut treiben. Gefordert wurden stattdessen existenzsichernde Löhne, auskömmliche Renten und eine Grundsicherung für alle. Beim Kongress wurde zudem deutlich, dass viele politische Fragen im Zeitalter der Globalisierung nicht auf nationaler Ebene zu lösen sind, sondern dass soziale Rechte auf internationaler Ebene durchgesetzt und ausgeweitet werden müssen. Dazu müsse die EU dringend ihre neoliberale Orientierung aufgeben und demokratischer werden. Um einen Richtungswechsel in der Politik zu erreichen, wollen die Träger des Kongresses, darunter neben Gewerkschaften Organisationen aus Wissenschaft, Kirche, Sozialverbänden und viele weitere politische Initiativen und soziale Bewegungen, ihre Zusammenarbeit ausbauen. Neben lokalen Bündnissen wurden beim Kongress Aktionen zu den Themen Steuergerechtigkeit und Arbeitszeitverkürzung beraten. Auch zeichnet sich ab, dass es im nächsten Jahr erstmals ein Sozialforum in Deutschland geben wird. Berichte und Fotos von vielen Veranstaltungen des Kongresses: http://www.perspektivenkongress.de Für Rückfragen:
![]() Fortsetzung des Kongresses vor Ort: Vernetzen und Themen bündeln Bericht über das Vernetzungstreffen Der Perspektivenkongreß in Berlin endete nicht mit mit dem offiziellen Abschlußpodium, sondern mit einem Vernetzungstreffen: Rund 90 interessierte Teilnehmerinnen und Teilnehmer setzten sich zusammen, um zu beraten, wie die Inhalte des Kongresses weitergetragen werden könnten. Einigkeit gab es schnell über das formale Vorgehen: Die engagierten Gruppen, die auf dem Kongreß miteinander ins Gespräch gekommen waren, sollten jetzt örtlich und regional aufeinander zugehen und die Themen des Kongresses zum Gegenstand gemeinsamer Aktivitäten machen. Der Kontakt zwischen lokalen Gewerkschaftsorganisationen und den örtlichen politisch aktiven Gruppen wurde besonders empfohlen. Das könne z. B. schon damit beginnen, daß sich nichtgewerkschaftliche Gruppen bzw. gemeinsame Foren in Gewerkschaftshäusern treffen. Nicht ganz so einfach war es bei der Frage, welche Themen Gegenstand gemeinsamer Aktivitäten sein könnten. Horst Schmitthenner von der Industriegewerkschaft Metall machte namens des Kongreß-Vorbereitungskreises den Vorschlag, die Fülle der Inhalte in vier Themengruppen zu bündeln. Die Diskussionsteilnehmer griffen den Vorschlag im wesentlichen auf und trugen Details zur inhaltlichen Ausgestaltung bei: Arbeit und Armut Darunter fallen Themen wie Niedriglohn-Strategien, Umbau des Sozialsystems, Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, Fragen der Eigentumsverteilung; Arm und Reich, öffentliche Armut und privater Reichtum, Ausbeutung der Dritten Welt, alternative Wirtschaftspolitik, Sozialabbau allgemein, Steuergerechtigkeit, Forderungen nach Rückkehr zum Sozialstaat ... Arbeitszeitverlängerung (bzw. -verkürzung) Einzelthemen: Arbeitsdruck im Betrieb, Gesundheitsprobleme, Tariffragen, Ladenöffnungszeiten, Forderung nach der 30-Stunden-Woche ... Privatisierungswahn Einzelthemen: Fragen der öffentlichen Daseinsvorsorge, Wasser, Stadtwerke, Schulen, Hochschulen, Bürger- oder Privatversicherung, Gesundheitswesen, GATS-Forderungen, politische Entscheidungsverlagerung auf die Wirtschaftsebene, Entdemokratisierung ... Standortkonzepte, Standortkonkurrenz Einzelthemen: Konkurrenz statt Kooperation und was dabei herauskommt lokal, regional, national, international; zukunftstaugliche Modelle einer Kooperation, Konkurrenzen in der EU, Entwicklungsmodelle für die Dritte Welt ... Es zeigte sich jedoch, daß diese vier Punkte nicht das gesamte Themenspektrum abdecken. Es wurden noch folgende Themenbereiche genannt, die sich nicht ohne weiteres unter die o. a. vier Punkte subsummieren lassen: Die Sozialverbände lassen sich nicht mobilisieren, wenn die Themen ausschließlich auf die Erwerbsarbeit zielen. Aber die Mitglieder dieser Gruppen seien vom Sozialabbau wesentlich betroffen. Mehrere Diskussionsteilnehmer/innen brachten die Themenfelder Ökologie und Wachstum zur Sprache. Stichworte: Ende des Wachstums; Subsistenzwirtschaft; Versuche, anders zu leben; Hinweise darauf, das eigene Leben zu ändern ... Ein Teilnehmer erhielt Beifall für seinen Hinweis, er vermisse die Thematisierung der deutschen Bildungskatastrophe, die freilich durchaus unter dem Punkt »Arbeit und Armut« Platz finden könnte. Ein anderer Hinweis betraf weniger die Einzelthemen, dafür aber die allgemeine politische Strategie: Es sei im Hinblick auf die Bewegungen in anderen Ländern eine »internationale Argumentation« notwendig; man müsse jetzt auch den »Kampf um Begriffe« beginnen. Als Generalthema wurde vorgeschlagen: »Es ist genug für alle da«; ein anderer meinte, die Themen sollten immer so gewählt werden, daß mit den Worten »für alle« enden. Der Beifall dafür hielt sich in Grenzen. Fazit: Die allgemeine gesellschaftskritische Richtung war deutlich, aber ein Generalmotto für die Aktivitäten der nächsten Zeit fand sich so schnell nicht. Indessen stehen die nächsten Aktionstermine fest: Im Oktober findet in London das Europäische Sozialforum statt. Auch ein deutsches Sozialforum ist geplant; das Vorbereitungstreffen dafür ist im Juli. Schließlich droht für viele Menschen zum Jahresbeginn 2005 ein neuer Schritt in die Armut, wenn die Hartz-IV-Regelungen (Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe) in Kraft treten, was verhindert werden solle. Vielleicht, so Sven Giegold von Attac, ließe sich der Buß- und Bettag als Aktionstag besetzen; so bekäme man auch die Kirche ins Boot. Der Trägerkreis des Perspektivenkongresses wird nun die Ergebnisse des Kongresses und des Vernetzungstreffens auswerten und die nächsten Schritte beraten. Quelle: ![]() Mitträgerorganisationen des Perspektivenkongresses Mitträgerorganisationen (tragen zum Kongress mit finanziellen Zuschüssen und/oder mit inhaltlichen Beiträgen zum Programm bei):
![]() Programmm des Perspektivenkongresses Der Vorbereitungskreis der Träger gestaltet das Kernprogramm des Kongresses. Hinzu kommen Workshops und Vorträge, die von Initiativen, Gruppen, Verbänden aus dem Träger- und Unterstützerkreis in eigener Verantwortung angeboten, organisiert und durchgeführt werden."Auch Fachbereiche und Gliederungen von ver.di und die Gewerkschaften des DGB werden angesprochen, eigene Beiträge einzubringen. Das hier vorgestellte Programm entspricht dem Planungsstand vom 10.3.04. Alle Titel sind Arbeitstitel, die Beschreibungen der Schwerpunkte sind vorläufig. Freitag 14.05.2004 18:00 Uhr Der Eröffnungsabend soll die Kritik des vorherrschenden Gesellschafts- und Politikmodells im Hinblick auf die realen und ideologischen Verhältnisse ins Zentrum stellen. Eine Eröffnungsrede soll sich mit dem Zerfall des sozialen Zusammenhalts und der Umwertung der Werte des gesellschaftlichen Zusammenhalts befassen. Eine zweite Rede soll am Anspruch des neoliberalen Gesellschaftsentwurfs ansetzen, Modell der Befreiung und der Veränderung zum Nutzen der Gesellschaften und der Menschen zu sein. Das Eröffnungspodium soll die Kritik an den vorherrschenden Diskursen (der Schwerpunkt liegt auf dem Diskurs, nicht auf einzelnen politischen Maßnahmen) herausarbeiten und versuchen, die gegenwärtige Situation "auf Begriffe bringen".
Podiumsdiskussion "Markt und Standortkonkurrenz: Die Zustimmung bröckelt" mit:
Samstag 15.05.2004 Panels des Vorbereitungskreises (weitere Workshops, Vorträge, Kulturveranstaltungen von kooperierenden Organisationen veröffentlichen wir nach und nach an dieser Stelle) Samstag 15.05.2004 10:00 bis 12:00 Uhr - Freie Informationsgesellschaft statt Monopolisierung von Infrastruktur und Wissen Auf der einen Seite gibt es eine Entwicklung zu weniger Freiheit im Netz und zu immer stärkerer Privatisierung öffentlicher Infrastrukturen und des Wissens als Allgemeingut. Mit Zensur im Netz, Digitalem Rechtemanagement, Softwarepatenten, Kriminalisierung von Musikdownloadern gefährden sie demokratische Teilhabe, Innovation, Kreativität und Austausch von Wissen und Kultur. Aber es gibt auch Menschen, die bei den Informationsmedien für eine andere Gesellschaft arbeiten. Ihre Stichworte: Freie Software, Öffentliche Infrastrukturen, Creative Commons, Wikipedia, Wissensallmende.
Samstag 15.05.2004 10:00 bis 12:00 Uhr - Wege zu mehr Beschäftigung Kritik der neoliberalen Dogmen, warum die Diagnose falsch und die Therapien unsozial und schädlich sind für Beschäftigung, Wachstum und Umwelt. Alternative: gesamtwirtschaftliche Politikstrategie und Strukturwandel (ökologisch, sozial). Rolle des Wachstums
Samstag 15.05.2004 10:00 bis 12:00 Uhr - Wie viel Markt verträgt die Demokratie? Die Tendenz zu Privatisierung zerstört den öffentlichen Raum. Die Teilhabe des Einzelnen wird zunehmend über den Preis geregelt, die Entscheidungen der BürgerInnen durch die Entmachtung der Parlamente eingeschränkt. Wie viel Demokratie toleriert der Markt? Ist der Sieg des Marktes alternativlos?
Samstag 15.05.2004 10:00 bis 12:00 Uhr - Zukunft wird verschenkt: soziale Ungleichheit durch Bildung Bildung ist ein politisches Generalthema des beginnenden einundzwanzigsten Jahrhunderts. Bildung ist wesentlich für den individuellen Lebensweg. Und sie ist zentrale gesellschaftliche Ressource für die Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft. Der einstige "Exportartikel" der rohstoffarmen Bundesrepublik wird statt dessen zur Ware deklariert und den Marktge-setzen unterworfen. Bildung gilt als limitiert und soll zunehmend käuflich erworben werden. Die vom politischen Mainstream favorisierten Konzepte setzen trotz PISA und IGLU weiterhin auf ein selektives System und so auf Eliteförderung. Das Podium fordert dagegen den Ausbau der schulischen und außerschulischen Bildung, der Qualifizierungswege der Hochschulen und der Weiterbildung im Kontext lebenslangen Lernens ein. Es engagiert sich für das Projekt "Bildung für alle".
Samstag 15.05.2004 10:00 bis 12:00 Uhr - Verlust des Sozialen Der deutsche Sozialstaat befindet sich auf dem Weg von einer am Solidaritätsprinzip orientierten, Risiken und Lebensphasen abfedernden Wohlfahrtsgesellschaft hin zu einen in weiten Teilen privatisierten, an den Erfordernissen kapitalistischer Märkte orientierten Wettbewerbsstaat. Immer mehr Menschen, in erster Linie Frauen und die nachwachsenden Generationen, werden in prekäre Arbeitsverhältnisse gedrängt oder von den Arbeitsmärkten verdrängt. Gleichzeitig sollen sie die Zuständigkeit für soziale Werte übernehmen, die immer mehr zur Privatsache erklärt werden. Diese politisch vorangetriebene Aufkündigung der Solidarität der Starken mit den Schwachen soll auf diesem Podium das Generalthema sein. Anstatt uns durch neoliberale Gerechtigkeitsdiskurse aufspalten zu lassen, wollen wir die Prinzipien sozialer Solidarität neu konkretisieren.
Samstag 15.05.2004 14:00 bis 16:00 Uhr - Finanzmärkte/ Finanzpolitik Probleme: liberalisierte Finanzmärkte, einseitige Orientierung auf Inflationsbekämpfung, Abbau von Staatsausgaben, Steuersenkungen, Privatisierung und Kapitaldeckung sozialer Sicherung, Vorherrschaft der Vermögensbesitzer. Alternativen: Reregulierung, Stärkung der Staatsfinanzen, gerechte Steuerpolitik, Gewinne und Vermögen heranziehen
Samstag 15.05.2004 14:00 bis 16:00 Uhr - Der Sozialstaat ist finanzierbar Diese Panel beschäftigt sich einerseits mit Generationengerechtigkeit und dem Solidarprinzip des Sozialstaates. Andererseits soll die Option "Bürgerversicherung" als zukünftiges Finanzierungsinstrument des Sozialstaates diskutiert werden. Gibt es Alternativen zur Diskussion, die demographische Entwicklung macht unser Sozialsystem unfinanzierbar und wir müssen deswegen Abstriche machen? Wie sehen die europäischen Entwicklungstendenzen und Alternativen aus?
Samstag 15.05.2004 14:00 bis 16:00 Uhr - Innovationen - wohin? Kein Vorschlag in den gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Kontroversen, der nicht beansprucht, Innovationen voranzubringen. Selbst der blanke Sozialabbau wird noch als Innovation verkauft. Zu häufig wird die Diskussion auf wenige Technologiefelder und industrielle Interessen beschränkt. Die Entwicklung neuer öffentlicher wie privater Dienstleistungsangebote bleibt Randerscheinung. Wichtige Felder der sozialen und ökologischen Erneuerung werden ausgeklammert. Die Entwicklung real nutzbarer Freiräumen für menschliche Kreativität und die Arbeit an ihren Voraussetzungen lässt trotz aller Beteuerungen über den Wert von Humankapital, Wissen und Bildung zu wünschen übrig. Es ist Zeit, den Innovationsbegriff für die Diskussion über politische und gesellschaftliche Alternativen zurückzugewinnen und ihn neu zu füllen. Denn: Wer über solche Alternativen nachdenken will, der redet über Erneuerungs- und Reformbedarf. Wir diskutieren, in welchen Bereichen wir Innovationsbedarf sehen und welche Schlußfolgerungen sich für die Innovationspolitik ziehen lassen.
Samstag 15.05.2004 17:00 bis 19:00 Uhr - Migration Perspektiven der Migration - Welche Wege führen zu einer politischen und sozialen Partizipation von MigrantInnen?
Samstag 15.05.2004 14:00 bis 16:00 Uhr - Ökologischer Umbau und soziale Gerechtigkeit Krisenlösungen im sozialen Bereich müssen zwingend mit ökologischen Notwendigkeiten verbunden werden. Es geht um die Verbindung zwischen sozialer und ökologischer Gerechtigkeit. Wo gibt es dabei strategische Gemeinsamkeiten zwischen Umweltbewegung und Gewerkschaften? An welche Vorarbeiten kann man anknüpfen und wo sind Gemeinsamkeiten brüchig geworden?
Samstag 15.05.2004 17:00 bis 19:00 Uhr - „Hauptsache Arbeit“? Ist Niedriglohn und prekäre Beschäftigung der Ausweg aus Massenarbeitslosigkeit? Wie sieht dieser Sektor heute bereits aus, mit welchen Folgen? Welche Zukunft der Arbeit wollen wir?
Samstag 15.05.2004 17:00 bis 19:00 Uhr - Öffentliche Güter unter Druck Um die öffentliche Daseinsvorsorge ist eine heftige Kontroverse entbrannt. Welche gesellschaftlichen Kräfte führen diese Debatte mit welchen Interesse? Wie soll Daseinsvorsorge überhaupt gestaltet werden?
Samstag 15.05.2004 17:00 bis 19:00 Uhr - Krieg und Frieden Krieg und militärische Intervention werden als alternativlose „Normalität“ verkauft. Welches sind die politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Hintergründe dieser Entwicklung? Welche Rolle soll die Bundeswehr spielen? Gibt es zivilgesellschaftliche Alternativen zum Kurs auf ein Europa als militärische Großmacht? Welche Chancen hat ein internationales System friedlicher Konfliktlösung?
Samstag 15.05.2004 17:00 bis 19:00 Uhr - Kunst und Medien Das vorläufige Scheitern des GATS-Prozesses in Cancun hat eine Atempause verschafft, die genutzt werden muss, um zu einer Verständigung über die Sicherung kultureller Vielfalt und unabhängiger Medien zu kommen. Die Angriffe auf soziale Besitzstände verbunden mit dem Begriff der Agenda 2010 und die Bedrohung kultureller Einrichtungen sowie Projekte durch die Finanznot der Länder und insbesondere der Kommunen sind zwei Seiten einer Medaille. Einer unabhängigen, freien Berichterstattung der Medien kommt in Zusammenhang mit diesen Entwicklungen eine besondere Bedeutung zu. Diskutiert werden soll deshalb auch, inwieweit die Medien und insbesondere der öffentlich-rechtliche Rundfunk ihrem der Kultur und Demokratie verpflichteten Auftrag nachkommen. Die Frage wird gestellt ob darüber hinaus Medien der Gegenöffentlichkeit möglich sind und welchen Beitrag sie leisten können.
Sonntag 16.05.2004 10.00 Uhr - Rede
11:15 Uhr Statement Roland Roth (Hochschule Magdeburg-Stendal)
Arbeitstitel "Alternativen, für die sich zu streiten lohnt". Das Podium soll sich beschäftigen mit einer anderen Perspektive für ein modernes Deutschland, alternatives Vollbeschäftigungskonzept. Das Bildungsthema soll nicht den Wahlkampfreden der Parteien überlassen werden. Der Kongress soll mit Vorstellungen enden, wie sich das soziale und kritische gesellschaftliche Spektrum enger vernetzt, wie die gesellschaftliche Diskussion über die vorherrschenden Deutungen fortgeführt und wie die Zusammenarbeit intensiviert werden kann. Sonntag 16.05.2004 Ab 13:30 Uhr nach Kongressende - Vernetzungstreffen Vernetzungstreffen von MultiplikatorInnen Quelle: ![]() |