Havanna (Cuba), 14.5.2004, Marsch der 1,2 Millionen CubanerInnen gegen die Bedrohung durch die Bush-Regierung |
Über eine Million Menschen marschieren gegen Bush Erlebnisbericht von Jürgen Steidinger Wie schon seit Jahren hatte ich die Rute Managua - Panama - Habana genommen, um zum Klassentreffen meiner alten Abiturklasse nach Deutschland zu kommen. Dies bedeutet im allgemeinen wesentlich weniger Stress als bei den Kontrollen der Yankees in Miami. Am Donnerstag gegen Mitternacht bin ich in Habana angekommen und wollte kurz einen Tag unterbrechen, um Freunde zu besuchen. Bei der Fahrt vom Internationalen Flughafen Jose Marti kam das Taxi nur mühselig voran. Es herrschte ein Vekehr wie sonst in der Rush-Hour. Überall stand eine Unmenge von Polizisten. Fast hätte man auf dumme Gedanken kommen können. Langsam und immer wieder mit Stop mussten wir mehrere Kolonnen von Lastwagen und Bussen voll von Menschen passieren oder passieren lassen. Bei 150 Camiones hörte ich auf zu zählen. Im Zentrum Habanas waren die Strassen gefüllt von Menschen allen Alters. Alle zielstrebig in Richtung Malecon unterwegs. Auf La Rampa an mehreren Ecken spielte Musik und wurde Stimmung gemacht und auch hier ein nicht endender Strom Menschen - und das alles nach Mitternacht. Wie immer wollte ich in “meinem” Casa Particular bei Cari in einem der Hochhäuser in der Avenida de los Presidentes nahe am Malecon übernachten. Diesmal musste ich etwa 100 Meter vorher schon aus dem Taxi steigen und den Rest zu Fuss gehen, mein Köfferchen hinter mir herziehend. Vor dem Haus erwartete mich Yusimi, meine Compañera, mit der ich inzwischen über 4 Jahre eine sehr schöne Beziehung habe und erklärte mir, dass ich heute Nacht hier nicht bleiben könnte, da es für diese Nacht verboten sei, dass Ausländer in einem der Häuser in der Avenida de los Presidentes logierten. Ich dachte, wie schon manchmal früher - die spinnen die Cubaner. Ich wurde in einer Seitenstrasse untergebracht und war gleich im Schlaf versunken. Vorher hatte ich allerdings noch die Lösung für all diese Merkwürdigkeiten erfahren. Es war für den frühen Morgen eine mächtige Demonstration vor der Vertretung der Yankees geplant, bei der auch Fidel sprechen sollte und der Demonstrationszug sollte dann den Malecon entlang durch die Avenida de los Presidentes ziehen. Schon recht früh war ich auf den Beinen - aber wohl doch noch zu spät. Als ich aus dem Haus trat, wälzten sich schon die Menschenmassen in Reihen zu fünfzehn bis zwanzig den Malecon herab. Ein Meer von kleinen Fähnchen mit der cubanischen Flagge und immer wieder Transparente: BUSH FASCISTA, NO HAY AGRESION QUE CUBA NO RESISTE - BUSCH, DU FASCHIST, ES GIBT KEINE AGRESSION, DER CUBA NICHT WIDERSTEHEN WIRD. Andere hatten selbstgemachte Schilder aus alten Kartons, worauf stand: CUBA WIRD SICH NIE ERGEBEN. Daneben Transparente, die die Folterung eines irakischen Häftlings durch einen Yankee-Rambo zeigten, mit der Aufschrift: SOWAS WIRD HIER NICHT PASSIEREN und natürlich wie immer, wenn man in der Region zeigen will, dass etwas sehr sehr übel ist - Bush in Nazi-Uniform und das Hakenkreuz mit Worten wie nieder mit dem Faschismus.. Es herrschte eine eindrucksvolle Stimmung. Über eine Million Menschen waren unterwegs, alt und jung, um ihren Unmut aber auch ihre Angst vor der Aggression und Repression der Regierung Bush zu demonstrieren. Nur in Habana und den Municipios (Gemeinden) von Habana hatte man zur Demo aufgerufen. Wie wäre das erst gewesen, wenn sie aus dem ganzen Land nach Habana geströmt wären. Schwer zu verstehen, wenn ich jetzt beim Zeigen der Fotos in Deutschland immer als erstes zu hören bekomme, ja die wurden ja alle abkommandiert - die mussten ja, sonst hätten sie Nachteile oder Drangsalien zu erleiden. Die so reden, machen es sich zu einfach - viel zu einfach. Diese Menschen in Cuba, selbst wenn sie nicht mit allem ihrer Regierung einverstanden sind, werden schwer unter den kürzlich erlassen Repressalien des Texaners leiden. Über eine Milliarde US Dollar fliessen jährlich durch Cubaner im Ausland zu ihren Familien zurück - fast 100 US Dollar pro Cubaner und pro Jahr. Dazu kommen all die Dollars, die durch den Turismus ins Land kommen und leider mit dazu beigetragen haben, dass es in dieser sozialistischen klassenlosen Gesellschaft wieder Klassen gibt - die Menschen, die Zugang zu Dollar haben und die anderen, die keine Dollars haben. Als dies wird jetzt schwerer werden. Nach Bush dürfen die Cubaner in den Staaten nur noch einmal alle drei Jahre zu Besuch nach Cuba und auch die jährliche Summe Dollar, die sie nach Cuba schicken konnten, wurde drastisch reduziert. Dazu kommen noch die Verbote und Strafen für sogenannte “freie Bürger” der Vereinten Staaten, die überhaupt nicht nach Cuba reisen dürfen, sondern dies nur heimlich auf Schleichwegen über andere Länder riskieren können. Immer wieder in zahlreichen Gesprächen auf der Strasse und bei Freunden äusserten die Menschen ihre Wut über die Yankees, so dass manchmal sogar die Alltagssorgen für eine Weile vergessen waren. Mit einem sehr wohltuenden Erlebnis machte ich mich wieder auf zum Flieger Richtung Fankfurt. Die Taxi-Fahrerin, die mich am Abend zum Flughafen brachte, erzählte mir eindringlich, was sie und ihre Familien in den Bergen der Revolution zu verdanken haben. “Ich würde wahrscheinlich heute nicht lesen und schreiben können und hätte auch keinen Beruf oder keine solche Arbeit, wenn nicht die Revolution gekommen wäre. Fidel hat uns als Kinder von Campesinos aus den Bergen geholt und uns Schulbildung und medizinische Verzorgung gegeben, die unsere Eltern nie hatten.” Mit Freuden denke ich schon an die paar Tage auf der Rückreise nach Nicaragua, dem Land der verlorenen Träume, wenn ich wieder in Habana halt machen und meine Freunde treffen werde. "Heil dir, Cäsar; die Todgeweihten grüßen dich." Rede von Fidel Castro Ruz am 14.5.2004 in Havanna Mister George W. Bush, die eine Million Kubaner, die heute hier zusammengekommen ist, um vor Ihrer Interessenvertretung zu demonstrieren, ist nur ein kleiner Teil eines mutigen und heldenhaften Volkes, das sich uns, wäre dies möglich, auch als Ganzes angeschlossen hätte. Diese Zusammenkunft ist keine feindselige Geste gegen das US-amerikanische Volk, dessen ethische Wurzeln uns gut bekannt sind aus der Zeit, da die ersten Einwanderer auf dieser Erdhälfte eintrafen. Auch ist es nicht unsere Absicht, die Funktionäre, die Angestellten und das Wachpersonal dieser Einrichtung zu stören, denen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben alle Sicherheit und Garantien eines gebildeten und zivilisierten Volkes zuteil werden. Es ist dies ein Akt des empörten Protestes und der Anprangerung jener erbarmungslosen und grausamen Maßnahmen, die Ihre Regierung kürzlich gegen unser Land beschlossen hat. Uns ist bereits jetzt klar, welches Bild Sie von jenen zeichnen werden, die hier heute demonstrieren. Ihnen zufolge handelt es sich um unterdrückte und nach Freiheit strebende Volksmassen, die einzig auf Befehl der Regierung Kubas auf die Straße gingen. Sie verkennen vollkommen, daß dieses würdige und stolze Volk, das 45 Jahre der Anfeindung, der Blockade und den Aggressionen seitens der stärksten Macht der Erde getrotzt hat, sich von keiner Macht der Welt wie eine Herde behandeln läßt, jeder einzelne mit einem Strick um den Hals. Ein Staatsmann oder jemand, der es zu sein beabsichtigt, sollte wissen, daß die gerechten und wahrhaft menschlichen Ideen sich im Verlaufe der Geschichte als viel machtvoller erwiesen haben als die Gewalt, welche nur staubige, schmähliche Ruinen hinterläßt. Die menschlichen Ideen hingegen hinterlassen leuchtende, unauslöschliche Spuren. Doch der Zeit, in der wir leben, einer barbarischen, unzivilisierten und globalisierten Welt entsprechen die schlimmsten, düstersten und zweifelhaftesten Ideen. Die Ordnung, die Sie heute der Welt aufzwingen wollen, entbehrt jeglicher Ethik und Glaubwürdigkeit, jeglichen Normen von Gerechtigkeit sowie der elementarsten Grundsätze von Solidarität und edler Gesinnung. Alles, was in Ihrer und der Welt Ihrer Verbündeten, die sie gemeinsam unseren Planeten ausplündern, über Menschenrechte geschrieben wird, ist eine kolossale Lüge. Milliarden Menschen leiden Hunger; es fehlen ihnen ausreichend Nahrungsmittel, Medikamente, Kleidung, Schuhe, Wohnraum. Sie leben in unmenschlichen Verhältnissen, besitzen weder Kenntnisse noch genügend Informationen, um ihre und die Tragödie der Welt, in der sie leben, zu begreifen. Sicher hat Sie noch niemand über die Zahl - sie ist inzwischen siebenstellig - der Kinder, Heranwachsenden, Jugendlichen, Mütter, Personen mittleren Alters und Senioren informiert, die gerettet werden könnten und die doch Jahr für Jahr zugrunde gehen auf unserer Erde, in diesem »idyllischen Garten Eden«; ebensowenig über das rasante Tempo, mit dem die natürlichen Lebensbedingungen zerstört und die fossilen Brennstoffe verschwendet werden, deren Entstehung auf unserem Planeten 300 Millionen Jahre gedauert hat. Ihren Assistenten bräuchten Sie lediglich präzise Angaben abzufordern über die in Ihren Arsenalen befindlichen Zehntausenden von Kernwaffen, von chemischen und biologischen Waffen, Bombenflugzeugen, Langstrecken- und Präzisionsraketen, Zerstörern, Flugzeugträgern, konventionellen und nichtkonventionellen Waffen, die ausreichen, alles Leben auf unserem Planeten zu vernichten. Weder Sie noch ein anderer fände angesichts dessen jemals Schlaf; auch Ihre Verbündeten nicht, die mit Ihnen wetteifern hinsichtlich der Entwicklung ihrer Arsenale. Betrachtet man das unterentwickelte Verantwortungsgefühl, das mangelnde politische Talent, das Ungleichgewicht zwischen den verschiedenen Staaten und den kaum vorhandenen Willen, in Protokollen, bei Treffen und bei Beratungen Überprüfungskriterien für Vereinbarungen festzulegen, so können jene, in deren Händen das Schicksal der Menschheit liegt, nur wenig Hoffnung haben, wenn sie, ratlos und gleichgültig, auf jenes wahre Irrenhaus blicken, zu dem die Weltpolitik geworden ist. Anliegen dieser Zeilen ist nicht, Sie zu beleidigen; doch da Sie nun einmal entschlossen sind, dieses Land einzuschüchtern, aufzuschrecken, um schließlich sein sozioökonomisches System, seine Unabhängigkeit sowie, falls erforderlich, das Land als solches zu vernichten, betrachte ich es als meine elementare Pflicht, Ihnen einige Wahrheiten vor Augen zu führen. Weder moralisch noch von Rechts wegen steht es Ihnen zu, von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten zu reden, denn Sie verfügen über genügend Macht, die Menschheit zu vernichten. Mit dieser Macht trachten Sie danach, der Welt eine Tyrannei aufzuzwingen, um gleichzeitig die Organisation der Vereinten Nationen zu ignorieren und zu zerstören, die Völkerrechte der Staaten zu verletzen, Eroberungskriege zu führen, um sich Märkte und Ressourcen der Welt anzueignen, der Welt dekadente und anachronistische politische und soziale Systeme aufzuzwingen, die die Gattung Mensch in den Abgrund führen werden. Es gibt noch andere Gründe, aus denen sie das Wort Demokratie nicht in den Mund nehmen dürfen: Dazu gehört Ihr Amtsantritt als Staatspräsident, von dem alle Welt weiß, daß er durch Betrug zustande kam. Von Freiheit dürfen Sie nicht sprechen, denn für Sie gibt es keine andere Welt als jene, die vom Terror der todbringenden Waffen beherrscht wird, die Ihre unerfahrene Hand auf die Menschheit loslassen kann. Von Umwelt dürfen Sie nicht reden, denn Ihnen entgeht vollkommen, daß die Gattung Mensch Gefahr läuft zu verschwinden. Der Tyrannei beschuldigen Sie das wirtschaftliche und politische System, welches das kubanische Volk - verglichen mit den am weitesten entwickelten Ländern der Welt - auf die höchste Stufe der Alphabetisierung, des Wissens und der Kultur geführt hat; welches die Säuglingssterblichkeit auf eine Ziffer reduziert hat, die unter derjenigen in den Vereinigten Staaten liegt und das der Bevölkerung sämtliche Leistungen des Gesundheitswesens, des Bildungswesens und anderer gesellschaftlich und menschlich bedeutender Bereiche kostenfrei zuteil werden läßt. Lächerlich und hohl klingen Ihre Äußerungen über Menschenrechte in Kuba. Dieses, Herr Bush, ist eines der wenigen Länder auf dieser Erdhälfte, in denen es in 45 Jahren niemals Folter, keine Todesschwadron, keine außergerichtliche Exekution, keinen Regierenden gegeben hat, der in Ausübung der Macht zum Millionär geworden wäre. Es fehlt Ihnen an moralischer Autorität, über Kuba zu sprechen; ein Land, das einer 45 Jahre währenden brutalen Blockade, einem Wirtschaftskrieg und terroristischen Überfällen widerstanden hat, die Tausende Menschenleben gefordert und Milliarden Dollar an wirtschaftlichem Schaden verursacht haben. Sie nehmen Kuba gegenüber eine feindselige Haltung ein, und das aus schäbigen politischen Gründen: weil Sie Unterstützung für Ihre Wahl bei einer schrumpfenden Gruppe von Abtrünnigen und Söldnern suchen, die weder Ethik noch Prinzipien kennen. Ihnen, Mr. Bush, fehlt die Moral, um von Terrorismus sprechen zu können, denn umgeben sind Sie von einer Mörderbande, die mit ihren kriminellen Handlungen das Leben Tausender Kubaner auf dem Gewissen haben. Aus Ihrer Verachtung von Menschenleben machen Sie keinen Hehl, denn Sie haben nicht gezögert, den außergerichtlichen Tod von einer unbekannten, da geheim gehaltenen Anzahl Personen in der Welt zu befehlen. Sie nehmen sich das Recht der nackten Gewalt, sich in die Angelegenheiten Kubas einzumischen und nach Ihrem Gutdünken den Übergang von einem System in ein anderes zu proklamieren und Maßnahmen zur Umsetzung dieses Plans zu treffen. Dieses Volk kann ausgerottet werden - Sie sollen das ruhig wissen -, es kann vom Erdboden gefegt werden, doch es kann nicht unterjocht werden, um erneut in den demütigenden Status einer Neokolonie der Vereinigten Staaten herabzusinken. Kuba kämpft für das Leben auf der Welt; Sie kämpfen für den Tod. Während Sie mit Ihren Präventiv- und Überraschungsangriffen unzählige Menschen töten, rettet Kuba hunderttausendfach das Leben von Kindern, Müttern, Kranken und alten Menschen auf der Welt. Das einzige, was Sie über Kuba wissen, sind die Lügen einer korrupten und unersättlichen Mafia ehemaliger Batista-Anhänger und deren Nachkommen, die Experten im Wahlbetrug und in der Lage sind, jemanden zum Präsidenten der Vereinigten Staaten zu machen, dessen erzielte Stimmen für einen Wahlsieg nicht ausreichten. Ein System der Ungleichheit wie jenes, das Sie repräsentieren, bringt den Menschen keine Freiheit, sie können überhaupt nicht wissen, was Freiheit ist. In den Vereinigten Staaten sind die Menschen bei ihrer Geburt nicht gleich. In den Ghettos der Menschen afrikanischer und lateinamerikanischer Abstammung und in den Reservaten der Indios, die dieses Land bevölkerten und die ausgerottet wurden, gibt es keine andere Gleichheit als jene, arm zu sein und ausgegrenzt zu werden. Unser Volk, erzogen im Geiste der Solidarität und des Internationalismus, empfindet dem US-amerikanischen Volk gegenüber keinen Haß und möchte die jungen Soldaten seines Landes nicht sterben sehen. Es sind Weiße, Schwarze, Indios, Mestizen, Lateinamerikaner, häufig durch Arbeitslosigkeit dazu gebracht, in Militäreinheiten zu kämpfen und zu Präventivschlägen oder in Eroberungskriege irgendwohin auf der Welt geschickt zu werden. Die unglaublichen Folterungen an Gefangenen in Irak haben die Welt aufs äußerste entsetzt. Meine Absicht ist es nicht, Sie mit diesen Zeilen zu beleidigen, ich sagte es bereits. Mein Bestreben ist es lediglich, daß irgendeiner Ihrer Assistenten, wenn Sie einmal einen Augenblick Zeit haben, Ihnen diese Wahrheiten unterbreitet, auch wenn Sie Ihnen partout nicht genehm sind. Da Sie nun entschieden haben, daß die Würfel gegen uns gefallen sind, möchte ich mich von Ihnen verabschieden mit den Worten der römischen Gladiatoren, die zum Kampf die Arena betraten: Heil dir, Cäsar; die Todgeweihten grüßen dich. Ich bedauere nur, daß ich dabei nicht einmal Ihr Gesicht sehen kann, denn in diesem Falle werden Sie Tausende Kilometer entfernt sein, und ich werde an vorderster Front stehen, um bei der Verteidigung meiner Heimat kämpfend zu fallen. Im Namen des kubanischen Volkes Fidel Castro Ruz Quelle: US-Plan kontra Kuba Harald Neuber in 'junge Welt' vom 4.5.2004 »Empfehlungen zum Sturz Fidel Castros«. Außenminister Powell präsentiert 500seitigen Bericht Noch hat die US-Regierung alle Hände voll zu tun, der irakischen Bevölkerung ihre Version von Freiheit und Demokratie zu vermitteln, da rückt schon der nächste »Schurkenstaat« ins Visier der Bush-Administration: Mit einem 500seitigen Bericht präsentierte US-Außenminister Colin Powell am 1. Mai die Ergebnisse einer von ihm geleiteten »Beratungskommission für ein freies Kuba«. Sechs Monate lang hatte die Kommission unter Powell und dem kubanischstämmigen US-Wohnungsbauminister Mel Martínez »Maßnahmen für einen schnellen Regimewechsel« auf Kuba erarbeitet. Im Zentrum der nun vorliegenden Ergebnisse, zu denen US-Präsident George W. Bush in der kommenden Woche Stellung nehmen will, stehen nach Berichten der Tageszeitung Miami Herald »Empfehlungen für den Sturz Fidel Castros«. Eine »demokratische Übergangsregierung« soll zudem finanziell und politisch unterstützt werden. Die bereits veröffentlichten Inhalte des Berichtes lassen auf eine weitere Verschärfung des ohnehin gespannten Verhältnisses zwischen Washington und Havanna schließen. So sollen die Reisen von US-Bürgern nach Kuba massiv eingeschränkt und Geldsendungen von US-Kubanern an ihre Familien auf der Insel begrenzt werden. Damit wendet sich die US-Regierung offen gegen die Mehrheit der kubanischen Exilgemeinde. Nach einer aktuellen Studie der Internationalen Universität von Miami unterstützen bis zu 75 Prozent der in Miami lebenden gebürtigen Kubaner ihre Familien auf der Insel mit Geldüberweisungen. Nur eine ultrarechte Minderheit unter der Führung der »Kubanisch-Amerikanischen Nationalstiftung« plädiert für eine weitere Isolierung Kubas. Der Hintergrund des Politmanövers ist offensichtlich: Sechs Monate vor den US-Präsidentschaftswahlen versucht die Bush-Regierung, die hart umkämpften Stimmen der einflußreichen kubanischen Exilorganisationen für sich zu gewinnen. Eine Konsequenz ist, daß die antikommunistischen Gruppen des kubanischen Exils nicht nur Druck auf die US-Regierung ausüben können. Die Haßkampagnen der »Kubanischen Mafia«, wie die gewaltbereiten Gruppen in Kuba genannt werden, erreichen über den Hebel Washington nun auch die internationale Politik. So wird in dem Kommissionsbericht von Powell empfohlen, »ausländische Regierungen zur Distanzierung von Kuba zu bewegen«. Die Reaktion kam stante pede: Mexiko und Peru zogen noch in der Nacht zum Montag ihre Botschafter aus Kuba ab. Die mexikanische Regierung unter Vicente Fox gab dem kubanischen Vertreter Jorge Bola Boraños 48 Stunden Zeit, Mexiko zu verlassen. Begründet wurde der Schritt wenig nachvollziehbar mit der Rede von Fidel Castro am Samstag. Auf der zentralen Kundgebung zum 1. Mai hatte Kubas Präsident vor Hunderttausenden Menschen die Kritik an der Menschenrechtslage in Kuba zurückgewiesen. Die sozialistische Regierung war vor gut zwei Wochen vor der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen in Genf auf Initiative der US-Regierung verurteilt worden. Sieben lateinamerikanische Staaten hatten für die Verurteilung gestimmt. Castro übte an diesem Stimmverhalten in seiner Rede scharfe Kritik: Vier der Länder (Costa Rica, Dominikanische Republik, Honduras und Guatemala) halte wegen ihrer finanziellen Abhängigkeit zu den USA niemand für politisch souverän. Auch die peruanische Regierung habe ihr Handeln »dem Diktat ausländischer Kräfte« unterstellt. Ohne dessen Namen zu nennen, bezeichnete es Fidel Castro daher als »nicht erstaunlich«, daß die Popularität des peruanischen Präsidenten Alejandro Toledo »innerhalb weniger Monate auf acht Prozent gefallen ist«. Als »besonders enttäuschend« sah der kubanische Staatschef aber die Haltung der mexikanischen Regierung an. »Der mexikanische Kongreß hatte die Regierung noch aufgefordert, sich bei der Abstimmung in Genf ihrer Stimme zu enthalten«, sagte Castro. Mit der unter Fox etablierten US-nahen Linie verliere Mexiko nun viel von seinem internationalen Ansehen, das sich das Land durch seine unabhängige Außenpolitik in den vergangenen Jahrzehnten verdient habe. »Mexiko hat sein Prestige verloren«, so Castro. Die neue antikubanische Politik Washingtons stößt aber auch auf Gegenwehr. So forderten führende Mitglieder mehrerer mexikanischer Parteien am Montag die »sofortige Wiederherstellung« der diplomatischen Beziehungen zu Kuba. Entsprechende Stimmen wurden sowohl aus der sozialdemokratischen Partei der Demokratischen Revolution (PRD) wie auch aus der ehemaligen Staatspartei PRI (Partei der Institutionellen Revolution) laut. Senatoren beider Parteien bezeichneten die jüngste Verurteilung Kubas durch Mexiko in Genf als »Einmischung in innere Angelegenheiten«. In den USA sorgten die antikubanischen Maßnahmen erst Ende vergangener Woche für harte Diskussionen. Der Demokratische Senator William Delahunt hatte am Donnerstag beklagt, daß das US-Finanzministerium zur Ermittlung illegaler Konten der gestürzten irakischen Regierung und des Al-Qaida-Netzwerkes zusammen nur vier Mitarbeiter eingesetzt habe. Im Fall von Kuba seien es über zwei Dutzend. »Wir jagen alten Damen hinterher, die auf Kuba einen Fahrradurlaub verbringen wollen«, so Delahunt. Wichtige Ressourcen zur Terrorbekämpfung würden auf diese Weise blockiert. Quelle: »Vor wem haben Sie Angst, Mr. Bush?« Erklärung des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Kubas und der Revolutionären Regierung Kubas vom 7.5.2004 - dokumentiert in 'junge Welt' vom 10.5.2004 Am 1. Mai stellte US-Außenminister Colin Powell einen neuen Bericht zur Kuba-Politik des Weißen Hauses vor. Das Datum war wohlbedacht. Am gleichen Tag hielt in Havanna Kubas Staats- und Regierungschef Fidel Castro vor Hunderttausenden Menschen in Havanna seine traditionelle Ansprache zum 1. Mai. Neben Passagen aus der kämpferischen Rede fand sich in den internationalen Presseberichten über den Karibikstaat am kommenden Tag daher auch die erneute Ankündigung aus Washington, Kuba schnellstmöglich »befreien« zu wollen. Deutlich wurde, daß die amtierende US-Regierung das völkerrechtswidrige Embargo gegen Kuba weiter verschärfen wird. Der jüngste Bericht der »Kommission zur Unterstützung eines freien Kuba« ist schließlich nicht die erste entsprechende Initiative Washingtons. Bereits vor zwei Jahren, im Mai 2002, wurde vom Weißen Haus eine »Arbeitsgruppe für ein Neues Kuba« ins Leben gerufen - die Ziele waren die gleichen wie in der neuen Initiative. In der folgenden Erklärung erläutern das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Kubas und die Revolutionäre Regierung Kubas die neuen Maßnahmen der US-Regierung. Am 6. Mai gab die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika neue Maßnahmen zur Verschärfung ihrer ohnehin schon aggressiven Kuba-Politik bekannt. Schon vor der öffentlichen Bekanntgabe der Maßnahmen nahm Präsident Bush dazu am Vormittag des 6. Mai gegenüber der Presse Stellung. Bush bekräftigte seinen Haß gegenüber unserem Volk, indem er seine altbekannten zynischen Angriffe wiederholte. Diese verbalen Attacken gipfelten in der Erklärung, daß ein zentrales Ziel der US-Politik gegenüber Kuba darin bestehe, »schneller den Tag herbeizuführen, an dem Kuba ein freies Land ist«. Nur wenige Stunden später stellte Roger Noriega, Staatssekretär für Angelegenheiten der Westlichen Hemisphäre, Ko-Autor des antikubanischen Helms-Burton-Gesetzes und Vertreter der terroristischen Mafia von Miami in der US-Regierung, Einzelheiten eines Berichts vor, der dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von der sogenannten Kommission zur Unterstützung eines freien Kubas am 1. Mai 2004 übergeben worden war. Eine wichtige Rolle spielten dabei die neuen wirtschaftlichen und politischen Maßnahmen, mit der Washington gegen Kuba vorgehen will. Zum Sturz der kubanischen Regierung werden in dem Dokument die folgenden strategischen Aufgaben genannt: Verstärkung der Unterstützung für die innere Konterrevolution, Intensivierung der internationalen Kampagnen gegen Kuba, Ausbau von Maßnahmen gegen unser Land, die auf Subversion und Desinformation abzielen, neue Maßnahmen zur Schädigung der kubanischen Ökonomie sowie das, was sie »Untergrabung der Pläne zur Fortsetzung des Regimes« nennen. Dem ersten Kapitel, das den neuen Maßnahmen zur Zerschlagung der Revolution gewidmet ist, ist folgendes zu entnehmen: 1. Es werden 59 Millionen Dollar in den kommenden zwei Jahren zur Verfügung gestellt, um Aktivitäten zur Zerschlagung der Revolution zu finanzieren. Dieses Geld soll unter anderem genutzt werden für: a) die Schaffung eines internationalen Fonds für die Entwicklung der »Zivilgesellschaft« in Kuba. Mit diesem Fonds soll »freiwilliges« Personal aus Drittländern gewonnen werden, das in unser Land reist, um den Söldnern in Kuba Hilfe zu leisten. In der Praxis handelt es sich um die Organisation eines Korps von Kurieren, die der Konterrevolution die finanzielle und logistische Hilfe überbringen sollen. b) Gemeinsam mit der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) soll ein »Stipendienprogramm« geschaffen werden, damit ausgewählte konterrevolutionäre Elemente an Universitäten in den USA und in Lateinamerika studieren können. Es handelt sich dabei im wesentlichen um einen Plan zur Ausbildung von Kadern der Konterrevolution in Kuba. c) die Finanzierung von Programmen, die sie »Pro Demokratie für Jugendliche, Frauen und Kubaner afrikanischen Ursprungs« nennen - ein ungewöhnliches Ziel, das von einem Land formuliert wird, in dem es viele Arten von Diskriminierungen und den Ku Klux Klan gibt. d) 18 Millionen Dollar sollen für Übertragungen von Fernseh- und Radiosendern genutzt werden, die ungerechtfertigterweise den Namen José Martís tragen. Ausschließlich zum Zweck dieser Übertragungen soll ein Flugzeug vom Typ C-130 eingesetzt werden. e) Aufrechterhaltung und Intensivierung öffentlicher antikubanischer Kampagnen im Ausland, in denen angebliche Verletzungen der Menschenrechte in Kuba, »Spionage gegen andere Länder«, »subversive Handlungen gegen demokratisch gewählte lateinamerikanische Regierungen« und andere Aktivitäten angeprangert werden sollen, die eine Bedrohung für die Interessen der Vereinigten Staaten von Amerika darstellen. Des weiteren soll die Durchführung von internationalen Konferenzen oder nationalen Konferenzen in Drittländen unterstützt werden, deren Aufgabe in der »Verbreitung von Informationen« über die Politik der USA sowie in der Förderung des »Übergangs« in Kuba besteht. Für diese internationalen Kampagnen zur Diffamierung Kubas werden weitere fünf Millionen Dollar zur Verfügung gestellt. 2. Einschränkungen von Geldüberweisungen und Paketsendungen von in den USA lebenden Kubanern an ihre Familienangehörigen in Kuba, wenn es sich nicht um Großeltern, Enkel, Eltern, Geschwister, Eheleute oder Kinder handelt. Das heißt, daß seit Anfang des Monats ein Kubaner mit Wohnsitz in den USA der einzigen Gruppe lateinamerikanischer und karibischer Emigranten angehört, deren Mitgliedern es fortan verboten ist, einer alten Tante oder einem anderen nahen Familienangehörigen ökonomische Hilfe zukommen zu lassen. 3. Verbot für Kubaner mit Wohnsitz in den USA, Geld-überweisungen oder Pakete an ihre Familienangehörigen nach Kuba zu schicken, wenn diese »Funktionäre der Regierung oder Mitglieder der Kommunistischen Partei« sind. So müßte etwa eine 70jährige Mutter auf ihre politischen Rechte verzichten, damit sie eine Geldüberweisung erhält. 4. Kubaner mit Wohnsitz in den USA dürfen künftig nur noch alle drei Jahre statt wie bisher einmal im Jahr nach Kuba reisen. Zusätzlich muß entgegen der bis dato geltenden generellen Genehmigung ab sofort für jede Reise eine gesonderte Erlaubnis eingeholt werden; direkte Familienangehörige sind dabei ausgenommen. Dazu legt die Regierung der Vereinigten Staaten fest, wer ab jetzt zur Familie gehört, nämlich »Großeltern, Enkel, Eltern, Geschwister, Eheleute und Kinder«. Das heißt von nun an zählen gemäß Präsident Bush Cousins, Tanten oder andere nahestehende Angehörige nicht mehr als Familienmitglieder. Außerdem wird festgelegt, daß Kubaner, die seit kurzem in den USA leben, erst drei Jahre nach dem Zeitpunkt ihrer Emigration nach Kuba reisen dürfen. Während die kubanische Regierung die Besuchsgenehmigungen für Kuba immer flexibler gestaltet, vervielfachen die Vereinigten Staaten die Hindernisse. Vor wem haben sie Angst? 5. Der Geldbetrag, den Kubaner mit Wohnsitz in den USA bei Besuchen in Kuba ausgegeben dürfen, wird von derzeit 164 Dollar auf 50 Dollar pro Tag begrenzt. Das ist eine neue und willkürliche Diskriminierung der in den USA lebenden Kubaner. 6. Die nordamerikanischen Behörden werden angewiesen, »verdeckte Operationen« gegen jeden durchzuführen, der für seine Familienangehörigen Geld in unser Land bringt, das von Kubanern mit Wohnsitz in den USA stammt. Es wird sogar denjenigen Belohnung angeboten, die illegale Geldzuwendungen an Familien in Kuba verraten. 7. Die Restriktionen bei der Vergabe von Genehmigungen für Bildungsreisen und akademischen Austausch an nordamerikanische Bürger und Institutionen werden durch strengere Bestimmungen weiter verschärft. Wir erinnern daran, daß die Vergabe von Genehmigungen für den sogenannten »Austausch von Volk zu Volk« von der Bush-Administration bereits eingestellt worden ist. 8. Anfertigung einer gründlichen Studie über die Anwendung von Teil III des Helms-Burton-Gesetzes. Es soll eingeschätzt werden, ob sich die darin enthaltenen Bestimmungen gegen die Interessen der Vereinigten Staaten richten oder ob ihre Anwendung den Sturz der Kubanischen Revolution beschleunigen kann. Der dritte Teil dieses Gesetzes ermöglicht es nordamerikanischen Gerichten faktisch, gegen Unternehmer aus Drittländern, die mit Kuba Geschäftskontakte unterhalten, juristisch vorzugehen; diese Bestimmung wurde bislang nicht angewendet. 9. Konsequente Anwendung der in Teil IV des Helms-Burton-Gesetzes festgelegten Sanktionen, die das Verbot zur Ausstellung von Einreisevisa in die USA für diejenigen beinhalten, die in Kuba investieren. Zusätzlich sollen für die Anwendung der Bestimmungen des Helms-Burton-Gesetzes mehr Personal und Ressourcen eingesetzt werden. 10. »Neutralisierung« der kubanischen Unternehmen, die in Zusammenarbeit mit ausländischen Geschäftspartnern Produkte vertreiben. Zu diesem Zweck wird eigens eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die kubanische und ausländische Unternehmen sowie deren Geschäftsverbindungen bewerten soll. 11. Verstärkung der Anstrengungen zur Einbeziehung von Regierungen dritter Länder in die Kampagnen gegen die kubanische Revolution. 12. Unterstützung von Aktionen in dritten Ländern, um demotivierend gegen Touristenreisen nach Kuba zu wirken. 13. Beibehaltung der Praxis der Visaverweigerung für kubanische Funktionäre, die in die USA reisen müssen. 14. Im State Department wird eine Koordinierungsstelle für den politischen Übergang in Kuba geschaffen, die die Durchführung aller festgelegten Maßnahmen kontrollieren soll. Die weiteren fünf Kapitel erörtern mit Dreistigkeit die Maßnahmen, die durch die Regierung der Vereinigten Staaten in unserem Land in Kraft gesetzt werden könnten, nachdem ihr Traum von der Vernichtung der kubanischen Revolution in Erfüllung gegangen ist. Wir wollen uns an dieser Stelle nicht mit der Analyse dieser Maßnahmen aufhalten. Es sei nur ein Beispiel genannt: Eine der vorgeschlagenen Maßnahmen ist die »sofortige Impfung aller minderjährigen Kinder bis zum fünften Lebensjahr, die noch gegen die wichtigsten Kinderkrankheiten geimpft werden müssen«. Unsere Bevölkerung kann daraus ihre eigenen Schlußfolgerungen ziehen. Der jüngste Bericht kommt einem Plan für die Annexion Kubas und der Rückkehr zu jener Republik gleich, die vor der »Enmienda Platt« (im Jahr 1901 aufgenommener Zusatz zur ersten kubanischen Verfassung, der der US-Regierung Interventionsrechte auf kubanischem Territorium zubilligte - d.Red.) buckelte. Unvorstellbar sind die Härte und der Haß, von denen sich dieser erneute Angriff gegen unser Land leiten läßt. Es geht darum, mit allen möglichen Mitteln die schwierigen Bedingungen, die uns durch die kriminelle nordamerikanische Blockade auferlegt sind, weiter zu verschlechtern. Diese Maßnahmen sind eine flagrante Verletzung der Menschenrechte von elf Millionen Kubanern, die durch Hunger und Krankheiten gezwungen werden sollen, sich zu ergeben. Und das nur wegen eines einzigen »Deliktes«, frei und unabhängig zu sein und sich nicht dem imperialen Befehl unterordnen zu wollen. Die am 1. Mai angekündigten Maßnahmen verletzen auch die Rechte der Bürger kubanischer Herkunft mit Wohnsitz in den USA, die von jetzt ab bei Reisen und der Entsendung ökonomischer Hilfe für ihre Familienangehörigen in Kuba neuen und drastischen Einschränkungen unterliegen. Alle diese Maßnahmen, die Politik der Vereinigten Staaten in ihrer Gesamtheit, verleugnen offen die wirklichen Interessen der nordamerikanischen Bevölkerung, der übergroßen Mehrheit der Kubaner mit Wohnsitz in den USA, der Mehrheit der Mitglieder des nordamerikanischen Kongresses und von breiten Schichten des Landes, die sich normale Beziehungen mit Kuba wünschen. Die Ausgabe von zig Millionen Dollar zur Unterstützung von Söldnern in Kuba, die Verletzung internationaler Gesetze durch den Einsatz eines Flugzeuges zur Übertragung subversiver Sendungen in Kuba, dazu die skandalöse und international kritisierte Einrichtung eines entsetzlichen Konzentrationslagers auf widerrechtlich besetztem Gebiet unseres Landes - das alles sind ungewöhnliche Provokationen gegen die Normen und Prinzipien des Völkerrechts und müssen in den verschiedenen internationalen Foren diskutiert werden, einschließlich der Menschenrechtskommission in Genf. Der zynische und grausame Charakter der gegenwärtigen US-Administration wird klar in der Tatsache ersichtlich, daß diese Maßnahmen gegen unser Volk zu einem Zeitpunkt festgelegt werden, in dem sich die Weltmarktpreise für Lebensmittel und deren Transport fast verdoppelt haben, während der Zuckerpreis gerade einmal an die Produktionskosten herankommt und der für Treibstoff nachhaltig steigt und schon fast die bedrückende Höhe von 40 Dollar pro Barrel erreicht hat. Zusätzlich wird beabsichtigt, mit größtmöglicher Kraft dem Tourismus einen Schlag zu versetzen, der gerade im Aufschwung begriffen ist. Es reizt zum Lachen, wenn man die Versprechen hört, künftig die Kinder in einem Land impfen zu wollen, in dem die vorbeugende medizinische Betreuung und Impfungen höchstes Weltniveau erreichen. Und das wird ausgerechnet von einem Land proklamiert, in dem Millionen Männer, Frauen und Kinder keine medizinische Betreuung haben, in dem mehr Kinder pro tausend Lebendgeburten sterben als in Kuba. Die Tatsache der Existenz des enormen Humankapitals, das von unserem Volk geschaffen wurde, seine Fähigkeit, Zehntausende Ärzte in die entferntesten Winkel der Dritten Welt zu entsenden - was die Möglichkeiten aller entwickelten Länder zusammengenommen übersteigt -, seine Fortschritte in Bildung, Gesundheitswesen und Kultur, die Kuba in diesen Bereichen sehr bald weltweit an die erste Stelle bringen wird - das alles bringt den Führer der USA um den Verstand. Die feste Unterstützung für die Revolution, die ihr fast die gesamte Bevölkerung entgegenbringt, macht sie unverwundbar gegenüber der Ideologie des Herrn Bush. Das Beispiel Kubas soll von der Landkarte verschwinden. Das ist das Ziel des verrückten Programms für einen Übergang in Kuba, vorgelegt von einem Präsidenten, der durch Wahlfälschung in sein Amt gelangt ist. Damit soll alles zerstört werden, was ein heldenhaftes Volk mit großer Hingabe aufgebaut hat. Kuba kann von der Landkarte ausgelöscht werden. Doch keine Drohung, keine wahnwitzige Idee des Herrn Bush wird es entmutigen können. Die unmenschlichen und feigen Maßnahmen des Herrn Bush werden ohne Zweifel Opfer von unserem Volk fordern. Aber sie werden es keine Sekunde lang auf seinem Weg für die Umsetzung menschlicher und sozialer Ziele aufhalten können, auf dem niemand allein gelassen wird. Kuba wird nie wieder zu den schrecklichen, unbarmherzigen und unmenschlichen Bedingungen der kolonialen Beherrschung durch die Vereinigten Staaten zurückkehren. Wie der Oberkommandierende Fidel Castro auf der Kundgebung zum 1. Mai vor Millionen Kubanern sagte, wird sich »dieses Land ohne Verletzung der Normen, die es immer in seinem Kampf beachtet hat, unter Wahrung der Gesetze verteidigen, falls nötig auch mit der Waffe, bis zum letzten Blutstropfen«. Havanna, 7. Mai 2004 Quelle: Demokratie millionenfach Elsa Claro, Havanna, und Harald Neuber in 'junge Welt' vom 17.5.2004 Nach der Bekanntgabe neuer Restriktionen der Bush-Regierung gegen Kuba verstärkt sich nicht nur der Widerstand auf der Insel. Auch in den USA wächst der Unmut. Über eine Million Kubanerinnen und Kubaner strömten am Freitag in der Hauptstadt Havanna auf die Straßen, um gegen die jüngste Verschärfung der US-Blockade durch die Regierung von George W. Bush zu protestieren. Einmal mehr wurde deutlich, daß sich Kuba von den USA wieder stärker ins Visier genommen fühlt - und die Bevölkerung der Bedrohung entschlossen entgegentritt. Zuletzt hatte die US-Regierung unter anderem beschlossen, die Reisen von US-Bürgern nach Kuba stärker zu überwachen und die Geldüberweisungen aus den USA nach Kuba zu beschränken (jW berichtete). Statt wie bisher einmal pro Jahr dürfen in den USA lebende Exilkubaner ihre Verwandten auf der Insel nur noch einmal alle drei Jahre besuchen. Die Empfehlungen der »Kommission für ein Freies Kuba« unter Leitung von US-Außenminister Colin Powell haben schon jetzt konkrete Auswirkungen. In der vergangenen Woche hatte die sozialistische Regierung Kubas einen 15-Punkte-Plan vorgestellt. Mit den Notmaßnahmen soll auf die Verschärfung der Blockade reagiert werden. Unter anderem ist vorgesehen, den Verkauf von Produkten in den Dollargeschäften einzuschränken und die Preise dort zu erhöhen. Ausdrücklich betont wurde, daß Nahrungsmittel und Drogerieartikel von den Preisänderungen ausgenommen werden. Außerdem solle die Förderung von Rohstoffen wie Nickel, Kobalt und Erdöl verstärkt werden. Die Sparguthaben der Kubaner würden nicht angetastet. Das Reiseverbot der US-Regierung hat kurzfristig vor allem für die in den USA lebenden Kubaner Folgen, die Mitte Mai an einer Konferenz zu Migrationsfragen teilnehmen wollten. Zwar treten die unlängst verkündeten Restriktionen offiziell erst ab Juni in Kraft, aber kaum jemand möchte die Strafverfolgungsbehörden in den USA unnötig herausfordern. Die kubanische Regierung hatte in den vergangenen Jahren durch eine Lockerung der Einreisebestimmungen eine Annäherung mit der Exilgemeinde gesucht. Just vor dem Inkrafttreten entsprechender Reisebestimmungen durch die kubanischen Behörden werden die Kontakte nun von den USA offiziell verboten. Trotz martialischer Rhetorik war die Bush-Regierung offenbar nicht auf die Ablehnung innerhalb der kubanischen Exilgemeinde in den USA gefaßt, bei der die Restriktionen mehrheitlich auf offene Ablehnung stoßen. Auch aus lateinamerikanischen Staaten wie Ecuador und Mexiko wurde der kontraproduktive Charakter der Maßnahmen beklagt. »Nach unseren Informationen ist in der Kuba-Abteilung des US-Außenministeriums eine wahre Flut von Beschwerden eingegangen«, bestätigte Francisco Gonzalez Aruca aus Miami in einem Telefoninterview gegenüber junge Welt. Der Direktor einer dort ansässigen Radiostation berichtete zudem, daß selbst der anticastristische Bürgermeister der Gemeinde Hialeah, die über die größte exilkubanische Bevölkerungsgruppe in Florida verfügt, gegen die neuen Zwangsmaßnahmen der Regierung in Washington Protest einlegte, weil sie ausschließlich den politischen Forderungen einer radikalen Minderheit rechtsextremer Gruppen gerecht würde. Die Bush-Administration, so Aruca im Interview, habe ein Eigentor geschossen. Diesen Eindruck haben wohl auch die Mitarbeiter der »Interessenvertretung der USA in Kuba« gewonnen. Von den Fenstern des hohen Gebäudes an der Stadtpromenade Havannas aus machten einige von ihnen in den frühen Morgenstunden des Freitag Fotos von der gigantischen Menschenmasse, die sich um sie herum friedlich versammelt hatte. Zwischen den zahlreichen Transparenten tauchten auch die Fahnen anderer Staaten auf. Mitgebracht hatten sie die ausländischen Studenten, die in Kuba etwa an der Lateinamerikanischen Medizinschule ausgebildet werden. Zwischen ihnen wehte immer wieder auch das Sternenbanner der USA. Besondere Aufmerksamkeit erregte das nicht, denn US-Bürger sind auf Kuba ebenso zu Gast wie Lateinamerikaner, Europäer oder Afrikaner. »Demokratie«, entgegnet die Krankenschwester Yolanda Iñigo Colmann auf die Frage nach der Kritik der USA, »Demokratie ist für mich das hier«. Mit einer ausholenden Handbewegung weist sie auf die Masse von Demonstranten um sich herum. Eine Studentin, Mitte Zwanzig, schaltet sich in das Gespräch am Rande des Millionenprotestes ein. Philosophisch oder ethisch betrachtet, gäbe es wohl eine Reihe von Demokratiekonzepten, sagt sie. »Ich bin mir aber fast sicher, daß George W. Bush kein einziges davon kennt«. Sie wolle nicht sagen, daß auf Kuba alles zum besten stehe, »auf jeden Fall aber sind wir auf einem besseren Weg als die US-Regierung, die einen Krieg nach dem anderen entfesselt und nun auch uns immer offener bedroht«. Erasmo Suárez, von Beruf Mechniker, hält vor der US-Interessenvertretung eine kubanische Fahne in die Höhe. »Ich weiß nicht wann«, sagt er, »aber eines Tages werden sie auch in Washington eingestehen müssen, daß all das Gerede von Menschenrechten leere Worte sind, solange nicht die Arbeitsplätze, die medizinische Versorgung und die Schule für die Kinder garantiert sind«. Eine Hauptkritik Washingtons sei, daß in Kuba keine Wahlen nach ihrem Vorbild stattfinden würden. »Dabei würde ich unser Modell auf jeden Fall verteidigen«, sagt Suárez. Er erinnert an den mutmaßlichen Wahlbetrug bei den Präsidentschaftswahlen in den USA vor vier Jahren. Im Gehen fügt er hinzu: »Wer soll die Kritik eines solchen Politikers ernst nehmen?« Quelle: |