Dortmund, 19.6.2004, Nazi-Aufmarsch "Nein zu Multikulti" und der Protest dagegen: "Dortmund - eine weltoffene Stadt! Keine Neonaziaufmärsche in unserer Stadt!"Bilder

Faschisten hetzen gegen 'Multikulti'

Stellungnahme des 'Bündnis Dortmund gegen Rechts'

Den Bau einer Moschee in Dortmund-Hörde nehmen Faschisten der verschiedensten Gruppierungen zum Anlass, unter dem Motto „Nein zu Multikulti" eine Demonstration anzukündigen. Sie wollen sich am 19.06.2004 zu einem Aufmarsch zusammenrotten. Hierzu wird bundesweit auch im Internet aufgerufen. Dies steht in Kontinuität zu der Kampagne gegen den Neubau einer Synagoge in Bochum Anfang des Jahres. Diese erneute Offensive der Neofaschisten gegen Toleranz und Mitmenschlichkeit betrifft nicht nur ausländische Mitbürger, die diskriminiert werden sollen, sondern alle, die sich für Respekt und gute Nachbarschaft einsetzen.

Das Klima eines Stadtteils von Dortmund soll vergiftet werden, indem Ängste und Unzufriedenheit vieler Bürger für ausländerfeindliche Propaganda verwendet werden. Nicht ausländische Mitbürger sind das Problem, sondern eine unsoziale Politik, die Ausländer und Inländer gleichermaßen trifft.

Mit dem Schüren von Ängsten vor Überfremdung und Fundamentalismus wird versucht jeden sozialen Unmut für Ausländerfeindlichkeit zu nutzen. Wir lehnen religiösen Fundamentalismus ab, sei er christlich, islamisch oder jüdisch geprägt. Wir sagen JA zu einem respektvollen Miteinander.

Unsere Geschichte mahnt!

Es ist nicht das erste Mal, dass gegen Gotteshäuser vorgegangen wird. Im dritten Reich brannten die Synagogen, auch in Hörde wurde die Synagoge 1938 vernichtet. Heute soll der Bau einer Moschee verhindert werden.

Wir rufen alle Bürger auf, sich gegen diesen Aufmarsch zu wehren und damit kund zu tun:

Wir sagen NEIN zu Ausländerfeindlichkeit! Nazis haben in Hörde und in Dortmund nichts zu suchen!

Wir treffen uns am 19.06.2004 um 10:30 in Dortmund-Hörde an der „Schlanken Mathilde" (Zentrum Hörde, U-Bahn, Bahnhof) zu einer Auftaktveranstaltung.

Weitere Infos gibt es unter 0174 429 96 36 oder www.free.de/bgr-do

Jede Mitarbeit und Unterstützung ist willkommen!

 
Dortmund - eine weltoffene Stadt! Keine Neonaziaufmärsche in unserer Stadt!

Aufruf des Dortmunder Bündnis gegen den Neonaziaufmarsch am 19.06.2004

  • 11.00 Uhr Begegnung der Kulturen an der Schlanken Mathilde
  • 11.30 Uhr Bühnenprogramm mit Kultur – Musik und Reden
  • anschließend Demonstration durch Dortmund-Hörde mit Zwischenkundgebung (Ende gegen 14.00 Uhr)
Fremde – Nachbarn - Freunde

Seit mehr als 40 Jahren leben Muslime in Dortmund. Angeworben als „Gastarbeiter" für die Stahlindustrie und den Bergbau ist ihnen, ihren Kindern und Enkelkindern diese Stadt zur Heimat geworden. Viele haben die deutsche Staatsangehörigkeit erworben und leben als Nachbarn, Kollegen und Freunde mit uns zusammen, zum Teil in der 3. und 4. Generation. Sie werden auf Dauer mit uns leben und haben in unserer freiheitlichen Gesellschaft ein Recht darauf, ihr Leben nach ihren Vorstellungen und mit ihrer Religion im Rahmen der geltenden Gesetze zu leben.

Trotzdem sind wir uns in manchem fremd geblieben. Obwohl hier für alle Seiten noch einiges zu tun ist, gibt es nach unserer festen Überzeugung zum friedlichen Zusammenleben keine Alternative. Alle Seiten müssen sich um mehr Verständnis füreinander bemühen, sich für bessere Integration und ein friedliches Zusammenleben einsetzen.

Das Projekt Grimmelsiepen

Den türkisch-islamischen Kulturverein in Dortmund-Hörde gibt es seit mehr als 20 Jahren. Neben anderen Aktivitäten unterhält er eine Moschee. Die räumliche Enge hat den Moscheeverein veranlasst, nach einem geeigneten Grundstück für den Neubau einer Moschee in Dortmund-Hörde zu suchen. Mit der Unterstützung der Stadt Dortmund hat man am Grimmelsiepen einen passenden Ort gefunden. Dort soll in den nächsten Jahren eine Moschee mit Gemeindezentrum, ein Projekt zum betreuten Wohnen und eine Eigenheimsiedlung entstehen. Geplant ist eine Siedlung, die offen ist für Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religion.

Der Runde Tisch Grimmelsiepen leistet mit seiner Informations- und Aufklärungsarbeit einen wichtigen Beitrag dazu, die Menschen in Dortmund-Hörde mit dem Projekt vertraut zu machen und sie auf die Veränderung vorzubereiten. Ängste und Befürchtungen in der Bevölkerung werden ernstgenommen. Motto der Arbeit ist: für einen offenen Dialog - zur Förderung der guten Nachbarschaft in Dortmund-Hörde.

Bürgerinnen und Bürger lassen sich nicht missbrauchen! Gemeinsam gegen Neonazis!

Die Neonazis der „Dortmunder Kameradschaft" mobilisieren zurzeit bundesweit und versuchen, mit einem Aufmarsch am 19.06. die Situation in Dortmund-Hörde für ihre politischen Zwecke zu missbrauchen. Den Rechtsradikalen geht es nicht um das friedliche Zusammenleben im Stadtteil. Sie suchen eine Bühne, um ihre rassistischen und menschenverachtenden Parolen zu verbreiten. Dabei benutzen sie eine rassistische Sprache und reden von der Unterwanderung der Deutschen" und einem „Zentrum der Islamisten".

Außerdem schrecken sie auch vor persönlichen Angriffen nicht zurück und wollen das Klima in der Stadt vergiften. Sie verbreiten Lügen, wenn sie den Hörder Moscheeverein mit Milli Görüs oder sogar dem sog. Kölner Kalifstaat in Verbindung bringen. Stattdessen gehört der Kulturverein Hörde zu einem Verband türkisch-islamischer Moscheen in Deutschland, der am Dialog mit anderen Religionen und der Gesellschaft interessiert ist (D.I.T.I.B.).

Obwohl auch von manchen Bürgern in Hörde das Bauprojekt mit Vorbehalt gesehen wird, sind wir uns in einem breiten Bündnis einig in der Ablehnung neonazistischer Aufmärsche in unserer Stadt.

Wir kennen die rechtsradikalen Unruhestifter. Schon in den vergangenen Jahren haben die Neonazis um Christian Worch versucht, Unfrieden nach Dortmund zu tragen und unsere Stadt zum Aufmarschgebiet für ihre neonazistische Propaganda zu machen. Dem stellen wir uns mit einem breiten gesellschaftlichen Bündnis aus der Mitte der Gesellschaft entgegen.

Wir sagen gemeinsam: Dortmund ist eine weltoffene Stadt! Für ein friedliches Zusammenleben der Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religion! Wir fordern alle Bürgerinnen und Bürger Dortmunds auf, gemeinsam mit uns gegen den Aufmarsch der „Dortmunder Kameradschaft" und ihre externen Unterstützer zu protestieren. Mischen Sie sich ein! Unterstützen Sie unseren friedlichen und demokratischen Protest.

Aufruf von folgenden Organisationen und Personen:
  • Runder Tisch Grimmelsiepen
  • Ev. Kirchengemeinde Hörde
  • Ev. Advent-Kirchengemeinde Dortmund-Hörde
  • Ev. .Kirchenkreis Dortmund-Süd
  • Evangelische Kirche in Dortmund und Lünen
  • Katholische Stadtkirche Dortmund
  • IG Metall Hörde
  • IG Metall Dortmund
  • Ver.di Dortmund
  • DGB Östliches Ruhrgebiet
  • SPD Hörde
  • SPD Dortmund
  • Bündnis 90/Die Grünen Hörde
  • Bündnis 90/Die Grünen Dortmund
  • Ausländerbeirat Dortmund
  • Dortmunder Jugendring
  • Manfred Renno (Bezirksvorsteher Stadtbezirk Dortmund-Hörde)
  • Dr. Fritz Hofmann (Stellvertretender Bezirksvorsteher Stadtbezirk Dortmund-Hörde)
 
"Wir fordern ein Verbot des Nazi-Aufmarsches"

Antrag an den Polizeipräsidenten der Stadt Dortmund vom 25.5.2004

Sehr geehrter Herr Polizeipräsident,

der geplante Moscheebau in Dortmund-Hörde ist Anlaß für Neo-Faschisten verschiedener Gruppierungen, zu einer Demonstration aufzurufen. Unter dem Motto "Nein zu Multi-Kulti" und "Nein zu islamischen Zentren" wollen sie sich am 19. Juni in Dortmund-Hörde zusammenrotten. Mit aufhetzenden Behauptungen wie "in Hörde soll eine türkische Stadt entstehen" und "nach dem Hörder Muster werden in ganz Deutschland islamische Zentren entstehen" werben sie bundesweit im Internet für ihren Aufmarsch. Die den Neofaschisten nahe stehende DVU, die mit zwei Vertretern im Rat der Stadt sitzt, macht aus ihrer Ausländerfeindlichkeit und ihrem Rassismus ebenfalls keinen Hehl. In Hörde sieht sie ein "Klein-Anatholien", ein Ghetto, eine "Großmoschee" heranwachsen.

Diese gemeinsame Offensive von Neofaschisten und ihnen nahestehenden rechtesten Parteien und Gruppierungen ist ein Angriff auf unsere grundgesetzliche Ordnung, auf Toleranz und Mitmenschlichkeit. Er betrifft nicht nur ausländische Mitbürger, die diskriminiert werden sollen, sondern alle, die sich für ein Miteinander und gute Nachbarschaft einsetzen wollen. Das Klima eines ganzen Stadtteils soll vergiftet werden, indem Ängste und Unzufriedenheit vieler Bürger für ausländerfeindliche Propaganda mißbraucht werden sollen.

Wir ersuchen Sie, sehr geehrter Herr Polizeipräsident, dringend, den geplanten Aufmarsch der Neonazis vom 19. Juni sowie jede Ersatzveranstaltung an diesem oder einem anderen Tag zu verbieten. Das Verbot sollte sofort vollzogen werden.

Wir verweisen auf Art. 8 des Grundgesetzes, der nach Maßgabe des Artikels 8/Abs. 2 GG in Verbindung mit speziellen Vorschriften des Versammlungsgesetzes eingeschränkt werden kann. Der volksverhetzende Charakter der Versammlung der Neonazis gefährdet unmittelbar die öffentliche Sicherheit und Ordnung.

Die Hetze gegen den Bau einer Moschee in Hörde und die Hetze gegen ausländische Mitbürger verstößt massiv gegen die Artikel 1, 3 und 4 des Grundgesetzes.

Artikel 1: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist die Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

Artikel 3/3 GG bestimmt: Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder seiner politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.

Artikel 4/1 besagt: Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

Zudem verweisen wir auf Artikel 1/Abs. 3: Die Grundrechte der Verfassung "binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtssprechung als unmittelbar geltendes Recht." Auf eine Auslegung der Verfassung durch das Bundesverfassungsgericht kann im Zusammenhang mit der geplanten Neonaziveranstaltung verzichtet werden.

In diesem Sinne fordern wir ein Verbot des Nazi-Aufmarsches in Hörde.

Begründung:

Ausländerfeindlichkeit und Rassismus haben in unserer Geschichte schon einmal in die Katastrophe geführt. Von den Nazis wurden "Die Juden" zum Sündenbock gestempelt, sie wurden für das Elend jener Zeit verantwortlich gemacht. 1938 ging die Hörder Synagoge in Flammen auf, mit ihr brannten die jüdischen Gotteshäuser im ganzen Land. Von den Hörder und Dortmunder jüdischen Familien hat kaum eine den Holocaust überlebt. So wie damals gegen die Synagoge, die friedlich neben der evangelischen Kirche in Hörde stand, hetzen die Faschisten heute gegen einen Moscheebau. Wir vergessen dabei nicht, daß sie erst vor ein paar Monaten Front gegen den Neubau einer Synagoge in Bochum machten. Mit ähnlicher Begründung, mit der gegen den Aufmarsch der Neonazis in Bochum vorgegangen wurde, verlangen wir das Verbot für die Veranstaltung der Neonazis am 19. Juni.

Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (siehe Beschluss vom 23. Mai 2001 - 5 B 395/01) hat dazu ausgeführt, dass die Wertmaßstäbe des Grundgesetzes die gültigen Wertmaßstäbe prägen. Hierzu zählt neben dem der Völkerverständigung dienenden Friedensgebot (Artikel 1 Abs. 2, 24 Abs. 2, 26 Abs. 1 GG) vor allem der Schutz der Menschenwürde (Artikel 1 Abs. 1 GG). Dieses oberste Verfassungsprinzip, das auf die gesamte Rechtsordnung ausstrahlt, steht im Mittelpunkt der grundgesetzlichen Ordnung und ist bei der Auslegung aller anderen Verfassungsbestimmungen von hoher Bedeutung. Es zählt zum unabänderlichen Kernbestandteil der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Es stellt eine Abkehr von Willkür, Rassenideologie und Diktatur dar, die für das durch Rechtlosigkeit und Menschenverachtung geprägte NS-Regime so kennzeichnend waren.

Versammlungen, die den oben dargelegten Wertmaßstäben und damit der verfassungsmäßigen Werteordnung zuwiderlaufen, indem sie für die hauptsächlichen Ziele des Nationalsozialismus eintreten, gefährden unmittelbar die öffentliche Ordnung. Die Ziele des Nationalsozialismus stellen keine nur "mißliebige Meinung" dar; sie sind zutiefst verbrecherisch. Die grundgesetzlich geschützte Versammlungsfreiheit tritt zurück, wenn dies im Rahmen einer Güter- und Interessenabwägung zum Schutz anderer mindestens gleichwertiger Rechte notwendig ist. Nur durch ein Verbot der Neonaziveranstaltung vom 19. Juni kann die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) insbesondere der ausländischen und muslimischen Bürger geschützt werden.