Düsseldorf, 26.3.2005, 'Völkerrecht statt Bomben - Stoppt den Krieg!' - Ostermarsch Rhein/RuhrBilder

750 Ostermarsch-Teilnehmer bekräftigten in Düsseldorf die Forderung nach einem anderen Europa

Presseerklärung der AG Ostermarsch Rheinland, 26.3.2006

750 Teilnehmer bekräftigten am Samstag auf dem Ostermarsch in Düsseldorf die Forderung nach einer nicht militarisierten Architektur des neuen Europas. Der Bundestag dürfe den EU-Verfassungsvertrag nicht stillschweigend ratifizieren. Ein Europa, über das die Menschen nicht selbst abstimmen, sei auf Sand gebaut. Die Organisatoren aus der Friedensbewegung Rheinland zeigten sich sehr zufrieden. Resonanz und Stimmung hätten eindrucksvoll gezeigt, dass der Ostermarsch im 45. Jahr seines bundesdeutschen Bestehens eine lebendige Tradition ist.

Scharfe Kritik übte Peter Bürger (Ökumenisches Friedensnetz Düsseldorfer Christen) an der grünen Wehrexpertin Angelika Beer. In der Tagesausgabe der Frankfurter Rundschau habe sie bei ihrer Polemik gegen die Friedensbewegung die zentralen Punkte der Kritik einfach umgangen. Der EU-Verfassungsvertrag enthalte eben an keiner Stelle die im Grundgesetz verankerte Ächtung aller Angriffskriege, sondern führe z.B. die neue Kategorie von "Abrüstungskriegen" ein. Ein der Rüstungsagentur vergleichbares ziviles Konfliktlösungsinstitut sei nirgends vorgesehen. Das "European Defence Paper" (Mai 2004) nenne wie Bundesminister Peter Struck ökonomische Interessen und Energieversorgung unter den Zielsetzungen der EU-Militärpolitik. Dergleichen sei im Völkerrecht nirgends vorgesehen.

Die Friedenspreisträgerin und bekannte Anti-Atom-Aktivistin Hanna Jaskolski betonte, dass die Planungen europäischer Militärstrategien unter Einbeziehung nuklearer Waffen einer offenen Verhöhnung des Völkerrechts gleichkämen. Ulrich Sander, NRW-Landessprecher der VVN-BdA, sieht im 60. Jahr der Befreiuung von Faschismus und Krieg wesentliche Säulen des Grundgesetzes demontiert. Die Sozialverpflichtung des Eigentums stehe nur noch auf dem Papier. Gegen den Wortlaut von Artikel 26 rüste sich Deutschland für weitere Militärinterventionen. Mehmet Cetiner von der deutschen Friedensgesellschaft erläuterte seinen Weg als kurdisch-türkischer Pazifist und forderte das Recht auf Kriegsdienstverweigerung in der Türkei. In mehreren Redebeiträgen wurde die Sorge über erstarkenden Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit laut. Die Kölner Stadträtin Özlem Demirel sagte, eine profitorientierte Umgestaltung der Gesellschaft sei daran interessiert, die eigentlichen Probleme der Menschen auf Ausländerfeindlichkeit zu verlagern.

Beim Friedensfest solidarisierte sich der Ostermarsch Rheinland mit dem 23-jährigen US-Amerikaner Blake Lemoine. Wegen seiner Kriegsdienstverweigerung nach einem Irak-Kriegseinsatz soll ihm am 28. März in der US-Kaserne Darmstadt der Prozess gemacht werden. Grußbotschaften kamen auch aus der lateinamerikanischen Bewegung "Christen für Frieden und Gerechtigkeit" und aus dem Kreis der Catholic Workers in den USA.

Nach einer technischen Panne konnten die Musiker leider erst verspätet auftreten. Für den jungen Rapper Michael Zamhöfer aus Essen und die Friedenslieder von Regine Weiss aus Solingen gab es Sonderapplaus.

Die Reden zum Ostermarsch Rheinland finden Sie auf: www.friedenskooperative.de

Materialien zum Düsseldorfer Ostermarsch auf: www.duesseldorfersozialforum.de

verantwortlich: Peter Bürger, Kiefernstr. 33, 40235 Düsseldorf
Pressekontakt der AG Ostermarsch Rheinland 2005


Das 'Europa von oben' ist nicht das Europa, das wir wollen

Begrüßung zum Ostermarsch Rheinland 2005 durch Peter Bürger (Ökumenisches Friedensnetz Düsseldorfer Christen), 26.3.2006

Liebe Freundinnen und Freunde aus der Friedensbewegung,

herzlich willkommen zum Ostermarsch Rheinland 2005,

besonders herzlich willkommen alle, die aus muslimischen Kulturen kommen oder die Muslime sind, und besonders herzlich willkommen alle, die aus Israel kommen oder Juden sind, und wie in jedem Jahr so erst recht auch in diesem Jahr:

ausdrücklich NICHT willkommen alle alten und neuen Faschisten und Kriegstreiber.

Im 60. Jahr der Befreiung vom deutschen Faschismus werden wir trotz aller aktuellen Kriegsgefahren durch die Politik der Supermacht heute nicht in erster Linie auf die USA und auf den Bushismus schauen, sondern auf das, was sich hier in Europa abspielt. Leider gibt es direkt vor unserer Haustüre Anlass zu großer Sorge:

Geschichtsverdrehung, Revision des Grundgesetzes und neuer Rechtsextremismus

Auf den Kinoleinwänden wimmelt es seit geraumer Zeit von "guten Deutschen" und Widerständlern. Über das Riesenheer der Täter im deutschen Faschismus weiß die Geschichtswissenschaft mehr denn je; doch in der Massenkultur wird eine neue "deutsche Tragik" inszeniert. Im Weltkriegsfilm sieht man nicht Millionen Kriegstote, sondern Zweikampf und Liebesgeschichten. Hartnäckig halten sich die Versuche, die zahlenmäßig größte Verbrecherorganisation im Nazi-Staat zu rehabilitieren: die deutsche Wehrmacht.

Die beiden wichtigsten Errungenschaften unseres Grundgesetzes werden derweil weiter demontiert. Die Sozialverpflichtung des Kapitaleigentums steht nur noch auf dem Papier. Dass unsere Verfassung Angriffskriege oder sog. Interventionskriege verbietet, will keiner mehr wissen.

Der neue Rechtsextremismus ist in unseren Straßen auf täglich mehr Jacken auch sichtbar gegenwärtig. Über einen anwachsenden Antisemitismus kann keiner mehr hinwegsehen. Unsere Regierenden meiden unbequeme Themen wie die Arbeitslosenzahlen und führen lieber eine Kopftuchdebatte. Hernach wundern sie sich scheinheilig über die zunehmende Fremdenfeindlichkeit oder hysterische "Islam-Angst".

Das politische Denken ist wieder von Militarismus verpestet

Wer die Geschichte nicht verdreht, weiß, dass all diese Entwicklungen keine schicksalhaften Naturkatastrophen sind. Wo man das brutalste aller denkbaren Wirtschaftssysteme heilig spricht, wird Krieg auf allen Ebenen produziert. Entsprechend ist das politische Denken gegenwärtig wieder vom Militarismus verpestet. Wer heute von Außenpolitik spricht, meint "Sicherheits"- oder Militärpolitik. Selbst angeblich kritische Köpfe fragen nicht mehr, ob man mit Militärinterventionen die Welt "ordnen" soll. Debattiert wird lediglich noch darüber, wo, wann und wie die Interventionen stattfinden sollen. Es ist, als sei ein halbes Jahrhundert Friedens- und Konfliktforschung an den Regierenden spurlos vorbeigegangen. Eine vor zwei Jahren neu installierte Denkfabrik hier an der Düsseldorfer Universität propagiert neue Militärdoktrinen. Vergleichbares im Dienste eine intelligenten Weltpolitik ohne Waffen gibt es nicht. Der EU-Verfassungsvertrag kennt entsprechend nur eine Agentur für Rüstungsgüter (Art. I-41,3). Über zivile Strategien wird bestenfalls im militärischen Kontext diskutiert. Wie sehnt man sich nach den Zeiten, in denen der Sozialdemokrat Willy Brandt verkündete: "Nicht Krieg, Frieden ist der Vater aller Dinge!"

Sicherheitspolitik für Wirtschafts- und Rohstoffinteressen

Erstmalig in der Geschichte würde mit dem EU-Verfassungsvertrag bei Ratifizierung ein Verfassungstext die stete Aufrüstung als Pflicht vorschreiben (Art. I-41,3). Wir haben genug Dokumente, um das richtig zu interpretieren. Die "Europäische Sicherheitsstrategie" (12.12.2003) spricht von "Bedrohungen dynamischer Art", bei denen "die erste Verteidigungslinie oftmals im Ausland" liegt. Das European Defence Paper (Paris, Mai 2004) erklärt beim Thema "Wohlstand", wie "künftige regionale Kriege ... die europäischen Interessen tangieren" können, nämlich: "Unterbrechung der Ölversorgung", "Erhöhung der Energiekosten" oder "Störung der Handels- und Warenströme". (http://www.iss-eu.org/chaillot/wp2004.html) Am deutlichsten hat Verteidigungsminister Peter Struck am 9. November 2004 bei einer Veranstaltung der Welt am Sonntag bewiesen, dass man sich das neue "sicherheitspolitische Engagement" nicht vordergründig als ein moralisches Projekt vorstellen sollte. Ihm geht es u.a. um den "Schutz vor illegaler Immigration" und um "Schutz der Energie- und Rohstoffversorgung". Die eigenen Grenzen sollen vor Menschen aus den Verliererregionen des Globus mit hohen Sicherheitszäunen geschützt werden, während man sich selbst für befugt hält, fremde Grenzen zum "Schutz von Rohstoffinteressen" [und zur Verteidigung unserer Wirtschaftsfreiheit in fernen Ländern] zu überschreiten. (Man fühlt sich erinnert an Vorstellungen, die der SPD-Kolonial- und Militärpolitiker Gustav Noske vor hundert Jahren verfochten hat.) Dergleichen hat ein Günther Verheugen Mitte der 90er Jahre für seine Partei noch vehement abgelehnt!

Wenn die neuen ökonomischen Kriegsargumente nicht vollständig zurückgenommen werden, wird die europäische Friedensbewegung in einer breiten Kampagne an das Gewissen von Eltern und angehenden Soldaten appellieren und zur Verweigerung aufrufen müssen.

Europa ist kein Anwalt des Völkerrechts

Leider ist es ein Mythos, der da sagt, das neue Europa wäre im Gegensatz zu den USA ein Anwalt des Völkerrechts. Artikel 26 unseres Grundgesetzes hat man bewusst im EU-Verfassungsvertrag nicht übernommen. Statt im Klartext zu sagen: "Wir führen keine Angriffskriege", bekennt man sich vage nur zu den "Prinzipien der UN-Charta" und will ansonsten das Völkerrecht offenbar "kreativ" weiterentwickeln. Deshalb führt man eine ganz neue Erfindung ein, sogenannte "Abrüstungskriege" (Art. II-309,1). Am Ende soll man womöglich in den UNO-Hallen die Liturgie der neuen Interventionsreligion feiern. - 60 Jahre nach Hiroshima und Nagasaki bekennt das schon genannte European Defence Paper unverblümt: "Wir haben uns nicht gescheut, auch Szenarien zu präsentieren, in denen die nationalen Nuklearstreitkräfte explizit oder implizit mit einbezogen werden." Nach dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofes über Atomwaffen (1996) kann man dergleichen nur als offene Verhöhnung des Völkerrechts bezeichnen.

Europa soll von oben diktiert werden: Eine öffentliche Diskussion findet nicht statt

Die einzigen Nutznießer dieses neuen, militarisierten Europas sind Konzerne und die - namentlich in Deutschland wachsende - Milliardärselite. Kein Wunder also, dass man dieses Europa an den Menschen vorbei von oben herab diktieren will. Der Bundestag beabsichtigt, in Kürze klammheimlich den EU-Verfassungsvertrag zu ratifizieren. Die Bevölkerung wird nicht gefragt. Die Mehrheit der Medien spielt mit; die ungeheuerlichen Neuerungen z.B. der europäischen Militärdoktrin werden öffentlich so gut wie gar nicht diskutiert. Allein in den letzten zwei Jahren hat in der Bundesrepublik die Zufriedenheit der Menschen mit der Demokratie um 15 Prozent abgenommen (www.boecklerimpuls.de Nr. 3/2005). Diesen Tiefstand und gefährliche Ohnmachtgefühle hat unsere Regierung zu verantworten! Immer mehr sagen: "Der Politik sind unsere Wünsche und Bedürfnisse völlig egal!" Wir fordern wie beim Ostermarsch 2004 nach wie vor eine Abstimmung aller Menschen Europas über den Verfassungsvertrag. Ein von oben gebautes Europa ist eine Architektur, die auf Sand gebaut ist. Wir wünschen sehr, dass besonders auch unsere Freundinnen und Freunde aus den französischen Friedens- und Sozialbewegungen dieses windige Projekt zeitig zu Fall bringen.

Wir wollen ein anderes Europa

Wir wollen aus ganzem Herzen Europa, aber wir wollen nicht das Europa, das uns von oben herab vorgesetzt werden soll. Die seit den 90er Jahren grassierenden neuen Militärmachtphantasien haben auf allen Schauplätzen abgewirtschaftet; mit dieser bankrotten Politik soll das neue Europa nicht beginnen. Wir wollen ein Europa, das nicht wieder auf einem Nährboden steht, der schon zwei Weltkriege hervorgebracht hat. Wir wollen ein Europa als gleichberechtigte Föderation, ohne ein bis an die Zähne bewaffnetes "Kerneuropa" mit Deutschland an vorderster Stelle. Wir wollen ein Europa jener Werttraditionen, die Willy Brandt 1972 bei seiner Friedensnobelpreis-Rede genannt hat: echtes Christentum, Humanismus und Sozialismus. Wir wollen ein Europa, dessen Außenpolitik von den gewählten Parlamenten und vom Europäischen Gerichtshof kontrolliert wird. Wir wollen ein Europa, in dem nicht Generäle und Konzernmanager den Ton angeben, sondern Experten für zivile Problem- und Konfliktlösungen. 1945 gab es die breite Erkenntnis in unserer Gesellschaft: "Der Krieg ist für immer zu ächten!" Das hat die UN-Charta für das Langzeitgedächtnis der Menschheit festgeschrieben. Für uns ist nur ein Europa der Völkerfreundschaft annehmbar, das unter diesem Leitsatz gebaut wird. Das heißt: Keine Verwandlung aller Lebensräume in aggressive Profitzonen, sondern die Gestaltung einer solidarischen europäischen Gesellschaft. Kein Kulturimperialismus, sondern dialogische Weltbürgerkultur und demokratische Kontrolle der Medienmacht. Keine Milliarden für Eurofighter und andere Begehrlichkeiten der Kriegsmaschinerie, sondern Milliarden-Investitionen in eine intelligente Weltpolitik, die vorausschauend Kriege verhütet, und Milliardeninvestitionen in einen menschenwürdigen Lebensraum für alle Menschen auf diesem Planeten. Und, so sagte es der denkende Teil unserer Spezies im Jahr 1945 und so sagen wir es im Jahr 2005: "Nie wieder Kriegsvorbereitungen! Nie wieder Krieg!"

Zur Person: Peter Bürger, geb. 1961 in Eslohe (Westfalen), kath. Theologe (Studium in Bonn, Paderborn, Tübingen), examinierter Krankenpfleger und seit 2003 tätig als freier Publizist in Düsseldorf. Seit 1980 Mitglied der Internationalen kath. Friedensbewegung PAX CHRISTI; 1999 Mitinitiator der Ökumenischen Initiative zur Achtung von Obdachlosen und Suchtkranken im Zusammenhang mit der neuen "Düsseldorfer Straßenordnung"; einer der Sprecher des Ökumenischen Friedensnetzes Düsseldorfer Christinnen & Christen (www.ofdc.de). Die letzte Buchveröffentlichung 2004 behandelt den kritischen Vietnamkriegsfilm (www.napalm-am-morgen.de). Seine umfangreiche Studie zur Kriegsfilmpropaganda von Hollywood und Pentagon in den letzten zwei Jahrzehnten enthält ein medien-/gesellschaftspolitisches Programm gegen den "massenkulturellen Krieg"; sie wird aktuell für die Drucklegung vorbereitet.


Zum 60. Jahrestag der Befreiung von Faschismus und Krieg

Rede von Ulrich Sander (Landessprecher der VVN-BdA), 26.3.2006

Ein paar Straßen von hier entfernt sind im Parkhotel die Räumlichkeiten des Industrieclubs. Hier trafen am 26. Januar 1932 Hitler und Göring mit Großindustriellen und Bankiers zusammen. Hitler versprach, den Marxismus auszurotten, die Gewerkschaften zu zerschlagen, die Parteien zu verbieten und demokratische Wahlen abzuschaffen. Er versprach, die Reichswehr auszubauen, aufzurüsten und "Lebensraum im Osten" zu erobern. Von nun an flossen riesige Spenden des Kapitals an die Nazipartei. Der Weg in die Nazidiktatur und in den Krieg war bereitet. Es müsste am Industrieclub eine Tafel angebracht werden mit dem Text: "Hier bekam Hitler von Großindustriellen und Bankiers Beifall und Geld, hier wurden die Weichen zum Krieg gestellt."

1932 glaubten die meisten Menschen in Deutschland nicht, dass Hitler Krieg bedeutet. Aber der Krieg kam, mit all seinen schrecklichen Folgen. Heute haben wir erneut Grund zu warnen: Ständig sind 10.000 Bundeswehrsoldaten im Einsatz. In kürzester Zeit können die Kontingente vergrößert werden. Im "Stern" vom 9.12.04 hat Minister Peter Struck die Deutschen zu mehr "kriegerischem Handeln" aufgerufen. Es seien "friedenserzwingende Operationen" nötig, die auch zahlreiche Todesopfern fordern, auch unter den Deutschen. (siehe auch Anmerkung)

Heute, 60 Jahre nach der Befreiung von Krieg und Faschismus, haben die Friedensbewegung und alle Antifaschisten die Aufgabe, den Konsens in der Gesellschaft unter der Losung "Nie wieder Krieg und Faschismus" wiederherzustellen. Das entspräche dem Vermächtnis des deutschen Widerstandes. Denn seitdem 1999 deutsche Bomber wieder jugoslawische Ziele anflogen, wurde diese Losung auf "Nie wieder Auschwitz" verkürzt. Es wurden zugleich wieder deutsche Angriffskriege auf die Tagesordnung gesetzt - und dies auch mittels der Neufassung der EU-Verfassungsgrundsätze für die Außenpolitik.

Noch gibt des die Artikel in unserem Grundgesetz, die besagen: Verbot des Angriffskrieges und seiner Vorbereitung, eine Armee nur zur Verteidigung, Sozialpflichtigkeit des Eigentums, Verbot des Nazismus und Neonazismus, Bekräftigung der 1945er Bestimmungen für die Befreiung von Militarismus und Nationalsozialismus. Doch nun droht die Abschaffung dieser Bestimmungen gegen Faschismus und Krieg. "Die (EU-)Verfassung und das von den Organen der Union (...) gesetzte Recht haben Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten. So lautet Artikel I-6 der "Verfassung für Europa" (FR 3.11.04).

Dazu haben am Donnerstag in Dortmund auf einem internationalen Treffen mit Teilnehmern aus sechs Ländern und zwanzig deutschen Städten, in denen noch kurz vor Kriegsende viele tausend Antifaschisten ermordet wurden, rund 60 Delegierte erklärt: "Die Pläne, eine EU-Verfassung zu schaffen, welche die antifaschistischen Grundpositionen aus deutschen Verfassungstexten ablösen und abschaffen soll, müssen auf den Widerstand aller Antifaschisten stoßen.

Das Anwachsen von Antisemitismus, Neofaschismus und Rassismus in ganz Europa, vor allem aber in Deutschland, ist alarmierend. Das Vermächtnis von 1945 gebietet, dem entschlossen entgegen zu wirken."

Als sollte der Gesprächsfaden vom Industrieclub 1932 wieder aufgenommen werden, erklärte Industrieellen-Präsident Michael Rogowski (BDI) immer wieder, der Rüstungsetat müsse vergrößert werden. Die NPD, so Rogowski, sei nicht so beunruhigend wie die PDS. Das "Phänomen Rechtsextremismus" solle nicht überbewertet werden. ("Freien Presse" (Chemnitz) 20.9.04)

Was Hitler mit "Ausrottung des Marxismus" bezeichnete, wird heute "Delegitimierung des Kommunismus" (Dr. Joachim Gauck) genannt. Die EU-Verfassung erhebt als einzig zugelassenes gesellschaftspolitische Modell den neoliberalistischen Raubtierkapitalismus zum obersten Prinzip. Wird die EU-Verfassung angenommen, so wäre dies der endgültige Sieg jener Kapitalvertreter, die 1932 hier mit Hitler zusammensaßen.

Die heutige Friedensbewegung erhebt die Verhinderung weiterer Kriege zu ihrer Aufgabe. Und antifaschistischer Auftrag ist es, besonders die Kriegsteilnahme Deutschlands - allein schon wegen seiner Geschichte heraus - zu verhindern. Der Krieg kann verhindert werden durch Abrüstung, konsequenten Antimilitarismus - entsprechend den Artikeln 83 und 26 des Grundgesetzes. In dem Sinne sollten Friedensbewegung und die gewerkschaftliche sowie Sozialbewegung zusammen handeln. Gelänge es uns, den Rüstungshaushalt zu verringern, könnten die aggressiven Interventionskriege Deutschlands in aller Welt nicht geführt werden.

Auch für die Demokratie gehen von der neuen EU-Militärdoktrin - auch verankert im Entwurf der EU-Verfassung - große Gefahren aus. Sie schafft die Rolle der Parlamente in der Frage von Krieg oder Frieden faktisch ab und zwingt die Mitgliedsländer zur Hochrüstung. Auf dem Gebiet der Rüstung und langfristigen Kriegsvorbereitung wollen sich Deutschland und die EU die gleichen oder ähnliche Optionen und Möglichkeiten wie die USA verschaffen. Sie wollen ähnlich wie die USA der Welt ihren Willen aufzwingen.

Ich möchte noch auf eine besorgniserregende geschichtliche Parallele hinweisen. Ende der 20er Jahre ging die SPD in den Reichstagswahlkampf mit der Losung "Kinderspeisung statt Panzerkreuzerbau". Nach der Wahl wurde der Panzerkreuzer A gebaut und die Kinderspeisung fiel weg. Mit dem Panzerkreuzer wurde der Krieg der Nazis geführt. Ende der Weimarer Zeit wurde eine ähnliche Politik des Sozialabbaus betrieben wie heute mit Hartz IV und Agenda 2010. Damit wurde die Republik zerstört und Faschismus und Krieg wurden möglich.

Als Lehre aus den Erfahrungen der Weimarer Zeit und des Faschismus erschien es allen Demokraten 1945 als notwendig, für die sozialen Menschenrechte zu wirken. Deshalb gibt es den Artikel 14 zur Sozialpflichtigkeit des Eigentums im Grundgesetz, und deshalb heißt es in der NRW-Landesverfassung von Nordrhein-Westfalen im Artikel 24: "... Im Mittelpunkt des Wirtschaftslebens steht das Wohl des Menschen. Der Schutz seiner Arbeitskraft hat den Vorrang vor dem Schutz materiellen Besitzes. Jedermann hat ein Recht auf Arbeit. ..." Recht auf Arbeit und Schutz der Arbeitskraft sind demnach höchste Verfassungsaufgaben - und nicht das Recht auf Profit, das die Politiker und Wirtschaftsführer zur obersten Maxime gemacht haben. Tag für Tag wird gegen Grundgesetz und Landesverfassung verstoßen. Doch diese Tatsache taucht in keinem Verfassungsschutzbericht auf.

Im Interessenkonflikt Profit oder Arbeiterrechte und Arbeitsplätze, bleiben letztere immer auf der Strecke. Opel in Bochum und Siemens in Bocholt und Karstadt in Essen sind der Beleg dafür: Es werden um der höchsten Profite Willen die kleinen Leute um ihren Lohn und ihre Arbeitsplätze betrogen. Weitere zig Tausende Arbeitsplätze werden beseitigt, obgleich die Verfassung den Menschen ein Recht auf Arbeit und gerechten Lohn gibt.

Ich habe auf die Landesverfassung von NRW positiv hingewiesen. Wir haben in diesem Bundesland noch eine weitere demokratische Errungenschaft. Das ist die Spruchpraxis des höchsten Landesgerichts von NRW zum Neofaschismus. Sie lautet: "Eine rechtsextremistische Ideologie lässt sich auch nicht mit den Mitteln des Demonstrationsrechts legitimieren" (Beschluss des OVG NRW, Az 5B B 585/01) Es ist zu fordern, dieses Prinzip durchzusetzen, das von höchsten Richtern des Bundeslandes formuliert wurde. Damit würde zur Wiederherstellung des Verfassungsprinzips des Artikel 139 GG beigetragen, das die 1945/46 geschaffenen Bestimmungen zur Zerschlagung von NS-Organisationen und des Militarismus auch für das Heute verbindlich regelt.

Wir alle sollen heute wieder die Steigerung des Rüstungsetats zum Segen des Kapitals bezahlen. Kriegsminister Peter Struck sagte auf die Frage nach der Bezahlbarkeit seiner Pläne: "Die Agenda 2010 wird ihre Früchte tragen und auch dem Haushalt mehr Spielraum verschaffen." (Süddeutsche Zeitung 4.2.04)

Schluß mit einer solchen undemokratischen, unsozialen und friedensgefährdenden Politik! Wir fordern: Die Politik ist zu zivilisieren. Die Bundeswehr muß wieder entwaffnet werden. Eingreiftruppen sind aufzulösen. Es ist abzurüsten und die frei werdenden Mittel sind für soziale und kulturelle Zwecke zu verwenden. Von deutschem Boden darf kein Krieg mehr ausgehen!

Zur Person: Ulrich Sander, geb. 11. März 1941 in Hamburg. Nach Mittelschule Lehre als Verlagskaufmann und zunächst Tätigkeit in diesem Beruf. (U.a. bei "Konkret"). 1958 Mitbegründer der Geschwister Scholl Jugend Hamburg, 1960 Mitorganisator des ersten deutschen Ostermarsches. Seit 1962 als Journalist und Korrespondent tätig, u.a. für Jugendinformationsdienst (Wiesbaden), Elan, Komsomolskaja Prawda, Unsere Zeit, Neues Deutschland, Junge Welt. Seit 1990 haupt- und jetzt ehrenamtliche Tätigkeit für die VVN-BdA. Buchveröffentlichungen: "Axel Springer als Erzieher der Jugend" (1968), "Jugend und Klassenkampf" (gemeinsam mit Wilhelm Schwettmann)(1972), "Mord im Rombergpark" (Kriegsendmorde im Ruhrgebiet)(1993), "Schwarz-Braun-Buch" (Alternativer Verfassungsschutzbericht)(1995, zusammen mit Anne Rieger), "Szenen einer Nähe/Nach dem großen RechtsUm bei der Bundeswehr" (1998), "Jugendwiderstand im Krieg - Die Helmuth Hübener Gruppe 1941-42" (2002) und "Macht im Hintergrund" über den deutschen Militarismus, (Köln 2004). Derzeit Sprecher der VVN-BdA-Landesorganisation NRW, seit 1.1.05 Rentner, "freie" journalistische Tätigkeit. Wohnhaft in Dortmund, verheiratet., zwei Söhne, zwei Enkeltöchter. Sein Beitrag auf dem Ostermarsch Rheinland (Friedensfest Burgplatz): 60. Jahrestag der Befreiuung von Faschismus und Krieg - der neue Rechtsextremismus.

Anmerkung: Peter Struck im 'Stern' vom 9.12.2004:
"Ich habe gesagt: 'Deutschlands Sicherheit wird auch am Hindukusch verteidigt.' ... Wir stellen jetzt 35.000 Soldaten und Soldatinnen als Eingreiftruppe für friedenserzwingende Maßnahmen... Das bedeutet kriegerisches Handeln... Es kann ganz schnell ein Meinungswandel in Deutschland eintreten, in dem Fall... dass wir eine große Zahl von Soldatinnen und Soldaten verlieren... So, wie die Bundeswehr jetzt umgebaut wird, ist sie auch dazu bestimmt, Krieg zu führen, auch an einem Ort auf der Welt, von dem wir nie gedacht haben, dass jemals ein deutscher Soldat da seinen Fuß hinsetzt. Es kann sein, dass dort Menschen sterben, weil die internationale Staatengemeinschaft das von uns verlangt."


'Wider den nuklearen Wahnsinn' im 60. Jahr von Hiroshima und Nagasaki

Rede von Hanna Jaskolski zum Ostermarsch in Düsseldorf, 26.3.2006

Liebe Ostermarschierer,

wir sind wieder da, im 45. Jahr seit Beginn der Bewegung. Und die Bewegung fing an mit dem Thema, das brandaktuell ist. Davon werde ich berichten. Mal sind wir Ostermarschierer mehr, mal weniger, aber für die Medien nicht zu übersehen, wenn auch gerne die Teilnehmerzahl kleingeredet wird. Mutlos macht mich das nicht. Mutlos könnte mich nur die Tatsache machen, dass allzu viele Menschen die größte Gefahr für unser Überleben aus den Augen verloren haben, die Bedrohung durch Nuklearwaffen, als ob diese schon verschrottet und unsere Vision von der atomwaffenfreien Welt Wirklichkeit geworden wäre. Waren früher so viele auf der Straße, weil sie generell vor der atomaren Katastrophe Angst hatten, und bleiben sie heute zu Hause, weil sie der kalkulierten Angstmacherei vor den tatsächlichen und den angeblichen Massenvernichtungswaffen der sogenannten Schurkenstaaten auf den Leim gehen? Aber es gibt keine bösen und guten Atomwaffen. Alle müssen weg. Es sind weltweit noch immer 30 000, und 5000 davon sind in ständiger Alarmbereitschaft, und das 60 Jahre nach Hiroshima und Nagasaki. Diese erschreckende Tatsache kommt einem fast nicht über die Lippen, aber schon bahnt sich noch Schlimmeres an. Die Atomwaffenstaaten haben bereits eine neue Atomrüstung in Gang gesetzt: die Erneuerung der Atomsprengköpfe, moderner nennt man sie und meint damit: effektiver fürs Töten, und die Erprobung von Mini-Nukes und Bunker-Busters. Sie tun dies ungeniert, obwohl sie gemäß Artikel VI des Atomwaffensperrvertrages zur nuklearen Abrüstung verpflichtet sind. Auch die regierungsamtlich beschlossene EU-Verfassung schert sich nicht darum, sondern setzt noch eins drauf, indem sie Aufrüstung zum Verfassungsgebot erhebt.

Noch immer ist von der Notwendigkeit der nuklearen Abschreckung die Rede, noch immer gehört zur Strategie der Nato die Option des nuklearen Erstschlages. Inzwischen wird aber schon jenseits des Atlantiks offen von präventiven Atomwaffeneinsätzen gesprochen, auch gegen Nicht-Atomstaaten. Das ist gegen alles Völkerrecht und erschreckend neu in dem nuklearen Krieg, der ja schon lange im Gang ist: Früher waren es die Atomwaffentests, die so vielen Menschen Krankheit und Tod gebracht haben, in den beiden letzten Golfkriegen und auch in Jugoslawien war es der Einsatz von Hunderten von Tonnen Uranmunition mit verheerenden Folgen. Liebe Leute! Ohnmachtgefühle und Fatalismus können wir uns bei diesem Wahnsinn nicht leisten.

Eine neue Etappe dieses gespenstigen Krieges scheint sich gerade anzubahnen. Diesmal soll der Iran dran glauben, falls er sich nicht den Forderungen der westlichen Atommächte beugt, auf sein Atomprogramm zu verzichten. Zugleich nehmen diese die atomare Bewaffnung von Israel, Pakistan und Indien hin, als sei es eine Selbstverständlichkeit. Unser Bundeskanzler hat gerade seinem amerikanischen großen Bruder schulterklopfend versprochen, weiterhin auf diplomatischem Weg den Verzicht des Iran auf die Entwicklung von Atomwaffen zu erwirken. Gerhard Schröder hat offenbar ganz vergessen, dass die Bundesrepublik im eigenen Land amerikanische Atomwaffen, und zwar 130, nicht nur duldet, sondern auch den Einsatz dieser Waffen im Kriegsfall ermöglicht. Auf dem Luftwaffenstützpunkt bei Büchel in der Eifel üben Bundeswehrsoldaten des Jagdbombergeschwaders 33 den Einsatz der dort lagernden Atombomben, sie machen sich damit fit für die Massenvernichtung zum Zeitpunkt, da die Einsatzbefehle von der Nato ergehen. Der Physiker Sebastian Pflugbeil hat kürzlich von der scheinheiligen Debatte um das iranische Atomprogramm gesprochen und im Besonderen von der Scheinheiligkeit der deutschen Politik in puncto nuklearer Bewaffnung.

Ich gehöre zu einer Gruppe von Friedensaktivisten, die sich mit dieser scheinheiligen Mittäterschaft nicht abfinden können und deshalb Wege und Mittel gesucht haben, diesen Skandal aufzudecken und die Öffentlichkeit zu mobilisieren. Nach vielen gewaltfreien Aktionen - sogenannten Inspektionen - haben wir im vergangenen Jahr an die Soldaten in Büchel Flugblätter verteilt mit der Aufforderung, das Üben des Einsatzes mit den dort gelagerten Atomwaffen zu verweigern, weil diese Praktizierung der nuklearen Teilhabe mit deutschen Tornados völkerrechts- und grundgesetzwidrig sei. Ich hielt dies für eine erlaubte Meinungsäußerung in einem demokratischen Rechtsstaat. Das Amtsgericht in Cochem sah das anders und verurteilte mich zu vier Wochen Haft ohne Bewährung wegen Aufrufs zu einer Straftat. In der Urteilsbegründung ist zu lesen, dass durch derartige Befehlsverweigerung die Schlagkraft der Truppe gefährdet sei durch die Dezimierung der Einsatzkräfte. Auch bestehe dadurch eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland. Das bedeutet praktisch folgendes: Deutschland ist nur sicher, wenn die nukleare Schlagkraft der Nato, ausgeübt durch die Bundeswehr, nicht gemindert wird. Ich bin dagegen der Meinung, dass Deutschland sicherer wäre, wenn es sich zur atomwaffenfreien Zone erklären würde. Und ich bin auch der Meinung, dass Deutschland menschenfreundlicher wäre, wenn es dem kriegssüchtigen Militarismus unseligen Andenkens eine endgültige Absage erteilen würde. Sicherheit lässt sich nicht herbeibomben, schon gar nicht mit Atomwaffen. Der Frieden auch nicht. Geht das wohl mal in die Männerköpfe?

Hoffentlich fallen uns gegen den nuklearen Wahnsinn außer den "Inspektionen" und Flugblättern noch mehr phantasievolle Aktionen ein. Aber jetzt entscheidet erst einmal das Landgericht Koblenz in unserem Berufungsprozess, und zwar am kommenden Dienstag um 9.00 Uhr, ob nun das Völkerrecht gilt oder ob wir eingesperrt gehören. Wer das Ergebnis erfahren möchte, kann gerne bei uns anrufen.

Zur Person: Hanna Jaskolski (Erfstadt), geboren 1935 in Köln. Mit Eltern und fünf Geschwistern dort den Krieg erlebt. Von den Eltern soziales Engagement und auch Zivilcourage gelernt. Studium der Musik in Köln. Über 40 Jahre in Köln, Niedermarsberg und Erftstadt als Musikpädagogin tätig, in Schulen und im Privatunterricht. Seit 1964 verheiratet, vier Kinder, davon eines adoptiert, und zwei Enkelkinder Mitglied von "pax christi" und "Frauen in Schwarz für Frieden". Gewaltfreie Aktionen des zivilen Ungehorsams gegen Atomwaffen und AKWs, gegen Militarisierung und Kommandozentralen. Im Zusammenhang damit vier Gefängnisaufenthalte als "Mahnwache hinter Gittern". "... Im April 1999 ist sie während des Kosovokrieges nach Belgrad gefahren, um ihre Solidarität mit den durch die Natobomben terrorisierten Menschen zu bekunden und Geldspenden an eine Oppositionsgruppe zu überbringen. Ihr besonderes Engagement richtet sich gegen die Gefährdung der Menschheit und der >Mutter Erde< durch Massenvernichtungswaffen und durch die Atomindustrie. Durch Teilnahme an Aktionen des zivilen Ungehorsams hat sie sich empfindliche Strafen eingehandelt. Im Februar 2003 verbüßte sie eine einmonatige Gefängnisstrafe in der Justizvollzugsanstalt Willich II bei Krefeld. Die beiden dokumentierten Gerichtsreden geben beispielhaft über ihre Motive Auskunft. Am 19. April 2003 wurde Hanna anlässlich des Ostermarsches Rhein-Ruhr mit dem Düsseldorfer Friedenspreis ausgezeichnet. Am 23. November 2004 stand sie erneut vor Gericht, und zwar zusammen mit drei anderen Mitgliedern der Gewaltfreien Aktion Atomwaffen Abschaffen (GAAA) wegen Aufrufs zur Befehlsverweigerung an die Soldaten des Atomwaffenstützpunktes Büchel/Eifel. Die Urteile lauteten auf Geldstrafen und Gefängnis. Hanna wurde zu einem Monat Gefängnis verurteilt. Die Verurteilten haben Rechtsmittel eingelegt. Der Berufungsprozess vor dem Landgericht Koblenz findet statt am 29. März 2005, 9.00 Uhr. (Quelle und weitere Informationen: http://www.jaskolski.de/hanna.htm). Beitrag zum Ostermarsch Rheinland 2005: Atomwaffenprogramme im 60. Jahr nach dem Atombombenabwurf auf Hiroshima und Nagasaki.


Frieden der Kulturen beginnt in unseren Städten

Rede von Özlem Demirel, 26.3.2006

Liebe Freundinnen und Freunde

Jedes Jahr versammeln sich mehrere Tausend Menschen beim Ostermarsch, um ein Zeichen für das friedliche Zusammenleben, für Frieden zu setzten.

Auch heute finden immer noch an verschiedenen Orten der Welt Kriege statt - auch wenn uns das nicht sehr bewusst ist, auch wenn Medien nicht darüber berichten. Der Krieg im Irak ist noch immer nicht vorbei. "Die Achse des Bösen", "Kampf der Kulturen" das sind Schlagworte mit denen seit dem 11. September Kriege initiiert und gerechtfertigt werden. Der neue Feind der zivilisierten Welt ist der Fundamentalismus, heißt es. Man wolle die muslimische Frau von ihrem Leid befreien. Mit Bomben werde man die Demokratie in den Nahen Osten bringen. Dass hinter diesen Sprüchen nur reine macht- und wirtschaftspolitische Interessen stecken, ist kein Geheimnis. Denn im Endeffekt bringen die Bomben den sogenannten, zu befreienden Völkern nur neues Leid, Elend, Armut und Tod.

Liebe Freundinnen und Freunde, seit dem 11. September werden Vorurteile und Hass geschürt. Die Vorurteile, die geschürt, die Angst der Menschen vor Angriffen und Attentaten, die verstärkt wurde und die generalisierte Behauptung, dass jeder Moslem ein potenzieller Terrorist sein könnte, hat auch das Zusammenleben hier in Deutschland geschwächt. Menschen die seit Jahrzehnten gemeinsam in Deutschland leben, betrachten aneinander jetzt mit ganz anderen Augen. Gerade der Mord an dem holländischen Filmemacher Van Gogh hat dem ganzen noch einmal neue Dimensionen verliehen. Statt die Integration voranzutreiben, ist diese wieder um Jahre zurückgeworfen worden. Feindbilder wurden auf beiden Seiten gestärkt, islamische oder christliche Fundamentalisten vergifteten Religionsanhänger mit Hass und Furcht.

Die Diskussionen über Ehrenmorde, Zwangsverheiratungen in moslemischen Familien, Parallelgesellschaften und die als Konsequenz daraus gezogenen "Innere Sicherheitspakete" und ähnliches haben die in Deutschland lebenden Menschen nicht näher zusammengeführt, sondern noch mehr gespalten. Und eine gespaltene Gesellschaft ist leichter zu lenken und kontrollieren, das weiß jedes Kind.

Liebe Freundinnen und Freunde, wir dürfen niemals vergessen, dass es die Aufgabe von jedermann und jederfrau ist, sich für eine bessere, gerechte und friedliche Welt einzusetzen. Von selbst wird der Frieden in einer Welt, die von Macht-, Profit- und Geldgier geprägt ist, nie kommen. Und gerade heute ist es wichtiger denn je, gemeinsam für Frieden einzutreten, für Frieden zu kämpfen. Wir müssen der alten Strategie "der Isoliere- Spalte und Herrsche- Politik" ein Ende setzten. Wir dürfen nicht tatenlos zusehen, wie Menschen gegeneinander aufgehetzt werden. Es kann nicht angehen, dass Menschen für Macht und Wirtschaftsinteressen, für die Ergründung neuer Absatzmärkte und für billige Rohstoffe - und hier muss man noch anfügen, dass diese ja geschickt unter dem Deckmantel Demokratie und Freiheit versteckt werden, sterben. Es ist doch eine Zumutung, dass Menschen auf der einen Seite an Hunger und Armut sterben und einige wenige während dessen immer reicher werden, von deren Armut und Elend profitieren und mit dem "Aufbau" nach dem "Zerstören" ihnen noch das letzte Blut aussaugen.

Liebe Freundinnen und Freunde obwohl es noch so vieles zu diesen Themen zu sagen gibt, möchte ich meine Rede nicht in die Länge ziehen. Ich möchte zum Schluss nur darauf hinweisen, dass wir unsere Kräfte erneut bündeln müssen und noch organisierter und aktiver für eine bessere Welt und für Frieden eintreten müssen. Wir müssen das Zusammenleben in Deutschland stärken, um gemeinsam für unsere Rechte und Zukunft eintreten zu können und wir müssen der Kriegspolitik ein Ende setzen. Wir dürfen uns nicht länger spalten lassen und wir dürfen nicht vergessen den Widerstand gegen diese Politik zu unterstützen und zu stärken. Wir sind nur gemeinsam stark liebe Freundinnen und Freunde. Und die Zauberformel heißt organisieren und kämpfen, kämpfen und noch mal kämpfen.

Zur Person: Özlem Demirel, geb. 1984 in Malatya (Osttürkei), seit 1989 in Deutschland, Abitur 2004 in Köln (Kaiserin-Theophanu-Gymnasium), jetzt Studentin in Bonn (Komparatistik, Politische Wissenschaft, Wirtschafts-Verfassungs- und Sozialgeschichte = Magisterstudiengang). Seit Jahren Mitglied der DIDF (Föderation der demokratischen Arbeitervereine, Köln), in der Schulzeit fünf Jahre im Vorstand der Bezirksschülervertretung und der Landesschülervertretung; seit der letzten Kommunalwahl Mitglied des Kölner Stadtrats (aktiv gegen die antiislamische Kampagne von "pro Köln"), Schwerpunkte Migration/Integration, Bildungs- und Jugendfragen.


Von der irrigen Verehrung des Kriegsgottes zur wahren Verehrung des Friedensgottes

Grußadresse von Frank Cordaro, Des Moines Iowa USA, Catholic Workers an die Düsseldorfer Osterfriedensmarschierer

Ostergrüße friedlich gesinnter Menschen aus den USA. Ich danke Euch für Eure öffentliche Friedensbekundung. Wir Christen leben in wahrlich dunklen Zeiten, besonders wir in den USA. Unser Glaube ist von den Kriegs- und Machtbesessenen enteignet und missbraucht worden. Die kriegerischen Aktivitäten meines Landes sind ein furchtbarer Skandal und eine große Tragödie. Während Ihr an diesem Ostersonntag für den Frieden marschiert, sollt Ihr nicht vergessen, dass es friedliebende Menschen in den USA gibt, die dabei sind, dasselbe zu tun. Möge der Geist des Lebens, der den Tod überwindet und Jesus aus dem Grab zum Leben erweckte, in unseren Frieden stiftenden Bemühungen sein, so dass unsere Menschheitsfamilie sich von der irrigen Verehrung des Kriegsgottes zur wahren Verehrung des Friedensgottes hinwendet, des Gottes, der Jesus aus dem Grab erweckt hat, der bedingungslos liebt und ohne Einschränkung vergibt und uns auffordert, diese Liebe und Vergebung auch zu zeigen.

Easter Greetings from peace minded people of the USA. I thank you for your public show for peace. These are truly dark times we Christians live in, especially those of us in the USA. Our Faith has been hijacked by the makers of war and Empire. My county's god- awful war making ways is a great scandal and tragedy. Known that while you are in Germany marching for peace this Easter Sunday, there are peace loving Americans doing the same in the USA. May the spirit of life over death, that raised Jesus from the tomb, be with our peace making efforts, to raise our human family from the false worship to the god of war to the true worship of the God of peace, the God who raised Jesus from the grave, who loves unconditionally and forgives unlimitedly and ask all of us to do the same.

Zur Person: Frank Cordaro is a lifetime career activist for peace and justice. He currently resides in Des Moines, Iowa, as a member and founder of the Catholic Worker community providing daily hospitality to the local homeless community.

From 1985, to August of 2004, Cordaro served as a parish priest in rural southwest Iowa. During these years he continued his peace and justice work locally and nationally, serving 44 months of prison time for his acts of civil disobedience. Throughout his parish ministry, Cordaro has subscribed to a long tradition of civil disobedience as a model and means for effecting social change. Particularly, he identifies with the Berrigan brothers, Dan and Phil, and their direct action approach to peacemaking, based on a biblical Jesus, who was a radical, nonviolent, egalitarian reformer, acting his way to the Cross and inviting others to do the same.

Recently Cordaro established the Phil Berrigan House for Peace and Justice in the DM Catholic Worker community. Along with other community members, Cordaro has organized public programs and events designed to raise the awareness of the local community and others across the country to the values of direct action and community responsibility. He has been a guest lecturer in numerous forums for peace, has facilitated retreats and workshops, and has personally participated in local and regional actions.

Since leaving the active ministry, Cordaro has refocused his energy and is working full time on peace and justice concerns and is preparing a collection of his writings and sermons from the last 25 years.



Keine Militärverfassung und keine Großmachtpläne

Kritikpunkte der Friedensbewegung am EU-Verfassungsvertrag

Im letzten Jahr hatte der Ostermarsch Rheinland gefordert, alle Bürgerinnen und Bürger per Volksabstimmung an der Europäischen Verfassung zu beteiligen. Nun will der Bundestag im Mai ganz allein entscheiden. Dieses Vorgehen hält die Friedensbewegung für demokratie-schädigend; sie befürchtet eine stillschweigende Ratifizierung "von oben": Die meisten Menschen seien nicht informiert. Der EU-Verfassungsvertrag sei der erste "Verfassungstext" der Geschichte mit einer festgeschriebenen Pflicht zu militärischer Aufrüstung. Eine Einrichtung für zivile Konfliktlösung fehle; stattdessen gebe es eine "Rüstungsagentur". Ein klares Bekenntnis zur völkerrechtlichen Ächtung aller Angriffskriege, wie sie das deutsche Grundgesetz enthalte, suche man vergebens. Gegen die neue Militarisierung der Politik stellt der Ostermarsch sein Motto "für ein friedliches und solidarisches Zusammenleben in Europa - Keine Militärverfassung und keine Großmachtpläne".

Die Friedensbewegung kritisiert am EU-Verfassungsvertrag u.a.:
  • dass er eine Aufrüstungsverpflichtung für alle Mitgliedsstaaten enthält (Art. I-41,3) und damit bei seiner Ratifizierung die erste "Verfassung" der gesamten Geschichte vorliegen würde, die eine fortschreitende Militarisierung festschreibt;

  • dass er ein Amt für die Umsetzung der Aufrüstung vorsieht (Art. I-41,3), aber keine eigenständige Einrichtung & Budgets für intelligente zivile Konfliktbearbeitung und gewaltfreie Krisenprävention (ohne militärischen Kontext);

  • dass er ein militärisches Kerneuropa vorsieht (III-312), wozu Deutschland gehören wird;

  • dass er Kampfeinsätze der EU-Truppen ohne jede territoriale Begrenzung möglich macht und sogar sogenannte "Abrüstungskriege" (II-309,1);

  • dass er Entscheidungen über Militärinterventionen bzw. Kriegsführung dem Ministerrat der EU überträgt (Art. I-41, 4+5) und damit unsere gewählten Volksvertreter außen vorstehen;

  • dass er den Parlamenten Entscheidungsbefugnis und Kontrolle über Außenpolitik und Militäreinsätze entzieht - stattdessen nur ein vages Anfrage- und Informationsrecht der Europa-Parlaments nennt (Art. I-41,8 und II-304,2);

  • dass er nicht einmal eine Kontrolle der militärischen Außenpolitik des EU-Ministerrats durch den Europäischen Gerichtshof ermöglicht (Art. III-376);

  • dass er sich (im Gegensatz zu Artikel 26 des Grundgesetzes) nirgends im Klartext zur völkerrechtlichen Ächtung des Angriffskrieges bekennt und stattdessen vieldeutig von einer "Weiterentwicklung des Völkerrechts" spricht.

Zur europäischen 'Sicherheitspolitik' für Wirtschafts- & Rohstoffinteressen

Originalzitate

Europäische Sicherheitsstrategie (beschlossen in Brüssel am 12. Dezember 2003):

"Unser herkömmliches [!] Konzept der Selbstverteidigung [...] ging von der Gefahr einer Invasion aus. Bei den neuen Bedrohungen wird die erste Verteidigungslinie oftmals im Ausland liegen. Die neuen Bedrohungen sind dynamischer Art."

European Defence Paper (Paris, Mai 2004):

"Wir haben uns nicht gescheut, auch Szenarien zu präsentieren, in denen die nationalen Nuklearstreitkräfte explizit oder implizit mit einbezogen werden." "Künftige regionale Kriege könnten die europäischen Interessen tangieren [...] indem europäische Sicherheit und Wohlstand direkt bedroht werden. Beispielweise durch die Unterbrechung der Ölversorgung und/oder eine massiven Erhöhung der Energiekosten [oder] der Störung des Handels- und Warenströme." (http://www.iss-eu.org/chaillot/wp2004.html)

Bundesverteidigungsminister Peter Struck (9.11.2004):

"Moral und Geschichte reichen sicherlich nicht aus, um in jedem Einzelfall über Europas sicherheitspolitisches Engagement zu entscheiden. Andere Faktoren müssen hinzukommen, vorrangig die europäischen Interessen. Ich denke, dass in der Tat die wirtschaftliche Entwicklung Europas im 20. Jahrhundert, die Globalisierung und das Aufkommen neuer Bedrohungen zu gemeinsamen materiellen Interessen der Europäer geführt haben. Sie stehen gleichwertig [!] neben ideellen Verpflichtungen. Zu diesen Interessen gehören der Schutz gegen internationalen Terrorismus oder die Begrenzung der Auswirkungen destabilisierender Konflikte in der europäischen Nachbarschaft. Dazu gehören auch der Schutz vor illegaler Immigration und organisierter Kriminalität oder der Schutz der Energie- und Rohstoffversorgung." (Aus der Rede des Bundesverteidigungsministers auf dem 15. Forum Bundeswehr & Gesellschaft, 'Welt am Sonntag' am 9.11.2004)