Köln, 1.5.2005, DGB-Veranstaltung zum Ersten Mai - Demonstration und FamilienfestBilder

Gegen Lohn- und Sozialdumping

Rede des Kölner DGB-Vorsitzenden Wolfgang Uellenberg-van Dawen, Köln, 1.5.2005

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Im Namen des Deutschen Gewerkschaftsbundes begrüße ich euch zu unserer Maikundgebung. Wir haben heute zwei Stunden später begonnen. Das hat zwei Gründe: Viele von uns tanzen in den Mai und brauchen etwas Zeit, um wieder auf die Beine zu kommen und in diesem Jahr kommt unsere Hauptattraktion erst um 16 Uhr: die Bläck Föss. Wir wollen heute mit euch ein schönes Fest feiern, wir wollen mit euch gemeinsam Solidarität erleben und wir wollen zeigen, dass wir solidarisch sind.

Besonders begrüße ich den Vorsitzenden der Gewerkschaft Nahrung – Genuss – Gaststätten. Franz Josef Möllenberg. NGG das ist für mich der schönste Name einer Gewerkschaft. Nahrung mit Genuss genießen – wer will das nicht. Aber hinter dem Genuss steht harte Arbeit und diese harte Arbeit, wird oft allzu schlecht entlohnt. Trotz der guten Tarifverträge, muss in vielen Ecken unserer Gastronomie und des Hotelgewerbes kräftig gekehrt werden. Dass Menschen, die hart arbeiten, ordentlich bezahlt und ordentlich behandelt werden, dafür setzt sich die NGG ein- Das Thema Mindestlohn ist dein Thema Franz Josef – welcher Redner hätte besser zu unserer Botschaft heute gepasst als du.

Ich grüße Willi Valder – Willi ist vor 50 Jahren am 1. Mai in die Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands eingetreten – Das ist etwas ganz besonderes und darum will ich dir heute herzlich danken und dir die neue Biographie Hans Böcklers überreichen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Unsere Solidarität gilt heute den Beschäftigten von Bauer Druck Köln. Sie werden von ihrem Besitzer Heinrich Bauer massiv unter Druck gesetzt. Der Herr über tausend bunte Postillen, über Fernsehblätter und Softsex Magazine lässt jede unternehmerische Verantwortung gegenüber seiner Belegschaft vermissen. Fast die Hälfte der Beschäftigten soll entlassen werden und zwar ohne große Rücksicht auf soziale Belange. Die Belegschaft und der Betriebsrat sind bereit, konstruktiv an neuen Konzepten mitzuarbeiten. Sie sind bereit, zu Kompromissen. Dennoch will die Geschäftsleitung ihr Konzept durchziehen. Und sie hat dafür auch einen Grund: Die Arbeitgeber bei Durck und Papier wollen jetzt die 40 Stunden Woche durchsetzen. Sie sehen jetzt die Möglichkeit unsere Kolleginnen und Kollegen so unter Druck zu setzen, dass sie klein beigeben. Vergessen wir nicht: Die Drucker haben mit an erster Stelle für die 35 Stunden Woche gekämpft. Und darum soll ihr Widerstand jetzt gebrochen werden. Mit Druck und mit Erpressung. Lieber Helmut Schmidt, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir stehen an eurer Seite und wenn Bauer den Konflikt verschärft, dann wird er eine entsprechende Antwort bekommen.

Franz Müntefering hat von Heuschreckenkapitalismus gesprochen. Und was die Beschäftigten von Linde derzeit erleben, das ist Heuschreckenkapitalismus und zwar mit dem Sternenbanner auf den Flügeln. Von Herrn Reitzle verscherbelt, von Carrier Consumer gekauft, soll die Produktion nach Frankreich verlagert werden. Da spielen die Kosten keine Rolle – hier geht es um Standortvernichtung und sonst nichts. Die Bürgerinnen und Bürger im Kölner Süden wehren sich, die Belegschaft wehrt sich – ich begrüße Hans Gerhard Bude, den Betriebsratsvorsitzenden von Linde, der gleich zu uns sprechen wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Seit über 1 Jahr leben die Arbeiter und Angestellten im öffentlichen Dienst des Landes im tariflosen Zustand. Wer neu eingestellt wird, arbeitet 41 Stunden ohne Lohnausgleich und mit gekürzter Sonderzahlung. Das hat mit den Beamten begonnen und das war der Angriff der öffentlichen Arbeitgeber auf den 8 Stunden Tag. Und dabei haben sie keine Rücksicht darauf genommen, dass wir seit 1890 am 1. Mai für den 8 Stundentag kämpfen. Unsere Forderung ist eindeutig: Auch bei den Ländern ist nach 38 Stunden Schluss – so wie beim Bund und den Kommunen vereinbart.

Wir unterstützen die Angestellten und Arbeiter – bei der Polizei, bei den Landesbehörden und auch den Schulen.

Ich begrüße die Vertreterinnen und Vertreter der Politik. Vor allem die Landtagsabgeordneten und solche die es noch werden wollen. Denken Sie daran. Nicht das Kapital, sondern die Arbeit steht im Mittelpunkt der Wirtschaft ! Ende des Zitats: Das war Papst Johannes Paul II aus gegebenem Anlass.

Liebe Kolleginnen und Kollegen;

Ich freue mich über die zahlreichen jungen Menschen, die heute hier sind und die eindeutig die Behauptung widerlegen, wir seien eine absterbende Organisation. Besonders begrüße ich die Studentinnen und Studenten. Die Hochschulen sind überfüllt, die Studienbedingungen werden immer schlechter, wer eine dicke Brieftasche von zu Hause mitbringt, kann sich ein Studium leisten – die meisten nicht – und darum sind wir gegen Studiengebühren. Frank Thiessen – der ASTA Vorsitzende der Sporthochschule wird uns heute Nachmittag für ein Gespräch zur Verfügung stehen.

Liebe Elfie Scho Antwerpes – unsere Bürgermeisterin – ich freue mich, dass du gekommen bist. Seit du Bürgermeisterin bist, kommst du dahin, wo Arbeitnehmer sind, wo Menschen sich sozial engagieren und auch wo die Not in unserer Stadt wächst –kurz dahin, wo wir unsere Stadtspitze allzu häufig vermissen.

Und das ist den Vierteln, wo 20 – 30 – 40 % der Menschen keine Arbeit mehr haben, wo wie in Chorweiler jeder zweite Migrant arbeitslos ist, wo viele Menschen von Unterstützungssätzen leben, die für manche zum Leben zu wenig und zum Sterben zuviel sind.

103 000 Menschen erhalten derzeit Leistungen aus dem SGB II – Hartz IV - und viele werden auf Dauer auf diese Leistungen angewiesen sein, wenn nicht ganz schnell mehr Geld für ihre Förderung ausgegeben, wenn nicht sinnvolle Konzepte für ihre Integration, für ihre Qualifizierung verwandt werden.

Ich habe meinen Frieden mit diesem Gesetz nicht gemacht- nicht der Zumutung, dass Arbeit für 3 Euro zumutbar ist, nicht mit der Unübersichtlichkeit der Anträge, nicht mit unzureichenden Förderung und auch nicht mit der Arbeitsbelastung unserer Kolleginnen und Kollegen auf den Arbeits – und Sozialämtern.

Hartz IV – das ist keine Reform – das ist eine Mischung aus Chaos und Sozialabbau und wie wir hier in Köln den Menschen helfen können, wie wir sie unterstützen können, das sagt uns Maja Demmler, vom Kölner Arbeitslosenzentrum.

Was wir aber brauchen, das ist nicht allein mehr Förderung – wir brauchen neue Arbeit in Köln, zukunftssichere Arbeit, menschenwürdige Arbeit, Arbeit, von der wir leben können und wir brauchen mehr Ausbildungsplätze. Junge Menschen brauchen eine Zukunft. Und andere Städte zeigen, dass eine Kommune viel dafür tun kann. Aber sie muss es auch wollen und auch können. Drei Jahre und eine Kommunalwahl hat es gedauert, bis der Stadtrat auf Antrag der SPD ein Bündnis für Arbeit beschlossen hat. Wir müssen jetzt schnell und gemeinsam handeln, wir müssen alle unsere Möglichkeiten ausnutzen, um Arbeitsplätze zu erhalten und neue zu schaffen. Wir dürfen es nicht hinnehmen, dass unsere Stadt zerfällt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Vor 60 Jahren war Köln befreit – Befreit von der Nazidiktatur, der schrecklichsten Gewaltherrschaft unserer Geschichte. Sie hat unendliches Leid, Meer von Blut und Tränen, Leichenberge und eine völlig zerstörte Stadt hinterlassen. Das dürfen wir, die das damals noch erlebt haben und wir, die wir nachgeboren sind, niemals vergessen.

Und deshalb müssen wir uns mit aller Kraft gegen die wehren, die wiederum mit dumpfen Parolen und uralten Vorurteilen Antisemitismus und Rassismus, Fremdenfeindschaft und Hass zu verbreiten und die sich selbst im Rat der Stadt Köln nicht scheuen, die Geschichte zu fälschen und die Verbrechen der Diktatur zu verharmlosen. Das sind wir den Millionen Opfern schuldig und den Überlebenden der KZs und Straflager. Das sind wir aber auch uns selbst und unseren Kindern schuldig. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Aufgabe aller staatlichen Gewalt.

Und darum sind Demokratie, soziale Gerechtigkeit und Solidarität nicht nur die stärksten Waffen gegen die Unmenschlichkeit, sie sind das unverzichtbare Fundament unserer Zukunft. Und das, liebe Kolleginnen und Kollegen – das ist der Auftrag und die Aufgabe der Einheitsgewerkschaft, des Deutschen Gewerkschaftsbundes – Deine Würde – Deine Arbeit – Mit uns ! Das ist heute unser Motto und in diesem Sinne wünsche ich euch und uns viel Kraft.

Soziale Gerechtigkeit und Solidarität sind beste Voraussetzung, dass wir friedlich miteinander leben können – wir lassen Köln nicht spalten auch nicht in Arme und Reiche Stadteile, es darf nicht sein, dass man sieht, wo einer wohnt und woher er kommt- Köln muss zusammen halten – weder in alt und jung noch Einheimische und Migranten – wir wenden uns gegen Egoismus und die Mentalität schnell auf Kosten der anderen Reich zu werden und sich der Verantwortung zu entziehen.

Wir wenden uns gegen Rassenhass und Fremdenfeindlichkeit – 60. Jahrestag der Befreiung mahnt uns, nie wieder Faschismus, Wehret den Anfängen, Demokratie stärken, Wählen gehen, aber keine Stimme für die Rechtsextremen!

Zukunftsängste zu nehmen, miteinander in verschiedenen Kulturen leben lernen, Konflikte austragen, aber Solidarität bewahren.

Gerade wenn in Europa die Europäische Einheit schamlos ausgenutzt wird, dürfen wir nicht in die Zeiten des Nationalismus, der Abschottung zurückfallen, sondern müssen gemeinsam in Europa für soziale Gerechtigkeit kämpfen, gegen Lohndumping und Sozialdumping und darum müssen wir für Arbeit in Köln in unserer Stadt uns einsetzen.

Quelle: www.region-koeln.dgb.de


"Schafft endlich Jobs!"

Auszug aus der Rede von Franz-Josef Möllenberg, Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Köln, 1.5.2005

Der Skandal der Massenarbeitslosigkeit ist unerträglich. Die Armut nimmt zu. Auf der anderen Seite steht die Gier einiger Arbeitgeber: Die Gehälter der Vorstände der Dax-Unternehmen sind im vergangenen Jahr um durchschnittlich 25 Prozent gestiegen, die Gewinne liegen auf Rekordniveau. Schafft endlich Jobs, anstatt Euch die Gehälter zu erhöhen und Arbeitsplätze in der Bundesrepublik zu vernichten. Unternehmen wurden von Steuern und Abgaben entlastet und aus der paritätischen Finanzierung bei der Krankenversicherung entlassen. Ein Investitionsschub blieb bisher aus. Die angekündigten Jobs gibt es nicht. Im Gegenteil: 35.000 Stellen haben allein die Dax-Unternehmen in Deutschland gestrichen. In Nordrhein-Westfalen gibt es mehr als eine Million Arbeitslose.

Viele Arbeitgeber sehen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nur als Kostenfaktoren. Sie wollen die Löhne drücken, eine Arbeitszeitverlängerung zum Nulltarif und die Mitbestimmung schleifen. Wer sich so verhält, der muss daran erinnert werden, dass der Erfolg der Bundesrepublik seit ihres Bestehens auch der Sozialpartnerschaft und der Mitbestimmung zu verdanken ist. Es war höchste Zeit, dass die Debatte um Werte und die Auswüchse des Kapitalismus angestoßen wurde. Das Soziale in der Marktwirtschaft muss erhalten werden. Dazu verpflichtet schon das Grundgesetz. Unternehmertum, das nur auf Bereicherung setzt, wird unsere Gesellschaft sprengen.

Dringender Handlungsbedarf besteht, um der abwärts zeigenden Lohnspirale ein Ende zu setzen. Das Entsendegesetz ist hier der richtige Anfang, der aber nicht ausreicht. Wenn die Arbeitgeber nicht bereit sind, mit uns Tarifverträge abzuschließen, dann muss ein gesetzlicher Mindestlohn folgen. Wer arbeitet, muss auch davon leben können. Wir wollen auch, dass die Reichen wieder mehr Einkommenssteuer zahlen. Wir wollen die Wiederbelebung der Vermögensteuer und die Reform der Erbschaftsteuer.

Vertreter von Volksparteien, die mit viel Personal und großem Aufwand in der vergangenen Woche nach Rom gepilgert sind, sollten sich daran erinnern, dass sie die Worte christlich und sozial in ihrem Namen tragen.

Quelle: www.region-koeln.dgb.de