Bethlehem (Beit Lahem), 'Das Schlimmste am Einmauern ist, dass man das Leiden auf der anderen Seite nicht mehr sieht' |
Die letzten Tage von Bethlehem Der Friede beginnt hier und nirgendwo sonst „Ich liebe Weihnachtsgeschichten“, schreibt Klaus Liedtke, Chefredakteur von National Geographic Deutschland in der Dezemberausgabe 2007 zum Titelthema „Die Wahrheit über Bethlehem“. „Eine drei Stockwerke hohe, mit Nato-Draht bewehrte Mauer trennt heute die Stadt von ihrem Hinterland, trennt Juden von Muslimen, und sie ist höher als die Mauern israelischer Gefängnisse.“ Die Mauer bildet den Eingang zur Stadt der Pilger, der „Hauptstadt von Weihnachten“ - wie es Hanna J. Nasser, Bürgermeister von Bethlehem, 2003 in einem Hilferuf an Fritz Schramma, Bürgermeister von Köln, Partnerstadt von Bethlehem, formuliert: „Gemäß der israelischen Militärorder (Nr.03/14/T) vom 9. Februar 2003, nach der Besitz von Bethlehemiten rund ums Areal von Rachels Grab enteignet werden soll, verteilte israelisches Militär eine Order, die zusätzlich 44 Grundstücke betrifft und diese unter dem Vorwand ‚für militärische Zwecke’ enteignet.“ Als weiteren „verheerenden Effekt“ bezeichnet Nasser die Mauer, durch die der „einzige sowieso schon enge Eingang Bethlehems, der auch von Besuchern und Pilgern benutzt wurde, geschlossen wird. Da der Tourismus 65% des Einkommens unserer Bürger ausmacht, wird der Bau dieser Mauer, nach allen Kriterien unsere Stadt abwürgen und ihrer Wirtschaft einen tödlichen Schlag versetzen.“ 2007 - so Michael Finkel in National Geographic Deutschland - stehen am Eingang der „Hauptstadt von Weihnachten“, der zu einem Checkpoint umfunktioniert ist, „israelische Soldaten mit Sturmgewehren und prüfen die Papiere. Kein israelischer Zivilist darf hinein - auf Befehl des Militärs. Und nur wenige Einwohner von Bethlehem dürfen hinaus.“ Finkel schildert den Eingang, der in die acht Meter hohe, mit noch höheren Wachtürmen bewehrte Betonmauer eingelassen ist, als „Schiebetor aus Stahl, ähnlich wie bei einem Güterwaggon.“ Haben die Besucher den Checkpoint passieren dürfen, dann „bewegt sich kreischend das Tor wieder zurück und schließt mit lautem Dröhnen. Man ist in Bethlehem.“ In der Stadt leben 35.000 Menschen, im gesamten Bezirk Bethlehems ca. 180.000 Palästinenser. Auf diesem Gebiet existieren entgegen der internationalen Gesetzeslage und im Widerspruch zur Genfer Konvention 22 jüdische Siedlungen (und weitere ‘wilde’ Siedlungen), die mit mindestens 80.000 Einwohnern mehr als die doppelte Anzahl der Bewohnerinnen und Bewohner Bethlehems darstellen. Eine der größten Siedlungen auf der Gegenseite der Mauer ist Har Homa. Die ursprüngliche Bezeichnung für die Anhöhe lautet Jabal Abu Ghuneim, das heißt Berg des Schäfers. Im neuen hebräischen Namen Har Homa offenbart sich die Tragik des Besatzungsunrechts, er bedeutet ‘von einer Mauer umgebener Berg’. Aber auch viele israelische Bürgerinnen und Bürger verschliessen ihre Augen nicht vor dem Unrecht. Sie vertreten den Standpunkt, dass ihr Staat auch den jüdischen Menschen durch dieses Vorgehen erheblichen Schaden zufügt. Yehudit Kirstein Keshet wurde 1943 als Tochter geflüchteter Berliner Juden in England geboren. Seit den späten 50er Jahren lebt sie in Israel, wo sie als Anthropologin und Filmemacherin arbeitete. Sie engagiert sich in der Checkpoint-Watch-Bewegung und hat dazu 2007 ihr Buch mit „Zeugnissen israelischer Frauen aus dem besetzten Palästina“ in der Edition Nautilus veröffentlicht. „Ich kann ohne Zögern sagen, dass in meiner ganzen Jugend und auch noch zu Beginn meines erwachsenen Lebens Nazi-Deutschland das Gegenbild zu Israel war: so wie ‚die’ würden ‚wir’ nie werden, wir wären niemals fähig, grausam oder böse zu handeln, unfähig auch, stumm dabei zu stehen, wenn in unserem Namen schrecklich Böses begangen würde. Dies ist eine verbreitete israelische Auffassung. Viele der Frauen werden von den Gespenstern des Holocaust verfolgt, Gespenstern, die sie zum Handeln und zum Protest antreiben gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung, wo immer sie zu finden sind. Deswegen dürfen die Stimmen des Protests und des Widerstandes nicht verstummen: meine Stimme ... und die Stimmen all derer, die sich gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit empören“, will Yehudit Keshet verstanden wissen als eine „Brücke für eine Versöhnung in der Zukunft.“ Auch die Organisation ‘Europäische Juden für einen gerechten Frieden - European Jews for a Just Peace’ bringt 2006 ihr Anliegen zum friedlichen Miteinander in einer Eingabe an die Europäische Union zum Ausdruck: „Wir erklären laut und deutlich: Der Staat Israel fügt mit seinen Taten dem Namen und Ruf von Juden überall auf der Welt schweren Schaden zu... Als Jüdinnen und Juden werden wir nicht denselben Fehler begehen, den wir häufig jenen vorgehalten haben, die sich angesichts von Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Schweigen hüllten...“ Was immer die im Dezember begonnen Friedensverhandlungen in Jerusalem zum Ergebnis haben könnten, formuliert Bethlehems heutiger Bürgermeister Victor Batarseh: „Wenn in der Welt jemals Frieden einkehrt, dann beginnt er hier und nirgendwo sonst.“ Anneliese Fikentscher, Dezember 2007 (siehe auch Fotogalerie in der 'Neuen Rheinischen Zeitung' Stirbt Bethlehem? Zündet eine Kerze an, um Bethlehem zu erleuchten, im Schatten von Israels Trennungsmauer Aufruf der Friedensinitiative 'Frauen in Schwarz' (Wien) vom Dezember 2007 für einen gerechten Frieden in Israel und Palästina und Freiheit für Palästina Steht im Geist mit den Kindern von Bethlehem, Jerusalem und dem Gazastreifen und sagt 'Nein' zu den anhaltenden Repressionen, Tötungen, Folterungen, Inhaftierungen, Ausweisungen und der Okkupation von Palästina durch die israelische Regierung und ihr Militär. Die Trennungsmauer wirft ihren Schatten auf die Kinder vom Westjordanland und vom Gazastreifen. [...] Die Trennungsmauer wird in den besetzten palästinensischen Gebieten errichtet, um mehr Land und Wasser-Resourcen zu annektieren. Sie wurde vom Internationalen Gerichtshof am 9. Juli 2004 für illegal erklärt und ist eine Verletzung der Genfer Konvention. Stirbt Bethlehem? Vor mehr als 2000 Jahren kamen Maria und Joseph auf ihrer Reise von Nazareth auch über die knapp 7 Kilometer zwischen Jerusalem und Bethlehem. Heute ist es fast unmöglich, diesen berühmten Weg zu gehen, weil dort Israels sog. 'Sicherheitszaun' gebaut wurde. In Wirklichkeit ist dieser Zaun eine 8-14 Meter hohe Betonmauer, die weit innerhalb der Westbank gebaut wurde und quer über die Hauptstraße zwischen den beiden biblischen Städten führt. Israel ist dabei, die heilige Stadt in ein Freiluftgefängnis zu verwandeln. In seinem neuen Buch 'Palästina, Frieden nicht Apartheid' erzählt der frühere US-Präsident Jimmy Carter von einer Kirche, die durch die Mauer von ihrem Garten und ihrer Gemeinde abgeschnitten wird. Nach Unterlagen der UN wird Bethlehem von 78 Hindernissen, einschließlich 10 militärischen Kontrollpunkten und 55 Straßensperren umgeben. Die Mauer, die mit Milliarden Dollar amerikanischer Steuerzahler bezahlt wurde, schneidet Bethlehems Bevölkerung von wichtigen sozialen Diensten, Schulen und Arbeitsplätzen ab. Dr. Desmond Tutu, der frühere Erzbischof Südafrikas, erklärte: es ist unglaublich, dass man die Stadt Bethlehem durch Strangulierung langsam sterben läßt. Außerdem wurde das ganze Areal rund um Rachels Grab – mitten in Bethlehem – illegal von der israelischen Regierung enteignet und mit einer Mauer umgeben. Die palästinensischen Bewohner der daneben liegenden Häuser und Geschäfte sind vertrieben worden, um einer geplanten jüdischen Schule und Siedlung Platz zu machen. Die israelische Regierung hat dies vorher auch schon in Hebron gemacht – mit voraussehbaren gewalttätigen Folgen. Wer ist für diese Situation im Heiligen Land verantwortlich? Wir alle sind dafür verantwortlich. Die USA liefert das Geld und ignoriert die Proteste der palästinensischen christlichen Gemeinden. Israel hat diese Mauer gebaut, die ein Hindernis für den Frieden ist, während die Welt schweigt. Während alle Welt an Weihnachten Lieder singen wird, in denen Bethlehem als Geburtsort Jesu eine Rolle spielt, scheint es ihr nicht klar zu sein, dass die Stadt jetzt von Mauern, militärischen Wachtürmen und illegalen jüdischen Siedlungen umgeben ist. Bethlehem ist im Begriff zu sterben. Die Folge der Unterdrückung wird nur zu Gewalt führen. Victor Batarseh, der Bürgermeister von Bethlehem, erklärt: Unsere Stadt riskiert, eine Stadt von Spannungen und Leiden zu werden, anstelle einer Stadt des Friedens.“ Tatsächlich ist Jesu Geburtsort nicht mehr ein Fanal der Hoffnung, sondern wird immer mehr zu einem Symbol für das, was mit Israels Besatzung des palästinensischen Landes falsch läuft. Eine Mauer zu bauen oder einseitig Lösungen durchzuführen, wird keinen Frieden bringen. Es ist an der Zeit, dass alle Menschen guten Willens, Christen, Juden und Muslime zusammen kommen, um die israelische militärische Besatzung des palästinensischen Landes zu beenden. Es ist an der Zeit, Mauern einzureißen und nicht neue aufzubauen, die die Zentren religiöser Gemeinden im Heiligen Land umgeben und in Gefängnisse verwandeln. Es ist höchste Zeit, die Mauer niederzureissen!> |