Köln, 10.1.2008 - Soldatengottesdienst im Kölner Dom und der Protest dagegen |
Auf die richtige Propaganda kommt es an Kommentar zu Joachim Kardinal Meisner's Predigt beim Internationalen Soldatengottesdienst am 10. Januar 2008 im Hohen Dom zu Köln "In unseren Jahren, in denen die Leiden und Ängste wütender oder drohender Kriege noch schwer auf den Menschen lasten, ist die gesamte Menschheitsfamilie in einer entscheidenden Stunde ihrer Entwicklung zur Reife angelangt. Allmählich ist sie sich untereinander näher gekommen, und überall ist sie sich schon klarer ihrer Einheit bewusst. Da kann sie ihre Aufgabe, die Welt für alle überall wirklich menschlicher zu gestalten, nur erfüllen, wenn alle sich in einer inneren Erneuerung dem wahren Frieden zuwenden." Mit diesem Zitat des in der ersten Hälfte der 60er Jahre abgehaltenen Zweiten Vatikanischen Konzils beginnt Kardinal Meisner seine an die Schwestern und Brüder in Christus gerichtete Predigt. Die anwesenden Soldaten wird es schon unwohl. Sie scheinen damit auf Frieden verpflichet zu werden. Und ihre Existenz wird in Frage gestellt. Doch dann spricht Kardinal Meisner aus, was uns alle bedroht: "der finstere Schatten des internationalen Terrorismus, den manche bereits als Dritten Weltkrieg bezeichnen." Damit ist die Kulisse der Feindbilder, die in sich zusammen zu stürzen drohte, als "Glasnost und Perestrojka [kamen], Mauern fielen [und] der Ostblock zerbröckelte", wieder in Ordnung. Ein Höhepunkt an Erkenntniswert stellt sich ein, als Kardinal Meisner über "die Mechanismen des Kriegs" nachdenkt: "Die Verhaltensforschung lehrt uns, dass dem Menschen an und für sich eine Tötungshemmung gegenüber seinem Mitmenschen innewohnt. Um diese Sperre zu überwinden, bedienen sich Menschen aller Zeiten und Orte gerne eines psychologischen Tricks: Sie betrachten ihre Feinde nicht mehr als Ihresgleichen, sondern dämonisieren sie, bezeichnen sie als Untermenschen oder als minderwertig, fast wie Tiere. Sobald der Gegner jedoch nicht mehr als vollwertiger Mensch akzeptiert wird, entfällt auch die angeborene Tötungshemmung. Vor solchen todbringenden psychologischen Taktiken bewahrt uns das Wissen darum, dass Menschen jedweder Rasse oder Klasse, jeder Nation oder Gesellschaftsform einander 'ebenbürtig' sind...". Mit diesen Worten scheint den anwesenden Soldaten ein Spiegel vorgehalten zu werden. Es sieht ganz danach aus, als würde ihnen vor Augen geführt werden, mit welchen Mechanismen sie zu ihrem tödlichen Treiben verführt werden. Doch dann können die Soldaten aufatmen. Denn Kardinal Meisner zeigt ihnen einen Ausweg aus dem Dilemma, indem er formuliert: "Das enthebt uns nicht der Pflicht, dem Unrecht entgegenzutreten, aber es stärkt unser Verantwortungsbewusstsein und bewahrt uns vor einem leichtfertigen Umgang mit dem menschlichen Leben." So können die Soldaten selber entscheiden, was in der jeweiligen Situtation verantwortbar ist. Und die Basis für diesen Entscheidungsprozeß liefern diejenigen, die die bessere Propaganda betreiben. Es reicht zu behaupten, 'die Serben' hätten ein Massaker an Albanern verübt, es gäbe einen Plan, die Albaner aus dem Kosovo zu vertreiben und Jugoslawiens Präsident sei dabei, ihn in die Tat umzusetzen. Dann muß die Nato ganz Serbien bombardieren, z.B. zu Ostern die Brücke des kleinen, friedlichen Dorfes Varvarin. So ist auch in diesem Fall die Welt (der Soldaten) wieder in Ordnung. Gegen Ende seiner Predigt zitiert Kardinal Meisner Papst Johannes XXIII., der in seiner Friedensenzyklika auf die Notwendigkeit einer umfassenden, tatkräftigen Solidarität und internationalen Zusammenarbeit hinweise, und darauf, "dass die Staatsgewalt ihrer Natur nach nicht dazu eingesetzt ist, die Menschen in die Grenzen der jeweiligen politischen Gemeinschaft einzuzwängen, sondern vor allem für das Gemeinwohl des Staates zu sorgen, das von dem der ganzen Menschheitsfamilie gewiss nicht getrennt werden kann." Die anwesenden Diener des Staates könnten sich bedrängt sehen. Warum sagt der uns das, könnten sie sich fragen. Sie könnten sich dem Vorwurf ausgesetzt sehen, die Staatsgewalt zu mißbrauchen. Doch auch in desem Fall dauert es nicht lange, und die Vorwürfe lösen sich in Luft auf. Denn Kardinal Meisner sagt: "George Orwell stellt in seiner Vision von '1984' dar, wie die Staatsmacht in der Diktatur zum 'großen Bruder' pervertiert, der jeden und alles ausspioniert und manipuliert." Der Kardinal spricht also über die Pervertierung der Staatsmacht in Diktaturen. Die Anwesenden leben aber in 'westlichen Demokratien'. Welch ein Glück! In diesem Glücksgefühl können sie getrost übersehen, daß es die Propaganda Hollywoods und die Ideologie des Kalten Krieges sind, die George Orwells Werk vergewaltigt und ausschließlich auf das 'Reich des Bösen' projeziert haben, um so die Gedanken der Menschen - fast unbemerkt - von den subtileren Mechanismen der Machtausübung und des Machtmißbrauchs in der so genannten 'Freien Welt' abzulenken. Und wieder ist die Welt im Lot. Und dann kommen wir zum Schluß, und wir erfahren worum es geht: "Pointiert könnte man formulieren: Seit es Menschen gibt, gibt es auch Soldaten. Seit es aber Soldaten gibt, haben sich deren Bild und Aufgabe immer wieder gewandelt. [...] Tatsächlich aber hat militärischer Einsatz nur da seine Berechtigung, wo Soldaten sich mit ihrem Wissen und ihrer Kraft und ihrem Einsatz in den Dienst der einen, weltumspannenden Menschheitsfamilie stellen, um Unheil und Unrecht von ihr fernzuhalten. Wir sind sehr dankbar, daß sich unsere Bundeswehr in Vergangenheit und Gegenwart dieser Aufgabe gestellt hat und stellt. Möge Gott Sie darin bestärken und mit seinem Segen in Gegenwart und Zukunft begleiten! Amen." Das Töten und Morden erhält also in dem Moment seine Berechtigung, wenn es in den Dienst der Menschheitsfamilie gestellt ist, wenn nämlich damit Unheil und Unrecht von der Menschheit ferngehalten werden. So können die Soldaten wieder selber entscheiden, wann die Voraussetzungen für ihren Einsatz gegeben sind. Und die Basis für diesen Entscheidungsprozeß liefern die Propagandisten des Krieges. Wofür sich die Bundeswehr auch entscheidet, sie hat den Segen des Kardinals und der von ihm verkörperten Kirche. Sie muß es nur propagandistisch gekonnt begründen. Es reicht z.B. zu behaupten, verantwortlich für die Anschläge des 11. September 2001 sei ein gewisser Osama bin Laden. Man muß diese Behauptung nur oft genug wiederholen. Dann kann man von der Bedrohung durch den 'Internationalen Terrorismus' sprechen, kann den 'Krieg gegen den Terror' ausrufen und das Land, das man als vermutlichen Aufenthaltsort des angeblich Verantwortlichen angibt, bombardieren, z.B. eine Hochzeitsgesellschaft in dem strategisch bedeutsamen Afghanistan, in dem man ein den eigenen Interessen entsprechendes Regime installieren möchte. Jagt sie zum Teufel! Bericht der Initiative 'Bundeswehr wegtreten' vom 10.1.2008 Der christradikale Militarist Kardinal Meisner empfängt Kriegsoberhaupt Jung mit hunderten von Soldaten im Kölner Dom zur jährlichen Absegnung der aktuellen Kriegspolitik. Dabei blickt er unfreiwillig dem Tod ins Auge, der sich für die gesegnete Ernte bedankt. KriegsgenerInnen werden weiträumig abgedrängt und sind dennoch laut und deutlich zu hören - auch im Dom. Die Feldjäger der Bundesarmy stören den Auftritt der Clowns-Rebel-Army. Als Kardinal Meisner heute morgen in geistlich-militärischer Begleitung über die Domplatte auf das Hauptportal zuschritt, kam ihm der Tod aus dem Dom entgegen. Gegner seiner jährlichen Segnung der Kriegspolitik vor hunderten von Soldaten und deren Kriegsoberhaupt Jung erwarteten im Dom die Ankunft des Gotteskriegers. Überraschend legten 15 Tote ihre Mäntel ab und schritten in Skelett-Kostümen mit einem Transparent „Der Tod dankt für die gesegnete Ernte“ durch den Mittelgang aus dem Dom. Meisner näherte sich mit schmerzlich verzogenem Gesicht dem Ergebnis seiner Kriegspredigten. Zehn Meter vor dem Zusammentreffen drückte eine größere Zahl von Polizistinnen und Polizisten die Gruppe aus Meisners Richtung. Hinter einer weiträumigen Polizeiabsperrung kommentiert eine wütende Menge die Ankunft der kreuzzüglerischen Vorbeter Kardinal Meisner und Kriegsminister Jung mit lautstarken Parolen und unbequemen Gesängen. Im Dom sind derweil die Feldjäger der Bundesarmy mit versprengten Einheiten der einzig wahren Clowns-Rebel-Army beschäftigt. Und was hatte der notorische geistige Brandstifter, der über seine christradikalen Waffensegnungen hinaus auch für seine fanatischen Feldzüge gegen Abtreibung und Homosexualität sowie für die mehrfache Verharmlosung des Holocaoust bekannt ist, diesmal zu sagen? Er warnte in seiner heutigen Predigt die vor ihm sitzenden Soldaten, „vor einem leichtfertigen Umgang mit dem menschlichen Leben“. In der bisherigen Logik des Kardinals hieß das: Erst beten, dann abknallen. Denn: In betenden Händen sei die Waffe vor Mißbrauch sicher, hatte der Gotteskrieger vom Rhein bereits 1996 geweissagt und Soldaten als „Verkünder der Wahrheit des Friedens“ gelobpreist. Die Wahrheit des meisnerschen Friedens lautet dabei ganz unverhohlen KRIEG. Und das ist voll und ganz kompatibel mit der bundesdeutschen Friedenspolitik. Meisner zitierte in seiner Predigt 2008 aus einer Schrift von Papst Johannes XXIII, daß die Staatsgewalt „vor allem für das Gemeinwohl des Staates zu sorgen“ habe, „das von dem der ganzen Menschheitsfamilie gewiss nicht getrennt werden kann“. Meisner hatte dann hinzugefügt: „Das gilt auch unter militärischen Gesichtspunkten.“ Am Ende seiner Predigt forderte er, daß die Soldaten „sich mit ihrem Wissen und ihrer Kraft in den Dienst der einen, weltumspannenden Menschheitsfamilie stellen, um Unheil und Unrecht von ihr fernzuhalten“. Einsatz der Bundeswehr im Inneren („Für das Gemeinwohl des Staates“) und Kriege führen in „Zentralasien“ („weltumspannende Menschheitsfamilie“): Meisner nutzte den Glauben seiner Zuhörerinnen und Zuhörer, ihnen -religiös gefiltert- zentrale Aussagen des letzten Weißbuches der Bundeswehr (2006) einzutrichtern. Dort legte die derzeitige Bundesregierung unter anderem fest: die Sicherheitspolitik Deutschlands wird insbesondere von dem Ziel geleitet, „den freien und ungehinderten Welthandel als Grundlage unseres Wohlstands zu fördern.“ Damit die vor ihm sitzenden Soldatinnen und Soldaten Meisners Sätze als ewig wahre glauben sollten, hatte ihm der neue Pressechef am bischöflichen Küchentisch zugeflüstert, solle Meisner als Grundlage seiner Ausführungen vortragen: „Seit es Menschen gibt, gibt es auch Soldaten.“ Was der Kardinal ohne merklich zu stocken dann auch tat. Ob’s geholfen hat? Quelle: Die Menschheitsfamilie - Gemeinschaft des Friedens Joachim Kardinal Meisner's Predigt beim Internationalen Soldatengottesdienst am 10. Januar 2008 im Hohen Dom zu Köln Liebe Schwestern und Brüder in Christus! „In unseren Jahren, in denen die Leiden und Ängste wütender oder drohender Kriege noch schwer auf den Menschen lasten, ist die gesamte Menschheitsfamilie in einer entscheidenden Stunde ihrer Entwicklung zur Reife angelangt. Allmählich ist sie sich untereinander näher gekommen, und überall ist sie sich schon klarer ihrer Einheit bewusst. Da kann sie ihre Aufgabe, die Welt für alle überall wirklich menschlicher zu gestalten, nur erfüllen, wenn alle sich in einer inneren Erneuerung dem wahren Frieden zuwenden" (Vat. II, GS 77). So aktuell ist diese Mahnung - man könnte vergessen, dass sie schon vor über vierzig Jahren vom Zweiten Vatikanischen Konzil ausgesprochen wurde. Vierzig Jahre scheinen keine lange Zeit zu sein. Aber wenn wir genauer zurückblicken, dann erkennen wir, wie dramatisch sich unsere Lebensumstände seither geändert haben. Damals die beiden großen Machtblöcke, die sich so feindlich gegenüberstanden, dass man von einem „Kalten Krieg" sprechen konnte, den sie miteinander führten. Dann kamen Glasnost und Perestrojka, Mauern fielen, der Ostblock zerbröckelte. Der Frieden schien zum Greifen nahe. Und heute? Kampfhandlungen auf fast der ganzen Welt. Und auf alle fällt drohend der finstere Schatten des internationalen Terrorismus, den manche bereits als Dritten Weltkrieg bezeichnen. Angesichts dieser Weltsituation scheint es zynisch oder bestenfalls naiv zu sein, dass die Kirche seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil verstärkt das Wort von der „Menschheitsfamilie" im Munde führt. Schon 1963 hatte der selige Papst Johannes XXIII. in seiner berühmten Friedensenzyklika „Pacem in terris" davon gesprochen, jeder Mensch - wo immer er auch wohne - sei „ Mitglied der Menschheitsfamilie und Bürger jener universalen Gesellschaft und jener Gemeinschaft aller Menschen" (PiT25). Ja, der Papst trug sogar die völlig weltfremd anmutende Prognose vor - ich zitiere wörtlich: „Da ... alle Völker für sich Freiheit beanspruchen oder beanspruchen werden, wird es bald keine Völker mehr geben, die über andere herrschen, noch solche, die unter fremder Herrschaft stehen" (PiT 42). Wie sollte man auf eine solche Prognose heute anders reagieren als mit einem ironischen oder bestenfalls wehmütigen Lächeln? Und doch: Der selige Papst Johannes XXIII. war weder schlecht informiert noch naiv. Die Kommentatoren sind sich weitgehend darin einig, dass seine Worte mehr als Appell denn als Bestandsaufnahme gedacht waren. Wie kommen wir der dahinter stehenden Überlegung auf die Spur? Am besten wohl, indem wir den Begriff der „Menschheitsfamilie" nicht vorschnell als Floskel für Festreden abtun, sondern kurz darüber nachdenken. Bis ins 18. Jahrhundert hinein sprach man statt von der „Familie" von dem „Haus". In der Tat bezeichnet auch das Wort „Familie" ursprünglich die „Hausgemeinschaft" mitsamt der Dienerschaft, den „famuli". Später wurde das Wort eingeengt; seither bezieht es sich nur noch auf diejenigen, die durch leibliche Verwandtschaft miteinander verbunden sind. Hier knüpft auch der übertragene kirchliche Sprachgebrauch an: Geschwister sind wir Menschen deshalb, weil wir alle denselben Vater haben, nämlich Gott. Jesus erklärt in fast schon schroffer Prägnanz: „ Wer den Willen Gottes erfüllt, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter" (Mk 3,35). Und denen, die ihm nachfolgen, verheißt er: „Amen, ich sage euch: Jeder, der um meinetwillen und um des Evangeliums willen Haus oder Brüder, Schwestern, Mutter, Vater, Kinder oder Äcker verlassen hat, wird das Hundertfache dafür empfangen: Jetzt in dieser Zeit wird er Häuser, Brüder, Schwestern, Mütter, Kinder und Äcker erhalten, wenn auch unter Verfolgungen, und in der kommenden Welt das ewige Leben" (Mk 10,29-30). So wird die Kirche zur „Familie Gottes", wie es in der Sprache der Kirchenväter und in liturgischen Texten heißt. „Familie Gottes" ist die Kirche aber nicht in selbstgenügsamer Weise, sondern für die gesamte Menschheit, die sie zur Einheit mit Gott und untereinander führen soll. Eine wesentliche Konsequenz der christlichen Frohbotschaft ist das Bewusstsein, dass alle Menschen einander „ebenbürtig" sind, was wörtlich übersetzt heißt: „von gleicher Geburt, blutsverwandt". Wenn Gott der Vater aller Menschen ist, dann sind auch alle Menschen Geschwister - welchem Staat, welcher Gesellschaftsform sie auch angehören mögen. Soll diese Botschaft mehr sein als nur der Inhalt einer Festpredigt, dann müssen wir nach ihren Folgen fragen — auch und gerade nach denen für Soldaten. Man kann diese Konsequenzen auf zweierlei Weise ziehen: Viele katholische Verbände haben sich in diesem Jahr das Motto „Friede ist der Weg zur Menschheitsfamilie" gegeben. Diese Devise birgt den guten und großen moralischen Appell in sich, durch friedensstiftendes Tun zur gesamtmenschlichen Einheit zu gelangen. Ich dagegen möchte hier und heute einen anderen Aspekt hervorheben: Nach christlicher Überzeugung ist die „Menschheitsfamilie" ja nicht Produkt und Ziel unseres Tuns und Planens, sondern vielmehr dessen Ausgangspunkt und Voraussetzung. Ein politischer Witz, der zur Zeit des Kalten Krieges kursierte, mag das verdeutlichen: Auf die Frage „Betrachten Sie die Russen eigentlich als Freunde oder als Brüder?" antwortete man im Ostblock: „Als Brüder - Freunde kann man sich aussuchen!" Und tatsächlich: Wir können uns eben nicht aussuchen, wer der großen Menschheitsfamilie angehört; Gott selbst gibt es uns vor. Das ist aber nun keineswegs von Übel, wie deutlich wird, wenn wir über die Mechanismen des Kriegs nachdenken. Die Verhaltensforschung lehrt uns, dass dem Menschen an und für sich eine Tötungshemmung gegenüber seinem Mitmenschen innewohnt. Um diese Sperre zu überwinden, bedienen sich Menschen aller Zeiten und Orte gerne eines psychologischen Tricks: Sie betrachten ihre Feinde nicht mehr als Ihresgleichen, sondern dämonisieren sie, bezeichnen sie als Untermenschen oder als minderwertig, fast wie Tiere. Sobald der Gegner jedoch nicht mehr als vollwertiger Mensch akzeptiert wird, entfällt auch die angeborene Tötungshemmung. Vor solchen todbringenden psychologischen Taktiken bewahrt uns das Wissen darum, dass Menschen jedweder Rasse oder Klasse, jeder Nation oder Gesellschaftsform einander „ebenbürtig" sind, weil sie ihr Dasein ausnahmslos dem „ ein[en] Gott und Vater aller" verdanken, „der über allem und durch alles und in allem ist" (Eph 4,6). Das enthebt uns nicht der Pflicht, dem Unrecht entgegenzutreten, aber es stärkt unser Verantwortungsbewusstsein und bewahrt uns vor einem leichtfertigen Umgang mit dem menschlichen Leben. Aus vergleichbaren Überlegungen hat der selige Papst Johannes XXIII. in seiner Friedensenzyklika die Notwendigkeit einer umfassenden, tatkräftigen Solidarität und internationalen Zusammenarbeit abgeleitet. Wörtlich weist er in diesem Zusammenhang mahnend darauf hin, "dass die Staatsgewalt ihrer Natur nach nicht dazu eingesetzt ist, die Menschen in die Grenzen der jeweiligen politischen Gemeinschaft einzuzwängen, sondern vor allem für das Gemeinwohl des Staates zu sorgen, das von dem der ganzen Menschheitsfamilie gewiss nicht getrennt werden kann " (PiT 98). Das gilt auch unter militärischen Gesichtspunkten. Pointiert könnte man formulieren: Seit es Menschen gibt, gibt es auch Soldaten. Seit es aber Soldaten gibt, haben sich deren Bild und Aufgabe immer wieder gewandelt. George Orwell stellt in seiner Vision von „1984" dar, wie die Staatsmacht in der Diktatur zum „großen Bruder" pervertiert, der jeden und alles ausspioniert und manipuliert. Tatsächlich aber hat militärischer Einsatz nur da seine Berechtigung, wo Soldaten sich mit ihrem Wissen und ihrer Kraft [und ihrem Einsatz] in den Dienst der einen, weltumspannenden Menschheitsfamilie stellen, um Unheil und Unrecht von ihr fernzuhalten. [Wir sind sehr dankbar, daß sich unsere Bundeswehr in Vergangenheit und Gegenwart dieser Aufgabe gestellt hat und stellt.] Möge Gott Sie darin bestärken und mit seinem Segen [in Gegenwart und Zukunft] begleiten! Amen. (Text-Passagen in eckigen Klammern sind nur gesprochen. Sie sind im Skript der Pressestelle des Erzbistums Köln nicht enthalten.) |