Köln, 9.5.2009 - Der von 'Pro Köln' veranstaltete 'Anti-Islamisierungskongress' und der Protest dagegen |
Die Pro-Köln-Strategie Gedanken von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann anläßlich des am 9.5.2009 von 'Pro Köln' veranstalteten 'Antiislamisierungskongresses' Am 9. Mai 2009 waren in Köln viele tausend Menschen auf der Straße und haben gegen die anti-islamische Hetze der Gruppierung 'Pro Köln' und ihren sogenannten Anti-Islamisierungskongress protestiert. Es ist bekannt, dass die NPD von Geheimdienstmitgliedern durchsetzt ist. Walter Momper, Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses, sprach noch am 29. Januar 2009 davon, dass „ein Drittel des Bundesvorstandes der NPD vom Verfassungsschutz bezahlt wird“. Es stellt sich die Frage, ob auch 'Pro Köln' Spielball in den Händen von Geheimdiensten sein könnte? Was ließe sich auf diese Weise erreichen? Geheimdienste haben verschiedene Aufgaben. Sie dienen nicht nur der Beschaffung geheimer Informationen, sondern auch der Desorientierung und Desinformation der Öffentlichkeit sowie der Durchführung verdeckter Operationen. Es geht dabei um machtpolitische Strategien. Auch die Instrumentalisierung bzw. Steuerung von Organisationen wie der NPD ist in diesem Zusammenhang zu sehen. Am 9. Mai 2009 waren etwa 150 Pro-Köln-Anhänger, mehrere tausend Gegendemonstranten und mehr als 5.000 Polizisten auf der Straße. Es wurde eine Operation größeren Stils. Teile Kölns waren unzugänglich, ganze Straßenzüge von Autos „befreit“ – Autos im Zweifel abgeschleppt, die Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt. Im September 2007 schrieben wir in der Zeitschrift Ossietzky: „So wie es die Strategie gibt, die ‚Linke’ zu zersplittern, die ‚Linke’ und ihre Medien von innen heraus unschädlich zu machen, so sind auch die ‚Rechten’ als Teil einer Strategie zu erkennen. Sie sind ein ganz wesentliches Element bei der Manipulation der Massen, besonders der moralisch denkenden Intelligenz. Sie dienen dazu, Protestkapazität zu binden und abzuleiten, den etablierten Parteien, indem diese mit dem Finger auf die ‚Rechten’ zeigen, das Etikett von Demokraten zu geben...“ Und weiter: „Es sei in diesem Zusammenhang erinnert an die Tatsache, dass die NPD mit Leuten vom Verfassungsschutz durchsetzt ist. Es sei erinnert an den Gründer und zeitweise Vorsitzenden der NPD, Adolf von Thadden, der gemäß ‚Guardian’ vom 13.8.2002 Agent des britischen Geheimdienstes MI6 war... Und es sei erinnert an General Gianadelio Maletti, Ex-Vize des italienischen militärischen Geheimdienstes SISMI, der äußert, dass die CIA nicht nur in Italien, sondern auch in Deutschland die Aktivitäten rechtsextremer Gruppen koordinierte und Deutschland für die Strategie des ‚unorthodoxen Krieges’ sogar noch wichtiger als Italien gewesen sei.“ Offensichtlich gelingt es „Pro Köln“, von einem Anti-Islamismus großen Stils abzulenken, der seit Jahren das Weltgeschehen bestimmt. Ob gewollt oder nicht, es sieht danach aus, als spiele die braune selbsternannte „Bürgerbewegung“ globalen Machtinteressen in die Hände. Ohne jegliche Beweise sind die Verbrechen – wie die, die am 11. September 2001 in den USA und am 7. Juli 2005 in London begangen worden sind, sowie zahlreiche weitere – Anhängern des Islam angelastet worden. Und auf der Basis dieser unbewiesenen Behauptungen werden demokratische Rechte abgebaut und Kriege geführt, wie beispielsweise der gegen Afghanistan – gerechtfertigt von allen im Bundestag vertretenen Parteien – mit Ausnahme der Linkspartei. Ein anderes Feld, in dem der Anti-Islamismus eine unrühmliche Rolle spielt, ist der propagandistische Feldzug gegen den Iran, ein islamisches Land, dessen Präsidenten wieder und wieder verfälschend unterstellt wird, Israel von der Landkarte tilgen und die Juden vernichten zu wollen – Unterstellungen, die jüngst wieder in Zusammenhang mit dem Auftritt des iranischen Präsidenten bei der Anti-Rassismus-Konferenz der Vereinten Nationen am 20. April 2009 in Genf vorgebracht worden waren – insbesondere von Politikern Israels und seinen Lobbyisten – mit dem Ziel der Feindbild-Festigung und Legitimation von Kriegsplanungen. Was auffällt, sind die engen Beziehungen zwischen „Pro Köln“ und einer Gruppierung um das Webportal „Politically Incorrect“, das unter dem Motto „proamerikanisch – proisraelisch – gegen die Islamisierung Europas“ auftritt. Auf der Kundgebung auf dem Barmer Platz waren am 9.5. – sehr dominant –Transparente dieser Gruppierung mit den Losungen „Solidarität mit Israel“, „Gegen den islamischen Terror“ und „Stoppt die Islamisierung Europas“ zu sehen. Nach den Ereignissen berichtet „Politically Incorrect“ über die Aktivitäten von „Pro Köln“ sehr wohlwollend. Im Februar 2005 ruft PI zu einer Pro-Bush-Kundgebung in Mainz auf (über die das WDR-Politmagazin Monitor mit einem Beitrag von John Goetz kritiklos berichtet). „Pro Köln“ seinerseits brüstet sich auf ihrer Website mit dem Lob von „Politically Incorrect“ – bezogen auf die bei „Pro Köln“ agierende Marylin Anderegg: „Heute wird es Zeit, endlich einmal der Frau zu danken, die immer vorangegangen ist.“ „Politically Incorrect“ bietet aber auch Personen wie dem Israel-Lobbyisten Henryk M. Broder ein Forum, der die Auffassung vertritt, Israel sei heute mehr Täter als Opfer und das sei auch gut und richtig so [11]. Und der Unterschied zwischen Islam und Islamismus sei der gleiche wie der zwischen Terror und Terrorismus [16]. „Politically Incorrect“ war schon ein Jahr zuvor gegen den Islam aktiv und hatte zur „Kritischen Islamkonferenz“ aufgerufen, die Ende Mai 2008 ebenfalls in Köln stattfand. Bei dieser „Kritischen Islamkonferenz“ war es Ralph Giordano, der als Eröffnungsredner fungierte. Sein Thema: „Nicht die Migration, der Islam ist das Problem!“ Veranstalter waren der Zentralrat der Ex-Muslime, die „Redaktion Hintergrund“, die Giordano Bruno Stiftung, die Aktion 3. Welt Saar, der Alibri Verlag und denkladen.de. Diese Konferenz fand – anders als die Veranstaltungen von „Pro Köln“ im September 2008 und Mai 2009 – ohne großes öffentliches Aufsehen und ohne Protest in der Kölner Universität statt. Es stellt sich die Frage: Wie ist es möglich, in einem Fall breite Teile der Öffentlichkeit zu mobilisieren und in einem anderen Fall Stillschweigen zu bewahren? Sollte „Pro Köln“ eine Rolle in den Strategien von Geheimdiensten und Lobbyisten spielen, ließen sich damit wichtige Funktionen erfüllen. Dem Staat würde die Gelegenheit geboten, Übungen mit Tausenden Polizisten durchzuführen; die Kapazität von zum Protest bereiten Menschen würde von anderen, teilweise entscheidenderen Themen abgelenkt. Die etablierten Parteien könnten sich in Abgrenzung zu den „Rechten“ als demokratisch profilieren. Von Verbrechen wie Abschiebung und Krieg, für die etablierte Parteien die Verantwortung tragen, würde abgelenkt sowie von den Hauptverursachern der anti-islamischen Hetze und den Haupterzeugern des Feindbilds Islam. Alles in allem dient das Agieren von „Pro Köln“ also der Stabilisierung der Machtverhältnisse. Dabei bleibt positiv zu bewerten, dass über das Entstehen eines breiten Gegenbündnisses das Zusammenleben von Menschen verschiedener Religionen und Herkunft vor Ort effektiv gefördert wird. Dieser Artikel mit Bildern und Fußnoten |