Berlin, 27.11.2010 - "Israel und Palästina in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft" - Vortrag von Prof. Dr. Norman FinkelsteinBilder

Ein fesselnder Redner

Palästinensische Ärzte und Apotheker ermöglichten einen lehrreichen Abend mit Norman Finkelstein - Bericht von Thomas Immanuel Steinberg - 28.11.2010

Über 250 Zuhörer zog Norman Finkelstein am 27. November 2010 im Berliner Maritim-Hotel an der Stauffenbergstraße in seinen Bann. Der New Yorker Politikwissenschaftler Finkelstein, wohl einer besten Kenner der vielen Fasern des Nahostkonflikts, trug mit großem Ernst vor, was die israelische Aktion in Gaza 2008 / 2009 war: kein Krieg, sondern ein Massaker. Er berief sich auf die Opferzahlen: über 1400 getötete Gaza-Bewohner, 13 getötete jüdische Israelis – von denen fünf nicht durch die Hamas, sondern durch "friendly fire" umkamen; und auf die Aussagen israelischen Soldaten: Einer war sich in Gaza vorgekommen wie ein Junge, der mit einem Vergrößerungsglas Ameisen verbrennt.

Zum Lachen freilich brachte Finkelstein die Zuhörer mit der Antwort auf die Frage, warum der Statthalter des israelischen Staates in der Westbank, Mahmud Abbas, immer ohne seinen Doktortitel zitiert wird. Die Antwort: Abbas erhielt den Titel für die Darlegung, nicht sechs, sondern "möglicherweise weniger als eine Million" Juden seien von den Nazis und ihren Helfern ermordet worden. Finkelstein: Für den israelischen und den US-amerikanischen Staat gebe es offenbar böse Holocaust-Leugner – als Holocaust-Leugner wird von ihnen Mahmud Ahmadinedschad hingestellt – und gute Holocaust-Leugner. Der Unterschied: Die bösen widerstehen dem Westen, die guten sind ihm zu Willen.

Abschließend wagte Finkelstein eine Prognose: Israelische und US-Regierung würden demnächst den Libanon zur Entwaffnung der Hisbollah zwingen wollen, mit Drohungen, UN-Beschlüssen und Sanktionen. Es drohe ein israelischer Überfall auf Libanon und damit ein Flächenbrand.

Finkelsteins mit viel Applaus bedachtem Vortrag ging eine Kampagne der NeoCons in der Linksjugend / Partei Die Linke und der Jüdischen Gemeinde zu Berlin voraus. Lala Süsskind, Gemeindevorsitzende, diffamierte den Politikwissenschaftler in einem Brief an das Maritim-Hotel mit der Lüge:

    Herr Finkelstein ist in den letzten Jahren immer wieder durch die Propagierung von Thesen in Erscheinung getreten, die den Holocaust relativieren.
Sie bat um Absage der Veranstaltung – vergebens.

Vor dem Hotel hatten sich zu Veranstaltungsbeginn 22 Ku-Klux-Klan-Gestalten um eine Israel-Fahne geschart, aus Solidarität mit dem Massakerstaat.

Finkelstein war Anfang 2010 von der Heinrich-Böll-Stiftung als Redner zunächst nach Berlin ein-, dann wieder ausgeladen worden. Dito von der neokonservativen Berliner Rosa-Luxemburg-Stiftung. In der Not bot die junge Welt dem weltberühmten Wissenschaftler ihre kleine Ladengalerie in der Torstraße als Auftrittsort an, doch Finkelstein war des deutschen Gehampels inzwischen überdrüssig geworden und übersprang den unwirtlichen Ort bei seiner Europa-Tournee.

Diesmal hatte die Palästinensische Ärzte- und Apothekervereinigung Deutschland e. V. die Sache in die Hand genommen und Nägel mit Köpfen gemacht.

Glückwunsch!

Quelle: steinbergrecherche.com