Köln, 13.1.2011 - Soldatengottesdienst mit Joachim Kardinal Meisner, Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg und dem Protest dagegenBilder

Zum Teufel mit Ihnen - denn sie gehen über Leichen

Flugblatt von "bundeswehr wegtreten!" zum Soldatengottesdienst

Kunduz, 4. September 2009: Oberst Klein gibt den Befehl zur Bombardierung zweier Tanklaster in Afghanistan. 140 Menschen, die sich Treibstoff besorgen wollen, sterben. Der Oberst der Bundeswehr wird für das Massaker nicht zur Rechenschaft gezogen. Zynische 4000 Euro je Opferfamilie ist das Kriegsverbrechen der Bundesregierung wert.

Deutschland führt Krieg – und wir sollen uns endlich daran gewöhnen.

Dazu braucht es Kriegstreiber in allen gesellschaftlichen Bereichen des vermeintlich „zivilen“ Lebens. Für die katholische Kirche erledigt das der Kölner Hassprediger, Feld-Kardinal Meisner. Der hat heute Kriegsminister Guttenberg samt ranghöchsten Militärs und einer Abordnung Kanonenfutter zum Soldatengottesdienst in den Dom eingeladen. Ob Guttenberg seine PR-Agenten Ehefrau Stefanie und Johannes B. Kerner mitgebracht hat, wissen wir nicht.

In Köln, dem größten Bundeswehrstandort, erläutert der Glaubenskrieger jedes Jahr mehr als tausend Soldatinnen und Soldaten seine Kriegsvision. Die Kriegseinsätze der Bundesregierung erhalten ihre christradikale Weihung. Gerüstet mit dieser jährlichen Segnung ist der deutsche Soldat als erneuter Angriffskrieger - wie Oberst Klein - über jeden Vorwurf erhaben, denn nur "Menschlichkeit ohne Gottesglauben verkommt in Brutalität." Konkreter: "Einem Gott lobenden Soldaten kann man guten Gewissens Verantwortung über Leben und Tod anderer übertragen, weil sie bei ihm gleichsam von der Heiligkeit Gottes mit abgesegnet sind." So reiht sich Meisners Predigtspruch aus dem Jahre 1997 als wohl berühmtester Auswurf des Kölner Feldkardinals nahtlos in den kreuzzüglerischen Wortschwall ein: „In betenden Händen ist die Waffe vor Missbrauch sicher“. Ist doch der Soldat, so erkannte der Militarist Meisner aufgrund höherer Eingebung bereits1993, "als Inbegriff der strafenden Gerechtigkeit die letzte Möglichkeit, das Böse im Menschen zu bannen."

Soldaten wie Oberst Klein sind "Verkünder der Wahrheit des Friedens".

Die Wahrheit des Meisnerschen Friedens lautet dabei ganz unverhohlen Krieg. Damit ist der Gotteskrieger vom Rhein auf der Höhe der Zeit. Ende Januar wird (nach Meisner auch) das Parlament die Verlängerung des Afghanistaneinsatzes absegnen.

Die Legitimation soldatischen Mordens durch die katholische Kirche ist ein willkommener und gesellschaftlich bedeutender Beitrag zur deutschen Politik der KRIEGSSICHERUNG.

Guttenberg + Meisner Wegtreten!

bundeswehr wegtreten!
V.i.S.d.P. Verena Kemper, Körnerstr. 77, 50823 Köln


"Religionsfreiheit - der Weg zum Frieden"

Predigt von Erzbischof Joachim Kardinal Meisner

Liebe Mitbrüder im geistlichen Amt, Herr Minister, geschätzte Schwestern und Brüder in Christus, dem Herrn!

„Religionsfreiheit - der Weg zum Frieden" sind die wenigen, aber wichtigen Worte, die Papst Benedikt XVI. über den Weltfriedenstag 2011 geschrieben hat.

Vielleicht könnte man denken: Was hat denn eigentlich Religion mit dem Weltfrieden zu tun, wo doch Religion Privatsache ist? Das, liebe Schwestern, liebe Brüder, wünschten sich manche, aber das widerspricht der menschlichen Natur, dem Wesen des Menschen zutiefst. Denn in jedem Menschen lebt als Abbild Gottes die Sehnsucht nach Gott, die sich in tausendfacher Weise nach außen zeigen kann. Zum Menschen gehört in irgendeiner Weise Religion wie zum Fisch das Wasser. Der gläubige Mensch existiert nicht neben seinem Volk oder über seinem Volk, sondern er lebt mitten in seinem Volk. Er hat Anteil am Wohl und Wehe der Gesellschaft. Das Gleiche gilt für die Gemeinschaft der Glaubenden, für die Kirche. Sie trägt auch die Last unseres Volkes mit, die ihm in seiner Geschichte aufgeladen ist. Darum sagt uns Christus ausdrücklich: „Wer sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem wird sich auch der Menschensohn vor den Engeln Gottes bekennen" (Lk 12,8). Liebe Schwestern, liebe Brüder, es ist für uns befreiend, dass Christus der Bekennende ist. Er bekennt sich vor Gott zu uns. Er ist unser Zeuge im Gericht. Er spricht für uns, wo wir vor Scham schweigen müssten. Er tritt für uns ein, wo wir im Boden versinken müssten.

Er ist unser Zeuge. Er ist dies, liebe Schwestern, liebe Brüder, ungeteilt, d.h. ganz mit Wort und Tat, mit seiner Treue bis zum Tod. Ja, sein Bekenntnis ermöglicht auch uns zu bekennen, dass wir Verantwortung für das Schicksal unserer Mitmenschen tragen, ja für den Frieden der Welt. Und das zeigt sich hier bei uns seit Jahrzehnten durch den Militärdienst in unserem Volk.

Liebe Schwestern, liebe Brüder, es hat jemand gesagt, entweder betet der Mensch Gott an oder er betet sich selbst an. Letzteres kann großes Unglück und eine Gefährdung für den Frieden in der Welt... Die Geschichte weiß das zu Genüge zu berichten. Gerade unser Volk ist von den Folgen der Selbstvergötzung gleichsam stigmatisiert. Das Hitler-Regime als tragische Ersatzreligion ist mit seinen 60 Millionen Toten die schreckliche Folge, dass der Mensch sich selbst an die Stelle Gottes gesetzt hat. Hier hieß es nicht mehr: „Wie im Himmel, so auf Erden", sondern „Wie auf Erden, so im Himmel". Und das „Heil Hitler!" sollte das Heil Jesus Christus verdrängen.

Ich durfte im September vergangenen Jahres im Dom zu Münster einen 31-jährigen Priester seligsprechen, der 1941 im KZ Dachau von den Nazis umgebracht worden ist, weil er gesagt hatte: „Wer Christus den Jugendlichen aus den Herzen reißt, ist ein Verbrecher!" Die Kirche war der größte Störenfried in diesem von Größenwahn und Rassenwahn geprägten Naziregime. Wer dagegen Stellung bezog, riskierte sein Leben. Und die Judenverfolgung resultierte ebenso aus einem tragisch-religiösen Motiv heraus. Weil Hitler selbst Herr und Gott sein wollte und keine so genannten fremden Götter neben sich duldete, unterminierte er die Grundlagen menschlicher Zivilisation, indem er die Empfänger und Zeugen der Thora, also der Zehn Gebote Gottes, von der Erde vertilgen wollte. Er wollte vom Gott des Sinai, vom Gott des Berges der Zehn Gebote, nicht gehindert werden in seinen schrecklichen Taten. Darum mussten die Empfänger der Thora sterben.

Liebe Schwestern, liebe Brüder, in der anderen großen und unheiligen Bewegung des 20. Jahrhunderts, im Kommunismus, zeigte sich ein ähnliches Phänomen, nur unter anderen Vorzeichen. Damals hieß es: „Religion ist Opium für das Volk". Gerade in dem Augenblick, als man den Menschen den Gottesglauben geraubt hatte, griff der Mensch zum Opium, zur Droge, zur Gewalt, um seine Gottlosigkeit ertragen zu können. „Ohne Gott und Sonnenschein bringen wir die Ernte ein" war jahrzehntelang in der DDR die politische Losung für die Erntearbeit auf den LPG's. Als Konsequenz legte sich der Atheismus wie ein Mehltau über das ganze menschliche Leben. Um die Menschen in diesem Verlies des Atheismus zu festzuhalten, wurde die Berliner Mauer gebaut, wurden durch unser Land Stacheldraht und Betonmauern mit Selbstschussanlagen errichtet, und alle Bewacher waren verpflichtet, bei einem Fluchtversuch sofort die Waffe zu gebrauchen. Die Religionsfreiheit ist die sensibelste Grundlage aller anderen Menschenrechte.

Liebe Schwestern, liebe Brüder, die Weltgeschichte ist auch immer eine Geschichte des menschlichen Herzens. Alle guten und bösen Geister kommen in die Welt durch die Tür des eigenen Herzens: Habsucht, Macht, Größenwahn fangen im Herzen an und bringen Streit, Krieg, Mord und Tod in die Welt. Die Gefahr für die Welt ist das verkehrte Herz des Menschen. Die Hoffnung für die Welt ist das vom Heiligen Geist erfüllte Herz, denn der Heilige Geist verbindet Gott und Mensch, Mensch und Mensch, Mensch und Welt. Wenn Menschen in rechter Gottes-, Nächsten- und Weltliebe stehen, entsteht eine neue Welt. Es verschwinden dann Habsucht, Machthunger und Größenwahn. Es verschwinden, wie die Heilige Schrift sagt, die Werke des Fleisches, und es wachsen die Werke der Früchte des Geistes. Eigentlich retten nicht Weltprogramme und Manifeste die Welt, sondern der Heilige Geist, der schon am Anfang der Schöpfung über dem Chaos schwebte und aus dem Chaos einen Kosmos gestaltete. Er wird auch heute das Angesicht der Erde erneuern durch neue Herzen. Wo ein neues Herz entsteht, entsteht eine neue Welt. Ich glaube, liebe Schwestern, liebe Brüder, gerade für den Wehrdienst ist eine solche Kultur des Herzens unverzichtbar.

Die Machthaber im Kommunismus gaben sich mit ihrer Ersatzreligion - wie übrigens die Nazis auch - mit den Köpfen der Menschen nicht zufrieden: Sie wollten auch ihre Herzen haben. Das lag in der Konsequenz ihrer Ideologie, die ja eben eine reine Ersatzreligion war. Olof Klohr, der Inhaber des atheistischen Lehrstuhls an der Universität Rostock zu Zeiten der DDR, plädierte sehr deutlich für eine Umstellung der marxistischen Ideologie von einer „Ideologia Rationalis" zu einer „Ideologia Cordis". Und er begründet: „Solange im menschlichen Herzen noch religiöse Vorstellungen, Gefühle, Gedanken, eben eine Logik des Herzens leben, solange ist das ganze System des kommunistischen Sozialismus trotz Waffen, trotz Mauern bedroht, denn dann würde sich eines Tages aus diesen verborgenen Abgründen der menschlichen Herzen der große Widerspruch erheben, und er wird schließlich das ganze System des sozialistischen Aufbaus wegfegen." Soweit das Zitat. Er hat sich darin nicht getäuscht, nur darin, dass das menschliche Herz auch mit einer innerweltlichen, gottlosen Ideenwelt nicht die Erfüllung finden kann.

Liebe Schwestern, liebe Brüder, ich darf das hier sagen: als ein Mitbetroffener macht mich das einigermaßen fassungslos, daß man zwanzig Jahre nach dem Ende des Kommunismus ihn heute wieder salonfähig machen möchte.

Liebe Schwestern, liebe Brüder, wie das Zeugnis Jesu Christi ungeteilt und ganz ist, so hat auch das Zeugnis der Christen ungeteilt und ganz zu sein. Die Begrenzung auf den Bereich der Innerlichkeit oder des rein Religiösen, also die Ausklammerung der Welt, zerteilt Christus und ist letztlich eine Verleugnung Christi und trägt eine Schizophrenie in den Menschen hinein. Das christliche Zeugnis ist dann aber auch mit allen Problemen der Welt und mit der Verantwortung für die Welt belastet und gesegnet, wenn es ungeteilt ist. Wir sagen darum in alle Richtungen der Welt hinaus: „Religionsfreiheit ist das fundamentalste und wichtigste aller Menschenrechte!" Wenn sie eingehalten wird, werden auch die anderen beachtet. Und deswegen rufen wir in alle Himmelsrichtungen: „Achtet und schützt die Verantwortung jedes Menschen vor dem Schöpfer! Denkt daran: Technik ohne Ethik gefährdet den Menschen und macht ihn zum Gegenstand der Manipulation." Den Menschen die ihnen von Geburt zukommenden Rechte vorzuenthalten, ist die Ursache permanenter Friedensgefährdung in Gesellschaft und Völkergemeinschaft. Schritte zum Frieden zeigen sich im Vertrauen der Menschen und Völker zueinander zu bewegen. Dazu bietet die Kirche ihre guten Dienste an, indem sie die religiösen Überzeugungen anderer Menschen achtet und das Gute in anderen religiösen Gemeinschaften stärkt und zu entbinden und zu ermutigen sucht.

Und darum ist es eine Frage der Geschichte, daß Christen mit ihrer Haltung zur Relidionsfreiheit von anderen Religionen oft tödlich bedroht werden.

Die Kirche betet darum, dass die ideologischen Waffenarsenale geschlossen werden. „Bin ich denn der Hüter meines Bruders" (Gen 4,9), sagt der Brudermörder Kain in der zweiten menschlichen Generation zu Gott im Schöpfungsbericht. Diese Antwort sollte heute nicht mehr möglich sein. Natürlich sind wir die Hüter unserer Brüder und Schwestern. Das ist eine präzise Aufgabenbeschreibung unserer Soldaten, Hüter und Hüterinnen unserer Brüder und Schwestern zu sein. „Wer sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem wird sich auch der Menschensohn vor den Engeln Gottes bekennen". Dieses Bekenntnis hat Konsequenzen für die Ewigkeit, und die Ewigkeit hat Konsequenzen für unser Reden und Schweigen hier in dieser Zeit. Das Zeugnis der Christen ist nicht nur Wortbekenntnis, sondern Lebenszeugnis der Nachfolge Christi. Es gibt keinen bekennenden Glauben ohne reale Nachfolge. Der Christ steht immer vor der Alternative, Gott oder den Menschen zu gehorchen. Die Entscheidung kann nur lauten: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen" (Apg 5,29), und zwar um des Menschen willen.

Liebe Schwestern, liebe Brüder, angesichts unseres eigenen Versagens werden wir uns nicht bücken dürfen, um Steine aufzuheben und auf die anderen zu werfen, sondern wir werden immer auch im Hinblick auf die anderen demütig an die eigene Brust schlagen müssen, weil wir Heutigen es oft versaumen, entschiedener zu glauben, vorbehaltloser zu hoffen und radikaler zu lieben. Weil Christus in seiner Person unser Friede und unsere Versöhnung ist, kann unser Beitrag zum Religionsfrieden in der Welt letzlich nur in einer treueren Nachfolge Christi bestehen. Amen.


Das Resümee eines Protestierers

von Helmut Jaskolski

Es ist 9.00 Uhr, der vorgesehene Termin für den Beginn des Gottesdienstes. Er beginnt aber nicht. Es dauert eine Weile, bis der erwartete Bundesmilitärminister von und zu Guttenberg vorfährt und sich in den Dom begibt. Was die kleine Schar der Demonstranten auf der Domplatte nicht sehen und hören kann, ist die herzliche Begrüßung durch Kardinal Meisner. Jetzt kann das Pontifikalamt mit den militärischen und zivilen Honoratioren und den 1500 Soldaten beginnen.

Die Predigt des Kardinals ist immer der Höhepunkt der Inszenierung, andererseits ihr qualitativer Tiefpunkt - wie schon in früheren Jahren. Aber das merken die Angesprochenen wohl nicht. Hauptsache: Die fromme Stimmung steigert sich.

Die draußen stehenden Protestierer besorgen sich wie jedes Jahr das Skript der Predigt und analysieren die neuesten Parolen zu Hause, falls sie sich nicht mit der wohlwollenden Berichterstattung der gleichgeschalteten Medien oder einem Blick auf die Homepage des Domradios begnügen. Da sich der Predigttext - dem vulgärtheologischen Mainstream folgend - seit vielen Jahren nicht wesentlich ändert, fallen normalerweise die neuesten militärspezifischen „Erkenntnisse“ besonders auf. In diesem Jahr war es wegen des Themas Religionsfreiheit für den Erzbischof sehr schwer, den Dreh zum Militärischen zu finden. Er bediente sich wohl deshalb anderer problematischer Phrasen. Hier einige markante Proben:
    „Das Hitler-Regime als tragische Ersatzreligion ist mit seinen 60 Millionen Toten die schlichte Folge, dass sich der Mensch an die Stelle Gottes gesetzt hat.“

    „Die Judenverfolgung resultierte ebenso aus einem tragisch-religiösen Motiv heraus.“
Ich würde gern erfahren, was Meisner mit dem Begriff „tragisch“ in diesem Kontext meint. Gibt es eine „tragische Ersatzreligion“ und ein „tragisch-religiöses Motiv“? Die klassische Tragödientheorie gibt darüber keine Auskunft. Es mag sein, dass der Prediger die Etablierung der genannten Ersatzreligionen auf deutschem Boden und darüber hinaus im „christlichen Abendland“ als Tragödie ansieht, die über das deutsche Volk und über große Teile Europas hereingebrochen ist („In der anderen großen und unheiligen Bewegung des 20. Jahrhunderts, im Kommunismus, zeigte sich das gleiche Phänomen, nur unter anderen Vorzeichen“). „Hereingebrochen“ ist das falsche Wort. Entscheidend war hinsichtlich des Nationalsozialismus das Versagen des angeblich kultivierten Bürgertums (nicht zu vergessen: des christlichen Adels deutscher Nation) und insbesondere der christlichen Amtskirchen - repräsentiert durch die Bischöfe -, die auf ihre heroische Moral so stolz sind. Das will der Erzbischof nicht wahr haben:
    „Die Kirche war der große Störenfried in diesem von Größen- und Rassenwahn geprägten Naziregime. Wer dagegen Stellung bezog, riskierte sein Leben.“
Es ist schon merkwürdig, dass nur relativ wenige Christen ihr Leben riskierten und kein einziger Bischof. Das wird gut und gern verdrängt. Was den Kommunismus betrifft, sind die Westdeutschen ja - Gott sei Dank - gut davongekommen! Und warum? Das wird etwas später beantwortet und bezieht sich wohl eher auf die heutige Lage der Welt:
    „Eigentlich retten nicht Weltprogramme und Manifeste die Welt, sondern der Heilige Geist, der schon am Anfang über der Schöpfung schwebte und das Chaos zum Kosmos gestaltete.“
Da hat also der Heilige Geist einmal glorreich eingegriffen. Ansonsten hat er offensichtlich versagt. Was hat das alles mit Religionsfreiheit in der Gegenwart zu tun? Wenn man historische Reminiszenzen serviert, sollte man auch daran denken, dass die katholische Kirche Religionsfreiheit als Menschenrecht bis in das 20. Jahrhundert verteufelt hat. Erst das letzte vatikanische Konzil hat davon Abstand genommen. Und was sagt unser Kardinal?
    „Die Religionsfreiheit ist die sensibelste Grundlage aller anderen Menschenrechte.“
Und:
    „Wir sagen darum in alle Richtungen der Welt hinein: ‚Die Religionsfreiheit ist das fundamentalste und wichtigste aller Menschenrechte!’“
Das sieht nach Bekehrung aus. Oder ist es Heuchelei? Jedenfalls posaunt er es in alle Welt hinaus! Zum Schluss noch ein ganz besonders starker Satz, der in der Presse am meisten zitiert worden ist, als sei es eine Offenbarung:
    „Die Kirche betet darum, dass die ideologischen Waffenarsenale geschlossen werden.“
Vom Beten war in der Presse kaum die Rede, sondern von einem Appell an die heutige Welt. Welche „ideologischen Waffenarsenale“ gemeint sind, wird verschwiegen. Nationalsozialismus und Kommunismus sind perdu, vom Faschismus in den katholischen Ländern Südeuropas ist nicht die Rede. Vielleicht ist es der Islamismus, am ehesten noch sind es die ideologischen Verkrümmungen der fundamentalistischen Reaktionäre. Einen Verdacht meldete Hanna, meine Frau, an: Meisner hat eigentlich im Hinterkopf, dass es riesige reale Waffenarsenale gibt und eine Waffenindustrie, die diese ständig bedient, aber dieses Wissen kommt bei ihm nicht zum Bewusstsein, er ist aus berufspezifischen Gründen - auf Grund einer déformation professionnelle - blockiert. Oder will er es mit Baron von Guttenberg nicht verderben, indem er konkret, realitätsgerecht spricht? Die erfolgreichen deutschen Waffenexporteure werden es ihm danken. Eine Erinnerung an das, was im Dom geschehen ist, bot anschließend die Bild-Zeitung. Schlagzeile und großes Bild vom knienden Minister:
    Für unsere Soldaten
    Hier betet Minister Guttenberg im Dom
Darunter:
    „Karl-Theodor zu Guttenberg nach der Heiligen Kommunion versunken im stillen Gebet“
Am Ende des Artikels:
    „Nach der Messe ließ zu Guttenberg seinen Dienstwagen stehen, marschierte zu Fuß und ohne Schirm durch den strömenden Regen zu einem Soldaten-Empfang ins Maternushaus.“
Dem Domradio gab Guttenberg - dort angekommen oder noch im Domforum - ein aufschlussreiches Interview. Im Vorspann wurde es so angekündigt:
    „Im Interview mit domradio.de-Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen betont der Minister die wichtige Rolle der Militärseelsorge, die für ihn eine entscheidende Säule ist. Und er spricht über seinen Glauben und die Bedeutung der Werte des christlichen Abendlandes für seine Armee.“
Und das waren die Höhepunkte des Interviews:
    domradio.de: Herr Minister, Sie haben sich gerade im Hohen Dom zu Köln in die Reihe der Soldaten eingereiht. Selten sind so viele Soldaten da, was ist das für ein Gefühl? Für Sie war es das erste Mal als Verteidigungsminister ...

    zu Guttenberg: Es war das erste Mal, ich wäre von Herzen gerne auch schon im vergangenen Jahr gekommen, damals hat mich meine Frau vertreten. Es ist ein wunderbares Gefühl, Gottes Segen zu wissen über dem, was unsere Soldaten leisten, täglich leisten müssen. Viele von ihnen können natürlich heute nicht da sein, aber denen können wir eben auch unsere Gedanken schicken. Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir diese Möglichkeit haben. Dankbar dem Erzbistum Köln, dankbar dem Kardinal. [...]
Dann gibt der linientreue Chefredakteur dem Minister eine Steilvorlage:
    domradio.de: Was sagen Sie denn den Demonstranten, die sagen: „Frieden kann man nie herbeibomben oder herbeischießen, sondern Frieden bedeutet eigentlich nach unserer Botschaft die Wange hinzuhalten“?

    zu Guttenberg: Wenn es denn so wäre, dann würde es wohl gelingen. Aber es gelingt leider nicht, und von daher kann ein militärischer Einsatz immer nur Ultima oder Ultissima Ratio sein. Er muss mit Vernunft und Augenmaß eingesetzt werden. Die Armee, sie darf eine sein und sie muss eine sein, die an unsere Werte und unsere Grundgesetze gebunden ist und auch an die Werte des christlichen Abendlandes. Das ist etwas, worauf ich unglaublich viel Wert selbst lege, im Wortsinne. Und deswegen ist mancher hehre Wunsch einfach leider nicht Wirklichkeit geworden und muss sich auch an diesen Realitäten messen lassen.
Davon, dass es darum geht, die Wange hinzuhalten, ist bei den Demonstranten und der ganzen Friedensbewegung überhaupt nicht die Rede (die Berufung auf die Bergpredigt ist schon in der frühesten Zeit des Christentums auf ein paar Mönche abgeschoben worden). Es gibt handfeste realpolitische Gründe, den Afghanistan-krieg zu beenden, und es gibt ethische Gründe, die die Berufung auf die „Ultissima Ratio“ als Rechtfertigung moderner Kriege verwerfen. Es ist die Prima Ratio, die für die Führung der „neuen Kriege“ entscheidend ist. Der Kriegsminister von und zu Guttenberg missbraucht Religion und Moral zur Rechtfertigung der Interessenpolitik der westlichen Staaten (die NATO als „größte Friedensbewegung der Welt“). Damit aber nicht genug: Er greift zum Mittel der Resakralisierung des Militärischen, wie sie seit Konstantin dem Großen im Christentum üblich geworden ist. Der Gottessohn aus Nazareth kann einpacken!
    „Christliche Friedensbotschaft und Kampfeinsätze der Bundeswehr passten zusammen, sagte Guttenberg. Die Armee versuche in internationalem Auftrag mit aller Kraft Frieden zu schaffen‚ ‚in Teilen dieser Welt, die von Kriegen und von Auseinandersetzungen geschüttelt’ seien. Gleichzeitig wolle sie für den Frieden hierzulande sorgen, ‚und das muss man manchmal fern der Heimat’, so der Minister. Das sei nichts, was einem die Freude ins Herz rufe, sei aber ein Auftrag, ‚den wir mit Verantwortung wahrnehmen’, so der Minister.“
Zu finden auf der Website katholisch.de.


Kirchliche Absegnung des Kriegsterrors

Lokalberichte - Kölner Zeitung für sozialistische Politik, 21.1.2011

Köln, 13.1.2011, Soldatengottesdienst im Kölner Dom: Mit der Predigt „Religionsfreiheit – der Weg zum Frieden“ schickte Feldkardinal Meisner die 1000 im Dom versammelten Soldaten in weltweite Kriegseinsätze. Sein katholischer Gott fordere angeblich diesen weltweiten Kriegsterror. Die Bundeswehr führt bekanntlich insbesondere dort für Meisners „Religionsfreiheit“ Kriegseinsätze, wo die deutschen Kapitalherren behaupten, dass ihre Wirtschaftsinteressen bedroht seien. Begeistert bis in die gegelten Haarspitzen hörte ihm Kriegsminister zu Guttenberg zu. Die Ministergattin hatte – im Gegensatz zum letzten Jahr – den anwesenden Domherren und den Soldaten diesmal nichts zu bieten, sie war nicht abkömmlich.

Gegen diese kirchliche Absegnung des weltweiten Kriegsterrors der Bundeswehr und der Nato-Armeen protestierten vor dem Dom 50 Kritikerinnen und Kritiker.

Jugendliche wandten sich gegen die verstärkte Werbung der Bundeswehr an den Schulen und stellten sich vor einen Domeingang mit dem Transparent „Bundeswehr raus aus den Schulen“. Das Ergebnis von Meisners Predigt wurde symbolisch dargestellt: Leichen lagen auf dem Domplatz, bedeckt mit weißen Tüchern und blutigroter Farbe. „Soldatinnen und Soldaten: Raus aus der Bundeswehr!“ und „Bundeswehr raus aus Afghanistan“ war auf Transparenten und Schildern zu lesen.

Der Einsatzleiter der Polizei sah den Militärgeist in den Soldatenköpfen gefährdet und beschlagnahmte vorsichtshalber das Transparent „Selig sind, die Frieden stiften“.

gba