Bonn, 20.2.2011 - Hoffnungsvögel für Gaza - Informations- und Benefizveranstaltung der FrauenWegeNahOst

1 Hoffnungsvögel für Gaza

2 Hoffnungsvögel für Gaza: Zwei Jahre nach dem letzten großen Bombardement auf Gaza gehen wir von FrauenWegeNahOst mit unserem Projekt HOFFNUNGSVÖGEL – Hilfe für traumatisierte Frauen und Kinder in Gaza - ins dritte Jahr.

3 Sabine Werner - Hoffnungsvögel für Gaza

4 Hoffnungsvögel für Gaza: Verbunden sind wir mit der palästinensischen Frauenorganisation Palestinian Working Woman Society for Development – PWWSD, die vor Ort mit den schwer traumatisierten Menschen arbeitet.

5 Ulrike Vestring - Hoffnungsvögel für Gaza

6 Hoffnungsvögel für Gaza: Seit März 2009 haben wir viel Zuspruch und Hilfe erfahren, so dass wir unsere Partnerinnen in Gaza wirkungsvoll unterstützen konnten. Die seelische Not der Menschen in Gaza ist groß, unsere Hilfe wird weiter dringend gebraucht. Deshalb müssen die HOFFNUNGSVÖGEL weiter fliegen.

7 Suraya Hoffmann - Hoffnungsvögel für Gaza

8 Bernd Ruf - Vortrag über Traumatisierung: Wadi ist ein 18 Monate alter Junge. Er gehört dem Samouni-Clan an – einer über 100-köpfigen Großfamilie... "Beim Einmarsch israelischer Truppen am 27./28. Januar 2009 in Zeidoun [einem südöstlichen Stadtteil von Gaza-Stadt] wurde der Clan aufgefordert, sich in einem Haus zu versammeln. Dann wurde das Haus von einem Hubschrauber aus beschossen..."

9 Bernd Ruf: "... 36 Familienmitglieder, darunter viele Kinder, starben. Vier Tage lang wurden die Rettungskräfte des Roten Halbmonds daran gehindert, Verletzte zu versorgen und Tote zu bergen. Wadi lag in dieser Zeit neben seiner toten Mutter. Er hatte weder Essen noch Trinken. Ab und zu schütteten Soldaten einen Eimer kaltes Wasser über ihn." Seither ist Wadi verstummt. Sein leerer Blick fixiert nichts mehr. Mit dunklen Augen starrt er stumpf in die Welt.

10 Bernd Ruf: Bei der mehr als drei Wochen dauernden Militäroffensive im Gaza-Streifen wurden nach Angaben der Gesundheitsbehörde in Gaza mindestens 1.415 Menschen getötet und etwa 5.500 verletzt.

11 Bernd Ruf: Die medizinische Versorgung der Bevölkerung ist durch die militärischen Angriffe und die hermetische Blockade des Gaza-Streifens ebenso zusammengebrochen wie die Wasser- und Stromversorgung sowie die Versorgung mit Lebensmitteln und Hilfsgütern.

12 Bernd Ruf: Nicht nur das Leid der Kinder ist unermesslich. Ein Ehepaar zeigt uns das Foto seiner drei toten Kinder und berichtet von ihrem Martyrium: "Der Fünfjährige starb an einem Kopfschuss. Das ebenfalls erschossene neun Monate alte Baby hatte auf dem Bild die Augen noch geöffnet. Der elfjährige Sohn hatte zwei Lungendurchschüsse. Er atmete noch zwei Tage. Weil Soldaten den Rettungskräften den Zugang verweigerten, konnte er nicht gerettet werden." Die Eltern sprechen von der Hinrichtung ihrer Kinder.

13 Bernd Ruf: Die Stiefmutter des zehnjährigen Abdella sitzt depressiv vor ihrem zerstörten Haus. Wir geben ihr Knetwachs. Sie formt eine Kugel, die sie immer wieder schluchzend zerfetzt. Nach einiger Zeit kann sie erzählen. Sie berichtet, dass Soldaten ihre einjährige Tochter getötet hätten. Dann führt sie uns zum Ort des Geschehens, in ein Zimmer des zerstörten Hauses. An der Wand, unter der laut der Mutter das tote Kind gelegen hatte, stand in englischer Sprache geschrieben: „1 is gone – 999 999 will follow“.

14 Bernd Ruf: Die Wohnungseinrichtungen wurden durch Soldaten mutwillig demoliert und selbst die Fußböden herausgerissen. In den Kochtöpfen finden sich Fäkalien, über die Mehlvorräte wurde uriniert. Die demütigenden, menschenverachtenden Inschriften an den Wänden sind auf Russisch, Englisch, Hebräisch und Französisch. Oliven- und Erdbeerplantagen wurden niedergewalzt, Bewässerungssysteme systematisch zerstört, Zisternen zugeschüttet.

15 Bernd Ruf: Eine Mutter, die uns bei unserer Arbeit mit den Kindern beobachtet hatte, erzählte uns plötzlich, wie sie versucht habe, den aufgeschlitzten Bauch ihres Kindes mit Nadel und Faden zu nähen. Nach zwei Tagen starb das Kind. Rettungskräfte wurden nach ihren Angaben über Tage nicht herangelassen. Plötzlich schrie sie uns zu: „Nicht nur die Kinder brauchen euch! Wir Frauen wissen nicht mehr weiter!“.

16 Bernd Ruf: Auf der überstürzten Rückfahrt zur Grenze passierte das Notfallteam abermals das Schild mit der Aufschrift: „Welcome to Gaza“. Im Radio ertönte gerade der Song „Calling Gaza“ des palästinensischen Sängers Bilal. Der Text handelt vom verzweifelten Versuch eines Palästinensers, die UNO telefonisch zu erreichen, um auf Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen hinzuweisen – er erreicht bei allen Versuchen nur den Anrufbeantworter. Und dann fällt uns der 21-jährige Jura-Student Barakat ein, der immer so oberflächlich lachte und dabei von Selbstmord sprach. Er zeigte uns die Wand seiner mutwillig demolierten Wohnung, auf der in Hebräisch geschrieben stand: „Ihr braucht Eure Häuser nicht mehr aufzubauen. Wir kommen wieder!“. Und wir schworen uns: Wir auch!

17 Anis Hamadeh und Ulrike Vestring - Free Gaza, free Gaza...

18 Hoffnungsvögel für Gaza

19 Anis Hamadeh, Premiere des Kabarett-Solo-Programms "Der Palästina-Express" - im Juli 2011 in voller Länge von 90 Minuten spielbereit - Kontakt: anis(@)anis-online.de: Ich habe mich lange gefragt, warum so wenig Leute über Palästina im Kabarett sprechen. Nur weil man deshalb seinen Job verliert, als Antisemit gebrandmarkt wird und für immer unten durch ist? Das wird ja kaum jemanden davon abhalten, seine Meinung zu sagen.

20 Anis Hamadeh: Hier sieht man Palästina bzw. was davon übrig geblieben ist. Warum das Gebiet im Laufe der Zeit immer kleiner geworden ist, kann keiner mit genauer Sicherheit sagen. Es gibt vier gängige Theorien. Die ersten beiden Theorien sind geologischer Natur. Liegt es an der tektonischen Verschiebung der Erdplatten? Die zweite Theorie: Bodenerosion... Die dritte Theorie ist, daß die Bevölkerung das Interesse an dem Land verloren hat und weggegangen ist... freiwillig... Oder die vierte Theorie ist, daß es um israelische Sicherheitsbedürfnisse geht. Sicherheit ist natürlich wichtig. Wie gesagt, man weiß es nicht genau. Wär vielleicht 'ne Doktorarbeit mal. Von und zu Guttenberg braucht ja 'ne neue.

21 Anis Hamadeh: Ein kurzes Wort zu den Siedlungen und der Mauer: sie sind völkerrechtswidrig, sind illegal... Das wissen die meisten Leute. Was wenige Leute wissen, ist, daß die im wesentlichen von Palästinensern gebaut werden... Das ist eine seltsame Geschichte, daß die Palästinenser das selber bauen... He, Du da, bau mal 'ne Siedlung! Kriegst 'nen Schekel. Ist schwierig. Denn, was kommt als nächstes. He, Du da, grab mal Dein eigenes Grab! Kriegst 'nen Schekel. Schieß Dir mal 'ne Kugel in'n Kopf! Kriegst 'nen Schekel. Ist'n Problem. Das funktioniert aber ganz gut...

22 Anis Hamadeh: Und auch die Palestine Papers zeigen deutlich, daß sowas funktioniert. Da hat die Autonomiebehörde über den Kopf der Bevölkerung so gut wie alle verbrieften Rechte aufgegeben und das Land verschenkt. Autonomiebehörde - kennen Sie ja - ist derzeit vom israelischen Verteidigungsministerium der Teil, der fließend arabisch spricht. Die Israelis haben das aber abgelehnt... Die Israelis hätten 90 Prozent oder sowas von allem bekommen. Aber sie haben abgelehnt. Denn warum sollten sie das annehmen, wenn sie mit Gewalt alles bekommen. Also warten sie mal noch'n bißchen ab.

23 Anis Hamadeh: Ja, hier ist Obermeier, Chefredaktion. Ach, Frau Schreiber, sehr gut, daß Sie mich zurückrufen... Sie hatten diesen Artikel geschrieben über Nahost. Das ist alles in Ordnung. Wir müssen nur noch'n paar Sachen durchgehen. Sie schreiben hier: an den gewaltlosen Protesten in Bil'in nahmen auch internationale Menschenrechtsaktivisten teil. Ja, sehen Sie, ob das nun Menschenrechtsaktivisten sind, darüber kann man natürlich verschiedener Meinung sein. Objektver ist es schon, von propalästinensischen Aktivisten zu sprechen...

24 Annelise Butterweck und Ulrike Vestring - Anis Hamadeh: Als nächstes beschreiben Sie die Situation... Also, vermeiden Sie bitte das Wort Mauer. Das weckt falsche Assoziationen... Bauern, die durch den Zaun von ihren Äckern getrennt werden. Gut!... Was mir in dem Artikel fehlt, sind eigentlich nur noch zwei Punkte... Islamismus... Hamas...

25 Anis Hamadeh: Man sagt immer so: Konflikt. Konflikt! Kann man natürlich auch so nennen. Vergewaltigung ist auch ein Konflikt. Das Vergewaltigungsopfer und der Vergewaltiger: die haben 'nen Konflikt. Die offizielle Lesart ist, daß sich zwei Parteien um ein Land streiten. Die eine Partei ist die viertgrößte Militärmacht der Welt - mit der größten Militärmacht im Rücken. Und die andere Partei ist die Bevölkerung, die da seit Jahrhunderten lebt. Aber die dürfen aus Gründen der Ausgewogenheit keine Waffen haben...

26 Hoffnungsvögel für Gaza

27 Anis Hamadeh (nach Michael Rosen): Eine Familie kam und sagte, sie habe Papiere, daß sein Haus ihnen gehöre. Nein, nein, sagt der Mann: meine Leute haben hier immer gelebt - mein Vater, Großvater. Und seht den Garten: mein Urgroßvater hat das gepflanzt. Nein, nein, sagte die Familie: die Dokumente. Da lag ein ganzer Stapel. Wo soll ich anfangen, sagte der Mann. Den Anfang kannst Du weglassen, sagten sie, geh gleich zur Seite 'Gelobtes Land'. Ist das rechtskräftig, sagte er. Wer hat das geschrieben? Gott, sagten sie. Gott hat das geschrieben. Denn, sieh doch, hier kommen seine Panzer...

28 Suraya Hoffmann - Hoffnungsvögel für Gaza - Wir von FrauenWegeNahost möchten allen denjenigen danken, die mit uns gemeinsam die HOFFNUNGSVÖGEL auf den Weg gebracht haben. Von ihnen allen erbitten wir uns auch im dritten Jahr Ermutigung, Unterstützung und tätige Mithilfe.

29 Ausstellung - Hoffnungsvögel für Gaza

30 HOFFNUNGSVÖGEL in Gaza werden so dringend gebraucht: bei den Einzel- und Gruppentherapien in dem von uns ausgestatteten Behandlungszimmer, bei Freizeitaktivitäten, bei Beratungsangeboten für Eltern sprechgestörter Kinder, bei der Ausbildung von Sprechtherapeutinnen, die in ihrem eigenen kulturellen Umwelt und in ihrer eigenen Sprache erfolgen muss.

31 FrauenWegeNahOst - Hoffnungsvögel für Gaza - Spendenkonto: Ev. Gemeinde Köln, Sparkasse Köln-Bonn, BLZ 370 501 98, Konto 770 20 12, Stichwort HOFFNUNGSVÖGEL