Berlin, 3.11.2012 - "Hände weg von Syrien" - Demonstration gegen den gegen Syrien geführten Angriffskrieg |
Hände weg von Syrien! Text des Flugblatts "Hände weg von Syrien!" des Syrischen Studentenverbandes in Berlin zur Demonstration am 03.11.2012 Syrien seit Jahrhunderten im Fadenkreuz kolonialer Aggression Der Angriffskrieg gegen Svrien, der heute hinter der Maske der Verteidigung von Demokratie und Menschenrechten als "humanitäre Rettungsaktion" geführt wird, wurde bereits Ende 2001 von der damaligen US-Administration beschlossen. Er ist ein Teil des Krieges um die Errichtung des sog. Großen Nahen Osten als Teil der neue Weltordnung. Der Vier-Sterne-General Wesley Clark berichtete von einem Memorandum des amerikanischen Verteidigungsministeriums, das vorsah, sieben Länder innerhalb von fünf Jahren zu besetzen: angefangen mit dem lrak, dann Syrien, Libanon, Libyen, Somalia, Sudan und schlußendlich Iran." Seit Jahrhunderten ist das Verhältnis der europäischen zur arabischen Welt von kolonialer Aggression geprägt. Und obwohl das Zeitalter des Kolonialismus angeblich vergangen ist, lasten die Folgen bis heute schwer auf der Region und den Menschen. Aber mehr noch: die Politik der westlichen Staaten steht bis heute in ungebrochener kolonialer Tradition. Wie im 19. und 20. Jahrhundert geht es auch heute um die Herrschaft über den geostrategisch bedeutsamen arabischen Osten. Wieder gibt es ein Bündnis ansonsten konkurrierender westlicher Staaten, um die gemeinsamen Ziele durchzusetzen. Und wieder wird ein Schleier angeblich hehrer Ziele über die wahren Interessen gelegt. Vor 500 Jahren Am 20. August 1514 überfielen portugiesische Truppen die marokkanische Hafenstadt Ceuta. Damit begann die blutige Geschichte der europäischen kolonialen Invasion der Welt. Ihr erstes Opfer waren die Araber. In fünf Jahrhunderten kolonialer Aggression wurde die arabische Welt in 21 koloniale Gebilde zerstückelt und ausgeplündert. Alle waren beteiligt: Portugal. Spanien, Italien. England, Frankreich, Deutschland, Österreich-Ungarn, die USA. Bis zum heutigen Tag sind Teile der arabischen Welt okkupiert und annektiert. So Ceuta (von den Spaniern), Iskanderun (von den Türken) und die von den Zionisten besetzten Gebiete Syriens. Koloniale Grenzen Bis zum Ersten Weltkrieg gab es in der arabischen Welt keine politischen Grenzen. Das Gebiet gehörte zum Osmanischen Reich und war in verschiedene Provinzen gegliedert. Die im 19. Jahrhundert entstehende arabische Nationalbewegung strebte die Unabhängigkeit von der türkischen Herrschaft und die Errichtung eines arabischen Staates an. Die westlichen Großmächte konkurrierten zur gleichen Zeit um Einfluss und Ausgangsbasen für die Aufteilung der Region nach dem erwarteten Niedergang des "Kranken Mannes am Bosporus". Die heutige Landkarte der arabischen Welt ist das Ergebnis kolonialer Intervention und Aufteilung. Immer wieder war Syrien im Fadenkreuz der kolonialen Aggression: Anfang des 19. Jahrhunderts, in den 1840er Jahren, nach dem Ersten Weltkrieg und aktuell. Der erste Anlauf 1799 Am 1. Juli 1798 überfielen französische Truppen unter Führung Napoleon Bonapartes Ägypten. Ein halbes Jahr später, im Januar 1799, marschierte er mit einem Teil seiner Truppen Richtung Syrien. Am Morgen des 7 . März 1799 griff ein französisches Heer von 14.000 Mann Jaffa an. Nachdem etwa die Hälfte der 4.500 Mann starken Besatzung bei der Verleidigung der Stadt gefallen war, kapitulierte die Stadt am 8. März. Den ganzen Tag und die ganze Nacht wütete die französische Soldateska in der 8.000 Einwohner zählenden Stadt. Eugene Beauharnais - der Adoptivsohn Napoleons schrieb: "Fast alle Einwohner von Jaffa waren ermordet worden, ohne Unterschied von Alter oder Geschlecht: die. Erde war mit ihren Leichen wie besät, das Blut rieselte in den Straßen". "Schändung, Mord und Verwüstung erfüllten sie [die Stadt] mit Blut undl Grauen: man ließ alle Einwohner über dlie Klinge springen, ohne Unterschied des Geschlechts und des Alters." Nach seiner Rückkehr nach Kairo ließ Napoleon eine Proklamation verbreiten, wonach in Jaffa 5.000 Menschen umgekommen seien. In den Tagen vom 8. bis 10. März wurden 1.500 Kriegsgefangene auf Befehl Napoleons am Strand von Jaffa unter offenem Bruch des Kriegsrecht ermordet. Frankreich gelang es nicht, Ägypten und Syrien dauerhaft zu unterwerfen. Im Oktober 1801 waren - nach 40 Monaten - die französischen Besatzungstruppen zum Abzug gezwungen. Die "Expedition" hatte zehntausende Menschen das Leben gekostet. Nachdem Frankreich das Feld räumen musste, versuchte sechs Jahre später ein britisches Kolonialheer, Ägypten zu unterwerfen. Die Invasion scheiterte jedoch gleich zu Beginn am heldenhaften Widerstand der Ägypter, deren antikoloniales Bewusstsein sich in drei Jahren Kampf gegen die französische Besatzung entwickelt hatte. Anfang des des 19. Jahrhunderts hatte sich gezeigt: keine der europäischen Großmächte hatte allein eine Chance, relevante Teile des Osmanischen Reiches wie Agypten oder Syrien zu erobern und unter ihre Herrschaft zu bringen. Der zweite Anlauf 1840/41 In den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts gelang es Ägypten und Syrien sich vom Joch der Osmanischen Herrschaft zu befreien. Um die Unabhängigkeit der arabischen Völker zu verhindern, schmiedete England im Juli 1840 ein europäisches Militarbündnis und entsandte ein vom späteren Außen- und Marineminister des deutschen Bundes General August Giacomo Jochmus befehligtes Landheer sowie ihre Kriegsmarine, die Syrien 1840/41 eroberten. Am 1. März 1841 verkündete Oberst Churchill im Hause des Herren Fakri, seinerzeit der erste Banquier in Damaskus, die Pläne Englands zur Kolonisierulns Syriens. In den nächsten Jahren eröffneten England, Preußen, Österreich, Frankreich Konsulate in Damaskus, Beirut und Jerusalem und begannen mit Hilfe europäischer Kolonialgesellschaften Siedler zu rekrutieren und koloniale Brückenköpfe zu errichten. So gelang es ihnen in der Zeit bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges 56.000 Kolonialsiedler nach Südsyrien (Palästina) zu bringen. Europäische Kolonialgesellschaften, vor allem die Rothschilds, kontrollierten mit tätiger Unterstützung durch die europäischen Konsulate bis zum Jahr 1914 426.000 Feddan Land in der Provinz Syrien und errichteten 54 Wehrdörfer auf rassistischer Grundlage, d.h. die Statuten erlaubten keinem Einheimischen dort zu leben. Damit legten die europäischen Kolonialmächte die Grundstrukturen für die koloniale Beherrschung Syriens nach dem Ende des Ersten Weltkrieges. Der dritte Anlauf - Zerstückelung Syriens Im Ersten Weltkrieg suchten England und Frankreich im Kampf gegen das Osmanisclie Reich das Bündnis mit den Arabern. DieHussein-McMahon-Korrespondenz von 1915-1916 endete mit dem Abkommen, im Gegenzug für eine Kriegsbeteiligung der Araber an der Seite der Entente einen unabhängigen arabischen Einheitsstaat anzuerkennen. Gleichzeitig verständigten sich jedoch 1916 die Briten und Franzosen im Geheimen über die Teilung des Osmanischen Reiches in direkte und indirekte Herrschaftsgebiete Frankreichs, Großbritanniens und Rußlands (Sykes Picot-Abkommen). Statt der vertraglich zugesicherten Unabhängigkeit unterwarfen die ,,Verbündeten" nach dem gemeinsam errungenen Sieg über die Osmanen Syrien einem militärischen Besatzungsregime, teilten das Land in eine nördliche, französisch besetzte, und eine südliche, britisch besetzte Zone. Die französischen Besatzer teilten das von ihnen besetzte Gebiet in zwei koloniale Gebilde (Libanon und Restsyrien). Den nördlichen Bezirk Alexandrette übergab Frankreich 1939 an die Türkei, die daraus die Provinz Hatay machte. Die britischen Besatzer teilten ihr Gebiet in Transjordanien und Palästina. Darüberhinaus beging England ein weiteres Kolonialverbrechen: im Bündnis mit der zionistischen Kolonialorganisation wurde in den drei Distrikten Südsyriens (Akka, Nablus und Jerusalem) erst eine militärische, später eine sog. zivile Kolonialverwaltung errichtet, die verpflichtet wurde, aus den arabischen Distrikten Südsyriens eine zionistischen Kolonie zu machen. Der Widerstand des syrischen Volkes gegen dieses Kolonialverbrechen wurde mit militärischer Gewalt gebrochen. In der Nähe des Ortes Maisalun, wenige Kilometer vor den Toren von Damaskus, stellten sich die schlecht bewaffneten syrischen Einheiten, verstärkt durch 3000 Freiwillige, den modern ausgerüsteten 9000 französischen Kolonialsoldaten unter dem Befehl des Generals Goybet am 22. Juli 1920 zum Kampf. Es war ein ungleiches Ringen. Über 800 arabische Freiheitskämpfer blieben auf dem Schlachtfeld. Zwei Tage später rückten die Franzosen in Damaskus ein. Und heute Der Sieg des libanesischen Widerstandes gegen die israelische Aggression im Süden des Libanon im Sommer 2006 beunruhigte nicht nur Israel und die USA, sondern auch die reaktionären arabischen Regime. So formierte sich ein Bündnis der NATO, Israels und der Regime in Saudi-Arabien, Katar und den anderen Golf-Staaten. Gemeinsames Interesse ist die Niederhaltung der nationalen Befreiungsbewegungen der arabischen Völker. Syrien, das den libanesischen Widerstand unterstützt hatte, ist bereits seit Jahren erklärtes Ziel der US-Strategie eines im Sinne des Westens neu geordneten Greater Near East. Seit Herbst 2006 bis Ende 2010 beschäftigten sich die Geheimdienste des Bündnisses damit, Söldner zu rekrutieren, auszubilden, zu bewaffnen und zu finanzieren mit dem Ziel einer bewaffneten Intervention in Syrien. Angesichts der Erfahrungen in Afghanistan und Irak verfolgt die US-Administration die Strategie, nicht selbst militärisch einzugreifen, sondern einen Stellvertreterkrieg zu führen. So wie im Lateinamerika der siebziger Jahre Todesschwadrone der Diktatoren finanziert und ausgebildet wurden, werden heute Söldnergruppen für den Einsatz in Syrien rekrutiert. Im März 2011 begann der sog. Volksaufstand als Teil des "arabischen Frühling''. Der berechtigte Protest der arabischen Völker gegen soziales Elend und politische Unterdrückung wird von den imperialistischen Staaten instrumentalisiert. Der mit großem Medienaufwand unterstützte Kampf in Syrien richtet sich ja nicht etwa gegen die reaktionärsten Regime in Saudi-Arabien und den Golf-Staaten, die die Reichtümer der arabischen Völker zur Verwirklichung der Kriegsziele der USA benutzen, sondern im Gegenteil gegen das Land, das im Vergleich am fortschrittlichsten war. Das Bündnis der NATO mit den reaktionärsten arabischen Regime und den hinter der Maske der muslimischen Bruderschaften agierenden rechtsradikalen politischen Kräfte in der arabischen Welt ruft bei uns die Erinnerung an das Bündnis der Nazis mit den Franco-Faschisten wach. Es ist ein Kriegsbündnis. Es geht in Syrien nicht um die Verteidigung der Menschenrechte, sondern um die wirtschaftlichen und politischen Herrschaftsinteressen der westlichen Staaten und der reaktionären arabischen Regime. ViSdP: Dipl. pol. Said Dudin, 10715 Berlin |