Berlin, 20.7.2013 - Blutbad-Aktion an der Neuen Wache gegen das Bundeswehrgelöbnis am Reichstag |
Militarisierung der Gesellschaft Bericht und Einschätzung zur Protestaktion von br Als einige Polizei-Einsatzkräfte darüber zu lästern begannen, dass sich offensichtlich auch viele Berlin-Touristen die Kunstblut-Aktion vor der Neuen Wache anschauten, wurde ihnen von Passanten zu verstehen gegeben, dass es "ja wohl kein Wunder sei, dass so viele Touristen jetzt bei sommerlichen Temperaturen zu dem Wasserbecken vor der Neuen Wache kämen, da sich nach den Ereignissen vor einigen Tagen, bei denen ein psychisch kranker Mann von einem Polizeibeamten im Neptunbrunnen vor dem Roten Rathaus erschossen wurde, sich niemand mehr dort hineinwage". In einer Entscheidung vom 03. Juli 2012 erlaubte das Bundesverfassungsgericht zukünftig die Verwendung spezifisch militärischer Waffen bei einem Einsatz der Streitkräfte im Innern. Das Bundesverfassungsgericht änderte die Verfassung eigenmächtig und interpretierte sie neu, vermied damit eine Grundgesetzänderung, die politischen Widerstand und eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und Bundesrat benötigt hätte. Das Bundesverfassungsgericht schuf die rechtliche Basis für eine massive Ausweitung schwerbewaffneter Inlandseinsätze bei Katastrophenlagen. Kampfeinsätze sind auf die Vernichtung des Gegners gerichtet. Der "Schadenseintritt von katastrofischen Dimensionen", den das Gericht zur Voraussetzung für einen militärischen Einsatz im Innern macht, ist ein gänzlich unbestimmter Begriff. Unter anderem wird auch die Meinungsfreiheit durch den Einsatz des Militärs gefährdet, insbesondere die Demonstrationsfreiheit. Hintergrund der Entscheidung des BVGerichts ist die sich dramatisch zuspitzende wirtschaftliche und soziale Krise, und dass die sich entwickelnden Klassenkämpfe weder von den diskreditierten Parteien noch von den Gewerkschaften unter Kontrolle gehalten werden können. Die Bundeswehr hat ihren Charakter in den vergangenen Jahren grundlegend verändert. Von einer Wehrpflichtigenarmee wurde sie in eine Berufsarmee verwandelt, die international Krieg führt und sich in Afghanistan trainiert hat, mit militärischen Mitteln gegen Zivilisten vorzugehen. Unter diesen Umständen lässt die herrschende Elite die antimilitaristischen Vorbehalte fallen, die sie nach den Verbrechen des Dritten Reichs in der Verfassung verankern musste. Der Richterspruch von 2012 zum Einsatz des Militärs auch innerhalb Deutschlands ist ein Bestandteil dieser Entwicklung. Die Bundeswehr wird auf Inlandseinsätze vorbereitet. Mit der Beförderung des Befehlshabers des Blutbads von Kundus, Bundeswehrmajor Klein, zum General und seinem Einsatz im Amt für Personalwesen der Bundeswehr, wird den Soldaten signalisiert, dass Töten zu ihrem Handwerk gehört und dass die Tötung von Zivilisten weder bestraft wird noch ihre Laufbahn gefährdet. Und auch die Bildung und Vereidigung von RSU-Kompanien ist der Versuch der Bundeswehr, »mit dem Katastrophenschutz eine breite Akzeptanz für Einsätze im Innern zu schaffen und sich als ›verläßlicher Partner‹ in der Öffentlichkeit zu etablieren«. Bundesweit wurden seit 2012 etwa 4000 Reservisten in 30 RSU-Kompanien aufgestellt, liest man auf der Website von »No War Berlin«. Zu deren Aufgaben gehörten »der sogenannte Heimatschutz bei Naturkatastrophen, innerem Notstand sowie der Schutz ›kritischer Infrastruktur‹«. Letzteres halten Kritiker für einen nicht definierten, beliebigen Begriff, mit dem auch Proteste und Streiks bekämpft werden könnten. In der Julius-Leber-Kaserne am Kurt-Schumacher-Platz in Berlin wird seit Februar 2013 die zivil-militärische Zusammenarbeit für alle Bundesländer koordiniert. Hier befindet sich auch die Landesgeschäftsstelle des Reservistenverbandes. Die RSU-Kompanien sind ein Beitrag zur Militarisierung der Gesellschaft. Die Reservisten werden »für jede denkbare Art des Inlandseinsatzes fit gemacht – von scheinbar harmlosen Hilfseinsätzen bis zur Niederschlagung innerer Unruhen. Bei der Ausbildung liegt die Priorität auf der Vermittlung militärischer Fähigkeiten. Dies hat die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage hin »ausdrücklich bestätigt«. |