22 Handelsblatt-Titelseite: mit einer Karrikatur auf der ein pädophiler Barack Obama das kleine, mit geschlossenen Augen gehende Mädchen Angela Merkel zu einem offenen Abgrund geleitet und sie auffordert weiterzugehen... Politik der Eskalation: Der Irrweg des Westens
September/Oktober 2014 entbrannte zwischen zwei führenden deutschen Wirtschaftszeitungen, dem Handelsblatt und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), ein heftiger Streit über die Russlandpolitik. Während die FAZ zu einem harten Konfrontationskurs gegen Russland aufrief, bezeichnete das Handelsblatt dies als „Irrweg“, der direkt in den Krieg führe. Der Streit ist Ausdruck scharfer Spannungen innerhalb der herrschenden Klasse über die zukünftige Ausrichtung der deutschen Außenpolitik. Seit Beginn der Ukrainekrise haben die deutschen Medien den aggressiven Kurs der Bundesregierung gegen Russland nahezu einhellig unterstützt und angefeuert. Auch das Handelsblatt, das für die Interessen der deutschen Exportindustrie spricht. Am 29.09. griff Handelsblatt-Herausgeber Gabor Steingart die FAZ frontal an. In seinem Morning Briefing, das täglich per E-Mail an die Abonnenten des Handelsblatts geht, warf er der FAZ-Redaktion vor, sie fordere „unverhohlen zum Losschlagen gegen Russland auf“. Er bezog sich auf den Leitartikel „Stärke zeigen“, der am selben Tag auf der Titelseite der FAZ erschien und verlangte, der Westen müsse „seine militärische Abwehrbereitschaft stärken und auch demonstrieren“. Diese Sätze läsen sich „wie geistige Einberufungsbescheide“, kritisierte Steingart. Die FAZ reagierte umgehend. Christian Geyer bezeichnete Steingarts Vorwürfe als „aberwitzig“ und warf ihm vor, er stehe unter dem „Druck der Wirtschaftslobby“ und mache sich „zum publizistischen Rohr eines Ökonomismus, dem Geschäfte über alles gehen“. Seine unverhohlene Maxime laute: „Seid nett zu Putin, was immer er tut, sonst bekommt Deutschland ein wirtschaftliches Standortproblem.“ Am 01.10. antwortete Steingart mit einem langen Essay „Der Irrweg des Westens“, der gleichzeitig auch in russischer und englischer Sprache erschien. Der Artikel ist bemerkenswert, weil er in einer Offenheit, wie man sie in den bürgerlichen Medien nur selten findet, vor der unmittelbaren Gefahr eines Krieges mit Russland warnt. Der Handelsblatt-Herausgeber vergleicht die Kriegspropaganda gegen Russland mit der Kriegsbegeisterung zu Beginn des Ersten Weltkriegs. Steingart tadelt die Gleichschaltung der deutschen Medien und nennt namentlich den Tagesspiegel, die FAZ, die Süddeutsche Zeitung und den Spiegel. Der deutsche Journalismus habe binnen weniger Wochen „von besonnen auf erregt umgeschaltet“. Das Meinungsspektrum sei „auf Schießschartengröße verengt“. „Blätter, von denen wir eben noch dachten, sie befänden sich im Wettbewerb der Gedanken und Ideen, gehen im Gleichschritt mit den Sanktionspolitikern auf Russlands Präsidenten Putin los.“ Am Ende seines Artikels appelliert Steingart dringend an Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier, sich vom politischen Kurs der USA abzuwenden. „Niemand zwingt uns zur Vasallenhaftigkeit“, schreibt er. Man sehe doch, wie US-Präsident Obama „und Putin geradezu schlafwandlerisch auf ein Schild zusteuern, auf dem steht: Kein Ausweg.“. Anstelle einer „Mit-dem-Kopf-durch-die-Wand-Politik“ müsse eine Politik des „Interessenausgleichs“ mit Russland treten.
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