Köln, 8.9.2001 - Demonstration gegen Nazi-Aufmarsch und Rassismus
Bündnisaufruf zur Demonstration
Köln stellt sich quer - Naziaufmarsch verhindern - Rassismus bekämpfen!
Für den 08.09.01 rufen Neonazis zum 4. Mal binnen zweieinhalb Jahren zu einem Naziaufmarsch in Köln auf. Dieses Mal haben sie sich ein besonders infames Motto ausgedacht: "Mein Freund ist Ausländer - Solidarität mit Gary Lauck!" Der Amerikaner Gary Lauck ist Vorsitzender der in Deutschland verbotenen Nachfolgeorganisation der NSDAP, die sich NSDAP/ Aufbau Organisation nennt. 1996 wurde er in Deutschland zu vier Jahren Haft verurteilt wegen Volksverhetzung, Aufstachelung zum Rassenhass und Verbreitung von NS-Propaganda.
Die Anmelder dieses Aufmarsches sind Paul Breuer und Axel "Quex" Reitz, die beide stadtbekannte Nazigrößen aus Köln sind. Reitz betitelt sich nachweislich selbst als "Gausekretär Rheinland" der oben erwähnten NSDAP/AO, die den Holocaust leugnet. Obwohl der Bezug zu einer verbotenen Organisation eindeutig ist, ist mit einem endgültigen Verbot des Aufmarsches nicht zu rechnen.
NRW hat sich im letzten Jahr zum Schwerpunkt neonazistischer Aufmärsche entwickelt, von denen kein einziger in letzter Instanz verboten wurde. Im Gegenteil, im vergangenen Jahr wurden über 1500 Menschen, die couragiert gegen Neonazis auf die Straße gingen, festgenommen. Obwohl noch im September 2000 von offizieller Seite zu Zivilcourage aufgerufen wurde, müssen gerade diejenigen, die sich gegen Rechts engagieren, damit rechnen, in einer bundesweiten StraftäterInnenkartei kriminalisiert zu werden. Die Folgen davon sind u.a. Einschränkungen der Reisefreiheit und des Demonstrationsrechtes. Wie weit die Kriminalisierung von DemonstrantInnen heute geht, zeigt der brutale Überfall der italienischen Polizei während des G 8 Gipfels auf das Sozialforum in Genua. Für viele wurde außerdem ein fünfjähriges Einreiseverbot verhängt.
Viel gravierender sind jedoch die Einschränkungen der Grundrechte für Asylsuchende und MigrantInnen durch die rassistische Gesetzgebung der BRD. Für sie sind die Grenzen in Europa nicht gefallen, sondern bestehen überall. So verbietet zum Beispiel die Residenzpflicht AsylbewerberInnen, den ihnen zugewiesenen Landkreis zu verlassen. Dem Bundesgrenzschutz wird damit ermöglicht, Menschen nach rassistischen Kriterien auszusuchen und zu schikanieren. Dies geschieht tagtäglich auch am Kölner Hauptbahnhof und kommt zudem in der geplanten Internierung von 600 Angehörigen der Roma und Sinti in Porz zum Ausdruck.
Das komplette System der rassistischen Gesetzgebung beruht auf den Prinzipien von Kontrolle und Verwertbarkeit. Die Gesetzgebung gegenüber MigrantInnen zeigt besonders deutlich, wie die Menschen in unserer Gesellschaft auf ihre wirtschaftliche Nützlichkeit reduziert werden. Die MigrantInnen, die gebraucht werden, können mit Vergünstigungen rechnen wie z.B. der "Green Card", für diejenigen aber, an denen sich die deutsche Wirtschaft nicht bereichern kann, werden Sondergesetze erlassen, um sie schnell und möglichst kostengünstig abzuschieben. In einer solchen Gesellschaft, die durch Konkurrenz und Ausgrenzung geprägt ist, wird faschistischen Ideologien der Boden bereitet. Diese Entwicklung wird geschürt und gesteuert durch rassistische Äußerungen von namhaften Politikern.
Wir werden den braunen Terror nicht tatenlos hinnehmen, sondern uns überall dort zur Wehr setzen, wo Nazis ihre Propaganda verbreiten wollen! Faschismus richtet sich gegen alle demokratischen und linken Kräfte und besonders gegen Menschen, die nicht den aktuellen Normen entsprechen.
Wir fordern alle Kölnerinnen und Kölner dazu auf:
Kommen Sie zur Demonstration! Zeigen Sie mit uns wie am 9.12.2000, dass Nazis in Köln nichts zu suchen haben! Stellen Sie sich quer!
Je mehr wir sind, desto größer ist die Chance, die Rechten daran zu hindern, ihre rassistische Hetze in Köln zuverbreiten!
Verhindern wir den Naziaufmarsch!!! Gegen Naziterror, staatlichen Rassismus und wirtschaftlichen Verwertungswahn!!!
Kundgebung und Demonstration: Samstag, 08.09.2001 um 10.30Uhr - Offenbachplatz
Aufrechter Gang
Rede von Albrecht Kieser (Kölner Netzwerk 'Kein Mensch ist illegal') am 8.9.2001 auf dem Offenbachplatz
Dass die nackte Wirklichkeit auf diesem Planeten der Mehrzahl der Menschen die grundlegendsten Existenzbedingungen verweigert, wissen wir. Essen, Wohnen, Arbeit, vielleicht noch Gesundheit und Bildung sind eben kein Gemeingut für alle - sie sind einer Minderheit vorbehalten, der große Rest schrappt an Armut und Elend immer wieder nur knapp vorbei oder krepiert vor der Zeit.
So etwas ist nachzulesen. Die Vereinten Nationen bringen jährlich einen dicken statistischen Wälzer heraus, "Bericht über die menschliche Entwicklung" heißt das Werk, und es ist nur eines unter vielen, die diesen unwürdigen Zustand beschreiben. Das, wie gesagt, ist die nackte Wirklichkeit. Und sie wird landauf, landab betrauert. Brot wird gesammelt für die Welt, die Politik gibt Entwicklungshilfe und bedauert, dass sie jedes Jahr gekürzt wird, und die Medien beweinen von Fall zu Fall irgendwelche besonderen oder auch nicht besonderen Hungertoten.
Das ist die nackte Wirklichkeit, wie gesagt, manche nennen das Kapitalismus, Imperialismus oder Neoliberalismus. Manche sagen: "Das ist eben so." Aber niemand will eigentlich diese Zustände. Allen wollen, dass es schöner wäre.
Nur manchmal nicht. Manchmal werden diese üblen Zustände aus tiefem Herzen begrüßt und anderen an den Hals gewünscht. Herbeigewünscht, als gerecht zurechtgefertigt, gerechtfertigt. Wenn diese anderen, denen da der Dreck, die Armut und die Ausweglosigkeit an den Hals gewünscht werden, einer anderen Ethnie zugehören, Ausländer sind, dann handelt es sich bei solchen Wünschern offensichtlich um Rassisten.
"Ausländer raus!" Ist eine rassistische Parole, na klar.
"Ausländer rein!" kann eine genauso rassistische Parole sein. Jedenfalls, wenn es diesen Ausländern erklärtermaßen schlecht gehen soll, schlechter jedenfalls, als den Deutschen. Wenn die Parole also heißt:
"Ausländer rein in den Dreck!" Natürlich ist diese Parole rassistisch. Auch wenn sie nicht die Parole der Nazis ist. "Ausländer rein in den Dreck!" ist die Parole, der Leitgedanke und die Richtschnur der offiziellen deutschen Ausländerpolitik. Ernstgemeinte Integrationsversuche haben demgegenüber den Status von "Brot für die Welt".
Ein Zitat: "Integriert man Asylbewerber und Flüchtlinge, so stehen die kommunalen Ausländerämter bei der späteren Abschiebung vor kaum lösbaren politischen und menschlichen Problemen."
Ich wiederhole: "Integriert man Asylbewerber und Flüchtlinge, so stehen die kommunalen Ausländerämter bei der späteren Abschiebung vor kaum lösbaren politischen und menschlichen Problemen."
Das sagt keine nazistische Dumpfbacke. Es könnte von Roland Koch, Otto Schily oder einer der Kölner Spitzenpolitiker sein. Tatsächlich schreibt das der Städtetag Nordrhein-Westfalen im Mai 2001. Einfach mal so, zur Klarstellung. Im Städtetag NRW sitzen die Bürgermeister dieses Bundeslandes und legen die Marschrichtung der kommunalen Politik fest, nicht für’s Publikum, sondern für die Verwaltung. Der
Deutsche
Städtetag versammelt die kommunalen Führungskräfte der
gesamten
Nation und der hatte schon am 20. September 2000 folgenden Beschluss gefasst:
"Integrationsmaßnahmen für geduldete Ausländer, die in absehbarer Zeit in ihre Heimat zurückgeführt werden sollen, führen dazu, dass die gesetzlich intendierte Rückführung der Betroffenen erschwert wird."
Auf doitsch: Isoliert die Leute! Sie dürfen keine Freunde finden! Sonst kriegen wir Probleme, wenn wir sie rausschmeißen wollen.
Was ist Integration?
Das ist Essen, Wohnen, Arbeit, Gesundheit und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Auch für "Aus-länder". Jedenfalls im Ansatz, vom Prinzip her, als Ziel.
Was ist Rassismus?
Diese gleichen Rechte für alle im Ansatz, vom Prinzip her, als Ziel zu verweigern.
Noch ein Zitat, bzw. zwei. Das erste stammt aus der UNO-Kinderkonvention, ist also gültiges internationales und deutsches Recht und heißt:
"Die Vertragsstaaten erkennen das Recht des Kindes auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit an sowie auf Inanspruchnahme von Einrichtungen zur Behandlung von Krankheiten und zur Wiederherstellung der Gesundheit. Die Vertragsstaaten bemühen sich sicherzustellen, dass keinem Kind das Recht auf Zugang zu derartigen Gesundheitsdiensten vorenthalten wird." ... keinem Kind ...
Das folgende Zitat stammt vom Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, der an den Flüchtlingsrat NRW am 3. Mai 2001 schreibt:
"Die Begrenzung" der Gesundheitsfürsorge "auf unaufschiebbar notwendige Behandlungen widerspricht auch nicht der Kinderkonvention. Es macht wenig Sinn, hier mit einer Behandlung zu beginnen, wenn wegen der möglichen Ausreise die Behandlung nicht abgeschlossen werden kann."
Das ist institutionalisierter Rassismus. Struktureller Rassismus. Oder einfacher: amtlicher und offizieller Rassismus. Und um dem Ekel die Krone aufzusetzen, kriegt dieser Rassismus auch noch einen humanitären Mantel umgehängt: "Was sollen wir ein krankes Asylantenkind behandeln, wenn wir es doch abschieben müssen. Das nutzt ihm doch nichts. Den Behandlungsabbruch vor Augen! - Da fangen wir doch gar nicht erst an." Das ist, so gesehen, nett und das Asylantenkind sollte sich brav dafür bedanken, liebes Landesinnenministerium.
Der amtliche Rassismus hat schon mehr Ausländer die Gesundheit und Würde und sogar das Leben gekostet als die Rassisten der Straße zu jagen und zu erschlagen in der Lage waren. Das macht den Terror der Nazis nicht harmloser. Es zeigt nur, dass der
stetige
Terror, der
tägliche
rassistische Terror von Politikern und Behörden die stabile Basis für das mediengerechte Totschlagen auf der Straße ist.
Wenn Köln dazu auch wieder sein Scherflein beitragen will, zeigt das nur: die Weltstadt am Rhein ist auf der Höhe der Zeit. Der rassistischen Zeit.
Beispiel 1:
Nach langen Kämpfen hatten Flüchtlinge und ihre Unterstützer erreicht, dass die ohnehin für Asylbewerber gesenkte Sozialhilfe in bar ausgezahlt wird. In Köln und fast flächendeckend in Nordrhein-Westfalen. Jetzt will die Stadt erneut mit Fresspaketen die Würde der Flüchtlinge erschlagen. Auch wenn es mehr kostet, wie jeder weiß und seinerzeit ganze biedere kommunale Schatzmeister ausrechnen ließen.
Beispiel 2:
In einem Lager sollen bestimmte Flüchtlinge konzentriert werden; hinter Stacheldraht und - für die Kinder - in schulischen Sondereinrichtungen. Abgeschottet von der möglicherweise irgendwann einmal solidarischen Bevölkerung. Denn es gibt ja immer wieder Protest, wenn z.B. ein Schüler abgeholt wird und verschwindet. Unangenehm, so etwas. Ich rufe den Beschluss des Deutschen Städtetages vom 20. September 2000 in Erinnerung. Zitat: "Integrationsmaßnahmen für geduldete Ausländer, die in absehbarer Zeit in ihre Heimat zurückgeführt werden sollen, führen dazu, dass die gesetzlich intendierte Rückführung der Betroffenen erschwert wird."
Otto Schily will in seinem rassistischen Einwanderungspapier - rassistisch, weil er im Ansatz, vom Prinzip her, als Ziel die Schlechterstellung von Ausländern verfestigen will - Otto Schily also will in seinem rassistischen Einwanderungspapier Lager für die Konzentration solcher Ausländer, die auf der Abschiebeliste stehen oder demnächst drauf kommen. Das Kölner Lager, das in Porz nicht kommt, weil der Mob dort tobt, ist nicht weg vom Tisch. Das Kölner Lager soll in einen Stadtteil gepflanzt werden, der weniger Rassisten auf die Straße treibt. Als Auffanglager, als Abschiebelager -je nach Bedarf, ganz auf der Höhe der Zeit, Hauptsache: "Ausländer rein in den Dreck!"
Es wird nicht gerade einfach werden, diesen sich gewaltig aufplusternden offiziellen Rassismus aufzuhalten. In Bremen hat sich der AusländerInnendachverband entschieden, gegen den von Schily repräsentierten amtlichen Rassismus Front zu machen. Er richte sich gegen alle Ausländer, Migranten, Flüchtlinge, Illegale. "The Voice", eine Selbstorganisation afrikanischer Flüchtlinge in Deutschland, die gerade heute ihren bundesweiten Kongress in Iserlohn abhält, sieht das auch so.
Am Dienstag wird anlässlich der Ratssitzung gegen die rassistische Sonderbehandlung von Flüchtlingen demonstriert. Das macht Hoffnung. Vielleicht stellt sich auch in Köln einiges quer? Quer gegen den amtlichen Rassismus und seine immer neuen Wucherungen? Das wäre schön. Und weltoffen. Und würde dem aufrechten Gang in dieser Stadt sicher nicht schaden.
Ein voller Erfolg!
Pressemitteilung der Antifa K
+ + + Rund 3000 Menschen demonstrierten in Köln gegen Rassismus und Neonazis + + + Zunächst angekündigter brauner Aufmarsch in Köln fand nicht statt + + + Auschwitz-Überlebender Peter Gingold: "Der verhinderte Neonaziaufmarsch war ein Sieg fürdie Kölner Antifaschisten/innen + + +
Trotz strömenden Regens demonstrierten am Samstag Mittag rund 3000 Menschen in der Kölner Innenstadt gegen Neonazis und Rassismus. Unter ihnen viele Schüler/innen und Studenten/innen. Aufgerufen zu der Demonstration, die um 10.30 Uhr am Offenbachplatz startete, hatten neben der Kölner ANTIFA K zahlreiche antirassistische Initiativen, ASTA-Vertretungen, PDS, SAV sowie Kölner "Promis" wie Jürgen Becker, Wilfried Schmickler und viele mehr. Die Demonstration ging dabei die ursprünglich von den Neonazis angemeldete Strecke hoch zum Ebertplatz. Hier endete die Demonstration mit Live-Musik und zahlreichen Reden gegen 13.30 Uhr.
Bereits am Montag hatte das Kölner Verwaltungsgericht den geplanten Neonazi-Aufmarsch untersagt. Dagegen hatten die Anmelder von der neofaschistischen "Kameradschaft Köln" nicht weiter geklagt. Die bundesweite Mobilisierung von Neonazis nach Köln wurde abgebrochen. Ursprünglich wollten die Neonazis unter dem Motto "Mein Freund ist Ausländer - Solidarität mit Gerald Lauck" (der amerikanische Gründer der NSDAP-AO) durch die Kölner Innenstadt ziehen.
Alle beteiligten Gruppen des Bündnisses "Köln stellt sich quer" werteten die antifaschistische Demonstration als grossen Erfolg. Der Auschwitz-Überlebende Peter Gingold bezeichnete in seiner bewegenden Rede, "die Kölner Demonstration als Sieg über die Neonazis". Die massive Mobilisierung gegen den braunen Aufmarsch sei der eigentliche Grund dafür, dass die Neonazis das polizeiliche Verbot akzeptiert und auf einen weiteren juristischen Klageweg verzichtet haben.
In allen Reden wurde aber auch Bezug auf die aktuelle Flüchtlingspolitik der Stadt Köln genommen. Auch hier würde mit den geplanten "Fresspaketen" und Sammelunterkünften für Flüchtlinge ein amtlicher Rassismus gefestigt, so die Kölner Initiative "Kein Mensch ist Illegal"
Links
Antifa K
Kölner Netzwerk 'Kein Mensch ist illegal'