Frankfurt, 17.9.2001, Protestaktion anläßlich der Hauptversammlung der I.G. Farben
I.G. Farben auflösen! Sofort!
Aufruf zur Kundgebung
Die jährliche Aktionärsversammlung der "I.G. Farbenindustrie AG in Abwicklung" (I.G. Farben i.A.) wird diesmal am 17. September in Frankfurt a. M. stattfinden, obwohl sich die I.G. Farben auf Anordnung der Alliierten schon vor über 50 Jahren hätte auflösen sollen. In ihrem firmeneigenen KZ Auschwitz-Monowitz wurden mindestens 30.000 ZwangsarbeiterInnen ermordet. Mit Zyklon B, produziert von der Degesch, an der I.G. Farben maßgeblich beteiligt war, wurden Millionen Menschen umgebracht. Darüber hinaus wäre ohne I.G. Farben der deutsche Angriffs- und Vernichtungskrieg nicht möglich gewesen.
Vor über 10 Jahren begannen Überlebende gegen die jährlich stattfindenden Aktionärsversammlungen der I.G. Farben i.A. zu protestieren. Von Anfang an war dabei die zentrale Forderung die endgültige Abwicklung dieser NS-Nachfolgefirma und die Verwendung ihres Vermögens für Zahlungen an I.G. Farben-ZwangsarbeiterInnen sowie für eine Gedenkstätte in Monowitz. Wie in den letzten Jahren werden die Aktionäre der I.G. Farben i.A. auch dieses Jahr die Abwicklung zu verhindern wissen.
Im Jahr 1999 versuchten die I.G. Farben i.A. mit der Ankündigung einer firmeneigenen Stiftung zur Entschädigung ehemaliger ZwangsarbeiterInnen einen Schlußstrich unter die eigene Vergangenheit zu ziehen, um ungestört dem Tagesgeschäft nachgehen zu können. Von den damals zugesagten 3 Millionen DM, sind bisher gerade 500 000 DM vorhanden, da "sich die Firma aufgrund ihrer Liquidität nicht in der Lage sehe die zugesagte Summe zur Zeit bereitzustellen": Die Stiftung ist immer noch nicht gegründet. Zu vermitteln, für was der Name I.G. Farben steht, bleibt seit Jahrzehnten denen überlassen, die das deutsche Programm "Vernichtung durch Arbeit" überlebt haben und den wenigen, die die Forderungen der Überlebenden unterstützen.
Der Name I.G. Farben steht bis heute für die enge Komplizenschaft zwischen deutschen Unternehmen und dem deutschen Staat und für den Profit, den deutsche Unternehmen aus der Ausbeutung der ZwangsarbeiterInnen gezogen haben. Zugleich ist I.G. Farben Symbol für den Frieden, den die Bundesrepublik mit den NS-Verbrechern und -Profiteuren gemacht hat, sowie für den Krieg,den sie den wenigen Überlebenden erklärten, sobald sie Ansprüche stellten und Zahlungen forderten. Dies drückte sich auch in der Haltung von deutscher Wirtschaft und Bundesregierung in den durch Sammelklagen erzwungenen Verhandlungen über Entschädigung der ehemaligen ZwangsarbeiterInnen aus. Schon mit der Ankündigung eines Stiftungsfonds hatte Gerhard Schröder unmißverständlich klar gemacht, worin der Zweck einer solchen Einrichtung bestehen sollte: Die Vereinbarung solle Grundlagen schaffen, um "Klagen (...) zu begegnen und Kampagnen gegen den Ruf unseres Landes und seiner Wirtschaft den Boden zu entziehen." DieStiftungsinitiative war von Anfang an eine Interessenvertretung der Bundesregierung und der deutschen Wirtschaft, das zentrale Themawar die sogenannte Rechtssicherheit. In einer "Geste der Versöhnung" sollen ehemalige ZwangsarbeiterInnen mit einemAlmosen abgespeist werden. Ziel ist ein Schlußstrich unter die deutsche Vergangenheit.
Die proklamierte "moralische Verantwortung" ist Bestandteil der neuen deutschen Gedenkkultur: ritualisierte Erinnerung, mit der es im Land der Täter gelungen ist, den Schlussstrich als Neuanfang umzuinterpretieren. Die Bombardierung Jugoslawiens, zuderen Rechtfertigung Auschwitz relativiert und instrumentalisiert wurde, ist der vorläufige Höhepunkt dieser Entwicklung. Neuerdingskönnten sogar UN-Einsätze in Israel mit Beteiligung deutscher Truppen zur Normalität gehören.
Die Auflösung von I.G. Farben i.A. bleibt unsere zentrale Forderung, doch in dieser Zeit der Neudefinition der deutschen Nation mußsich unser Protest auch gegen eine Entwicklung richten, die Jean Amery schon vor 30 Jahren prognostizierte:
"Aber die solcherart von einem hochzivilisierten Volk mit organisatorischer Verläßlichkeit und nahezu wissenschaftlicher Präzision vollzogene Ermordung von Millionen wird als bedauerlich, doch keineswegs einzigartig zu stehen kommen..." und "...wird untergehen in einem summarischen ‚Jahrhundert der Barbarei‘. Als die wirklich Unbelehrbaren, Unversöhnlichen, als die geschichtsfeindlichen Reaktionäre im genauen Wortverstande werden wir dastehen, die Opfer, und als Betriebspanne wird schließlich erscheinen, daß immerhin manche von uns überlebten. (...) Ein stolzes Volk, immer noch. Der Stolz ist ein wenig in die Breite gegangen, das sei zugegeben. Er preßt sich nicht mehr in mahlenden Kiefern heraus, sondern glänzt in der Zufriedenheit des guten Gewissens und der begreiflichen Freude, es wieder einmal geschafft zu haben. (...) Aber es ist der Stolz von einst, und es ist auf unserer Seite die Ohnmacht von damals. Wehe den Besiegten."
Das I.G. Farben Vermögen für die ehemaligen ZwangsarbeiterInnen!
Keinen Frieden für NS-Profiteure!
Kein Vergeben, Kein Vergessen!
Aktion gegen die I.G. Farben Aktionärsversammlung
Montag, 17. September 2001, um 8:00 Uhr
Kundgebung in Frankfurt am Main in der Stadthalle Bergen-Enkheim
UnterstützerInnen:
Bundesweites Bündnis gegen I.G. Farben,
Berliner Bündnis gegen I.G. Farben,
Coordination gegen BAYER-GEFAHREN,
Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre,
Frankfurter I.G. Farben Gruppe,
Kampagne "Nie wieder!",
Peter Gingold, Bundessprecher der VVN-BdA,
Hamburger Bündnis für die Entschädigung der ehemaligen ZwangsarbeiterInnen,
Marburger Bündnis gegen I.G. Farben,
PDS Kreisverband Frankfurt am Main
Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (Frankfurt)
Metaller Arbeitlosen Initiative Frankfurt (MAI)
Quelle: Antifa Frankfurt
und Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre e.V.
I.G. Farben Hauptversammlung am 17. September entscheidet über Auflösung
Information des Dachverbands der kritischen Aktionärinnen und Aktionäre
Abwahl des Aufsichtsratschefs auf der Tagesordnung
Die Hauptversammlung der I.G. Farben in Auflösung am 17. September in Frankfurt am Main muß über die Abwahl des Aufsichtsratsvorsitzenden Ernst Krienke und über die Auflösung der Skandalfirma zum Jahresende entscheiden.
Vier zusätzliche Tagesordnungs-Punkte mit diesem Inhalt wurden gegen den Willen der Firmenleitung auf die Tagesordnung der Versammlung gesetzt. Erzwungen haben dies die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) und der Dachverband der Kritischen Aktionäre, denen zu diesem Zweck Aktien im Nennwert von 500.000 Euro zur Verfügung stehen.
"Die I.G. Farben AG i.A. muß endlich ihrer Verantwortung für die Verbrechen ihrer Vorgängergesellschaft gerecht werden", fordert CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes. Da Liquidatoren und Aufsichtsrat diese Aufgabe offensichtlich nicht erfüllten, müsse die Hauptversammlung die entscheidenden Beschlüsse selbst fassen.
Henry Mathews vom Dachverband ergänzt, Krienke sei durch seine "rabiate und undemokratische Verhandlungsführung in früheren Hauptversammlungen als Aufsichtsratschef untragbar geworden". An seiner Stelle solle eine Person in den Aufsichtsrat gewählt werden, die "die sofortige Äuflösung der Gesellschaft und die Entschädigung ihrer früheren Zwangsarbeiter garantiert."
Skandalfirma tagt wieder in der Stadthalle Bergen
Die I.G. Farben AG in Abwicklung wird ihre diesjährige Hauptversammlung wie in den vergangenen Jahren in der öffentlichen Stadthalle Bergen (Marktstraße 15, 9:00 Uhr) im abgelegenen Frankfurter Stadtteil Bergen-Enkheim abhalten.
Das Bundesweite Bündnis gegen I.G. Farben bereitet erneut Proteste gegen die Versammlung vor, um die sofortige Auflösung des einstigen Nazikonzerns und die Entschädigung seiner früheren Zwangsarbeiter zu erreichen.
Gericht zwang Stadt Frankfurt zur Vermietung
Vorausgegangen war ein Rechtsstreit des Unternehmens mit der Stadt Frankfurt am Main um die Vermietung von Räumen. Das Frankfurter Verwaltungsgericht hatte die Stadt verpflichtet, Räume bereitzustellen.
Private Veranstaltungsräume stehen der I.G. Farben schon seit Jahren nicht mehr zur Verfügung, weil sich alle Frankfurter Hotels weigern, die Aktionäre des ehemaligen Nazi-Konzerns zu empfangen. Daran habe sich auch in diesem Jahr nichts geändert, bestätigte der Anwalt der Auflösungsgesellschaft im Juli 2001 gegenüber dem Dachverband.
Zwangsarbeiter-Stiftung fehlt weiterhin
Die von der ordentlichen Hauptversammlung 1999 beschlossene firmeneigene Stiftung zur Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter wurde bislang nicht gegründet. Der Anwalt der I.G. Farben begründet dies mit fehlenden behördlichen Genehmigungen. Das beschlossene Stiftungskapital von drei Millionen Mark könne das Unternehmen "angesichts der Liquiditätslage" nicht aufzubringen. Bislang seien nur 500.000,- Mark "auf einem Anderkonto" zurück gestellt worden.
An die so genannte Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft hat die I.G. Farben AG "wegen rechtlicher Bedenken" keinen Beitrag überwiesen, sagte ihr Anwalt dem Dachverband. Solche Zahlungen seien nur für "werbende Unternehmen" zulässig.
Quelle: Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre e.V.
Ernst Krienke abwählen und I.G. Farben auflösen!
Zusätzliche Tagesordnungspunkte zur Hauptversammlung 2001
Zur Hauptversammlung der I.G. Farben AG i.A. am 17. September 2001 haben die Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V., Düsseldorf, und der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre e.V., Köln, folgende zusätzlichen Tagesordnungspunkte durchgesetzt:
TOP 5: Beschlußfassung über die Auflösung der Gesellschaft
Die Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V., Düsseldorf, und der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre e.V., Köln, beantragen, die Gesellschaft mit Wirkung zum 31. Dezember 2001 aufzulösen und die Liquidatoren anzuweisen, bis dahin sämtliches gebundenes Vermögen der Gesellschaft liquide zu machen.
TOP 6: Beschlußfassung über die Verwendung des Restvermögens
Die Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V., Düsseldorf, und der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre e.V., Köln, beantragen, das gesamte Restvermögen der Gesellschaft unverzüglich zur Entschädigung der ehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter der I.G. Farbenindustrie AG und ihrer Hinterbliebenen zu verwenden.
TOP 7: Beschlußfassung über die Abberufung des Aufsichtsrats-Vorsitzenden
Die Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V., Düsseldorf, und der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre e.V., Köln, beantragen, den Vorsitzenden des Aufsichtsrats, Ernst Krienke, wegen seiner zutiefst undemokratischen Verhandlungsführung in den vergangenen Hauptversammlungen der Gesellschaft mit sofortiger Wirkung als Mitglied des Aufsichtsrats abzuwählen.
TOP 8: Beschlußfassung über die Neuwahl eines Aufsichtsrats-Mitglieds
Die Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V., Düsseldorf, und der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre e.V., Köln, werden in der Hauptversammlung eine Person zur Nachwahl in den Aufsichtsrat vorschlagen, die Gewähr für die sofortige Auflösung der Gesellschaft und für die Entschädigung ihrer ehemaligen Zwangsarbeiter bietet.
Zur Begründung schreiben die Antragsteller:
Die I.G. Farben AG i.A. muß endlich ihrer Verantwortung für die Verbrechen ihrer Vorgängergesellschaft gerecht werden. Da Liquidatoren und Aufsichtsrat diese Aufgabe offensichtlich nicht erfüllen, muß die Hauptversammlung die entscheidenden Beschlüsse selbst fassen.
Ernst Krienke ist durch sein rabiates Verhalten als Aufsichtsratschef untragbar geworden und soll im Interesse der Gesellschaft von diesem Posten entfernt werden.
Quelle: Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre e.V.
Verbrechen der I.G. Farben
Aufruf vom Februar 1995
Nie wieder!
50 Jahre Kriegsende.
50 Jahre Befreiung des KZ Auschwitz.
Die Verantwortung der IG Farben.
Das Jahr 1995 steht weltweit im Zeichen des Kriegsendes vor 50 Jahren. Bereits jetzt steht fest, daß ein Thema in den vielen mahnenden Feierlichkeiten zu kurz kommt: Die Rolle der großen multinationalen Konzerne bei Vorbereitung und Durchführung des II. Weltkriegs, vornehmlich die Verantwortung der IG Farben.
Mitverantwortung für Krieg und Naziverbrechen
Die IG Farben, der Zusammenschluß von Agfa, BASF, Bayer, Hoechst und einigen kleineren deutschen Chemiefirmen, nahm damals als weltgrößter Chemiekonzern eine führende Rolle ein. Die IG Farben war der größte Einzel-Finanzier der NSDAP; sie befürwortete ausdrücklich deren Kriegspläne und schaffte mit ihren Hitler persönlich gemachten Zusicherungen der Lieferung von Treibstoff, Munition etc. überhaupt erst die Möglichkeit für die Nazis, einen internationalen Krieg loszubrechen. Der Vorstand der IG Farben legte seine Interessen z.B. in einem Papier mit dem Titel „Neuordnung" nieder: Dort plante die IG Farben die (wirtschaftliche) Eroberung der Welt im Gefolge der nationalsozialististischen Heerscharen.
Die IG Farben mit ihren Niederlassungen, Töchtern und Verbindungen in aller Welt, auch in den USA, verdiente auf beiden Seiten der (West-)Front. Sowohl die Nazi-Bomber, als auch die Maschinen der West-Alliierten flogen mit IG Farben-Sprit. Die IG Farben verdiente an todbringenden Waffen, an Medikamenten für sterbende Soldaten, an der „Industrialisierung" des Völkermords in den KZs, an der massenhaften Versklavung von Häftlingen und „Feindbevölkerung", an der Einverleibung aller nur irgend geeigneten „eroberten" Betriebe.
Perverse Verbrechen und Massenmord
In ihrer Profitgier hat die IG Farben keine Perversion ausgelassen: Für geringe Beträge von der SS „gekaufte" Häftlinge wurden in grausamen „medizinischen und anderen Versuchen im Dienste der Wissenschaft" bei vollem Bewußtsein zu Tode gequält; der Massenmord an der jüdischen Bevölkerung wurde mit dem Giftgas Zyklon B „perfektioniert"; im IG Farben eigenen KZ Auschwitz III (IG Monowitz) und seinen Nebenlagern wurden cirka 370 tausend Häftlinge bis zum Tod ausgebeutet.
Während des Kriegs war bei den Siegermächten unter Führung der USA der Wille entstanden, den „Blutkonzern", die Nazi-Führung und einige andere Konzerne und Großbanken vor ein internationales Kriegsverbrecher-Gericht zu stellen. Unmittelbar nach der Niederlage begannen die Vorbereitungen des Prozesses gegen die IG Farben unter Führung der US-amerikanischen Militärbehörden (nicht ein Manager der IG Farben fand sich in der Sowjetzone). Doch überraschend wurde der US-Staatsanwalt selbst Opfer mächtiger IG Farben-Kräfte in den USA und des Wandels in der politischen Strategie der Westmächte hin zum Kalten Krieg. Der Chef-Ankläger wurde seiner Mittel beraubt, die Anklage verwässert und er persönlich als „Kommunist" diskreditiert.
Milde Strafen
Trotzdem kam es im Juni 1947 noch zum Prozess. Doch: Alle Angeklagten kamen trotz erdrückender Beweislast mit lächerlichen Strafen bzw. sogar mit Freisprüchen bei bestimmten Anklagepunkten davon, nicht einer der Verurteilten mußte seine Strafe vollständig absitzen. Stattdessen nahmen sie ihre Posten in den alten IG Farben-Firmen und anderswo wieder auf und einige wurden sogar mit Orden der neuen Bundesrepublik ausgezeichnet. Der verurteilte IG Farben-Chef Fritz ter Meer z.B. war bereits 1956 wieder Vorsitzender des Aufsichtsrats bei Bayer.
Die IG Farben Nachfolger stellen (wie andere verstrickte Konzerne und Banken ebenfalls) ihre Geschichte von etwa 1925 bis 1952 im Hinblick auf die Verbrechen der Nazizeit lückenhaft, irreführend und/oder verharmlosend dar. Bayer – die ehemalige IG Farben-Schwester Agfa gehört heute zum Konzern – schreibt z.B. in ihren „Meilensteinen", die anläßlich des 125-jährigen Konzernjubiläums 1988 erschienen, zur „Verstrickung" der IG Farben in den Naziterror (dieses Wort kommt natürlich nicht vor): „Man sah … (die Verstrickung) als Folge einer Zwangslage, in der die meisten nicht anders gehandelt hätten und gehandelt haben." Die BASF bewies noch 1991 ihr mangelndes Schuldbewußtsein, indem sie „aus Versehen" die letzten erhaltenen Überreste, Baracken, Gaskammern und Krematorien, des ehemaligen IG-Farben-KZs Schwarzheide planierte.
Und heute?
Seien wir uns deshalb anläßlich des Gedenkjahrs 1995 stets bewußt: Jede der IG Farben-Firmen BASF, Bayer und Hoechst ist heute um ein Vielfaches mächtiger und gigantischer als die IG Farben seinerzeit. Diese drei Konzerne handeln trotz der formalen Auflösung der alten IG Farben in informeller Verbundenheit auf der Grundlage gemeinsamer Profitinteressen absolut homogen. Dafür stehen u.a. die Vermeidung jeder existenzgefährdenden Konkurrenz ebenso wie die Kontinuität beim gemeinsamen Besitz alter IG Farben-Werke im Ausland und die Teilung von Führungspositionen in nationalen und internationalen Chemie-Gremien in einvernehmlichem Wechsel.
Die Profitgier der großen deutschen Konzerne und Banken hat bereits zweimal innerhalb eines Jahrhunderts dazu beigetragen, die Welt in Schutt und Asche zu legen. Die IG Farben hatte wesentlichen Anteil daran. Ohne Aufarbeitung der Vergangenheit besteht jederzeit die Gefahr einer Wiederholung.
Wir fordern:
Anläßlich des 50. Jahrestages der Befreiung von Hitler und seinen Nazi-Schergen müssen die verantwortlichen Hintermänner aus der Wirtschaft in das Rampenlicht gestellt werden. Die IG Farben-Firmen BASF, Bayer und Hoechst und die noch immer existierende IG Farben i.L. müssen anläßlich dieses Gedenkjahres mit ihrer Schuld konfrontiert werden.
Die angemessene Entschädigung aller IG Farben-ZwangsarbeiterInnen und ihrer Hinterbliebenen durch die Nachfolgefirmen muß endlich erfolgen.
Die Nachfolgefirmen müssen die Finanzierung und den Erhalt der die IG Farben betreffenden Gedenkstätten Auschwitz und Schwarzheide sicherstellen.
Die IG Farben-Nachfolger müssen endlich den freien Zugang zu ihren Archiven gewähren.
Die IG Farben i.L. muß sofort aufgelöst, der Handel mit diesen „Blut-Aktien" muß sofort unterbunden werden.
Pensionszahlungen an ehemalige IG Farben-Verantwortliche müssen eingestellt werden.
Wir werden diese Forderungen in Gegenanträgen, Aktionen und Redebeiträgen in den Hauptversammlungen der IG Farben-Firmen vertreten. Beteiligung aller Interessierten ist erwünscht. Sollten Sie Aktien der IG Farben-NachfolgerInnen besitzen, bitten wir Sie um die Übertragung Ihrer Stimmrechte.
ErstunterzeichnerInnen:
Aktion Alternativer BASF-AktionärInnen (AABA), Mannheim; Hans Frankenthal, Auschwitzkomittee, Dortmund; Bundesverband Information und Beratung für NS-Verfolgte, Köln; Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG), Düsseldorf; Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre, Köln; Höchster Schnüffler un‘ Maagucker, Frankfurt am Main; Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes Bund der Antifaschisten (VVN/BdA), Landesverband Niedersachsen, Hannover; VVN/BdA, Landesverband NRW, Wuppertal; Verein zur Erforschung der nationalsozialistischen Verfolgung von Zwangsarbeitern durch IG Farben in Auschwitz, Hamburg.
Quelle: Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre e.V.
IG Farben liquidiert noch immer
Artikel aus 'junge Welt' vom 17.9.2001
Proteste gegen Aktionärsversammlung des ehemaligen Nazi- Konzerns in Frankfurt/Main angekündigt
Am heutigen Montag findet in Frankfurt am Main die Hauptversammlung des ehemaligen Nazi-Konzerns IG Farben-Industrie statt. Wie bereits seit einigen Jahren rufen linke Gruppen zu Protesten auf. Und es steht zu erwarten, daß eine Melange aus Kriegsgewinnlern, "Ich war dabei"- Rentnern und gewissenlosen Geldmachern dem Vorstand der Gesellschaft auch in diesem Jahr wieder mangelhafte Anstrengungen zur Rückholung des im firmeneigenen KZ Auschwitz III erwirtschafteten Gewinns vorwerfen wird.
Als Folge antifaschistischer Proteste wurde 1999 die Einrichtung einer eigenen Stiftung für die Überlebenden des firmeneigenen Konzentrationslagers beschlossen. Seither hat sich die - zuvor teils sehr kritische - Öffentlichkeit wieder beruhigt. Die an sich schon fragwürdigen Stiftungspläne kommen noch weniger voran als das Pendant der deutschen Industrie. Derzeit sieht es nicht so aus, als sei mit Zahlungen zu rechnen, bevor nicht auch die letzten Überlebenden gestorben sind oder IG Farben das Restvermögen endgültig hat versickern lassen und Konkurs anmeldet. Unter der Parole "Kein Frieden für NS-Profiteure" ruft daher auch in diesem Jahr das "Bundesweite Bündnis gegen IG Farben" zum Protest vor dem Tagungsgebäude auf. Ihm gehören unter anderem Aktionsgruppen in verschiedenen Städten an, die PDS Frankfurt und der "Dachverband der Kritischen AktionärInnen". Der Aufruf wurde auch von dem Bundessprecher der VVN-BdA, Peter Gingold, unterzeichnet.
Die Kundgebung findet am 17. September ab acht Uhr morgens vor der Stadthalle Bergen-Enkheim statt. Der nordöstliche Vorort von Frankfurt/Main ist mit U-Bahn und Bus erreichbar. Weitere Informationen, der Aufruf und eine Broschüre zum Herunterladen gibt es auch auf der Webseite http://antifa.frankfurt.org.
Quelle: http://www.jungewelt.de
IG Farben - bis 2003 abgewickelt?
Artikel von Martin Brust in 'junge Welt' vom 18.9.2001
Aufsichtsratsvorsitzender beschimpfte Demonstranten als "ferngesteuert"
Lag es am Dauerregen oder dem drohenden Krieg gegen den Weltterrorismus, daß sich am Montag ab acht Uhr nur wenige Demonstrierende vor der Hauptversammlung von "I.G. Farbenindustrie Aktiengesellschaft in Abwicklung" eingefunden hatten? Rund 100 Personen waren dem Aufruf des "Bundesweiten Bündnis gegen IG Farben" gefolgt und protestierten vor der Stadthalle des Frankfurter Vorortes Bergen-Enkheim gegen die Aktionärsversammlung des ehemaligen Nazi-Konzerns, der vor über 55 Jahren bereits aufgelöst werden sollte.
Bewacht wurde die Stadthalle von Polizisten und dem Wachschutz, der 1999 Hans Frankenthal, Überlebender des IG-Farben-KZ Auschwitz-Monowitz, gewaltsam aus der Versammlung geworfen hatte. In dessen Reihen wurden - zumindest in der Vergangenheit - Neonazis geduldet. Während ein Teil der Protestierenden versuchte, Aktionären den Zugang zur Halle zu erschweren, kam es auch im Saal selbst zu Unmutsäußerungen. Kurz nach Eröffnung störten gut 20 Demonstranten die Versammlung, indem sie mit Transparenten vor das Podium zogen und Sprechchöre skandierten. Es gelang ihnen, den Fortgang eine Viertelstunde zu verzögern - bis der Wachschutz alle Demonstranten aus dem Saal gezerrt und der Polizei übergeben hatte. Nach Aufnahme der Personalien wurden sie wieder freigelassen. Der Aufsichtsratsvorsitzende Ernst Krienke bezeichnete die Demonstranten als "ferngesteuert", außerdem dürfe man "IG Farben nicht mit Zyklon B gleichsetzen". Er drohte den Demonstranten mit strafrechtlichen Konsequenzen.
Ins gleiche Horn stieß Liquidator Volker Pollehn: "Die heutige Hauptversammlung stellt eine Zäsur dar", so Pollehn. Denn nunmehr gehe man in die letzte Phase der Liquidation über, deren Beendigung in zwei Jahren zu erwarten sei, so der Anwalt. Dem Antrag kritischer Aktionäre, die Gesellschaft zum Jahresende aufzulösen und das Restvermögen an ehemalige Zwangsarbeiter zu verteilen, wurden keine Chancen eingeräumt. Der historische Konzern IG Farben, so Pollehn, werde häufig in falsches Licht gerückt, denn er habe "viel Gutes für die Menschen getan". Stolz verkündete Pollehn, daß von den 400 Klagen ehemaliger Zwangsarbeiter im Jahre 1999 mittlerweile nur noch neun anhängig seien. Die übrigen seien niedergeschlagen oder zurückgezogen worden.
Welchen Anteil daran der Tod der oft schon 80- bis 90jährigen Kläger hat, darüber wurden keine Angaben gemacht. Statt dessen weigerte sich Pollehn, seine Niederlage im sogenannten Interhandel-Komplex einzugestehen. Hierbei geht es um 4,4 Milliarden Mark, die der Konzern bei der Schweizer Bank UBS für sich reklamiert hatte.
Die auf der Hauptversammlung im August 1999 beschlossene Stiftung zur Entschädigung der IG-Farben- Zwangsarbeiter sei, so Pollehn, am 13. September 2001 von der zuständigen Aufsichtsstelle genehmigt worden. Sie sei damit als gegründet anzusehen. Ausgestattet ist sie allerdings nur mit 500 000 Mark. Ursprünglich waren drei Millionen Mark eingeplant gewesen, von denen die jährlichen Erträge, etwa 300 000 Mark, ausgezahlt werden sollten. Das gesamte Vermögen des Konzerns belief sich zum 31. Dezember 2000 auf 80,6 Millionen DM. Einbezogen sind hierbei auch bebaute Grundstücke im Wert von fast 75 Millionen Mark.Auffällig ist in der Bilanz zudem, daß sich das ausgewiesene Abwicklungskapital von 17,2 Millionen Ende 1999 im Jahr darauf auf 14,6 Millionen DM verringerte. Verursacht durch einen von 9,8 Millionen auf 12,4 Millionen Mark gestiegenen Konzernbilanzverlust. Im gleichen Maße kletterten auch die Personalkosten: von 351 000 auf 951 000 Mark. Statt Zwangsarbeiter zu entschädigen, gab es offensichtlich nicht zu knappe Gehaltserhöhungen.
Quelle: http://www.jungewelt.de
IG Farben - Ein Beispiel eurer zivilisierten Welt
Artkel von Wera Richter in 'unsere zeit - Zeitung der DKP' vom 21. September 2001
Mordgesellschaft tagte und beförderte kritische Aktionäre vor die Tür
Auf einem Transparent vor der Frankfurter Bergenhalle am vergangenen Montag der Slogan "IG Farben - Ein Beispiel eurer zivilisierten Welt".
Dort tagten erneut die Aktionäre der IG Farben, jenes Konzerns, der wie kein anderer für die Verflechtung von Wirtschaft und deutschem Faschismus steht. Die Vorsitzende des Auschwitzkomitees Esther Bejarano (unser Bild): "Die jährlichen Aktionärsversammlungen stellen die Verhöhnung der in Auschwitz Ermordeten dar. Wir setzen die Erinnerung der Überlebenden und das Gedenken an die Toten dagegen. Gegen die Ignoranz der Aktionäre, deren Aktien mit Blut getränkt sind, setzen wir das gemeinsame internationale Engagement von jungen Menschen und Überlebenden gegen das Verleumden und Verdrängen."
Die Ignoranz der Aktionäre bekamen vor allem ein Dutzend Protestierer in der Halle zu spüren. Nur ein paar Minuten dauerte ihre Aktion, ihr Sprechchor "IG Farben hier und heute - Mörder teilen ihre Beute". Dann griffen die Sicherheitsleute zu und beförderten sie unsanft auf die Straße.
Volker Pollehn, einer der Liquidatoren der IG Farben, machte das "Verleumden und Verdrängen" dann konkret. Er verglich die Protestform der Antifaschisten mit den Machenschaften der Faschisten. Aufsichtsrat Ernst Krienke setzte noch einen oben drauf, indem er den Protestierenden unterstellte, für Drohanrufe und Anschläge auf ihn und Pollehn verantwortlich zu sein. Axel Köhler Schnura, Sprecher der Coordination gegen Bayer-Gefahren, und einer der sechs Kritiker, denen das Wort gegeben werden musste, reagierte: "Auf jeden Fall begründen die aktuellen Ausfälle von Herrn Krienke einmal mehr, dass er ein unverbesserlicher Hardliner ist, unfähig oder unwillens zum demokratischen Dialog." Schnura forderte Krienke abzuwählen.
Das allerdings passierte ebenso wenig wie die Annahme der weiteren Anträge der kritischen Aktionäre über die sofortige Auflösung der IG Farben und die Entschädigung ihrer ehemaligen Zwangsarbeiter. Immerhin die Liquidatoren nannten zum ersten Mal einen Termin für die Abwicklung. Dazu Schnura: "Die angekündigte Auflösung im Jahr 2003 ist ein Erfolg unserer anhaltenden Kritik. Es handelt sich aber um eine reine Willensäußerung, da die Liquidation nicht in einem ordentlichen Beschluss gefasst wurde."
Quelle: http://www.unsere-zeit.de
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