Köln, 8.10.2001 - Stoppt den Krieg!
Demonstration des Aktionsbündnisses
Bilder

Nein zum Krieg! Aufstehen für den Frieden!

Rede von Elvira Högemann (Aktionsbündnis gegen Krieg und Rassismus) bei der Auftaktkundgebung zur Demonstration

Nun wird also wieder gebombt. Wie 91 im Irak, wie 96 in Bosnien, wie 99 in Jugoslavien ... Die Länder wechseln, rund um den Erdball, die Angreifer bleiben sich im Prinzip gleich, und die Beschreibung des Vorgangs von Seiten der Täter auch. „Klinische Operation“, „zielgenaue Schläge“, „begrenzte Kommandooperationen“ - all das ist uns in den jüngst vergangenen Kriegen ebenfalls erzählt worden, all das weit abseits der grausamen Realität, die ein einziges Wort ausdrückt: Krieg!

Krieg wird geführt gegen Afghanistan, drei seiner größten Städte wurden heute Nacht bombardiert. Die Angaben zur Zahl der Opfer im angegriffenen Land schwanken zwischen 20 (das veröffentlichten die Taliban) und Null (so von Seiten der angreifenden Militärmächte USA und Großbritannien). Auch das kennen wir aus den vergangenen Kriegen: die klinisch reinen Bilder des Golfkriegs erwiesen sich im Nachhinein als Lüge; die Angriffe auf Zivilisten in Bus, Eisenbahn, Krankenhaus, Fernsehsender in Jugoslawien ließen sich nicht leugnen, aber die Militärs gaben den Opfern einen verfremdenden Namen: „Kollateralschaden“ - ein Schaden, der nebenbei entsteht. Das heißt: Menschenopfer, Zivilistenopfer sind nicht das eigentliche Ziel des Kriegs, sie fallen bloß mal so an. Kollateral.

Wie viele Opfer dieser Krieg nach der ersten Bombennacht gekostet hat, wie viel er kosten wird, wissen wir nicht. Wir demonstrieren hier dafür, dass er keine mehr kostet, dass der Krieg beendet wird, sofort, ein Krieg vor dem wir, die Friedensbewegung, von Anfang an gewarnt haben und den wir für das schlechteste und falscheste Mittel halten, auf die Terroranschläge von New York und Washington zu reagieren. Nach wie vor sind wir der Meinung, dass eine internationale Allianz gegen den Terrorismus unter der Verantwortung der UNO zu Stande kommen und unter ihrer Verantwortung handeln sollte. Damit wären auch die islamischen Länder gleichberechtigt eingeschlossen, und es könnte mit größerer Aussicht auf Erfolg verhindert werden, dass die reichsten und mächtigsten Länder ihre speziellen Machtinteressen in eigener militärischer Regie durchsetzen.

Wir sind dafür, dass Terroristen vor einen Internationalen Gerichtshof gestellt werden - einen Gerichtshof, den die Regierung der USA bisher nicht anerkennt und damit blockiert. Mit einem Satz: Wir sind dafür, die zivilen Mittel bis zum letzten auszuschöpfen, ja, die zivilen Instrumente weiter zu entwickeln, mit denen man schwer wiegenden Fällen wie diesem und internationalen Konflikten begegnen kann, statt sich von vornherein auf Krieg und Militär fest zu legen. Der Krieg darf nicht - wie das bis zum Ersten Weltkrieg selbstverständlich zu sein schien - zum letzten und endgültigen Mittel der Politik werden! Die Versuche, die internationale Politik, den Umgang der Staaten und Völker miteinander zu zivilisieren, wie sie vor allem in der Schaffung der UNO nach dem 2.Weltkrieg zum Ausdruck kamen, sollen nicht umsonst gemacht sein. Wir wollen uns nicht damit abfinden, dass sie nun mit der Macht des Stärkeren hinweg gefegt werden!

Wir sind uns darüber im Klaren, dass der Terrorismus auf einem bestimmten Nährboden gedeiht, in dem wirtschaftliche, soziale, politische, nationale, ideologische Komponenten ihre Wirkung entfalten. Die heutigen Verhältnisse in der Welt, allem voran die schreiende soziale Ungleichheit, die wirtschaftliche Benachteiligung einer Vielzahl von Ländern, ganzer Kontinente, die hoffnungslose Situation vieler Millionen, ja von Milliarden Menschen, liefern diesen Nährboden ganz offenbar. Wer den Terrorismus langfristig bekämpfen will, muss sich diesen Problemen stellen. Der politische Führer eines reichen Landes, der als Kriegsziel die Verteidigung des eigenen Way of Life formuliert, ist blind und gefährlich.

Die Friedensbewegung hat von den ersten offiziellen Reaktionen auf die Terroranschläge an vor einer Eskalation der Gewalt gewarnt. Während uns die Regierungen - nicht nur der USA - Vergeltung, Krieg, mehrjährigen Feldzug, ja einen Kreuzzug ankündigten, haben wir den Ausstieg aus der Gewaltspirale gefordert.

Das ist am heutigen zweiten Kriegstag so richtig wie zuvor. Wer auf Gewalt mit neuer Gewalt reagiert, auf zivile Opfer mit neuen unschuldigen Opfern, wird der Gewaltfalle nie entkommen, im Gegenteil, er macht sie größer und gefährlicher denn je.

Einige Stufen der Eskalation sind bereits abzusehen. Die militärischen Planer sagen offenherzig, sie hoffen, dass sich in Afghanistan der Bürgerkrieg entwickelt, dass die Nordallianz für sie den Bodenkrieg führt, den sie erst einmal nicht mit eigenen Soldaten führen wollen. Die Bauern und Flüchtlinge, die diesem Bodenkrieg zum Opfer fallen, werden dann wohl in keiner Statistik der ausländischen Angreifer auftauchen. Aber was ist, wenn dieser Bodenkrieg über die Grenzen der benachbarten Länder schwappt? Was wird sein, wenn die Atommacht Pakistan durch diesen Krieg in innere Wirren gestürzt wird, wie bereits viele Kenner dieser Weltgegend vorher sagen? Die Destabilisierung einer ganzen Region steht auf dem Spiel.

Und wir sind dabei. Die Bundesregierung hat dafür gesorgt. Unmittelbar nach den Anschlägen versicherte der Bundeskanzler die Regierung der USA seiner - „unserer“ - uneingeschränkten Solidarität, was er kurz darauf dahin gehend erläuterte, die Bundeswehr habe an dem bevorstehenden Krieg teilzunehmen. Mit einer Reihe von Vorratsbeschlüssen - bei der NATO, durch eine allgemein gehaltene Resolution des Bundestags - wurde diese Position fest gezurrt und stellt nun die quasi offizielle Beschlusslage der Nation dar. Zum Einsatz von deutschen AWACS-Aufklärungsflugzeugen in Nordamerika - im Rahmen dieses Krieges, wohlgemerkt - soll der Bundestag schon gar nicht mehr gefragt werden. Nach Kriegsbeginn hat der Bundeskanzler erklärt, er unterstütze die amerikanischen und britischen Bombenangriffe „ohne Vorbehalte“. Dieser Politik, wo man sich geradezu danach drängelt, die Bundeswehr in die Kriegsandlungen einzufädeln, müssen wir unbedingt Einhalt gebieten! „Deutsche Außenpolitik soll Friedenspolitik sein.“ Vor langer Zeit, scheint es, ist die rot-grüne Bundesregierung mit diesem Satz angetreten. Sie hat ihn längst aufgegeben. Die Friedensbewegung nimmt diesen Grundsatz gerne auf, sie bewahrt ihn und wird ihn wieder und wieder einfordern.

Inzwischen spüren wir auch hier im Land, was es heißt, an Vorbereitung und Durchführung eines Kriegs beteiligt zu sein. Der Angriff auf die Bürgerrechte ist im Gange, nach dem ersten „Sicherheitspaket“ wird nun schon die Lieferung des zweiten aus dem Hause Schily angezeigt. Der Datenschutz wurde eingeschränkt, der Datenabgleich zwischen den verschiedenen so genannten Diensten - also zwischen Polizei und Geheimdienst etwa - verboten aus bitterer geschichtlicher Erfahrung, soll wieder möglich sein; das Reden vom Einsatz der Bundeswehr im Innern will nicht verstummen. Am Bankgeheimnis hängt mein Herz nicht, sehr wohl aber am Demonstrationsrecht, dem mittlerweile auch Einschränkung droht - dies unter Überschrift „Schutz von öffentlichen und Regierungsgebäuden“. Wobei in dieser obrigkeitlichen Denkweise kein Unterschied mehr zwischen Terrorist und friedlichen Demonstranten gemacht wird. Zu befürchten ist, dass die Grundrechte unter den Stiefel einer schleichenden Militarisierung geraten - einer Militarisierung, die die innere Entsprechung der äußeren Kriege ist, an denen unsere Bundesregierung so gerne teilnehmen will. Auch aus diesem Grund sagen wir: Nein zum Krieg! Dies ist der Moment, wo man aufstehen muss für den Frieden, um die Perspektive offen zu halten für eine friedliche Welt, in der soziale Gerechtigkeit als oberste Bedingung für Sicherheit - nicht für militärisch erzwungene, sondern für zivil untermauerte Sicherheit - erreicht wird.

Wir sind sicher, dass unsere Ablehnung des Kriegs, der deutschen Beteiligung am Krieg und der schleichenden inneren Militarisierung von vielen Menschen geteilt wird. Wir wollen dieser Meinung weithin Gehör verschaffen. Deswegen haben wir uns heute hier versammelt, deswegen demonstrieren wir am Samstag, 13.10. in Berlin und fordern Sie alle auf, die Aktionen der Friedensbewegung zu unterstützen, wo immer und wann immer Sie können. Unsere Losung ist einfach: Nein zum Krieg - Aufstehen für den Frieden! Ich danke Ihnen.


Links

Kölner Aktionsbündnis gegen Krieg und Rassismus
Friedenskooperative
Friedenspolitischer Ratschlag
www.antimilitarismus.de
Website zu Krieg und Frieden, Ökonomie und Politik
Informationsstelle Militarisierung IMI e.V.
Pax An - Arbeitskreis Frieden Köln
Kölner Friedensforum
Friedensbildungswerk Köln