Münster, 8.6.2002 - Preis der Wirtschaft-
lichen Gesellschaft für Westfalen und Lippe an Chefanklägerin Carla Del Ponte und der Protest dagegen
Das 'Triebwerk' der NATO
Artikel von Cathrin Schütz und Peter Betscher in 'junge Welt' vom 11.06.2002
Münster: 'Friedenspreis'-Verleihung an Chefanklägerin Carla Del Ponte nicht unwidersprochen
Anläßlich der Verleihung des mit 25000 Euro dotierten »Westfälischen Friedenspreises« am Sonnabend im Münster an Carla Del Ponte, Chefanklägerin am »UN-Kriegsverbrechertribunal« für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag, durch die Wirtschaftliche Gesellschaft für Westfalen und Lippe e.V.(WWL) wurde vom Internationalen Komitee zur Verteidigung von Slobodan Milosevic - Deutsche Sektion (ICDSM), der DKP Münster und dem Aktionsbündnis gegen den Krieg Münster eine Gegenveranstaltung organisiert.
Eine gelungene und in sich schlüssige Vorstellung über den Sinn und Zweck der Friedenspreisverleihung an Carla Del Ponte wurde am Freitag in der Uni Münster von Jürgen Elsässer geboten. Der Konkret-Redakteur sprach über Carla Del Pontes Probleme im »Fall Milosevic«. Die Verteidigung des ehemaligen jugoslawischen Präsidenten ist immer sorgsam und faktenreich vorbereitet. Das hätte schon in den ersten Prozeßtagen zu Meldungstiteln geführt, wie »In Belgrad ist Milosevic ein Held«. Ein für Del Ponte unerfreulicher Umstand.
Ein Problem für Del Ponte ergibt sich laut Elsässer daraus, daß in der Anklage der Punkt »Völkermord im Kosovo« fehlt, weil es nach Angaben der Chefanklägerin dafür keine Beweise gibt. Statt dessen bilden den Kern der Kosovo-Anklage die Getöteten, die das Haager Tribunal mit 11334 bezifferte. In der Klage selbst konnten nur noch 577 genannt werden. Ob es sich bei all diesen Opfern um kosovo-albanische Zivilisten handelt, bleibt zu fragen.
Jürgen Elsässer schlug hier den Bogen zu einem nicht unbedeutenden Umstand, der für Del Ponte ebenfalls zum Problem werden könnte: Wo ist der Befehl zu finden, der belegt, daß Milosevic für diese Toten verantwortlich zu machen ist? Nach der Lektüre des Buches »The other side of the story« der beiden jugoslawischen Generäle Dusan Vilic und Bosko Todorovic kommt Elsässer zum Schluß, daß es offenbar kein Dokument gibt, in dem etwas derartiges festzustellen wäre. Selbst unter Einbeziehung der geheimen Dokumente finden sich ausschließlich Befehle, die den Schutz der Zivilbevölkerung zwingend festschreiben und Zuwiderhandlungen mit harten Strafen belegen.
Da all das für das Haager Tribunal nicht gut aussieht, »wäre es gut, wenn es einen Hufeisenplan gäbe«, so Elsässer. Obwohl es sich bei diesem Plan, wie mittlerweile erwiesen, um ein deutsches Konstrukt aus Kreisen um Verteidigungsminister Rudolf Scharping handelt, versuche man noch immer, wenigstens »einen hufeisenähnlichen Plan herbeizuzaubern«. Auch das laufe für die Anklage nicht nach Plan, da sich der jugoslawische Hauptzeuge für die Bestätigung eines solchen geplanten Vertreibungsaktes, Dragan Vuksic, in Widersprüche verstrickt. Nachdem klar wurde, daß die Kosovo-Anklage auf den Klagepunkt Völkermord aus Mangel an Beweisen verzichten mußte, wurden weitere Anklagen gegen Milosevic nachträglich ergänzt, so der Punkt Völkermord in Bosnien-Herzegowina.
Elsässer fragte, ob nicht jeder im Falle Bosniens sofort an »die Rampe von Srebrenica« denke? Er verwies dazu auf den kürzlich veröffentlichten Bericht des Niederländischen Instituts für Kriegsdokumentation. Ob dieser Bericht die Ereignisse von Srebrenica objektiv wiedergibt, könne nicht beurteilt werden, doch er enthält laut Elsässer keinerlei Anhaltspunkte oder Hinweise für eine Verantwortung von Slobodan Milosevic (in Konkret, Juni 2002). Ein weiterer Versuch, belastendes Material über den CIA-Mann John David Neighbour für das Tribunal zu erkaufen, endete im März, als die CIA-Perisic-Affäre aufflog. Kurzum: der Prozeß laufe schlecht. Um so wichtiger sei eine Aktion wie die Preisverleihung in Münster, die Del Ponte zumindest »gute Presse« bringe und von ihrer Misere ablenke.
Am Samstag morgen dann führte ein Demonstrationszug vom Bahnhof durch die Münsteraner Innenstadt. Zur anschließenden Kundgebung fanden sich 300 Teilnehmer und eine große Zahl samstäglicher Shopping-Passanten ein. Dr. Dieter Keiner vom Aktionsbündnis gegen den Krieg sprach über die örtlichen Hintergründe der Preisverleihung und ging auf die Rolle von Münster als Militärstützpunkt ein.
Aus Jugoslawien wurden zwei Grußbotschaften verlesen. Die Sozialistische Partei Serbiens (SPS) und die Organisation SLOBODA (Freiheit) appellierten an »alle anständigen Europäer«, sich der zunehmenden Beugung des internationalen Rechtes zu widersetzen. Ein Papier des Belgrader Forums wurde von Liljana Werner auf serbokroatisch verlesen.
Klaus Hartmann, Präsident der Weltunion der Freidenker und Sprecher der deutschen Sektion des ICDSM, machte auf die für ein vermeintlich unabhängiges Gericht interessanten »Verwandtschaftsbeziehungen« aufmerksam. Da würde die ehemalige US-Außenministerin Madeleine Albright von Tribunal-Insidern als »Mutter des Tribunals« bezeichnet. NATO-Sprecher und Berufszyniker Jamie Shea hielt das Tribunal schlicht für eine »Freundin der NATO«. Das beschreibe exakt den Zweck dieses völkerrechtswidrigen Konstrukts. Es diene der Fortsetzung der Aggression gegen Jugoslawien, soll den Angriffskrieg der NATO legitimieren und den propagandistischen Endsieg der NATO erringen. Die Preisverleihung an Del Ponte sei ein Affront und eine Herausforderung, keinen Frieden mit den neuen Weltordnern zu machen, sich ihren Kriegen entgegenzustellen.
Die Preisverleihung fand in illustrem Kreis im hermetisch abgeschirmten Rathaus statt und wurde als Propagandashow fürs Volk auf einer Leinwand vor dem Dom übertragen. Del Ponte dankte: »Diese Auszeichnung ist ein großer Ansporn für mich und meine Institution«. Als Vorsitzender der Wirtschaftlichen Gesellschaft würdigte der Bielefelder Bankier Horst Annecke die Preisträgerin als eine große Frau, »die mit geballter Energie wie ein Triebwerk für Wahrheit und Gerechtigkeit am Werke ist«. Das öffentliche Interesse an dem Spektakel hielt sich trotz der von »Münster Marketing« inszenierten »Friedenspreistage« in Grenzen. Münsteraner erfreuten sich besonders der Rückseite der Leinwand, die ihnen beim Samstagscafe Schatten spendete.
del-Ponte-Ehrung: Das hat Münster nicht verdient!
Flugblatt der DKP Münster, das im Rahmen des Protestes gegen die Preisverleihung an Del Ponte verteilt wurde
Gleich vorweg: Wir sind kein Fan-Club von Slobodan Milosevic. Aber dennoch sind wir gegen das Haager „Tribunal“, in dem Carla del Ponte den früheren Staatschef Jugoslawiens wegen Kriegsverbrechen anklagt. Und wir sind auch dagegen, dass die Ehrung del Pontes mit dem „Westfälischen Friedenspreis“ unsere Heimatstadt Münster zum Schauplatz des Propagandaspektakels macht, das die Nato gegen Jugoslawien abzieht.
Ob Milosevic ein Kriegsverbrecher ist, wissen wir nicht. Das kann nur ein unabhängiges Gericht feststellen - nicht jedoch das Haager „Tribunal“, dessen Grundkonstruktion jedem halbwegs vernünftigen Menschen die Haare zu Berge stehen lässt.
Nach allen Regeln des Völkerrechts müsste ein jugoslawisches Gericht über tatsächliche oder vermeintliche Untaten Milosevic befinden. Und nach allen Regeln des Völkerrechts müssten zu allererst diejenigen auf einer Anklagebank sitzen, die den Angriffskrieg gegen Jugoslawien angezettelt haben: Albright, Clinton, Fischer, Scharping, Schröder. Ach ja - der Münsteraner Lügen-Grüne Winfried Nachtwei auch.
Jeder meint, er wisse genügend über die jüngste Geschichte Jugoslawiens. Alleine das Wort „Milosevic“ erzeugt bei vielen Mitbürgern schon bedingte Reflexe. Man weiss ja Bescheid über die Untaten dieses Mannes, stand ja schließlich alles in den „Westfälischen Nachrichten“ ...
Weiss man das wirklich? Ist nicht nach und nach herausgekommen, dass vieles, was man den Serben und Milosevic persönlich vorgeworfen hat, auf das Konto ganz anderer Kriegsparteien geht? Zum Teil sogar auf das Konto von Kriegsparteien, die die Nato unterstützte? Schon vergessen, mit welchem Zynismus Nato-Sprecher Jamie Shea die Medien als „vierte Teilstreitkraft“ in Anspruch nahm? Glauben Sie immer noch, dass Sie im Jugoslawien-Konflikt richtig informiert wurden?*
Es war die langfristige Strategie der Nato, Milosevic als Buhmann aufzubauen, galt es doch, den letzten Staat Europas, der nicht nach der Pfeife Washingtons tanzte, als politischen Akteur auszuschalten. Und als Schlußstrich unter dieses makabre Spektakel braucht die Nato den moralischen Segen eines „Tribunals“ wie in Den Haag.
Frau del Ponte spielt eine Hauptrolle in diesem Schauprozess. Allerdings wird sie von ihrem Gegenpart, Milosevic, zunehmend an die Wand gespielt - immer wenn es eng für del Ponte wird, schließt das Gericht die Öffentlichkeit, damit auch die Presse, aus.
Wir protestieren gegen diese verlogene Propagandashow in unserer Stadt, die sich offenbar nur unter Absperrung der Rathausumgebung durchziehen lässt. Kritik an der Nato-Politik, an den Haag und del Ponte ist unerwünscht, die feinen Herren und Damen wollen unter sich feiern. Spucken wir ihnen ins Sektglas!
* Wetten, dass weder MZ noch WN über diese Proteste berichten werden?
V.i.S.d.P.: Stefan Niehoff c/o Dahlweg 64, 48153 Münster, dkp-ms@muenster.org, www.muenster.org.dkp-ms
Die Westfälische Friedensmetropole Münster lässt grüßen ...
Rede von Dr. Dieter Keiner - vorgetragen bei der Demonstration der DKP Münster und des "Komitee für die Verteidigung von Slobodan Milosevic - Deutsche Sektion" gegen die Verleihung des "Westfälischen Friedenspreises" an Frau Carla Del Ponte am 8. Juni 2002 in Münster/Westfalen
I
Im Namen des "Aktionsbündnisses gegen den Krieg - Münster" bedanke ich mich für die Einladung zu dieser Veranstaltung.
Das "Aktionsbündnis gegen den Krieg - Münster" hat sich spontan auf der Straße im April 1999 am Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges der NATO gegen die Bundesrepublik Jugoslawien gegründet und arbeitet seitdem kontinuierlich in dieser Stadt - mit inzwischen über 60 öffentlichen Auftritten gegen Krieg, Militarisierung und gegen die NATO.
Das Aktionsbündnis hat als lokale Assoziation eine "Internationale Kampagne für die Abschaffung der NATO" zu einem Zeitpunkt gestartet, als es noch wenig nationale und internationale Zustimmung in dieser Frage gab. Das Aktionsbündnis hat in seinen Analysen und Einschätzungen zur Entwicklung der NATO seit der Verabschiedung des neuen Strategiekonzeptes im April 1999 immer wieder den Zusammenhang von globalen, nationalen und lokalen Entwicklungen in Sachen Militarisierung und Kriegs- und Interventionspolitik aufgezeigt.
II
Wir lehnen die Verleihung des "Westfälischen Friedenspreises" an Frau Carla Del Ponte, Chefanklägerin des Haager Tribunals, ab. Dieses Tribunal, das sich mit Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien beschäftigen soll und das sich in Slobodan Milosevic seinen prominentesten Angeklagten herbeigekauft hat, beschäftigt sich mit keinem der Politiker, die den NATO-Krieg, das Töten von Menschen und die Zerstörung der Infrastruktur des Landes zu verantworten haben - nicht mit Mr. Clinton, nicht mehr den Herren Fischer oder Schröder, nicht mit Mr. Blair.
Mit der Verleihung dieses Preises stellt sich das ökonomische, politische und militärische Establishment dieser Stadt und der Region in die Tradition der Legitimation des Krieges der NATO gegen die Bundesrepublik Jugoslawien. Mit dieser Preisvergabe profiliert sich Münster im internationalen Raum in seiner neuen Bedeutung als Militärstadt, die seit der Verabschiedung der neuen NATO-Strategie vom April 1999 mit neuen, wichtigen Aufgaben und einer neuen militärischen Infrastruktur als Hauptquartier der ”High Readiness Forces”, die innerhalb von 20 Tagen überall in der Welt einsatzfähig sind, eingebunden ist in die globale "out of area" - Kriegs- und Interventionsstrategie der NATO.
Das sich als Friedensstadt vermarktende Münster zeigt, dass es auch mit Blick auf einen so wichtigen politischen Systemimperativ wie Krieg mit Hilfe des neu entwickelten "Münster Marketing" zielgerichtet und ohne Rücksicht auf die gar nicht einheitliche öffentliche Meinung in dieser Stadt bereit ist, event-Politik zu machen und die Stadt als Beute für die Durchsetzung der Interessen der dominanten Gruppen und Cliquen zu nehmen. Mit den "1. Westfälischen Friedenspreistagen", die von nun an alle zwei Jahre in Verbindung mit der Verleihung des "Westfälischen Friedenspreises" stattfinden sollen, hat diese Stadt Stimmung gemacht, events inszeniert und Lügen verbreitet für eine höchst umstrittene Preisverleihung. Die Preisverleihung selbst wird zu einer Marketing-Aktion in der Weise, dass von allen Inhalten, Problemen und Widersprüchen, die mit dem NATO-Krieg, mit Völkerrechtsfragen, mit dem Haager Tribunal, mit der Preisträgerin und mit Münster als Militärstadt zusammenhängen, abstrahiert wird. Die Politik dieser Stadt wie die Preisvergabe an Frau Del Ponte durch die "Wirtschaftliche Gesellschaft für Westfalen und Lippe e.V." steht damit in der Tradition der Manipulation der öffentlichen Meinung, mit der der NATO-Krieg von Beginn an in der BRD politisch begleitet wurde.
III
Die heutige Preisverleihung und der Widerstand gegen diese findet aber auch in einem komplizierten ideologischen Feld statt. Mit den in der Hauptstadt regierenden Parteien der SPD und der Grünen sind diese Parteien als klassische Parteien der lokalen Friedensbewegung in ihrer Mehrheit zu Parteien der Befürwortung des NATO-Krieges und der Befürwortung von Krieg als politischer Option der Politik der Bundesrepublik geworden. Das hat die Verhältnisse für Kriegsgegner und Antimilitaristen in dieser Stadt nicht einfacher gemacht. Der Kampf gegen den Terrorismuskrieg der USA und der NATO fügt dem neue Probleme hinzu, ebenso wie die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Israel und Palästina.
Auch für ein Aktionsbündnis, das sich unabhängig von und in wechselnden Bündnissen mit Parteien und Organisationen konsequent gegen Krieg und Militarisierung als integralem Teil der Politik des Westens und der NATO stellt, wird es in einem komplizierter werdenden lokalen, nationalen und internationalen politischen Umfeld offenbar notwendig, das Selbstverständliche zu betonen:
Gegen den Terrorismuskrieg der Bush-Administration und gegen den US-Imperialismus zu sein, heißt nicht, anti-amerikanisch zu sein.
Gegen die Kriegs- und Vernichtungspolitik der Regierung Scharon zu sein, heißt nicht anti-israelisch oder gar anti-semitisch zu sein.
Gegen die Verleihung des Westfälischen Friedenspreises an Frau Carla Del Ponto zu sein, heißt nicht, dagegen zu sein, dass Milosevic vor ein Gericht in Belgrad gestellt wird, wenn es denn hierfür zwingende Gründe gibt.
IV
Im Kontext seiner bisherigen Arbeit ist es keine Frage, dass sich das "Aktionsbündnis gegen den Krieg - Münster" bei dieser Veranstaltung öffentlich gegen die Verleihung des "Westfälischen Friedenspreises" an Frau Carla Del Ponte und gegen das in Den Haag eingerichtete Tribunal ausspricht.
Diejenigen, die glauben, sich nicht an einer Demonstration und an einer Kundgebung der DKP Münster und des "Komitee für die Verteidigung von Slobodan Milosevic" beteiligen zu können, sollten sich die Frage stellen, was ihr Engagement gegen die NATO, gegen den Krieg der NATO gegen die Bundesrepublik Jugoslawien und gegen die neue Außenpolitik der BRD eigentlich wert ist.
Diejenigen, die sich heute hier nicht beteiligen, sollten zur Kenntnis nehmen, dass mit der Preisverleihung nicht nur weiter an der Legitimation des Krieges der NATO gegen die Bundesrepublik Jugoslawien gearbeitet wird, dass es nicht nur um eine deutliche und öffentliche Legitimation von Krieg als Mittel der Politik der BRD geht, sondern dass es auch um Münster als Militärstadt und um die ökonomischen und politischen Machtverhältnisse in dieser Stadt und in der Region geht. Um die wird zur Zeit auch in anderen Feldern, zum Beispiel mit Blick auf den von der CDU-Ratsmehrheit schon beschlossenen Teilverkauf der Stadtwerke an einen Energie-Multi, gekämpft.
Diejenigen, die heute hier fernbleiben, sollten zur Kenntnis nehmen, dass sich das nationale und internationale Interesse mit guten Gründen auf Münster richtet, werden doch mit der heutigen Preisverleihung bewusst politische, völkerrechtswidrige Signale gesetzt, die weit über diese Stadt hinausgehen.
V
Die "Wirtschaftliche Gesellschaft für Westfalen und Lippe e.V.", die aus Anlass des 350jährigen Jubiläums des Westfälischen Friedens im Jahre 1998 den "Westfälischen Friedenspreis" gestiftet hat, der heute zum dritten Mal vergeben wird, hat eine lange Geschichte, die in das Jahr 1919 zurück reicht und auf zwei Vereinigungen verweist, aus denen die "Wirtschaftliche Gesellschaft" hervorgegangen ist - auf den ”Westfälisch-Lippischen-Wirtschaftsbund" mit Sitz in Bielefeld und auf die ”Wirtschaftswissenschaftliche Gesellschaft” mit Sitz in Münster. Der Wirtschaftsbund wollte die Unternehmer der Region zu einer ”Gesinnungsgemeinschaft” zusammenfassen, ging es doch nach dem Ende des Ersten Weltkrieges auch um die bewußte Arbeit an einem neuen Bild des Unternehmers in der Öffentlichkeit. Dieses Bild sollte geradegerückt und zugleich sollte eine Bastion gegen den vorrückenden Marxismus geschaffen werden.
Im Jahre 1934 wurden beide Organisationen von den Nationalsozialisten liquidiert und in der ”Wirtschaftlichen Gesellschaft für Westfalen und Lippe” zusammengeführt. Nach Angaben der Gesellschaft wurde der Eintrag in das Vereinsregister des Amtsgerichts Münster Ende Juli 1934 wirksam. Der so zusammengeführte und neu gegründete Verein sollte ”Aufklärungsarbeit im Sinne der Wirtschaftspolitik der Reichsregierung” leisten.
Es war mir bisher nicht möglich, mehr über die Arbeit der "Wirtschaftlichen Gesellschaft" im Faschismus zu recherchieren. Fest steht, dass bereits am 14. Juni 1945 wieder ein neuer Vorsitzender gewählt wurde, dass im Oktober 1946 eine erste Versammlung stattfand und dass in einer Mitgliederversammlung vom 12. Juni 1947 eine neue Satzung gebilligt wurde, ”um die Vergangenheit des NS-Regimes abzulegen”.
Diejenigen aus den linken, antimilitaristischen Szenen dieser Stadt, die heute in pharisäerhafter Weise glauben, dieser Veranstaltung fernbleiben zu müssen, sollten auch zur Kenntnis nehmen, dass es zu den expliziten Aufgaben der "Wirtschaftlichen Gesellschaft" gehört, den Dialog zwischen Politik und Wirtschaft zu fördern und ”positiv für unsere Wirtschaftsordnung und deren sinnvolle Weiterentwicklung im europäischen Rahmen zu wirken.” Ausdrückliches Ziel der Vergabe des "Westfälischen Friedenspreises" ist es, ”den Gedanken eines ‘Europas der Regionen’ aktiv zu fördern”. Die "Gesellschaft" plädiert ”gegen ein zukünftiges Europa als bürokratisch verklammerte, Aufbruch und Dynamik hemmende Großeinheit”. In diesem Verständnis hat sie sich zur Aufgabe gemacht, die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Interessen Westfalens ”im Zuge der europäischen Einigung” durch Bündelung und Kommunikation zu fördern. Träger des Friedenspreises sollen daher ”Politiker oder Wissenschaftler sein, die sich für die föderale Organisation Europas und eine aktive Umsetzung des Subsidiaritätsgedankens einsetzen”.
VI
Gerade die regionalpolitische Eindeutigkeit dieser Aufgabenstellung zeigt, wie bewußt sich die führenden Vertreter des Banken-, Industrie- und Handelskapitals von Westfalen und Lippe mit der heutigen Preisverleihung an die Seite der neuen Militarisierungs- und Kriegsstrategie der NATO und ihres Anspruchs auf ein globales Gewaltmonopol stellen. Damit bekommt die Preisverleihung an Frau Carla Del Ponte eine Bedeutung, die weit über das Haager Tribunal und über die Rolle der Chefanklägerin hinaus geht. Mit Frau Del Ponte wird also nicht eine Förderin eines Europa der Regionen geehrt, vielmehr wird sie gefeiert "als Institution und Symbol gegen menschenverachtende und kriminelle staatliche Willkür” und "als Vorsitzende des unabhängigen Anklageorgans des UN-Kriegsverbrecher-Tribunals”. Sie erscheint der ehrenwerten "Gesellschaft" als ein ”Geschenk der Friedenshoffnung für zukünftige Generationen” und wird so zu einer ”Stimme der Opfer” hochstilisiert, auch in der Hoffnung, dass einiges davon auf den "Westfälischen Friedenspreis" und seine Stifter abfärben möge. Friedenssicherung, so die erlauchte Gesellschaft, sei nur auf der Grundlage von Wahrheit und Gerechtigkeit möglich und Täter dürften unter dem Schutz nationaler Souveränität nicht straflos bleiben.
Erwähnt werden sollte aber auch, dass das Kuratorium des Westfälischen Friedenspreises, das sich aus Mitgliedern der "Wirtschaftlichen Gesellschaft für Westfalen und Lippe" zusammensetzt, über die Preisträger auf Vorschlag eines internationalen Preisgerichtes entscheidet. Diesem Preisgericht gehören der luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker, der ehemalige Bremer Bürgermeister und EU-Verwalter von Mostar und Bosnien-Beauftragte Hans Koschnik, der Senator der französischen Republik Jean Francois-Poncet, der frühere dänische Ministerpräsident und Vize-Präsident des Europäischen Parlaments Poul Schlüter, der ehemalige Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer und der Vorsitzende der "Wirtschaftlichen Gesellschaft" Horst Annecke an. Dr. Horst Annecke ist erster Vorsitzender der Gesellschaft und persönlich haftender Gesellschafter des Bankhauses Hermann Lampe in Bielefeld. Der zweite Vorsitzende der Gesellschaft ist Dr. Ernst F. Schröder, persönlich haftender Gesellschafter der Dr. August Oetker KG in Bielefeld.
Dieser Blick auf die "Wirtschaftlichen Gesellschaft für Westfalen und Lippe" macht deutlich, dass wir es hier nicht mit einem Provinzclub zu tun haben. Diese Gesellschaft stellt sich mit ihrer Preisvergabe aktiv in den Kontext westlich-imperialer Politik und bekennt sich zugleich in schöner Provinzialität immer noch dazu, gegen Verstaatlichung zu sein. Insbesondere will sie Einfluss nehmen auf die Meinungsbildung sowohl im "vorpolitischen" als auch im politischen Bereich. Hierbei bemüht sie sich insbesondere darum, jungen Menschen das Geschehen des Marktes verständlich zu machen. Spätestens hier wird deutlich, warum es auch einen "Jugendpreis des Westfälischen Friedenspreises" gibt.
VII
Es handelt sich bei der heutige Preisverleihung, trotz aller Provinzialität, nicht um eine Provinzposse. Diejenigen, die den "Westfälischen Friedenspreis" an Frau Carla Del Ponte verleihen, wissen was sie tun. Es geht ihnen um eine bewusste Legitimation der neuen globalen Kriegs- und Interventionsstrategie der NATO und der BRD und nicht um die Förderung eines Europa der Regionen. Sie zeigen damit beispielhaft, welchen aktiven Beitrag die herrschenden Eliten einer Region zur Durchsetzung der geostrategischen Interessen der EU und der NATO zu leisten vermögen, was von Regionalpolitik im Globalisierungsprozeß erwartet werden darf. Sie zeigen aber auch, was sie Münster als Militärstadt und seiner neuen, globalen Bedeutung schuldig sind. Sie wissen also was sie tun und wie sie es tun. Sie wissen, warum und wofür sie sich des Begriffs "Frieden" in allen Varianten und Perversionen bedienen. Sie wissen, daß sie kontinuierlich an der Einbindung der Bevölkerung in ihre auf Krieg setzende Politik arbeiten müssen. daß sie sich immer der Zustimmung möglichst großer Teile der Bevölkerung dieses Landes, auch in den Kommunen und Regionen, vergewissern müssen, daß sie ihre völkerrechtswidrige Militarisierungs- und Kriegspolitik nicht gegen die Mehrheit der Menschen durchsetzen können.
Doch auch die, die hier öffentlich der Preisverleihung widersprechen, wissen, was sie tun. Das "Aktionsbündnis gegen den Krieg - Münster" weiß, was es seit 1999 tut. Wir stören permanent die herrschende Konsens-Maschine. Wir sind heute hierher gekommen, um deutlich zu machen, dass es in der Militärstadt Münster Menschen gibt, die nicht auf das Friedensgequatsche, die Geschichtslügen und auf die Instrumentalisierung des "Westfälischen Friedens" hereinfallen, daß es Menschen gibt, die im Bündnis mit anderen und in einem schwierigen ideologischen Umfeld öffentlich handlungsfähig sind und die konsequent an ihrer Forderung zur Abschaffung der NATO festhalten.
VIII
Wir bedanken uns für die Einladung und wir hoffen, dass die Menschen, die heute zu dieser Kundgebung in diese Stadt gekommen sind, mit dem Wissen und der Erkenntnis wieder abreisen werden, dass es auf die vielen kleinen lokalen Initiativen, die konsequent gegen jede Art von Kriegs- und Militarisierungspolitik kämpfen, ankommt - aber auch auf eine noch bessere nationale und internationale Vernetzung und einen noch bewussteren solidarischen Austausch von Erfahrungen.
Eine unserer wichtigsten Erfahrungen als basisdemokratisches Bündnis ist die, dass es auch und gerade im Kampf gegen Krieg und Militarisierung entscheidend ist, dass Menschen sich nicht repräsentieren lassen, dass sie sich assoziieren in freien Entscheidungsprozessen, daß sie gemeinsam Positionen entwickeln, diese öffentlich, direkt handelnd vertreten und sich nicht an taktischen ideologischen Spaltungs- und Abgrenzungsspielen in einer notwendigerweise bunten und vielfältigen linken Szene beteiligen.
Ich schließe meinen Beitrag in Namen des "Aktionsbündnisses gegen den Krieg - Münster" mit einem Zitat aus dem Aufruf des Bündnisses für eine "Internationale Kampagne für die Abschaffung der NATO" vom 15. September 1999: ”Angesichts des hochkomplexen weltgesellschaftlichen Krisenszenarios ist die NATO als ein gefährliches, kriminell handelndes und den prekären Weltfrieden gefährdendes Bündnis abzuschaffen, denn das Konzept wie die Praxis der NATO enthalten keine für die Weltgesellschaft sinnvollen Zukunftsperspektiven, die dazu beitragen könnten, reale Probleme der Menschen wie Hunger, Krankheiten, Armut, Verelendung, Analphabetismus, Vertreibung und Unterdrückung zu lösen. Insofern erweist sich die NATO als Relikt einer alten Welt und einer alten Weltordnung. Facit: Die NATO ist abzuschaffen!”.
'Friedens'-Preis für Del Ponte - eine Verhöhnung aller Friedenskräfte!
Beitrag von Klaus von Raussendorff, Antiimperialistische Korrespondenz (AIK)
Der Prozess gegen den ehemaligen Staatspräsidenten Jugoslawiens Slobodan Milosevic vor dem sogenannten "Tribunal" in Den Haag läuft nicht gut für die "Chefanklägerin" Carla Del Ponte. Sogar der serbische Premierminister Zoran Djindjic, der Milosevic an das "Tribunal" verkaufte, schimpft, "wieviel Geld verpulvert wurde, damit dieses Gericht nach fünf Jahren mit solch belanglosen Zeugen aufwartet". Dagegen tritt der "Angeklagte" so überzeugend auf, dass selbst die "Welt am Sonntag" konstatiert: "In Belgrad ist Milosevic ein Held."
Als Trostpreis erhält Del Ponte am 8. Juni 2002 in Münster den Westfälischen Friedenspreis. (An)-Stifter ist die Wirtschaftliche Gesellschaft für Westfalen und Lippe e.V. "Friedenspreistage", von einer "Münster Marketing" inszeniert, sollen mit "Vorträgen, Lesungen und einer Licht- und Klanginszenierung auf dem Prinzipalmarkt" postmodern den Skandal übertönen, dass hier in der Person einer der Figuren des "Tribunals" eine Institution verherrlicht wird, die in Wahrheit ein Instrument der Aggression und der Zerstörung des Völkerrechts ist. Armes Münster, Du Stadt des Westfälischen Friedens von 1648!
Der Angriffskrieg ist das Menschheitsverbrechen schlechthin!
Die Intervention der NATO in Jugoslawien war ein klassischer Fall von Angriffskrieg. Aber nicht die Führer der NATO stehen vor Gericht, sondern Milosevic. In völliger Verkehrung der Nürnberger Prozesse gegen die Nazi-Kriegsverbrecher muss sich zum ersten Mal in der Geschichte nicht der Aggressor, sondern der Angegriffene strafrechtlich vor einem internationalen Tribunal verantworten. Schon die Anklage wurde parallel zu den massiven NATO-Bombardierungen Jugoslawiens erhoben. Ein Spektakel, irreführend "Internationale Strafjustiz" genannt, wurde zur flankierenden Maßnahme der Kriegführung. Der "Prozess" gegen das Staatsoberhaupt des angegriffenenLandes sanktioniert die Ausnahme vom umfassenden Gewaltverbot der UN-Charta. Das "Tribunal" untergräbt das bislang international geltende Recht, wonach der Angriffskrieg das Menschheitsverbrechen schlechthin ist.
Gleichheit der Staaten setzt Immunität vor landesfremder Justiz voraus!
Das "Tribunal", auf Druck der USA vom UN-Sicherheitsrat unter Bruch der UN-Charta 1993 geschaffen, unterwirft mit dem Prozess gegen ein früheres Staatsoberhaupt zum ersten Mal hoheitliches Handeln eines Staates im Ganzen einer landesfremden Jurisdiktion. Es greift damit in einen Kernbereich staatlicher Souveränität ein. Es untergräbt den Immunitätsschutz für staatliches Handeln, der unmittelbar aus dem Prinzip der souveränen Staatengleichheit folgt. Eine Aufhebung der strafrechtlichen Staatenimmunität verstärkt die faktische und rechtliche Ungleichheit der Staaten. Die Folge sind Rechtsunsicherheit und Unfrieden in den internationalen Beziehungen.
Menschenrechte gründen allein auf demokratischem Selbstbestimmungsrecht!
Bis Anfang der 90er Jahre galt, dass bei Bürgerkriegen und Menschenrechtsverletzungen keine Eingriffsbefugnis des UN-Sicherheitsrats gegeben ist. In den Resolutionen, mit denen der Sicherheitsrat das "Tribunal" schuf, werden Menschenrechtsverletzungen (wirkliche und mutmaßliche) aufgezählt, und daran anschließend - im Widerspruch zu den Fakten - die Feststellung einer (äußeren) Friedensbedrohung getroffen. Erstmals müssen interne Vorgänge im Zuständigkeitsbereich eines Staates abweichend vom Wortlaut der UN-Charta als Voraussetzung für einen äußeren Eingriff herhalten. Damit untergraben die westlichen Auftraggeber des "Tribunals" nicht nur das demokratische Selbstbestimmungsrecht der Völker, die Grundlage jeglicher Form von Menschenrechten. Sie versuchen damit auch, ihre früheren und künftigen imperialistische Militärinterventionen mit einem "humanitären" Deckmantel zu tarnen.
Die Weltöffentlichkeit hat schon für Milosevic entschieden!
Was immer Anklage und Richter in Den Haag - sie bilden ein Team - im Auftrage der NATO-Regierungen noch bewerkstelligen werden, eins steht bereits fest: Der oberste Richter ist die Weltöffentlichkeit, und diese hat bereits für Milosevic und gegen seine Verfolger entschieden. Was die Anklage mit ihren bisherigen Zeugen auffahren konnte, ist dürftig. Da ist der britische Liberale Lord Ashdown, von Anfang an ein strammer Befürworter einer militärischen "Lösung" im Kosovo und jetzt NATO-Statthalter in Bosnien-Herzegowina. Er will Milosevic persönlich schon im September 1998 gewarnt haben, dass er für Übergriffe gegen Zivilisten verantwortlich sei. Nichts Konkretes, nur Unbestätigtes vom Hörensagen. Sein Auftritt beweist lediglich, dass die Kriminalisierung der Führung Jugoslawiens schon frühzeitig und systematisch betrieben wurde. Ein weiterer "Kronzeuge", Ibrahim Rugova, jetzt albanischer "Präsident" des NATO-Protektorats Kosovo, gibt alle Schuld den Serben, begrüßt die NATO-Aggression, bestätigt das Streben der albanischen Separatisten nach einem "Großalbanien" und rechtfertigt die Terrorakte der UCK-Banditen. Nichts Konkretes, nur eine Illustration der Politik der NATO und ihrer terroristischen Hilfstruppen. Alle bisherigen Zeugen haben einen ähnlichen Eindruck hinterlassen. Mehr schlecht als recht von der Anklage präpariert, sagen sie auf, was von ihnen erwartet wird. Doch von Milosevic im Kreuzverhör mit präzisen Fakten konfrontiert, widersprechen sie sich, leiden an Gedächtnisschwund, wollen nie etwas mit den UCK-Terroristen zu tun gehabt haben und sind doch immer wieder zu Aussagen gezwungen, die mehr die Position von Milosevic stützen als die Anklage. Der erste serbische Kronzeuge, Ratomir Tanic, bekennt sich selbst als bezahlter Agent der Geheimdienste Englands, Italiens und Russlands. Offensichtlich hat er schon an der Anklageschrift mitgewirkt. Seine "Aussage" gleicht einem politischen Pamphlet, wonach eine friedliche Lösung im Kosovo möglich, aber von Milosevic nicht gewollt war. Im Kreuzverhör kommt heraus, dass er wegen eines Raubüberfalls vorbestraft ist. Sein "Insider"-Wissen will er als "persönlicher Berater" des Vorsitzenden der Partei "Neue Demokratie", Dusan Mihajlovic, erworben haben. Doch dieser, inzwischen serbischer Innenminister und einer der Hauptverantwortlichen für die Entführung von Milosevic, erklärt: "Ich wußte, dass Ratomir verrückt genug ist, sich als Zeuge zu bewerben und auszusagen, aber ich hatte nicht die leiseste Ahnung, dass die so dumm sind, ihn als Zeugen zu nehmen." "Tanic hat nie an Entscheidungen oder deren Ausführung teilgehabt, sondern hätte allenfalls ein Beobachter sein können, wie jeder andere Bürger auch."
Nur jahrelange Hetze gegen Serbien und die Serben und eine systematische Fehlinformation über den Verlauf des "Prozesses" verschleiern in der NATO-Öffentlichkeit die von Millionen Menschen in aller Welt begriffene Tatsache: Nicht Milosevic, die NATO-Führer gehören auf die Anklagebank.
Eine Beleidigung gegen die Gerechtigkeit
Appell des 'Belgrader Forum' anläßlich der Verleihung des 'Westfälischen Friedenspreises' an Carla Del Ponte
Wir begrüßen ... die Teilnehmer der Demonstration am 8. Juni in Münster. Wir hoffen, dass ihre Aktivitäten zur Verbreitung der Wahrheit über die Ziele und das tatsächliche Gesicht des 'Haager Tribunals' beitragen.
Das Gerichtsverfahren gegen Präsident Slobodan Milosevic und andere Personen aus höchsten staatlichen und militärischen Kreisen, die ihr Land gegen Aggression und Terrorismus verteidigt haben, hat zum Ziel, die Wahrheit über die Verbrechen gegen Frieden und Menschlichkeit der NATO und die der mit Al Quaida verbundenen Terroristen zu vertuschen. Das Ziel des Tribunals ist es, die Opfer als schuldige zu verurteilen und die wahren Täter zu schützen.
Womit hat das Verleihungskomitee seine Entscheidung, Carla Del Ponte den Preis zukommen zu lassen, begründet? Hat es erwähnt, dass sie es abgelehnt hat, gegen die Nato zu ermitteln, trotz Tausender von Opfern: Ermordeten und Entführten und der 350.000 Vertriebenen - vor allem Frauen, Kinder, Alte und Kranke? Hat es gesagt, dass Carla Del Ponte der Meinung ist, die Bombardements von Häusern, Schulen, Krankenhäusern, Kirchen, Fernsehstationen seien keine Verbrechen? Bekommt sie die Anerkennung dafür, dass sie nichts über den Einsatz von Munition mit abgereichertem Uran, über die Verseuchung der Erde, Wasser und Luft wissen möchte?
Wird der Sekt schmecken, wenn die Frage auftaucht, wer verantwortlich ist für die 350.000 von albanischen Terroristen vertriebenen Serben und Nichtalbanern aus Kosovo und Metohija?
Wird Gott verzeihen, dass niemand für die zerstörten Kirchen und Klöster, serbischen Heiligtümer - viele davon als europäisches Kulturgut deklariert - zur Verantwortung gezogen wird?
Selektive Gerechtigkeit ist keine Gerechtigkeit! Es gibt keine Gerechtigkeit, wenn Kläger und Richter die Gleichen sind!
Deshalb appellieren wir an alle Menschen guten Willens, Staatsmänner und Politiker, Wissenschaftlier, Diplomaten, Journalisten, Künstler, Nobelpreisträger, an Menschen in Fabriken und auf Feldern, an Jugendliche am Computer und weise Alte, Menschen aller Religionen: schweigen sie nicht, erlauben sie nicht, dass man Sand in die Augen streut, dass man mit Lärm euch die Ohren betäubt, dass man euren Verstand durch ständige Wiederholung von Unwahrheiten vernebelt und den Boden unter euren Füßen entreisst!
Erheben Sie die Stimme für Wahrheit und Gerechtigkeit! Fragen Sie, warum die USA das 'Haager Tribunal' finanzieren, aber nicht bereit sind, einen internationalen Strafgerichtshof zu akzeptieren? Verlangen Sie die Abschaffung des Haager Tribunals und die Rückkehr zur Gerechtigkeit in richtigen Gerichten. Verlangen Sie die Freilassung von Slobodan Milosevic und allen serbischen Gefangenen in Den Haag.
Das serbische Volk ist ein europäisches Volk: es hat Europa nicht weniger gegeben als es umgekehrt bekommen hat. Ungerechtigkeit gegen das serbische Volk ist Ungerechtigkeit gegenüber Europa.
Der Friedenspreis für Carla Del Ponte ist eine Beleidigung gegen das Recht und die Gerechtigkeit, gegen Serbien und ganz Europa.
'Friedenspreis' für Del Ponte - eine Verhöhnung aller Friedenskräfte!
Ansprache von Klaus Hartmann, Bundesvorsitzender des Deutschen Freidenker-Verbandes und Vizepräsident des Internationalen Komitees zur Verteidigung von Slobodan Milosevic
Liebe Friedensfreunde, Bürgerinnen und Bürger von Münster!
Was erleben wir heute in dieser Stadt? Keine Frage: Ein Riesenspektakel.
Die Event-Gesellschaft feiert sich, ein Marketing-Unternehmen sorgt für die Vermarktung, und wir erklären ganz eindeutig: wir gönnen dem Einzelhandel in Münster seine gesteigerten Umsätze dank des Friedensspektakels.
Unser Anliegen ist ein anderes: klarzumachen, dass dieses Friedensspektakel in Wirklichkeit ein Kriegsspektakel ist!
Was wir heute in Münster erleben, ist eine Komödie und eine Tragödie zugleich. Die Komödianten treten mit den feierlichsten ernsten Mienen auf, eine Ganovin erlebt eine Seligsprechung und die Intendanten schwelgen im Glücksgefühl einer gelungenen gigantischen Volksverdummung.
Wer hat dieses Spektakel eigentlich auf den Spielplan dieser Stadt gesetzt?
Wenn die "Wirtschaftliche Gesellschaft" eine Vereinigung der Münsteraner Kneipenkenner wäre, oder irgendeine Thekenmannschaft, dann hätte ich ja verstanden, dass sie in fortgeschrittener Bierlaune Frau del Ponte zur Miss Münster gekürt hätten.
Doch diese Wirtschaftliche Gesellschaft nimmt sich selber ernst, und bekennt in ihrer Selbstdarstellung:
"Ziel des Westfälischen Friedenspreises ist es, ein ‚Europa der Regionen’ aktiv zu fördern." Ein "Europa der Regionen" - wie klingt das? Zunächst doch nicht unsympathisch. Das hört sich an nach näher an der Basis, näher am Menschen, näher an der Heimat - aber es sagt natürlich nicht: Unverletzlichkeit der Grenzen, Gewaltfreiheit, Anerkennung der Souveränität und Gleichheit aller Staaten; nein, das meint ein "Europa der Regionen" nicht.
Ein "Europa der Regionen" ist ein bekanntes altes Motto, geboren bereits von Ideologen des deutschen Imperialismus während des Kaiserreiches, zum Zwecke der Zerlegung von souveränen Nationalstaaten, zu Gunsten des "übrig" bleibenden, alles beherrschenden Deutschen Reiches.
Dieses "Europa der Regionen" hat seine Legierung erfahren durch NSDAP-Chefideologen, hat seine letzten Schliffe bekommen in Hitlers Reichskanzlei, und es ist bis heute fortgesetzte Politik, die auch und gerade unter der rosa-grünlichen Bundesregierung gefördert wird, und der Zerlegung der sogenannten "künstlichen Staaten" dient: Nachdem Belgien zum Beispiel überhaupt kein Staatsvolk hat, sondern ausschließlich von sogenannten Minderheiten bewohnt wird.
Und diese Zerlegung von Nationalstaaten hat ihre Bewährungsprobe im negativen Sinne in Jugoslawien erfahren. Und von daher ist dieses propagierte "Europa der Regionen" eine Rattenfängermelodie, die allerdings sehr gut zum Vollzug der Seligsprechung für die NATO-Frontfrau Del Ponte heute passt.
Dieses sogenannte "Tribunal" in Den Haag ist die Fortsetzung der Aggression mit den vorgeblichen Mitteln von Justiz zu dem erklärten Zweck des Endsiegs der NATO im Propagandakrieg.
Dieses sogenannte "Tribunal" setzt die Opfer auf die Anklagebank, und die Täter sitzen zu Gericht. In dieser verkehrten Welt ist es völlig klar, dass Del Ponte heute einen "Friedens"-Preis und nicht den Kriegspreis bekommt, denn wir erleben die Orwell’sche Sprachverwirrung, die Umwertung aller Werte, nach dem die NATO eine Friedensbewegung ist, und Krieg Frieden bedeutet.
Was von diesem sauberen "Tribunal" zu halten ist, sagt sein Personal eigentlich selbst. Die Vorgängerin der schönen Frau, die heute den Preis erhält, hat einmal erklärt, dass dieses Tribunal eine "Mutter" habe. Sie sagte wörtlich: "Madeleine Albright ist die Mutter des Tribunals".
Bei dieser Familiengeschichte bleibt es nicht, das Tribunal hat auch Freundinnen und Freunde. So sagte zum Beispiel jemand, dass er ganz überzeugt sei, dass dieses "Tribunal" niemals Ermittlungen wegen NATO-Kriegsverbrechen aufnehmen wird. Dies war der ewig grinsende, Euch alle noch an Übelkeit erinnernde NATO-Sprecher Jamie Shea, der erläutert hat: "Die NATO ist die Freundin des Tribunals." Nun weiß ja jeder: Freundschaft beruht auf Gegenseitigkeit. Deshalb kann man diesen Satz - ohne ihm Gewalt anzutun - auch einfach umdrehen, und dann heißt er: "Dieses Tribunal ist die Freundin der NATO!" Und das ist die exakte Wahrheit!
Aber wer in dieser angeblich so mündigen Gesellschaft fühlt sich eigentlich betroffen von dem Schauprozess in Den Haag, wo der Aggressor sich anmaßt, über den Überfallenen zu Gericht zu sitzen?
Wer in dieser angeblichen Informationsgesellschaft weiß wirklich Bescheid, welch eine erbarmungswürdige armselige Show die sogenannten "Anklage" dort zu bieten hat, und mit welcher Überlegenheit, und mit welchen exakten Argumenten der sogenannte "Angeklagte" die präparierten und geheimdienstlich bezahlten Zeugen auseinander nimmt? In welchem Medium erfährt man eigentlich, dass die ganzen Konstruktionen der Münsteraner Preisträgerin sich als haltlos und als politische Auftragsarbeit der NATO erweisen, und als solche von Milosevic entlarvt werden?
Für dieses fast totale Schweigen der Medien, das sie inzwischen über diesen Schauprozess gelegt haben, zeichnen etliche mitverantwortlich, die vom Wirtschaftlichen Friedensmarketing auch verpflichtet wurden in diesen Tagen, zum Beispiel solche Knallchargen, die als Charakterdarsteller für Nebenrollen verpflichtet wurden, wie die notorische Serbenhasserin Caroline Fetscher, die gestern Abend als "Prozessbeobachterin" vorgeführt wurde, obwohl sie in den letzten Monaten an nicht einer einzigen Verhandlung in Den Haag überhaupt anwesend war.
Diese Dame hat bereits im Februar angekündigt und gefordert, dass die Medien auf Nachrichtensperre zu diesem "Prozess" umschalten müssen, sie hat sich nämlich schon im Tagespiegel vom 20.02.02 "beschwert", Zitat: "Vor einem Weltpublikum kam Slobodan Milosevic in Den Haag fast zehn Stunden lang unzensiert und ungebremst zu Wort. Er sprach von Nato-Bomben und der Schuld der Westpolitiker, von Historie und Medienhetze - wie er wollte und was er wollte." Diesen "Skandal" enthüllte sie unter der Überschrift "Missbrauch der Redefreiheit", und welche Vorstellungen die Dame von rechtstattlichen Prozess hat, enthüllte sie mit dem bemerkenswerten Satz: "Milosevic stößt bei seiner Verteidigung in Den Haag auf wenig Widerstand"!
Das muss man sich einmal vorstellen: dass einer, der sich verteidigt, nach den Vorstellungen dieser Dame "auf Widerstand" stoßen soll! Na ja, das Rechtsstaatsverständnis unserer Journalisten hat sich eben gewaschen. Und ein besonderer Star wurde verpflichtet, um die Dame, die heute den Kriegspreis erhält, mit seiner Lobpreisung selig zu sprechen. Dieser Mensch heißt Hugo, Hugo? - ja, Hugo heißt er - aber er heißt noch weiter, Moment bitte, ja: Hugo Müller-Vogg! Hugo Müller-Vogg - wer kennt ihn?
Hugo Müller-Vogg ist seit 1. Oktober 2001 für die Welt am Sonntag tätig. Vorher, bis Februar 2001, gehörte er dem Kreis der Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, dem Zentralorgan der Kapitalistischen Einheitspartei Deutschlands, an. Aus diesem Herausgeberkreis wurde der Mann entlassen. Die FAZ, nicht gerade bekannt, fortschrittliche oder linke Positionen zu vertreten, hat den Laudator der schönen Frau Del Ponte entlassen, weil er eine "zu konservative Linie" vertreten hätte. Dieser Mann ist tatsächlich die Idealbesetzung, um heute die Frau Del Ponte selig zu sprechen.
Warum die "Wirtschaftliche Gesellschaft" allerdings auf diesen Laudator verfallen ist, kann man sich gegebenenfalls damit erklären, dass der Mann schon verschiedene Vorträge bei der Konrad-Adenauer-Stiftung gehalten und bei Industrieverbänden gesprochen hat. So hat er 1999 beim Verband der Glas- und Mineralfaserindustrie gefaselt, pardon, gesprochen, und zwar zum Thema "Industrie - ein schwer verkäufliches Produkt". Na, da wird die "Wirtschaftliche Gesellschaft sich angesprochen gefühlt und gedacht haben, sie hat den richtigen Verkäufer gefunden.
Wenn wir uns umschauen, haben wir nicht gerade große Massen in Münster für den Protest gegen die NATO-Show versammelt. Was können wir dafür verantwortlich machen? Sicher nicht die "Faulheit" der Münsteraner Veranstalter, schon eher die "Zubereitung der öffentlichen Meinung", wie sie generalstabsmäßig in den letzten zwölf Jahren erfolgte. Eigentlich würden ihnen, den Medien, auch diverse Preise gebühren, und einen speziellen Laudator haben sie ja auch gefunden. Den schon erwähnte Grinsemann, Nato Sprecher Jamie Shea, mit den Worten:
"Die politischen Führer spielten nun die entscheidende Rolle für die öffentliche Meinung. Sie sind die demokratisch gewählten Vertreter. Sie wussten, welche Nachricht jeweils für die öffentliche Meinung in ihrem Land wichtig war. Rudolf Scharping machte wirklich einen guten Job. Es ist ja auch nicht leicht, speziell in Deutschland, das 50 Jahre lang Verteidigung nur als Schutz des eigenen Landes gekannt hatte, statt seine Soldaten weit weg zu schicken. Psychologisch ist diese neue Definition von Sicherheitspolitik nicht einfach. Nicht nur Minister Scharping, auch Kanzler Schröder und Minister Fischer waren ein großartiges Beispiel für politische Führer, die nicht der öffentlichen Meinung hinterher rennen, sondern diese zu formen verstehen.
Es stimmt mich optimistisch, dass die Deutschen das verstanden haben. Und jenseits der sehr unerfreulichen Begleiterscheinungen,"- jetzt kommt das schöne Wort wieder; "der Kollateralschäden, der langen Dauer der Luftangriffe, hielten sie Kurs. Wenn wir die öffentliche Meinung in Deutschland verloren hätten, dann hätten wir sie im ganzen Bündnis verloren."
Warum schreiben sich nicht mehr Linke, auch Friedensengagierte, diese Wort hinter die Ohren?
Wir konnten die Wirkung der generalstabsmäßigen Gehirnwäsche bereits im März 1999 erleben, als viel zu Wenige auf die Straße gingen, um gegen den völkerrechtswidrigen NATO-Überfall auf Jugoslawien zu demonstrieren.
Die Beteiligung Deutschlands an diesem Aggressionskrieg bleibt eine untilgbare Schande. Die damals schwiegen, wollen diese unangenehme Erinnerung am liebsten verdrängen und vergessen. Wir können ihnen versichern: das wird nicht funktionieren!
Die Schande wird nicht vergessen, auch wenn Showtage wie heute in Münster die Öffentlichkeit in einen ruhigen Schlaf singen sollen. Und die Kriege werden auch zurückkehren. Und gemäß der Erkenntnis, wer aus der Geschichte nicht lernt, ist verurteilt, sie zu wiederholen, erleben wir gerade, wie die Kriege an Intensität, an Zahl und an Ausdehnung der betroffenen Gebiete zunehmen.
Wer aber, wie der Konsument in der Mediengesellschaft, nur von einem inszenierten Event zum nächsten hetzt, und es als Friedensbewegter genauso hält, sich auch von Kriegsschauplatz zu Kriegsschauplatz treiben lässt, der wird den Kriegstreibern eben nicht in den Arm zu fallen, sondern ihnen immer nur hinterher hecheln.
Notwendig ist, die Zusammenhänge zu erkennen. Und wenn das manchen, gerade in Deutschland, mit den rosa-grünlichen Illusionen nach der letzten Bundestagswahl besonders schwer fallen dürfte, zumindest müssten wir versuchen, deutlich zu machen: Dieser Aggressionskrieg gegen Jugoslawien war der entscheidende, der Türöffnerkrieg für die weiteren Kriege, die bisher schon kamen, und die uns schon offen angekündigt sind.
Zumindest, wenn sie uns oder mir nicht glauben wollen, sollen sie doch wenigstens auf ihren geschätzten Kanzler Gerhard Schröder vertrauen. Wenn man seine Worte hört, liest, versucht, zu begreifen, kann man eigentlich nicht sagen, dass man nicht wüsste, woran man ist - also, von dem ersten Satz mal abgesehen, den kennt Ihr alle:
"Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, ... wir führen keinen Krieg ..." Das sagte er bekanntermaßen, als die ersten deutschen Bombenflugzeuge ihre humanitäre Fracht über Jugoslawien ausluden. Aber möglicherweise war das auch nur ein Versprecher an diesem ersten Abend, denn als dieser "Nichtkrieg" vorbei war, da war es für den Schröder auch etwas klarer, denn dann sagte er: "Über eines habe ich mich immer gewundert. (...) Wie wenig wahrgenommen worden ist, dass die Entscheidung zum Krieg" - da war es dann plötzlich einer - " eine fundamentale Veränderung der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik bedeutet hat." "Ich behaupte:" - also Schröder behauptet, das ist noch im Zitat: "Keine andere Regierung als unsere hätte sie so treffen können und so ausgehalten".
So, das war alles 1999, aber was hat das mit heute zu tun? Und manche Friedensbewegten, die heute gegen den Krieg "gegen Terrorismus", wie das so euphemistisch genannt wird, demonstrieren, die sind ja heute immer noch nicht bereit, den Krieg für Terroristen, den man 1999 geführt hat, zu verurteilen.
Aber: der Bundeskanzler Schröder erklärt uns das. Wir müssten ihm nur besser zuhören. Nämlich in einem Interview, in der Zeit vom 18. Oktober 2001 - das war nach dem berühmten 11. September - da erklärt er sein umstrittenes Wort von der 'uneingeschränkten Solidarität', und zwar so:
"Ich habe nie einen Zweifel daran gelassen, dass uneingeschränkte Solidarität für die Bundesregierung auch einschließt, einen militärischen Beitrag zu leisten, falls die Amerikaner ihn erbitten. Wir haben nicht erst heute oder seit dem 11. September angefangen zu handeln, sondern wir haben in den letzten drei Jahren - manchmal etwas unbemerkt - deutsche Außen- und Sicherheitspolitik, wie ich glaube, fundamental verändert. Das begann mit der Entscheidung, im Krieg gegen Milosevic teilzunehmen..."
Also: Hört auf Gerhard Schröder! Er selbst macht klar: Der Krieg "gegen Milosevic", wie er das nennt, war die Einstiegsdroge, die uns zum ständigen weiteren Kriegführen in aller Welt verdammt und verpflichtet!
In seiner Regierungserklärung am 11. Oktober letzten Jahres war seine Schlüsselbotschaft die "Enttabuisierung des Militärischen", dass das Militärische in der Außenpolitik nicht tabuisiert wird, wie das lange gemacht wurde. Und sein Kriegsminister Scharping erklärt, wie "Sicherheit" heute "neu" zu definieren ist. Er sagte: "Wir wissen doch alle, dass zum Beispiel die weltwirtschaftliche Stabilität und die weltwirtschaftliche Sicherheit von dieser Region" (Afghanistan, Mittlerer Osten) "stark beeinflusst werden können, von jener Region, in der 70 Prozent der Erdölreserven des Globus und 40 Prozent der Erdgasreserven des Globus liegen."
Damit haben wir auch die "humanitären" Motive dieser und der künftigen Kriege einfach buchstabiert bekommen. Wir müssten nur zuhören. Viele Friedensfreunde müssten zuhören - weil: das Glück kennt keine Grenzen! Die Frankfurter Rundschau berichtet am gestrigen Tag (07.06.2002): "Nato peilt weltweite Einsätze an - Strategieentwurf sieht vorbeugende Schläge gegen Terror vor - die Nato schwenkt auf die Linie der USA ein", die auf "weltweite militärische Präventivschläge dringt". Nach dem gleichen bericht hat der US-Verteidigungsminister eine Liste von 60 Staaten genannt! Sechzig Staaten, gegen die möglicherweise! die sogenannte "Terrorprävention" demnächst greifen muss.
Wer also angesichts dieser Entwicklung nicht versteht, was in Den haag gespielt wird, dass es darum geht, genau diese künftige Strategie der weltweiten Intervention der NATO freizusprechen, zu legitimieren, und dazu braucht man eines: die Legitimierung der verbrechen, die man mit der Aggression gegen Jugoslawien als Einstiegsdroge begangen hat.
Wir erleben heute in Münster ein weiteres Kapitel der fortgesetzten Gehirnwäsche. Ich hatte schon 1999 während Antikriegsdemonstrationen gesagt: Ich mache nicht das Zugeständnis, das in der Friedensbewegung allenthalben gefordert wird: Ich beantrage nicht die Zulassung in den Club der staatlich lizensierten Kriegsgegner. Ich beginne meine Rede nicht mit einer Distanzierung von Slobodan Milosevic.
Ich weiß, wenn man in diesem Land "Milosevic-Freund" genannt wird, dass es einen ähnlichen Klang hat, wie wenn man Kinderschänder genannt wird. Aber wir gehen vor diesen Forderungen des "Mainstream" eben nicht in die Knie! Wir sprechen den Namen Slobodan Milosevic laut und deutlich und ohne Scham aus. Jugoslawien war das erste Opfer dieser "Neuen Weltordnung" der NATO. Slobodan Milosevic ist das Symbol des Widerstandes gegen diese "Neue Weltordnung" der NATO. Und genau für diese Rolle, für diese "Unbotmäßigkeit", Widerstand gegen das Imperium geleistet zu haben, dafür wird und muss er abgestraft werden. Das ist der Zweck der Veranstaltung in Den Haag, und das ist der Zweck der heutigen Veranstaltung für Frau Del Ponte.
Deshalb bekräftigen wir an dieser Stelle, unabhängig der Pläne des ehemaligen NATO-Generalsekretärs Solana und des in Belgrad amtierenden Marionettenregimes:
Wir halten an dem Prinzip, wir halten an der Idee und den Idealen Jugoslawiens fest!
Wir halten an der Solidarität mit Slobodan Milosevic in dieser Situation als politischer Gefangener der NATO fest!
Wir fordern die Abschaffung des NATO-Tribunals der Kriegsverbrecher!
Wir sagen: Solidarität mit Jugoslawien bleibt unsere Sache. Lang lebe Jugoslawien!
Danke.
Lokal, National, Global - Münster als Militärstadt
Rede von Dieter Keiner - vorgetragen vor dem Deutsch-Niederländischen Korps in Münster bei der von der Gruppe BASTA organisierten Demonstration gegen Krieg und Rassismus am 1.12.2001
Ich beginne mit einem Zitat von Subkommandante Marcos - als Referenz an die Initiatoren dieser Demonstration, als Würdigung der mit dieser verbundenen harten Arbeit und als Dank für die Einladung, hier sprechen zu dürfen: "Der Ruf Basta! Es reicht! findet ein Echo in anderen Teilen der Welt, und unsere Forderung, wir brauchen einen Platz auf der Erde, wo wir sein können, wie wir sind, spiegelt die Problematik und die Forderungen anderer Menschen wider.”
Das Ausgangsproblem
Wie können wir verhindern, dass wir, die wir gegen Militarisierung, Krieg und Rassismus kämpfen, Teil der Gewaltspirale werden, uns von Manipulations- und Lügenagenturen der Warlords beeinflussen, uns zu einem Teil der Gewaltfiguration machen lassen und im Sinne der durchgesetzten Militarisierungs-, Kriegs-, Überwachungs- und Repressionspolitik zu funktionieren beginnen?
Mein Text für die heutige Demonstration gegen Krieg und Rassismus hat etwas mit der Suche nach Antworten auf diese Frage zu tun.
I.
Die Bedingungen für den anti-militaristischen Kampf sind schwieriger, die Verhältnisse eindeutiger geworden. Wir bewegen uns erkenntnistheoretisch, in unseren Alltagswahrnehmungen und in unserem praktischen Handeln auf der Höhe der Dialektik des Globalisierungsprozesses.
Wir erleben und erkennen, dass und wie sich sowohl hinsichtlich von Krieg und Militarisierung wie hinsichtlich des Widerstandes die drei Ebenen des Globalen, des Nationalen und des Lokalen in einer neuen Weise verzahnen, aufeinander bezogen werden, ineinander greifen.
II.
1. Die lokale Ebene innerhalb dieser Dialektik erscheint angesichts globaler Kriegsverhältnisse und angesichts einer nationalen Kriegspolitik in einem neuen Licht und ist in ihrer neuen Bedeutung für die globale wie nationale Ebene der Militarisierung wie des Widerstandes zu beurteilen.
2. Die nationale Ebene erscheint ebenfalls angesichts der von den USA und der NATO betriebenen globalen Kriegspolitik in neuem Licht und ist in ihrer Bedeutung für die lokale wie die globale Ebene der Militarisierung wie des Widerstandes zu beurteilen.
3. Die globale Ebene erscheint ebenfalls angesichts der Kriegspolitik in einem neuen Licht und ist zu beurteilen in ihrer Bedeutung für Prozesse der Militarisierung und des Widerstandes auf der lokalen wie der nationalen Ebene.
III.
Welche Erkenntnisse lassen sich aus der neuen politischen wie militärischen Verzahnung der drei Ebenen des Lokalen, Nationalen und Globalen gewinnen - sowohl für die Form der Durchsetzung der Prozesse der Militarisierung wie auch des Widerstandes auf allen drei Ebenen?
1. Die lokale Ebene
a.
Nehmen wir Münster als Militärstadt ernst - als eine Stadt, die für die Militarisierungsprozesse auf der nationalen wie globalen Ebene eine neue Bedeutung gewinnt. Die Stadt ist integraler Teil der neuen, globalen westlichen Kriegsszenarien:
dem Strategie-Konzept der NATO vom April 1999 hat sich die Rolle des Militärs in dieser Stadt zu verändern begonnen;
das deutsch-niederländische Korps wird strategisch umgebaut zu einer schnellen Eingreiftruppe der NATO, mit Zuständigkeit auch für die Logistik des Einsatzes schneller Eingreiftruppen in Zeiträumen von maximal 30 Tagen in jeder von der NATO als Krisengebiet definierten Region der Welt;
das Luftwaffen-Transportkommando erhält neue strategische Aufgaben im Verbund mit den Niederlanden, die alle strukturell darauf gerichtet sind, "rapid deployment", also die schnelle Platzierung von Militäreinheiten in Kriegsgebieten, zu gewährleisten;
die in Münster stationierten Panzereinheiten der ehemaligen britischen Rhein-Armee sind ebenfalls in das neue NATO-Konzept integriert und unterliegen denselben strategischen Umbauplanungen wie das deutsch-niederländische Korps und das Luftwaffen-Transportkommando;
zu beachten ist auch im Kontext dieser Prozesse der Militarisierung und der strukturellen Veränderung der Aufgaben der in Münster stationierten Militäreinheiten und angesichts der geplanten Neubestimmung des Verhältnisses von Polizei und Bundeswehr die geplante Weiterentwicklung der Polizeiführungs-Akademie in Hiltrup zur "Deutschen Hochschule der Polizei”. Dies wird zu einer weiteren inneren Militarisierung dieser Stadt beitragen, nicht zuletzt in den Hochschulen Münsters, hat doch die Polizeiführungs-Akademie, wie der Oberbürgermeister kürzlich betonte, heute schon einen festen Platz in der Bildungs-, Forschungs- und Hochschullandschaft Münsters. Der Oberbürgermeister hat auch für diese Entwicklungsperspektiven die populistische Version bereit, die allerdings sehr viel Wahrheit enthalten dürfte: "Sicherheit gehört heute in den Kommunen zu den harten Standortfaktoren” (Münstersche Zeitung vom 27.11.2001).
In der Summe heißt dies, dass die lokale Ebene des Militärs und daß die lokalen Militarisierungs- und Überwachungsprozesse einbezogen sind in einen strukturellen, strategischen Umbauprozess, der sich auf zwei Ebenen bezieht und detailliert dokumentiert werden kann:
auf die Ebene des Militärs und der Militärtechnologie;
auf die Ebene der strategischen militärischen Mobilitätslogistik.
Beide Ebenen sind Teil der Realisierung des neuen NATO-Konzepts. Die nationalen Armeen eines jeden Mitgliedstaates der NATO sind in diesen Umbauprozess in verbindliche Planungen integriert und diesen unterworfen.
Der antimilitaristische Widerstand in dieser Stadt hätte hierfür, so wie es das Aktionsbündnis gegen den Krieg seit 1999 tut, kontinuierlich Öffentlichkeit herzustellen, Entwicklungen zu dokumentieren und zu analysieren und den politischen Mandatsträgern, insbesondere in Wahlkämpfen, es schwer zu machen, diese Stadt als Friedensstadt zu vermarkten und damit die lokale wie die regionale Öffentlichkeit bewusst zu täuschen.
b.
Nehmen wir Münster ernst als Stadt, die mit den hier operierenden Parteien der SPD, der Grünen, der CDU und der FDP und mit deren politischen Eliten aktiv mitwirkt an der lokalen Umsetzung der nationalen wie globalen Militarisierungs- und Kriegspolitik.
In diesen sich verändernden strukturellen Kontexten ist die Rolle der lokalen politischen Eliten wie auch die einzelner Personen zu beurteilen. So muss der MdB Nachtwei als Teil des militärstrategischen Establishments begriffen werden - mit der besonderen Aufgabe, sich von einer sicheren politischen Heimatbasis aus um das, was die NATO zivil-militärische Beziehung nennt, zu kümmern - also alles zu tun, was die möglichst konfliktfreie Beziehung zwischen Militär und Bevölkerung fördert und dabei die NATO-Ideologie der zivilen, friedensfördernden und friedenserhaltenen Zukunftsaufgaben dieses Bündnis unters Wahlvolk zu bringen, das heißt, herrschaftsrelevant für die nationale wie globale Ebene von der lokalen politischen Basis aus diese Ideologie zum Tragen zu bringen.
Nehmen wir also diese Stadt auch ernst in ihrer Bedeutung für die politische Durchsetzung und Legitimation von Militarisierung und Krieg und sprechen wir den Parteien der Grünen, der SPD, der CDU und der FDP und all ihren opportunistischen Mitläufern das Recht ab, vor Ort Friedenspolitik zu machen und gleichzeitig jedwede Kriegsplanung auf der Bundesebene zu decken. Lassen wir uns nicht deren Schizophrenie aufdrängen.
2. Die nationale Ebene
a.
Nehmen wir zur Kenntnis, dass vor unseren Augen ein weiteres Mal, nach Remilitarisierung, NATO-Beitritt, Atomenergieentscheidung, eine langfristig folgenreiche Entscheidung gegen die Menschen dieses Landes getroffen worden ist: Krieg ist von jetzt ab integraler, politisch gewollter Bestandteil deutscher Außenpolitik.
Für die BRD hat damit eine neue Phase ihrer Geschichte begonnen.
Wenn die politische Schickeria à la Rezo Schlauch von einer historischen Entscheidung redet, dann ist es genau dies, was sie meinen. Da helfen keine Beschönigungen, keine Verharmlosungen und Lügen. Der Beschluss des Bundestages zu der neuerlichen Beteiligung an einem Krieg liest sich wie ein außenpolitisches Ermächtigungsgesetz: "Einsatzgebiet der deutschen Truppen ist die arabische Halbinsel, Mittel- und Zentralasien und Nord-Ost-Mittel- und Zentralasien und Nord-Ost-Afrika sowie die angrenzenden Seegebiete.” Und: die deutsche Beteiligung an der Operation in "Enduring Freedom" hat auch zum Ziel, "Dritte dauerhaft von der Unterstützung terroristischer Aktivitäten abzuhalten.”
Also: Geopolitisch weit definierte Räume und Aufgaben für die neue deutsche Außenpolitik.
b.
Nehmen wir zur Kenntnis, dass diese neue Außenpolitik eine neue, repressive Innenpolitik impliziert. Das nach außen über die NATO offensiv definierte Gewaltmonopol des Staates der BRD wird zeit- und strukturgleich nach innen gegen die Menschen dieses Landes gerichtet - und zwar in allen relevanten innenpolitischen Politikfeldern - mit Blick auf die Intensivierung alter und die Durchsetzung neuer Formen staatlicher Überwachung und Repressionen und mit Blick auf die Vernichtung von Steuermitteln für die Kriegspolitik zu Lasten der Bevölkerung.
Es geht also innenpolitisch, auf der nationalen Ebene, primär um die so genannten Sicherheitspakete und um Haushaltsentscheidungen im Sinne einer Umverteilung öffentlicher Mittel zugunsten der Kriegspolitik und Überwachungspolitik und zu Lasten der Bevölkerung. Für das Jahr 2001 geht die Bundesregierung von "Mehrausgaben von ca. 50 Millionen-DM” aus. "Im Jahre 2002 werden zusätzliche Ausgaben bis zu 500 Millionen-DM erforderlich. Sie werden aus den zusätzlichen Anti-Terror-Mitteln finanziert.”
Wir sehen an diesen wenigen Beispielen, wie sich die nationale Ebene neu strukturiert, wie sie neu strukturiert wird und es ist unschwer zu erkennen, dass diese Neustrukturierung der Außenpolitik der Bundesrepublik im Kontext der NATO und im Kontext der uneingeschränkten Solidarität mit den USA vielfältige Implikationen für die lokale Politikebene hat und in hoher Verzahnung mit den Kriegsplanungen und Militarisierungsprozessen auf der globalen Ebene steht.
c.
Die Betrachtung der nationalen, innenpolitischen Ebene in ihrer Bedeutung für die globalen wie lokalen Prozesse erfordert aber auch einen Blick auf die politisch-strategische Bedeutung des Bundesverfassungsgerichtes als Teil des arbeitsteiligen Herrschaftsapparates der BRD. Dieses Gericht hat in seinem 2. Senat unter der Präsidentin Limbach am 22.11.2001 die Organklage der PDS-Bundestagsfraktion zurückgewiesen und festgestellt, dass die Zustimmung des Bundestages zu dem neuen strategischen Konzept der NATO von der Regierung nicht eingeholt werden musste.
Das Gericht stellt in seinem sechsten Leitsatz fest: "Das neue strategische Konzept der NATO von 1999 ist weder ein förmlich noch ein konkludent zustande gekommener Vertrag.”
Und in Leitsatz zwei wird formuliert: "Die Fortentwicklung eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit im Sinne des Artikels 24 Abs. 2 GG, die keine Vertragsänderung ist, bedarf keiner gesonderten Zustimmung des Bundestages.”
Der Bundestag wird also in der Auslegung des NATO-Strategiekonzepts von 1999 "in seinem Recht auf Teilhabe an der auswärtigen Gewalt” nicht verletzt.
So einfach ist das also: die Strategische Neuorientierung der NATO erfplgt also ohne förmlichen oder sonstigen Vertrag, dies führt zur Feststellung, dass diese Neuorientierung kein Vertrag sei, womit die Regierung legitimiert wird, sich ohne den Bundestag im Rahmen der "Fortentwicklung des Systems gegenseitiger Sicherheit” zu bewegen. Das Urteil ergeht allerdings zu einem Zeitpunkt, an dem wir wissen, dass eine Mehrheit im Bundestag für die Zustimmung zu dem Strategiekonzept der neuen NATO kein Problem gewesen wäre - heute zumindest nicht. Erinnert werden muss in diesem Zusammenhang aber auch daran, dass das Strategiekonzept der NATO in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Krieg der NATO gegen die Bunderepublik Jugoslawien gesehen werden muss und dieser Krieg schon mit Blick auf dieses neue Strategiekonzept und die darin enthaltenen neuen strategischen Optionen geführt wurde. De facto hat also dieses Konzept, an dem über Jahre gearbeitet wurde, wie ein Vertrag gewirkt. Auf dessen Grundlage hat die Bundesregierung die Bundesrepublik in diesen für Deutschland ersten Krieg nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges geführt.
Betrachten wir diese Aspekte in Zusammenhang, so entsteht innenpolitisch, auf der nationalen Ebene, in komplexen Prozessen eine neue Qualität nationaler Politikverhältnisse im Kontext einer geopolitischen Neuorientierung der kapitalistischen Hauptländer nach 1989. Das bestimmende Motiv der neuen Außen- wie Innenpolitik der BRD ist das Erreichen und die Absicherung eines möglichst hohen Ranges im System der kapitalistischen Hauptländer und der von diesen betriebenen Weltordnungspolitik. Die global agierenden deutschen Kapitalfraktionen bekommen nun, was sie brauchen. Ihr Schweigen zur nationalen wie globalen Kriegspolitik ist nicht das Schweigen der Lämmer, es ist das Schweigen der Wölfe.
3. Die globale Ebene
Wesentliche Implikationen der Entwicklungen im globalen Maßstab im Bereich der politischen Durchsetzung und des faktischen Vollzugs der Militarisierungsprozesse und der Kriegspolitik, die auch unmittelbar Folgen für die nationale wie die lokale Ebene haben, werden über die NATO und die geopolitischen Interessenlagen der USA vermittelt.
Nehmen wir zur Kenntnis, dass die NATO nach 1999 konsequent zum zentralen Organ einer vom Westen definierten Weltordnungspolitik weiterentwickelt wurde. Sie wird, jeder demokratischen Kontrolle entzogen, als militärische Schutzmacht des globalagierenden Kapitalismus und im Kontext der geostrategischen Interessen der Hauptländer des Kapitalismus entwickelt zu einer informellen, auf militärischer Machtanwendung basierenden Weltregierung. Über das neue Strategiekonzept wird die NATO so zu einer Art militärisch-operativem geschäftsführenden Ausschuss, zu einem Zentralorgan einer vom Westen definierten Weltordnungspolitik. Hierin liegt die "Fortentwicklungsperspektive”, in der Formulierung des Bundesverfassungsgerichts, des Strategiekonzepts von 1999.
Und: Die NATO sichert inzwischen das von den USA beanspruchte und nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges offensiv praktizierte globale Gewaltmonopol ab: Also eine neue strategische Allianz, für die uneingeschränkte Solidarität der NATO-Länder eine wesentliche Bedingung ist. Auf diesem Weg wird nun der Anspruch der USA auf ein globales Gewaltmonopol über eine komplexe, immer mehr Länder einbeziehende Bündnisstruktur gewaltförmig abgesichert und legitimiert.
Krieg ist also in einer neuen Qualität zu einem integralen Teil einer von den USA und der NATO definierten Weltinnenpolitik geworden. Das Zusammenspiel der Ebenen des Globalen, Nationalen und Lokalen scheint mit hoher Perfektion geplant und realisiert zu werden - von lokalen Heeresschauen, Abendmärschen, Zapfenstreichen, in Schulen agierenden Verbindungsoffizieren, über strukturelle Veränderung der Militärstandorte bis hin zu den lokal und national agierenden Parteien, Kabinetten, Regierungen, politischen Eliten und Gerichten - und bis hin zu Beschlüssen der UNO und des Weltsicherheitsrates.
Nehmen wir aber auch zur Kenntnis, dass ein auf Krieg als Mittel nationaler wie internationaler Politik setzender Teil der internationalen Staatengemeinde unter Führung der USA und der Hauptländer der NATO keines der Probleme lösen wird, die mit Blick auf humane Zukunftsperspektiven der Weltgesellschaft sowieso nur in einer langen Perspektive, mit ungeheueren Mitteln und einem hohen Engagement von Mensch gelöst werden können: Hunger, Armut, Krankheiten, Analphabetismus, Ökologie- und Energieprobleme, Bevölkerungswachstum.
Vor diesen Problemen wird eine auf Krieg setzende Politik, und das heißt ab sofort auch die Politik dieses Landes, scheitern. Der Staat der BRD, der diese Politik sehenden Augen betreibt, ist nun in der Tat zu einem der Schurkenstaaten der Welt geworden, die auf Krieg als Mittel der Politik setzen, denn diese Kriegs- und Militarisierungspolitik wird im Wissen um die oben genannten Probleme betrieben, zu deren Lösung sie nicht nur nicht beiträgt, sondern diese verschärft und neue schafft.
Was lässt sich folgern?
Es gibt keine Alternative zum "Machen der Wege". Doch wie?:
Jeder Widerstand gegen die Kriegs- und Militarisierungspolitik ist zu begreifen als ein Moment von Systemwiderstand und enthält daher immer eine Transformationsperspektive.
Jeder Widerstand ist verwiesen auf ein hohes Niveau an Wissen und Erkenntnissen und auf den Mut zu diesen.
Jeder Widerstand, der immer auch lokaler Widerstand sein muss, ist angewiesen auf eine praktikable, in der Praxis wirksame lokale, nationale wie internationale Vernetzung und damit auf neue Formen von lokaler, nationaler und globaler Öffentlichkeit.
Jeder Widerstand wird zukünftig noch stärker als heute angewiesen sein auf die Überwindung von Gruppen- und Grüppchenegoismen, auf die konkrete, praktische Solidarität konkreter Menschen, auf solidarisches, gemeinsames Handeln und auf konkrete Beiträge, in denen Menschen ihre spezifischen Ausdrucksformen von Widerstand finden können. Nur in dieser Vielfalt kann der Widerstand bunt und radikal werden und Menschen in ihren vielfältigen Fähigkeiten einbeziehen.
In der Summe heißt dies: Keine einfachen Bedingungen. Keine einfachen Perspektiven. Und wenn es so ist, dann ist es gut so.
Und vergessen wir nicht bei dem Versuch, uns selbst nicht zu einem Faktor in der Eskalation der Gewalt nach innen wie nach außen machen zu lassen, uns immer auch einen unverstellten Blick auf den Zynismus der Macht zu erhalten, uns diesen nicht abhandeln zu lassen, beispielhaft vorgeführt von der Außenministerin der Regierung Clinton am 12. Mai 1996 in der US-Fernsehsendung "60 Minuten”, als Frau Albright auf die Frage des Moderators, L. Stahl, ob es sich mit Blick auf den Irak und das Embargo gelohnt habe, den Preis in Gestalt des Todes von einer halben Million Kinder zu zahlen, antwortete: "Ich denke, dass dies eine sehr schwere Entscheidung war, aber der Preis, wir denken, der Preis war es wert”.
Der Preis war es wert! Ja, es hat sich gelohnt, dass dieser Preis gezahlt wurde, dass wir ihn bewusst für unsere Politik in Kauf genommen haben - 500.000 Kinder getötet.
Der Zynismus der Macht und die Kaltschnäuzigkeit der Macht zeigen sich auch bei Wesley Clark, dem NATO-Oberkommandierenden während des Krieges gegen die Bundesreüublik Jugoslawien, der in seinem 2001 erschienenen Buch "Waging Modern Wars”, offenlegt, worin er die zu lernenden Lektionen aus dem Krieg der NATO gegen die Bundesrepublik Jugoslawien sieht.
Ich beschränke mich auf einige wenige Punkte:
Von einem modernen Krieg kann gesprochen werden, wenn die Gegner nicht dominant sind und wenn die Anlässe nicht das unmittelbare Überleben der großen Mächte bedrohen;
zur Diskussion steht das Verhältnis von politischer und militärischer Führung;
der effektive Gebrauch militärischer Gewalt erfordert es, die politische Dynamik hinter sich zu lassen und den ‘Prinzipien des Krieges’ zu folgen;
die Präzisionsschläge gegen Osama bin Laden 1998 waren Fehlschläge, weil auch hier nicht konsequent der militärischen Dynamik gefolgt wurde;
die Effizienz des Jugoslawien-Krieges wurde beeinträchtigt, weil der Krieg zu einem Test für die Rolle der NATO im Europa nach 1989 wurde;
es gab in Washington keinen strategischen Konsens, keine vereinheitlichte nationale US- Strategie;
es war in diesem Krieg nicht möglich, die Presse auszuschließen;
die Schlachtfelder der Zukunft werden mehr dem Kosovo als der irakischen Wüste ähneln - mit Wolken, Vegetation, Dörfern und Städten und mit einer Zivilbevölkerung, der möglichst nichts geschehen soll.
Dies alles und noch mehr ist bei zukünftigen Kriegen der modernen Art zu beachten, wobei nach Clark sich die Zukunft der NATO und ihrer Rolle in der Welt des 21. Jahrhunderts über solche Kriege entscheiden wird. Die USA operieren nach Clark im globalen Maßstab aus einer Position der Stärke ihrer Institutionen, ihrer Werte, ihrer Ökonomie und Unterhaltungsindustrie, allerdings wird amerikanische Führerschaft nötig sein für die Durchsetzung der Interessen der USA, es wird nicht nur auf Rat und die Bereitstellung von Ressourcen, sondern immer auch auf eigene Präsenz ankommen. Dieses Buch liest sich wie eine Ankündigung wohl vorbereiteter zukünftiger Kriege. Da kommt der 11. September gerade recht. Auch darin kennt der Zynismus der Macht offenbar keine Grenzen.
Ich danke Euch für Eure Aufmerksamkeit und wünsche der Demonstration einen guten Verlauf.
Was ich deutlich machen wollte, findet heute hier statt: Es gibt eine neue Dialektik, eine neue Verzahnung des Globalen, Nationalen und Lokalen. Eine der Implikationen dieser neuen Qualität der Vermittlung dieser drei Ebenen ist die, den lokalen Widerstand gegen Militarisierung und Krieg ernst zu nehmen und auch hier neue Formen der aktiven Kooperation aller, die gegen Krieg und Militarisierung sind, zu erproben.