Berlin, 28.9.2002 - Demonstration 'Solidarität mit Palästina'
Solidarität mit Palästina!
Aufruf zur Demonstration in Berlin, 28.9.02, 14 Uhr, Adenauerplatz
Am 28.9. 2002 jährt sich zum zweiten Mal der Beginn der Intifada, des Aufstands der palästinensischen Bevölkerung gegen die israelische Besatzungspolitik. Doch statt den berechtigten Forderungen der PalästinenserInnen nach Selbstbestimmung nachzukommen hat Israel seitdem über 2000 von ihnen ermordet, 50000 verwundet, zehntausende eingekerkert und gefoltert. Viele der Opfer sind Kinder und Jugendliche. Die gesamte Infrastruktur und Lebensgrundlagen werden vernichtet, angefangen mit dem Ausreißen von Olivenbäumen, über die Zerstörung von Häusern, Fabriken, Krankenhäusern und Schulen, bis hin zur gezielten Ermordung. Seit über einem Jahr leiden 3 Millionen Menschen im Gazastreifen und der Westbank unter willkürlichen Ausgangssperren, Hungersnot, Arbeitslosigkeit und Behinderung der medizinischen Versorgung. Verwaltungsgebäude und Einrichtungen der Autonomiebehörde werden dem Erdboden gleichgemacht, AktivistInnen der Intifada werden verbannt oder systematisch ermordet. Das Ziel dieses gesamten Terrors ist klar: Die Vernichtung jedes Ansatzes von Selbstorganisierung und Widerstand, und die Vorbereitung einer erneuten Massenvertreibung dieses seit über 50 Jahren geschundenen Volkes. Nach der ersten Intifada, in der die gesamte palästinensische Bevölkerung von 1987 - 1991 gegen ihre totale Rechtlosigkeit aufstand, hatte die PLO in den Osloer Verträgen auf 78% des palästinensischen Gebietes in der Hoffnung verzichtet, auf dem verbleibenden Rest nach Jahrzehnten des Leidens einen lebensfähigen palästinensischen Staat errichten zu können. Doch Israel sorgte dafür, dass dieser "Friedensprozess" scheitern musste, da es die gleiche kolonialistische und rassistische Politik fortsetzte wie in den nunmehr 54 Jahren seit seiner Staatsgründung; so wurden die besetzten Gebiete seit Oslo systematisch mit Siedlungen und - von unzähligen Militärkontrollposten abgesicherten - Straßenverbindungen in lebensunfähige, abgeschottete Bantustans zerschnitten.
Bei all diesen Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist sich Sharon der vollen Unterstützung besonders durch die US-Regierung gewiss, von der er jährlich 3 Mrd. Dollar Militärhilfe, modernste Waffentechnologie und die Absegnung von Massenvernichtungswaffen einschließlich derzeit 200 Atombomben erhält. Aber auch die Bundesregierung liefert Waffen und gewährt weiterhin EU-Export-Beihilfen für ein angebliches "Entwicklungsland", dessen Militärhaushalt dreimal so groß ist wie von allen arabischen Staaten zusammen. Dutzende UN-Resolutionen, die das Selbstbestimmungsrecht der PalästinenserInnen anerkennen und Israels Staatsterrorismus verurteilen, werden ungestraft mit Füssen getreten - ganz im Gegensatz zu anderen Ländern wie dem Irak oder während des Kosovokrieges. Der 11. September lieferte den Vorwand, im Rahmen des "Antiterrorfeldzugs" den gesamten palästinensischen Widerstand als terroristisch zu brandmarken und seine Vernichtung anzustreben. Mit dem geplanten Angriff auf den Irak macht die US-Regierung zudem deutlich, dass sie entschlossen ist, in der gesamten Welt jegliche Regierung, Strömung und Organisation zu zerstören, die sich ihren Macht- und Ölinteressen nicht bedingungslos unterordnet. Die Bundesregierung weiß, dass in der deutschen Bevölkerung, aber auch besonders im arabischen Raum der Widerstand gegen diese Politik anwächst und in Folge eines Militärschlags der gesamte Nahe Osten in Brand geraten und unbeherrschbar werden kann. Schröders begrüßenswerte Ablehnung eines Angriffs auf den Irak kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die israelischen Verbrechen weiterhin abgesegnet werden. Jegliche Kritik an Israel wird als antisemitisch diffamiert, der Islam zum neuen Feindbild erklärt, humanitäre Hilfsorganisationen verboten. Hier lebende AusländerInnen, besonders arabischer Herkunft, werden mit Rasterfahndung, Einschränkung demokratischer Rechte und allgemeiner Hetze eingeschüchtert und zu Menschen zweiter Klasse erklärt. Diese gesamte Politik bedeutet aber nicht nur eine Gefährdung des gleichberechtigten und friedlichen Zusammenlebens aller Menschen, sondern auch die Gefährdung demokratischer Rechte und toleranten Klimas hier für alle. Dagegen muss energischer Widerstand geleistet werden.
Deshalb rufen wir alle Menschen und Organisationen, für die Demokratie und Menschenrechte keine leeren Worte sind, die Mitglieder von Gewerkschaften, der Friedens- und Antiglobalisierungsbewegung dazu auf, mit uns gemeinsam am 28. September in Solidarität mit den gerechten Anliegen der PalästinenserInnen zu demonstrieren.
Koordinierungsausschuss der Palästinensischen Gemeinden, Arabische Vereine in Berlin, Solidaritätskomitee "Palästina muß leben!", Linksruck, Sozialistische ArbeiterInnen Initiative -wastun!, TU-Antikriegskomitee, Hakan Doganay (Mitglied IGM-OV Berlin), Carsten Becker (Mitglied Verdi Betriebsgruppenvorstand Charité), Palästina Solidaritätsbündnis Hamburg, Gegeninformationsbüro...
3000 demonstrierten in Berlin für Palästina
Bericht über die Demonstration vom 28.9.2002
Etwa 3000 Menschen demonstrierten am 28.9.02 in Berlin vom Adenauerplatz zum Breitscheidplatz ihre Solidarität mit Palästina. Sie folgten damit dem Aufruf der Palästinensischen Gemeinden, Arabischen Vereine und verschiedener deutscher Organisationen, anlässlich des 2. Jahrestags des Beginns der Intifada sich den heutigen Protesten hunderttausender Menschen in Deutschland, Europa und weltweit gegen die israelische Besatzungspolitik anzuschließen. Angesichts der Tatsache, dass durch die Hetzkampagne nach der großen bundesweiten Demonstration vom 13.4. in Berlin sowie der unausgesetzten Diffamierung von Protesten gegen Israel als antisemitisch noch immer sehr viele Menschen eingeschüchtert sind, und erst in dieser Woche mit den Kundgebungsvorbereitungen begonnen wurde, kann die heutige Demonstration nur als großer Erfolg gewertet werden.
Die zumeist auf deutsch gehaltenen Redebeiträge und verteilten Flugblätter während des friedlichen, aber lebendigen Demonstrationszuges stießen bei den PassantInnen auf beträchtliches Interesse. In ihnen wurden neben den Verbrechen Sharons auch die US-Kriegsvorbereitungen gegen Irak und die wachsende rassistische und antidemokratische Politik in Deutschland kritisiert. Die große Zahl von Frauen und jugendlichen TeilnehmerInnen unterstrich zudem, dass trotz allen Geredes über Politikverdrossenheit eine große Bereitschaft besteht, sich für demokratische Anliegen und Toleranz auf der Grundlage von Gleichberechtigung einzusetzen.