Was ist und will Arbeiterfotografie heute
Grundsatzerklärung zum 35jährigen Bestehen des Bundesverbands im Jahr 2013

Es herrscht Verwirrung. Die Methoden zur feindlichen Übernahme unserer Köpfe werden immer perfider. Das Denken wird gespalten. Rassismus z.B. gilt nicht immer als Rassismus. Die großen staatlichen Verbrechen der Vergangenheit werden in den Fokus gerückt, die der Gegenwart ausgeblendet oder mittels der vergangenen legitimiert. Das Denken wird in Bahnen gelenkt und auf Nebenschauplätze abgeleitet. Linkes Gedankengut wird als „rechts“ verunglimpft. Wer stört, wird stigmatisiert. Gedanken, die nicht genehm sind, werden tabuisiert. Das Benennen von Verbrechen wird als „Antisemitismus“ hingestellt. Aufklärung wird mit Begriffen wie „Verschwörungstheorie“ belegt. Organe und Organisationen, die sich außerhalb der Machtstrukturen zu bewegen scheinen, sind von ihnen längst vereinnahmt.

In dieser Situation erklären wir: Arbeiterfotografie lässt sich nicht irritieren und vereinnahmen. Sie wendet sich unbeirrt gegen Imperialismus, Krieg, Kapitalismus, Faschismus, Rassismus, Demontage von demokratischen und sozialen Errungenschaften sowie gegen alle Formen von Ungerechtigkeit und Unmenschlichkeit – in welcher Form und wo auch immer sie anzutreffen sind. Sie tritt ein für eine friedliche, gerechte, selbst bestimmte, soziale und humane Gesellschaft – die Zukunft der Menschheit und des Planeten im Blick. Arbeiterfotografie ist von der Erkenntnis geleitet, dass Grundlage ihrer Wirksamkeit das Wissen um die wissenschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Zusammenhänge ist.

Arbeiterfotografie sieht sich als Kraft der Aufklärung, des Dialogs und Diskurses. Sie analysiert die Methoden zu Erhalt und Ausbau der gegenwärtigen Machtstrukturen sowie deren Werkzeuge der Herrschaftssicherung – insbesondere die Medien und alle anderen Instrumente der Massenbeeinflussung. Arbeiterfotografie sieht die Notwendigkeit, hinter die Kulissen des Politiktheaters zu blicken. Den Versuchen der herrschenden Kräfte, die Menschen zu desorientieren, stellt sie sich mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln entgegen. Lügen, Manipulationen, Feindbilder, Konstrukte der Ablenkung und Fehlorientierung gilt es als solche zu erkennen und offen zu legen – insbesondere wenn sie der Legitimation von Kriegen und anderen Kapitalverbrechen dienen.

Arbeiterfotografie will hier und heute wirken. Sie bringt sich deshalb so öffentlichkeitswirksam wie möglich in die gesellschaftspolitische Auseinandersetzung ein. Kooperation mit Bündnispartnern ist dabei ein wichtiger Faktor. Methoden der Spaltung und Ausgrenzung gilt es, als Instrument der Herrschaftssicherung zu erkennen und ihnen entgegen zu wirken. Genereller Leitgedanke ist, sich zu ergänzen und zu inspirieren statt zu blockieren und auszugrenzen.

Im Geiste Willi Münzenbergs, des Gründers der historischen, von 1926 bis 1933 existierenden Arbeiterfotografenbewegung, gilt es, sich alle Mittel anzueignen und für den Kampf um eine menschenwürdige Zukunft nutzbar zu machen. Zunehmender Verelendung und Entwürdigung durch Armut, Kinderarmut, Ansammlung von Millionen Menschen in Arbeitslosenheeren, Bildungsnotstand und fehlender Zukunftsperspektive junger Menschen, dem Bankrott von Staaten, Ländern, Städten und Gemeinden, der Aushöhlung der errungenen demokratischen Freiheiten insbesondere durch das Vorantreiben unumkehrbarer „neoliberaler“ Prozesse, der Beteiligung an (völkerrechtswidrigen) Kriegseinsätzen gilt es entschieden mit dokumentarischen, künstlerischen und journalistischen Mitteln – auch medienübergreifend – entgegenzuwirken. Die unantastbare Menschenwürde ist Voraussetzung auf dem Weg zu einer besseren Gesellschaft. Arbeiterfotografie hat die Aufgabe, an der Entwicklung dieser Perspektive mitzuwirken.


Grundsatzerklärung als PDF:
arbeiterfotografie-grundsatzerklaerung-2013.pdf