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US-Präsident George W. Bush am 11.9.2001 um 09:05 Uhr in der Schulklasse der Emma E. Booker Grundschule in Sarasota/Florida, wo er sich Ziegen-Geschichten anhört - nachdem ihm - wie Bush später selber erzählt - sein Stabschef gesagt hat: "A second plane has hit the tower, America is under attack." - "Eine zweite Maschine hat den Turm getroffen. Amerika wird angegriffen."
Sind US-Präsidenten anders als Du und ich? 3 Sekunden in Sarasota
Das Video (aus dem die abgebildeten Fotos entnommen sind) entstand in der Emma E. Booker Grundschule in Sarasota am 11.9. um 09.05h.

Zu diesem Zeitpunkt war Bush nicht nur durch das Memo vom 6.8. im Allgemeinen über drohenden Flugzeugterror informiert, nicht nur logisch und prinzipiell über die Flugzeugentführungen, sondern schon handfest und konkret über den ersten Einschlag der AA11 in den ersten Turm des WTC. Es wurde beobachtet, wie ihm diese Information zuging, er wurde daraufhin angesprochen (und Bush sagte, er werde in einer Pressekonferenz etwas später darauf eingehen, wie der ihn begleitende ABC-Reporter John Cochran vor laufender Kamera übermittelte), und auch Condoleeza Rice gab an, sie habe ihn sofort nach 08.45 deshalb angerufen. Vizepräsident Cheney verriet, dass er zumindest ab dem ersten Einschlag einen direkten Draht (= eine offene „stehende“ Leitung) zum Lagezentrum hatte. Man wusste also (und damit auch Bush und seine Leute), wie viele Flugzeuge gerade entführt waren, wo sie waren und in welche Richtung sie flogen und wo sie einschlugen.

Und so konnte Andrew Card, der Sicherheitsmann vor Ort in Sarasota, Bush auch augenblicklich nach dem zweiten Einschlag ins WTC informieren.

Und es ist dies der Moment danach, die drei Sekunden danach, auf den 5 Bildern.

Während jeder, der die kurze Videosequenz am oder kurz nach dem 11.9. im Fernsehen sah, dachte, es handele sich um die Erstinformation über Terror und über den ersten Einschlag, wissen wir nun mittlerweile sogar aus Bushs Mund selber, was Card ihm gesagt hatte: „A second plane has hit the tower, America is under attack.“ Eine aufbereitete Nachricht, die auf schon vorhandenes Hintergrundwissen fiel. So lässt sich überhaupt verstehen, warum er nicht wie wir alle reagierte, mit offenen Armen, offenen Augen und hochgezogenen Augenbrauen und klaffender Kinnlade: „Waaaas?“ So oder so ähnlich haben wir simplen Erdenbürger doch reagiert, als wir die Nachricht das erste Mal hörten. Mit den unwillkürlichen Ausdrücken entsetzten Erstaunens.

Nun blieb aber Bush nicht etwa cool, weil er ja wusste, worum es ging. Schon das wäre überaus erstaunlich, denn bei dieser Informationslage erwartet ein Bürger von seinem Staatsoberhaupt, dass er den Kindern ein freundliches „Weitermachen!“ wünscht und sagt, dass der Präsident nun ein wenig regieren müsse. Bush aber blieb sitzen. Hätte er begonnen zu regieren, hätte er Verantwortung übernommen. Rumsfeld musste in der entscheidenden Stunde ungestört telefonieren, Generalstabschef Myers musste dringend eine Konferenz mit einem Senator ohne Unterbrechung durchziehen, Cheney war zu seinem Verkehrsminister in den Bunker geschleppt worden: regieren wollte in diesen Stunden offenbar niemand so recht. Auch Bush nicht.

Wie stellte er die Situation selber dar? Lassen wir ihn sich selber erklären. Als er am 4. Dezember in Orlando angesprochen wurde, sagte Bush: „And, Jordan, I wasn't sure what to think at first. You know, I grew up in a period of time where the idea of America being under attack never entered my mind - just like your Daddy's and Mother's mind probably. And I started thinking hard in that very brief period of time about what it meant to be under attack. I knew that when I got all of the facts that we were under attack, there would be hell to pay for attacking America.“ (http://www.whitehouse.gov/news/releases/2001/12/20011204-17.html)

Er habe also nur kurze Zeit zum Denken gehabt und heftig über die Bedeutung des „under attack“ nachgedacht, und im kalten Krieg sei ihm der Gedanke ans Angegriffenwerden nie gekommen und nun aber würden die Angreifer es mächtig bezahlen müssen. Gequirlter Schwachsinn also. Er hatte auch durchaus eine Menge Zeit. Und ob die Überlegung über die Bedeutung des größten Terroranschlags in den USA ausgerechnet beim Ziegengeschichtenlesen sinnvoll zu treffen ist?

Übrigens log er noch über den ersten Einschlag hinzu: „I saw an airplane hit the tower - the TV was obviously on. And I used to fly, myself, and I said, well, there's one terrible pilot. I said, it must have been a horrible accident.“ Er habe auf dem Fernseher zuvor den ersten Flieger einschlagen gesehen und das für einen Unfall gehalten. Das Videomaterial vom ersten Flieger konnte er nicht gesehen haben (es wurde erst am 12.9. veröffentlicht) und angesichts sowohl des Vorwissens als auch der Anrufe wusste er, dass auch der erste Einschlag kein Unfall eines schlechten Piloten sein konnte. (TV sah er schon in der Schule - aber wahrscheinlich erst nach den Ziegengeschichten und vor der kleinen Ansprache um 09.30h)

Sein Gesicht, und das zeigt die Fotosequenz der drei Sekunden, demonstriert nicht nur nicht Erstaunen. Es zeigt eine andere, eine ganz andere Emotion. Kinder kauen auf der Unterlippe, wenn sie verlegen und schuldbewusst etwas machen müssen, was ihnen gar nicht schmeckt: z.B. eine Sünde beichten. Das Unterbewußtsein übernimmt in Augenblicken höchster Anspannung die Macht über Mimik und Gestik. Und Bush als Nichtschauspieler schafft zwar noch, gelassen und ruhig sitzen zu bleiben, aber die innere Seelenverfassung dringt aus dem Gesicht.

Und nun urteilen Sie selbst über diesen unterlippenkauenden Mann, mit den mehrfach zugeschlagenen Augen und dazwischen den Blicken ins Leere, über die Kinder hinweg: ist es das Gesicht
- eines Unwissenden?
- eines Überraschten?
- eines Nachdenklichen?
- eine uns unbekannte Gesichtsregung?
- Oder das Gesicht eines Schuldigen?
Und dass wir uns nicht mißverstehen. Nicht nur vor, sondern auch nach diesen drei Sekunden der Kenntnisnahme des zweiten Einschlags hörte Bush den Kindern zu bei den Ziegengeschichten, fragte sie noch artig, ob sie denn wohl mehr lesen als Fernsehen zu schauen, bleibt ruhig sitzen. Während seine Landsleute aus den WTC-Fenstern sprangen oder verbrannten und „America under attack“ war.

Über Körpersprache im Allgemeinen haben wissenschaftlich und weit kundiger geschrieben u.a. Sami Molcho, Desmond Morris und Irenäus Eibl-Eibefeldt. Und man kann sich täuschen dabei, Gestik und Mimik zu interpretieren. Ein Beweis ist so eine Interpretation nicht. Nur ein Hinweis.

Das ist schon so bei unserem Kanzler und seinen Ministern - irgendwie sind die anders. Sie achten unablässig auf ihr Image, bedenken jeden Satz und kleiden sich staatsmännisch. Zumindest im Dienst sind die Leute hochkonzentriert, kamerafixiert, überhaupt nicht locker bis hin zur Brettsteifigkeit eines Scharping. Erst die wahren Profis schaffen es, Natürlichkeit und Gelassenheit um sich zu verbreiten, während sie einen treuherzig anlügen. Die innere Verfassung und das äußere Gehabe werden bei Profis stimmig, und letzteres wirkt nicht mehr einstudiert. Nicht nur Hitler hatte seine Stunden vor dem Spiegel. Das Posieren und die Rhetorik unserer Spitzenkräfte basiert ebenfalls auf teuren Kursen.

Bush hat Jahrzehnte seines Lebens mit - früher hätte man es „gammeln“ genannt - zugebracht. Dann machte er mit Hilfe der bin Laden-Familie seine erste eigene Million, unterschrieb eine Zeitlang einen Satz Todesurteile in Texas und wurde schließlich Präsident. Wenig Zeit für diese eben erwähnten Kurse. Bush ist kein Schauspieler wie Reagan. Mit kindlicher Unbekümmertheit stellt er seine Unwissenheit in den Raum und plappert manchmal derben Unsinn. Diese „Volksnähe“ brachte ihm sogar ein wenig Sympathie bei den Wahlen ein. In Form von Wählerstimmen.

Was ihm doch noch an Stimmen fehlte, fiel ihm zufälligerweise in gerade dem Bundesstaat zu, in dem sein Bruder Jeb Gouverneur ist: Florida. Jedenfalls entschied so das Oberste Gericht mit 5:4 Stimmen. Als Bush am 11.9. in Sarasota (Florida) weilte, ging es offiziell um die Forcierung einer Kampagne der Regierung im Bereich Schule und Erziehung. Schon etwas inoffizieller handelte es sich um das Verhalten zu einem geplanten Meeting der Demokraten in Miami Ende der betreffenden Woche, bei dem weitere unangenehme Fragen bzgl. seiner Berechtigung zur Präsidentschaft gestellt werden sollten (http://abcnews.go.com/sections/politics/DailyNews/bush010910.html).

Zudem war Florida schön weit weg von New York. Innenminister Ashcroft hatte sich ja auch in Sicherheit gebracht: er flog schon den ganzen August nicht mehr mit Zivilmaschinen (http://www.cbsnews.com/stories/2001/07/26/national/main303601.shtml), und viele Pentagon-Spitzenkräfte sagten am 10. September ihre Flüge ab, ebenfalls wegen der Terrorgefahr (http://www.msnbc.com/news/629606.asp? 0sp=w13b2#BODY). Beim Gipfel in Genua hatte man deshalb sogar Flakbatterien in Stellung gebracht (http://www.latimes.com/news/nationworld/nation/la-092701genoa.story).

Die CIA simulierte ausgerechnet am 11.9.2001 morgens, was passiert, wenn ein Flugzeug ein Gebäude trifft...! (http://www.nlsi.net/hs-alc-info.htm) "On the morning of September 11th 2001, Mr. Fulton and his team at the CIA were running a pre-planned simulation to explore the emergency response issues that would be created if a plane were to strike a building."

Jedenfalls wusste der Mann seit dem 6. August aufgrund eines 3-seitigen Papiers über die drohenden Anschläge Bescheid. Bruder Jeb unterzeichnete am 7. September einen Antiterrorbefehl, der den schon vorhandenen Befehl nur um den Punkt ergänzte, dass er auch für Häfen und Flughäfen gelte (http://www.eog.state.fl.us/eog_new/eog/orders/2001/september/eo2001-261-09-07-01.html).

In- und ausländische Geheimdienste hatten sich überboten in Details. Die einen wussten wer, die anderen wann, wieder andere wo und alle wie. Mit Flugzeugen werde es geschehen.

Schön weit weg von den Ereignissen zu sein bedeutet für einen Präsidenten Mehrerlei:
- Er wird mit den Ereignissen nicht in Verbindung gebracht. Vor den Medien ist das immer ein gutes Alibi - für was es auch nutzen mag.
- Es hatte etwas mit der Sicherheitslage zu tun, aber nur bedingt. Denn nicht nur Jacksonville, Miami, Tampa und Orlando haben weltbekannte internationale Flughäfen, sondern sogar das Örtchen Sarasota verfügt über einen Internationalen Airport. Da fragt man sich schon, weshalb ihn seine Sicherheitsleute nicht gleich nach dem Bekanntwerden des beginnenden Terrors in Sicherheit brachten. Vom Airport hätte sich in der Start- oder Landephase jederzeit ein Flieger auf ihn und die Schule stürzen können, in der er gerade Ziegengeschichten zuhörte. Der Besuch des höchsten Repräsentanten und Symbols der USA dort war tagelang geplant und öffentlich bekannt, also hatten auch potentielle Terroristen Kenntnis davon. Wußte man etwa, dass dem Präsidenten in Sarasota nichts passieren konnte? Wieso? Woher? Würde in der Nähe des Präsidenten ein Schuß knallen, hätten sich die bodyguards ja auch auf ihn geworfen und ihn in Sicherheit geschleppt. Vizepräsident Cheney zumindest ging es so am 11.9.: ziemlich ruppig wurde er gepackt und mehr getragen als gegangen in den Bunker gebracht.
- Ein US-Präsident ist nicht nur seit Erfindung des Handys - aber bestimmt seitdemn - immer mit der Welt und den Sicherheitsleuten und den Beratern verbunden. Nicht nur wegen des Atomköfferchens und des „Roten Telefons“. Jede Logik darf davon ausgehen, dass seine Sicherheitsleute auch in Sarasota ebenso wie das Nordamerikanische Verteidigungskommando NORAD zeitgleich von der zivilen Flugsicherheitsbehörde FAA informiert worden waren darüber, dass seit 08.15h die AA11 (und daraufhin folgend eine Maschine nach der anderen) entführt worden war. Das muss der Präsident schon aus Prinzip wissen: es könnten ja wichtige Leute drin sitzen, wesentliche Forderungen gestellt werden, das Flugzeug könnte Kurs auf Kuba nehmen wie in den 70ern oder sich auf ein Atomkraftwerk stürzen. Ein Präsident weiß so was, er wird nicht erst Stunden später informiert.
Soweit also zur weiten Entfernung von den Ereignissen in New York und Washington.
Andreas Hauß (www.medienanalyse-international.de/finger.html)
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