Köln, 5.9.2005 - Aktionstag gegen Hartz IV - Kampagne 'Agenturschluß': 'Lockeres Gespräch' mit Josef Ludwig, Geschäftsführer der Kölner 'ARGE', ARbeitsGemeinschaft Köln gem. § 44b SGB II |
"Hartz-Schluss"-Aktionstag in Köln Pressemitteilung der Kampagne 'Agenturschluss' Köln vom 05.09.2005 Im Rahmen der bundesweiten Kampagne 'Hartz-Schluss' gab es bereits heute Vormittag in Köln recht erfolgreiche Aktionen. Etwa 10 SELBSTorganisierte Erwerbslose - darunter Mitglieder des Kölner Erwerbslosenrats - plus Pressevertreter passten die zum Berwerbungsgespräch geladenen Leute bei der Kölner (1-Euro-Job-)Gesellschaft für Arbeits- und Berufsförderung mbH in der Luxemburger Str. ab. Während die Einladungsschreiben an die Betroffenen ohne jegliche Rechtsbehelfs- bzw. Rechtsfolgenbelehrung waren, sorgten späterhin Flugblätter mit argumentativen "Geschützen" für reichlich Unmut beim Veranstalter des Bewerbungsprocedere. "Ich unterschreibe heute GAR NICHTS !", rief sodann ein Betroffener selbstbewußt in die Runde ... und der Veranstalter musste kleinlaut zugestehen, dass dieses Recht auf Bedenk- oder Beratungszeit tatsächlich existiert. Das war nicht immer so. Den Leuten von 'Agenturschluss' sind durchaus Fälle bekannt, wo dieses Recht tunlichst verschwiegen wurde und den verängstigten Erwerbslosen noch am gleichen Tag eine Unterschrift abgetrotzt wurde. Nachdem sich die Aktivisten von 'Agenturschluss' Zutritt zur Veranstaltung verschafften, um die fehlende Rechtsbehelfsbelehrung symbolisch nachzuholen, wurden sie kurze Zeit später des Hauses verwiesen. Was nicht so schlimm war, denn auf die Leute wartete ein nächster Termin. Ausgerüstet mit einem ganzen Fragenkatalog aus diversen Unstimmigkeiten, rechtlichen Unklarheiten und eideutig unzulässigen Vorkommnissen im Zusammenhang mit den 1-Euro-Jobs, besuchte man unangemeldet Josef Ludwig, den Kölner ARGE-Chef. Ludwig gab vor, am Freitag von jener Kampagne 'Hartz-Schluss' gelesen zu haben, seine Anwesenheit aber sei Zufall. Er war bereit, sich unter Ausschluss der Kameras und Tonaufnahmegeräte den Fragen der Interessierten zu stellen. Bewertungen, wie "es war konstruktiv", scheinen hier unangebracht, da ein solches Gespräch natürlich nur SEHR entfernt dazu beitragen kann, tatsächlich die missliche Situation der unsäglichen Politik im Zeichen Hartz IV zu verändern. Nichts desto trotz musste Ludwig eingestehen, dass hier und da eventuell "rechtlich nicht korrekt" gehandelt wird. In Sachen der wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden, wovon 8,5 Stunden der "Qualifikation" und für Bewerbungen vorbehalten sein müssen, erwies sich Ludwig in der Sicht der 'Agenturschluss'-Leute als "höchst blauäugig. Entweder weiß er nicht, was tatsächlich Sache ist ... oder er will es nicht wissen. Unsere Erfahrungen in Sachen Qualifikation sind, das sie in der Regel sehr sporatisch oder eben gar nicht statt findet.", so ein Gesprächs-Teilnehmer. Einer Ein- oder Vorladung im Namen der ARGE ohne Rechtsbehelfsbelehrung "sollte man nachkommen", meint Ludwig, ... aber man kann sie natürlich auch getrost auf dem Grill verheizen, ohne mit ernsthaften Sanktionen rechnen zu müssen. Der Verdacht, dass hier mit den Ängsten der Betroffenen spekuliert wird, liegt nahe. Angst vor Sanktionen, die dann auch einen großen Teil des "Interviews" beanspruchten. Aus Ludwig's Sicht: alles nicht so schlimm. Und wenn's politisch wurde, verwies er gern auf unterschiedliche Wahrnehmungen. Dass Hartz IV keinen einzigen realen Lohn-Arbeitsplatz neu schaffen wird, dass der Frust natürlich groß ist, bei Leuten, die nach sechs Monaten "Zwangsdienst" á 1 Euro nicht besser dastehen, als vorher, das ist jedoch auch seine Wahrnehmung. "Wir führen die Leute einfach näher an den Arbeitsmarkt heran.", definiert er die Aufgabe seiner Institution. Die Mittel und Wege hierzu sind bisweilen rapiat. Ludwig spricht ungern vom sonst viel gepriesenen Aspekt der "Freiwilligkeit", wenn's um die Dumping-Jobs geht. "Ich bin schon der Meinung, dass Leute für Ihre finanzielle Unterstützung etwas Leisten sollen." Das sagt Josef Ludwig ... und das sagte kürzlich schon ein anderer Josef in Köln. Josef Müller von der CDU, der Tausende 1-Euro-Jobber für "Reinigungs-Hilfs-Dienste" durch öffentliche Wege und Plätze jagen will. Das System funktioniert und Ludwig scheint seine Macht zu genießen, wann er den engagierten Erwerbslosen empfiehlt, bei rechtlichen Unklarheiten doch den Weg der Klage zu bestreiten. Womöglich bekäme er erst hierdurch die Rechtssicherheit (oder eben nicht) für das fragwürdige Modell, wann die Träger der 1-Euro-Jobs höchst selbst sowohl die Aufwandsentschädigung, als auch das Alg2 auszahlen. Nach den gesetzlichen Grundlagen befragt, die diese Praxis legitimieren, wich Ludwig aus und bat um eine schriftliche Anfrage. Vom so genannten ARGE-Beirat oder dem ARGE-Arbeitskreis, die sich aus unterschiedlichen Interessensvertretern (IHK, Gewerkschaften etc.) zusammensetzen, hat er wohl auch nicht viel Wind zu befürchten. Die Interessen der Erwerbslosen werden dort vom Kölner-Arbeitslosen-Zentrum KALZ "vertreten", das selbst eine stattliche Anzahl 1-Euro-Jobber unterhält und somit das System nicht in Frage stellen wird. Um so wichtiger erscheint es den Teilnehmern bei 'Agenturschluss', die Lobby der Erwerbslosen selbstorganisiert zu stärken. Im Ergebnis zeigten sich die AktivistInnen bei allem Wenn und Aber sehr zufrieden. "Für fühlen uns argumentativ gestärkt und können uns bei den nächsten unangemeldeten Besuchen bei den 1-Euro-Job-Trägern hier und da auf Josef Ludwig höchst selbst berufen.", so das Urteil eines Teilnehmers. Und ein anderer: "Wir gucken denen auf die Finger. Das wissen alle diese so genannten 'sozialen' Träger in Köln, das weiß spätestens jetzt auch der ARGE-Chef und ich habe nicht das Gefühl, dass das umsonst ist." Noch am gleichen Tag kam es gegen 11.00 Uhr in Kölns Fussgängerzone zu einer kleinen Demo der WASG-Jugend, die sich den "Hartz-Schluss-Tag" zum Thema machte. Ab 15.00 Uhr informieren die Kölner Erwerbslosen in Aktion (KEA) auf der Dom-Platte und 18.00 Uhr beginnt die wöchentliche Montagsdemo. |