Oberhausen, 12.9.2005 - Aktion gegen Zwangsumzüge im Rahmen der Anwendung der asozialen Hartz IV-GesetzeBilder

"Und alles was du siehst, ist Oberhausen!"

Aufruf des Internationalen Frauenfriedensarchivs Fasia Jansen e.V.

„Unser Oberhausen befindet sich im Gegensatz zu anderen Städten des Ruhrgebietes in einer ausgezeichneten Ausgangssituation. Wir haben es in Oberhausen geschafft, die notwendigen Veränderungen sozial gerecht, aber auch mutig voranzubringen.“ (Aus dem Programm der SPD Oberhausen)
  • Oberhausen steht an dritter Stelle der armen Städte in NRW.
  • Die Erwerbslosigkeit beträgt 17.8%, viele Tausend Menschen leben von Hartz IV, werden in 1 Euro-Jobs oder zu Billiglohnarbeit gezwungen.
  • Im Stadtteil Knappenviertel lebt ein Großteil der Kinder unterhalb der Armutsgrenze. Kinder kommen hungrig in die Schule oder den Kindergarten.
  • Viele Läden sind geschlossen oder durch Billiganbieter ersetzt worden.
  • Öffentliche Einrichtungen verfallen oder sind bereits geschlossen.
  • Tausende von Menschen sind inzwischen auf Lebensmittelzuwendungen durch die „Tafel“ angewiesen, Lebensmittel, die von Supermärkten gespendet werden, weil das Verfallsdatum abgelaufen ist. Die Gesundheitsversorgung verschlechtert sich rapide.
Die Grundprinzipien der SPD in Oberhausen: „Gewährung sozialer Sicherheit, Entwicklung neuer wirtschaftlicher Dynamik. Oberhausen ist eine visionäre und soziale Stadt, in der bodenständige Menschen den Blick auf die Realität nicht verlieren.“ (Aus dem Programm der SPD Oberhausen)

In Oberhausen wird Tausenden von Menschen durch Erwerbslosigkeit, verschärft durch die Agenda 2010 und Hartz IV der Boden unter den Füßen weggerissen. Sie werden ausgegrenzt.

Über Tausend Familien, die Hartz IV EmpfängerInnen sind, sollen jetzt innerhalb von 6 Monaten ihre Wohnungen räumen, da ihre Wohnungen nach den Berechnungen des Amtes nicht angemessen, zu groß oder zu teuer sind. Wohnst du noch in deiner Wohnung oder bist du schon beim Umzug?

Das Neueste von Hartz IV oder: Die Clementierung der Verhältnisse

„Die tatsächliche Miete Arbeitsloser liegt nicht über der durchschnittlichen Miete für Haushalte von SozialhilfeempfängerInnen. Daraus ergibt sich, dass die überwiegende Mehrzahl der Haushalte von Hartz IV EmpfängerInnen Wohnraum haben, der als angemessen im Sinne der Sozialhilfe anzusehen ist. … Damit (ist klar), dass bis auf geringfügige Ausnahmefälle ALG II (Hartz IV) EmpfängerInnen in ihren bisherigen Wohnung verbleiben können. .. Es wird deshalb keine „Zwangsumzüge“ in billigere oder kleinere Wohnungen in nennenswerten Ausmaß geben.“ (Aus einer Pressemitteilung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit - Minister Wolfgang Clement - vom 28.7.2004)

Über 1000 Familien in Oberhausen, die Hartz IV erhalten, haben, entgegen dieser Aussage des Ministeriums, nun eine Aufforderung durch SODA (Arbeitsgemeinschaft der Stadt und des Arbeitsamtes) bekommen, innerhalb der nächsten 6 Monate ihre Wohn- und Heizkosten zu senken, d.h. sich eine billigere Wohnung zu suchen, „da die derzeit für Sie und ihre Angehörigen gezahlten Beträge oberhalb der für Oberhausen festgelegten Kostengrenzen liegen.“

Wir wehren uns gegen diese Ungerechtigkeit.

Wir haben recherchiert: Im Monat August gab es auf dem Wohnungsmarkt in Oberhausen ganze 4 freie Wohnungen, die dem Kriterium der SODA entsprechen.

Am Montag, den 12. September 2005 gibt es eine Ratssitzung zu Hartz IV. Wir laden alle Betroffenen und Interessierten ein, sich ab 14.30 Uhr an einer Aktion vor dem Rathaus zu beteiligen.

Internationales Frauenfriedensarchiv Fasia Jansen e.V. v.i.S.d.P.: Ellen Diederich, Lothringer Str. 64, 46045 Oberhausen

"Die soziale Grundsicherung muß armutsfest sein"

Rede von Dagmar Vogel (Grüne) im Rat der Stadt Oberhausen zur großen Anfrage der CDU zum Thema Hartz IV, 12.9.2005

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren Stadtverordnete, liebe Zuhörer- und Zuhörerinnen,

eine umfangreiche Antwort auf eine detaillierte und sorgfältige Anfrage liegt uns vor.

Ich möchte mich zunächst auf einige kritische Anmerkungen beschränken, und zwar auf die Punkte
1. Lernmittelfreiheit
2. Kosten der Unterkunft
3. Kosten der Unterkunft für junge Erwachsene

Stichwort Lernmittelfreiheit/Fahrtkosten

Der im SchulG vorgesehene Eigenanteil für Lernmittel liegt pro Kind je nach Schulform zwischen ca. 30 und 70 €. Bei einer Familie mit zwei Kindern fallen also mindestens 60 € ggfs. sogar 140 € Eigenanteil.

Für Familien, die heute ALG II beziehen und im letzten Drittel des Jahres 04 Leistungen nach dem BSHG bezogen, wird dieser Eigenanteil durch die Stadt Oberhausen übernommen.

Familien hingegen, die im letzten Jahr noch von Leistungen der Arbeitlosenhilfe oder Arbeitslosengeld gelebt haben, erhalten keine Zuschuß.

Gleichwohl leben beide Familien bei angenommenen zwei Kinder unter 15 Jahren von einem monatlichen Finanzhaushalt in Höhe von 1036 €, das Kindergeld ist in dieser Rechnung schon enthalten, die Miete wird gesondert gezahlt.

Diese Regelung ist für ALGII Empfänger nicht nachvollziehbar und mit Verlaub auch für mich und meine Fraktion nicht. Die formale Erklärung - die Lösung in Form eines bürokratischen Umgangs - haben wir zur Kenntnis genommen, ich aber frage mich, ob es nicht noch andere Lösungsmöglichkeiten gegeben hätte.

Die Grenzziehung zwischen freiwilliger Aufgabe und Pflichtaufgabe ist doch gerade bei der Frage der Lernmittelfreiheit besonders filigran. Formal mag es sich nicht um eine Pflichtaufgabe handeln, aber vom gesunden Menschenverstand und vom Herzen her muß ich sagen: wie sollen Kinder in der Schule ordentlich lernen und gefördert werden, wenn schon die Anschaffung der Grundmittel, der Schulbücher, die erste Hürde zur Schaffung gleicher Chancen darstellt. Es wird Gesprächsthema in der Schule sein, welches Kind Schulbücher nicht oder noch nicht hat, es wird offensichtlich, dass und von welcher Sozialleistung die Eltern leben, es stellte eine Ungleichbehandlung dar, die quasi "verschuldensunabhängig" die Kinder in eine Misere bringt. Unstreitig jedoch hat jedes Kind ein Grundrecht auf Bildung und Förderung.

Andere Städte haben Übergangslösungen gefunden. Auch für Oberhausen muß es andere Lösungen geben. Die Vorlage verrät uns nicht, ob solche angedacht oder gesucht wurden.

Gab es Gespräche mit der Bezirksregierung bezgl. der Leistung des Eigenanteil bei den Lernmitteln? Gab es Versuche eine Übergangsregelung zu vereinbaren? Oder wurde quasi im vorauseilenden Gehorsam die jetzige Lösung präferiert?

Warum wurde keine Härtefallregelung eingeführt? Andere Städte haben den minderjährigen Leistungsempfängern ein Darlehn für unabweisbare Bedarfe gem. § 23 SGB II gewährt. Entsprechende sozialgerichtliche Entscheidungen liegen bereits vor.

Die Gewährung eines Darlehns hat den Vorteil, dass die Leistung keine kommunale freiwillige Leistung mehr ist, sondern dass Möglichkeiten innerhalb der Gesetzessystematik des SGB II ausgeschöpft werden. Wurde den ALGII Beziehern ein solcher Vorschlag unterbreitet? Und wenn nicht, warum nicht? Wurde über andere - lebensnahe- Lösungen nachgedacht?.

Stichwort Kosten der Unterkunft oder auch Miete

Gut, soweit haben wir es nachvollzogen, dass es keine Aufforderung zum Umzug gab, sondern nur eine Aufforderung die Kosten auf die angemessene Höhe zu senken. Macht die Formulierung der Aufforderung einen Unterschied für die Betroffenen? Wie realistisch ist es, innerhalb einer 45 - 50 qm Wohnung ein Zimmer unterzuvermieten? Wo sind all diese Menschen, die zur Untermiete wohnen wollen? Können Sie sich vorstellen, plötzlich jemand Fremdes in der Wohnung zu haben, der Ihnen hilft die Kosten der Unterkunft zu senken?

Vermieter sind durchaus bereit die Grundmiete zu senken. Ein Satz, der gut klingt. Hat er auch Bezug zur Wirklichkeit? Welcher Vermieter solidarisiert sich mit seinem Mieter und schenkt ihm einen Teil der Miete?

Vermieter konzentrieren sich auf Bezieher von ALGII Leistungen. Klingt auch gut. Was aber bedeutet das für eine Stadtentwicklung? Entwicklen sich nicht hier neue Ballungs- und Problemzentren bei homogener Mieterschaft?

Die Bezugnahme auf den Oberhausener Mietspiegel stellt sich als objektives Meßinstrument zur Entwicklung der Mieten dar. Offen bleibt aber leider, auf welche Kategorie des Mietspiegels sich die Vergleichsmieten beziehen und - wesentlich wichtiger - aus welchem Jahr denn der Oberhausener Mietspiegel ist und ob es sich um den aktuellsten handelt.

Zur Erinnerung: 216 € für eine alleinstehende Person in Oberhausen für 45 - 50 qm, in Gelsenkirchen variiert der Betrag zwischen 236 € und 274 € bei einer Wohnfläche von 48 qm.

In Bottrop, das sehen wir auch im weiteren Beratungsgang, liegt die angemessene Höchstmiete bei 271 €. Im Extremfall sind hier 60 € für LE in umliegenden Städten mehr angesetzt als angemessener Mietzins als in Oberhausen.

Es ist also nicht einfach, im Rahmen eines solchen am unteren Rand angesetzten Mietzins eine Wohnung zu finden. Naturgemäß wohnen viele Leistungsempfänger in Wohnungen, die nach dieser Mietzinsskala zu teuer sind. Viele finanzieren die Differenz selbst, denn schon jetzt wird nur der "angemessene" Mietzins gezahlt.

Der Umzug aus der Wohnung muß das letzte Mittel bleiben, die Mietkosten zu senken. Bevor aber Leistungsempfänger endgültig aufgefordert werden, umzuziehen, muß sichergestellt werden, dass die lokalen Mietobergrenzen sich in der Landschaft der tatsächlichen Mietpreise in Oberhausen als realistisch wiederfinden.

Ein Wort noch zur Problematik der Unterkunftskosten für junge Erwachsene: ich sage bewußt junge Erwachsene, denn der sich einschleifende Gebrauch der Terminologie Job Center Jugendliche ist aus meiner Sicht nicht angebracht. Ein 24jähriger, 23 jährige ist keine Jugendliche. Es sind und bleiben junge Erwachsene, ob sie nun in Brot und Lohn stehen oder ALG II beziehen. Wenn schon eine besondere Begrifflichkeit geschaffen werden soll, sollte zumindest in Anlehnung an schon bestehende Definition wie etwas im JGG die Bezieher als Heranwachsende bezeichnet werden, aber auch dass halte ich nicht für adäquat.

Aber zurück zum Thema KdU für junge Erwachsene:

Ich halte es schlicht mit den Grundgesetz - hier Art. 2 GG - nicht vereinbar, einem Leistungsempfänger die Wohnform vorzuschreiben. Das BVerfG hat im Mai 2005 in einer SGB II Verfassungsbeschwerde richtungsweisend daran erinnert, (Zitatanfang) "dass Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens dienen". (Zitatende) Hierzu gehört auch die freie Wahl der Wohnung und der Wohnform sowie wie die Frage, mit wem der LE zusammen wohnen will.

Es ist mir bekannt, dass der kommunale Träger eine Grundsatzentscheidung zu der Frage des Auszugs junger Erwachsener aus dem elterlichen Haushalt wünscht. Mir sind Fälle bekannt, wo selbst bei Vorliegen eklatanter Gründe und auch Bestätigungen durch das kommunale Jugendamt KdU nicht gewährt wurde. Diese Frage müssen alle mühsam im Einzelfall gerichtlich geklärt werden. Ich kann mich hier nur wiederholen: ich sehe keine Rechtsgrundlage für ein solches Verwaltungshandeln.

Es könnten noch viele Anmerkungen zur Frage des Kinderzuschlages, Unterhalt, frauenspezifische Probleme, Einsatz von Vermögen gemacht werden. Es soll aber bei den vorgenannten Anmerkungen bleiben.

Insgesamt bleibt die Beantwortung merkwürdig unkonkret und in der Schwebe. Zahlenmaterial liegt auch nach einer ersten Werdensphase von 9 Monaten nicht vor. Es zeichnet sich auch nicht ab, dass Zahlenmaterial systematisch für die Zukunft erstellt wird. Eine politische Auswertung oder eine wissenschaftliche Auswertung, wie sie dringend zur Beurteilung der Entwicklung notwendig ist, ist damit auch absehbar nicht möglich. Die Evaluation der Umsetzung von SGB II wurde von uns schon im letzten Jahr gefordert und ist auch heute noch wichtiges Instrumentarium, um die Veränderungen positiver sowie negativer Art feststellen und lenken zu können.

Für die Menschen, die mit dem SGB II konfrontiert sind, muß eine Möglichkeit der unabhängigen Beratung geschaffen werden und begleitend muß ein Ombudsrat auf lokaler Ebene eingerichtet werden, der stellvertretend für die Leistungsempfänger auf Mißstände hinweist und vermitttelnd tätig werden kann.

Zuguterletzt: Die soziale Grundsicherung muß armutsfest sein. Dieses Ziel ist noch lange nicht erreicht. Die Regelsätze der Sozialhilfe und des ALG II müssen deutlich angehoben werden, damit sie vor Armut schützen und das soziokulturelle Existenzminimum sichern. Die Höhe sollte in einem transparenten Verfahren unter Einbeziehung der Wohlfahrtsverbände und aus meiner Sicht der Selbstorganisationen der Arbeitslosen festgelegt werden. Gesellschaftliche Teilhabe muß gewährleistet werden unter besonderer Berücksichtigung der Situation von Familien mit Kindern, gerade auch in Oberhausen.


60% des Geldvermögens sind in Händen von weniger als 1% der Bevölkerung

Rede der PDS/Linke Liste-Ratsfraktion im Rat der Stadt Oberhausen zur großen Anfrage der CDU zum Thema Hartz IV, 12.9.2005

Was will die CDU mit dieser großen Anfrage bewirken? Beweise sammeln, um gegen Hartz IV vorzugehen?

Der größte Teil der Fragen erübrigt sich, wenn man sich die bestehenden Gesetze ansieht, die die CDU kennen müsste, weil sie sie ja mit beschlossen hat.

Oder gibt es in der CDU-Fraktion Oberhausen Mitglieder, die sich aufgrund der christlichen Soziallehre mit den Beschlüssen zu Hartz IV zu Recht unwohl fühlen?

Die Antworten der Verwaltung zeigen deutlich, dass die Hartz IV-Gesetze mit ihrem Anspruch die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen gescheitert sind.

In dem Zusammenhang erinnere ich gerne an den 9. August 2002 Peter Hartz: "Heute ist ein schöner Tag für die Arbeitslosen in Deutschland. Wir haben in der Kommission einstimmig alle Eckpunkte beschlossen und kommen hiermit zu einem Konzept, wie wir in den nächsten drei Jahren die Arbeitslosigkeit um zwei Millionen reduzieren wollen."

Das Ergebnis ist allen in diesem Saal hinreichend bekannt.

Die letzten Arbeitsmarktzahlen aus Nürnberg gehen für den Monat August von 4,728 Millionen Arbeitslosen in unserem Land aus. Wenn man berücksichtigt, dass Teilnehmer in Eignungsfeststellung- und Trainingsmaßnahmen sowie Teilnehmer in Arbeitsgelegenheiten = 1-Euro-Jobs hier gar nicht mehr vorkommen, fehlen derzeit ca. sieben Millionen sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze bei ca. 300.000 geschätzten offenen Stellen.

Hier stellt sich die grundsätzliche Frage, was unsere Gesellschaft mit diesen Menschen tun will. Sind wir bereit zu akzeptieren, dass dies für alle, die für die Profitinteressen nicht verwertbar sind, ein Leben am Rande dieser Gesellschaft, ohne Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben, bedeutet? Sie sich einem 16-seitigem Antragsverfahren unterziehen müssen, wo jegliche Privatsphäre und Menschwürde längst aufgehoben ist? In deren Folge es auch um 1,7 Millionen von Armut betroffene Kinder geht?

Wo leben wir eigentlich?

In einem der reichsten Länder der Welt grenzen wir Millionen von Menschen, ganze Familien von diesem gesellschaftlichen Wohlstand aus. Die Schere zwischen Reich und Arm klafft in unserem Land immer mehr auseinander.

Weniger als 1 % der deutschen Bevölkerung besitzt etwa 60 % des Geldvermögens in Höhe von 4,1 Billionen Euro. Würde der Staat diesen Superreichen nur 5 % wegsteuern, könnte er 120 Milliarden Euro requirieren. (Quelle: "World Wealth Report" der Investmentbank Merril Lynch)

Das wäre unsere Alternative zu Hartz IV!