Berlin, 19.1.2013 (1) - "Wir haben Agrarindustrie satt" - Demonstration anläßlich der "Grünen Woche" |
Massenprotest in Berlin fordert die Agrarwende Bericht und Einschätzung (Teil 1) zur Demonstration von br Über 25.000 Menschen forderten am 19. Januar 2013 auf der "Wir-haben-es-satt"-Demonstration für eine Agrarwende vom Hauptbahnhof in Berlin zum Kanzleramt ein Umsteuern bei Subventionen für Landwirtschaft und prangerten Tierquälerei, Tierfabriken, Insektizideinsatz und die Folgen der EU-Politik für Länder des Südens an. Dutzende Traktoren fuhren vor das Kanzleramt. Über 25.000 Menschen demonstrierten gegen Tierfabriken, Gentechnik und Raubbau in der Landwirtschaft. Mit dabei waren 70 landwirtschaftliche Zugmaschinen und Fahrzeuge von Imkern. Letztere machen seit Jahren auf das dramatische Bienensterben aufmerksam, das auf den starken Einsatz von Pestiziden, die Ausbreitung von Monokulturen und gentechnisch veränderte Pflanzen zurückzuführen ist. Anlass der Demonstration war die in Berlin veranstaltete Landwirtschafts- und Nahrungsgütermesse »Grüne Woche« und der im Auswärtigen Amt abgehaltene Agrarministergipfel mit Teilnehmern aus über 80 Ländern. Im Mittelpunkt des Gipfels, an dem neben Bundeslandwirtschaftministerin Ilse Aigner (CSU) auch Vertreter aus Entwicklungs- und Schwellenländern teilnahmen, standen die weltweite Ernährungssituation und der "Kampf gegen den Hunger". Schon zum dritten Mal in Folge machte ein breites Bündnis von Umwelt-und Verbraucherschützern, Bürgerinitiativen, Landwirten und entwicklungspolitischen Organisationen auf die Fehlentwicklungen in der Agrarpolitik aufmerksam. Einer der Organisatoren der Proteste, der ´Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland`(BUND) fordert, Verteilungsfragen unter Umweltgedanken neu zu stellen und hat sich deswegen dem »Bündnis für ein Existenzminimum«, für eine sozial gerechtere Verteilung, für einen höheren Hartz-IV-Satz angeschlossen. Umweltgerechte Lebensführung kostet häufig mehr Geld. Menschen, die auf Transferleistungen des Staates angewiesen sind, müssen in die Lage versetzt werden, so konsumieren zu können, dass sie sich und ihre Familien gesund ernähren können. Der zum 1. Januar 2013 um acht auf 382 Euro erhöhte Hartz-IV-Satz reicht dafür nicht aus. Der BUND ist auch Mitglied im Bündnis »Friends of the earth«. Dieses internationale Netzwerk ist eine Mischbewegung aus Umwelt- und sozialer Bewegung. International sind viele Menschen von der aus Umweltzerstörung entstehenden Armut betroffen. Innerhalb Deutschlands ist die Spaltung zwischen Arm und Reich in den vergangenen Jahren mit Hartz IV extremer geworden. Die neue gemeinsame Bündnispolitik zwischen Umwelt- und sozialen Organisationen ist das Resultat einer absolut verfehlten, sprich kapitalistischen Sozial- und Ökologiepolitik auch vergangener Bundesregierungen. Hubert Weiger, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sprach auf der Kundgebung von »potemkinschen Dörfern der Agrarindustrie«, die auf der Messe "Grüne Woche" gezeigt würden: "Hinter dem schönen Schein der Messestände verbergen sich millionenfaches Tierleid, ein exorbitanter Antibiotikaeinsatz bei Masttieren und enorme Belastungen der Umwelt durch die Massentierhaltung.(...)Statt Tierfabriken müssten endlich bäuerliche Betriebe gefördert werden. Auch Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des ´Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft` kritisierte die herrschende Agrarpolitik: Die EU-Agrarsubventionen dürften nicht länger mit der Gießkanne verteilt werden. Die Milliardenbeträge sollten vielmehr gezielt für jene ökologischen und sozialen Leistungen eingesetzt werden, für die der Markt die Bauern nicht entlohnt. Die unmittelbaren sozialen und Umweltfolgen der Massenproduktion von billigem Fleisch schilderte Uschi Helmers von der Bürgerinitiative gegen einen gigantischen Geflügelschlachthof im niedersächsischen Wietze, in dem seit 2011 pro Jahr knapp 135 Millionen Hühner geschlachtet werden: Ausländische Arbeiter würden in Fleischfabriken wie dieser "für 3,50 Euro Stundenlohn ausgebeutet". Für das Futter, das Masttiere hierzulande bekommen, werde der Regenwald in Südamerika abgeholzt. Johanna Böse-Hartje vom ´Bundesverband der Deutschen Milchviehhalter` wies auf die prekäre Lage ihrer Berufkollegen hin, die sich trotz Milchstreiks, Bäuerinnencamp vorm Kanzleramt und Demonstrationen in Brüssel nicht verbessert habe. Sie äußerte die Hoffnung, dass ein breites Bündnis von Bauern und Bürgern eine Wende in der Agrarpolitik herbeiführen könne. Die starke Beteiligung an der Demonstration sei "der Beweis, dass unsere Forderungen nach Marktregeln und einem Systemwechsel in der Landwirtschaftsförderung in der Gesellschaft angekommen" seien. Gemeinsam könne man erreichen, dass bäuerliche Betriebe "endlich unter fairen Bedingungen gesunde Lebensmittel erzeugen" können. Die Teilnehmer waren aus dem ganzen Bundesgebiet angereist und einige auch aus Polen, den Niederlanden und einigen anderen Ländern. Auf einem Transparent wurde "Teraz: Rolnictwo Ekologiczne" ("Ökologische Landwirtschaft jetzt") gefordert. Die globalen Folgen der heutigen EU-Agrarpolitik skizzierte Klaus Seitz, Leiter der Politikabteilung von "Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst": Insbesondere die europäischen Agrarexporte bedrohten die Existenz vieler Bauernfamilien in den armen Ländern. Produktivitätssteigerung in unseren Breiten trage nicht zur Bekämpfung des Hungers im Süden bei, im Gegenteil. |
Text "Massenprotest in Berlin fordert die Agrarwende" Teil 2 |