Berlin, 19.1.2013 (2) - "Wir haben Agrarindustrie satt" - Demonstration anläßlich der "Grünen Woche"Bilder

Massenprotest in Berlin fordert die Agrarwende

Bericht und Einschätzung (Teil 2) zur Demonstration von br

Auf der "Wir-haben-es-satt"-Demonstration war die Partei ´Die Grünen` mit einem starken Kontingent vertreten. Doch die Grünen, die immer noch vorgeben, eine engagierte Umweltpartei zu sein, rücken mit ihrer "Lifestile"-Politik immer weiter nach rechts.

Mit Jürgen Trittin und Katrin Göring-Eckardt haben die Grünen im November 2012, ein Jahr vor der Bundestagswahl, ihre beiden Spitzenkandidaten bestimmt.

Erstmalig in der bundesdeutschen Geschichte wurden die Kandidaten direkt von der Mitgliedschaft gewählt, mit bemerkenswertem Ergebnis. Wurde bisher oft behauptet, die Basis der Grünen sei gegenüber ihrer Parteispitze moderner, sozialer oder gar „linker“ eingestellt, hat die Urwahl bewiesen, dass dies nicht der Fall ist. Geht es um konservative Werte oder die Durchsetzung des europaweiten Spardiktats, positioniert sich die Mitgliedschaft der Grünen entschieden im Lager des konservativen Bürgertums. Mit der Wahl von Göring-Eckardt öffnet sie die Tür für eine Zusammenarbeit mit der CDU im Bund und für eine Verschärfung der Angriffe auf die Arbeiterklasse. An der Urwahl hatten sich knapp 62 Prozent der 60.000 Parteimitglieder beteiligt.

Im Gegensatz zu Göring-Eckardt hatten sich Roth und Künast deutlich für eine Zusammenarbeit mit der SPD nach der nächsten Bundestagswahl ausgesprochen. Dagegen steht Göring-Eckardt seit Jahren für eine Zusammenarbeit mit der CDU. Sie gehörte zur sogenannten Pizza-Connection, einem Gesprächskreis von jungen Abgeordnete der CDU und Grünen. In der Partei steht sie für einen wirtschaftsliberalen Kurs. In die Politik kam die studierte Theologin 1989 über die kirchliche Opposition der DDR. Zur Wendezeit war sie Gründungsmitglied der Bewegung „Demokratie jetzt“ und „Bündnis 90“, die sich mit der SED an den Runden Tisch setzte, um im Namen des Kampfes für bürgerliche Freiheiten die Wiedereinführung des Kapitalismus zu organisieren.

Während in den folgenden Jahren in Ostdeutschland Millionen Arbeiter in Arbeitslosigkeit und Armut stürzten, begann sie ihren politischen Aufstieg. Von 1990 bis 1994 war sie Fraktionsreferentin im Thüringer Landtag. 1998 zog sie in den Bundestag ein und wurde Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen. In dieser Funktion war sie an der Organisation einer grünen Mehrheit für den Kosovokrieg 1999 und den Afghanistankrieg 2001 beteiligt. Von 1998 bis 2005 waren die Grünen Partner der SPD in einer rot-grünen Koalition.

Nach der Bundestagswahl 2002 wurde Göring-Eckardt Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag. Als Schröder die „Hartz-Gesetze durch die rot-grüne Koalition prügelte, konnte er sich fest auf die Fraktionschefin verlassen“, lobt sie die konservative Zeitung Die Welt. Göring-Eckardt schwärmte von der Agenda 2010 als „Frühling der Erneuerung“. Die Leistungskürzungen, welche die Jobcenter den Hartz-IV-Empfängern androhen konnten, nannte sie ein „Bewegungsangebot“ an die Betroffenen.

Nachdem die Grünen 2005 aus der Bundesregierung ausgeschieden waren, wurde Göring-Eckardt mit den Stimmen von CDU, FDP, SPD und Grünen zur Bundestagsvizepräsidentin gewählt.

Ihre Unterstützung für Kriege und Sozialabbau verbindet die bekennende Christin mit religiöser Bigotterie* (*Scheinheiligkeit ist die Bezeichnung für ein unreflektiertes, übertrieben frömmelndes, dabei anderen Auffassungen gegenüber intolerantes und scheinbar ganz der Religion oder einer religiösen Autorität - Person oder Instanz - gewidmetes Wesen oder Verhalten). Der Zeitschrift ´Faszination Bibel` sagte sie 2010: „Die Worte, die im Buch der Bibel überliefert sind, können uns gelassen, frei und erfinderisch machen inmitten einer sich rapide verändernden Welt.“

Nachdem ihre politische Karriere 2005 ins Stocken geraten war, wurde sie 2007 Kirchentagspräsidentin sowie 2009 Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Die frisch gekürte Spitzenkandidatin der Grünen sagte vor der Hauptstadt-Presse, ihr Ziel für 2013 sei „Grün oder Merkel“ – eine Formulierung, die eine Koalition mit der CDU offen lässt. Gemeinsam mit Trittin kämpfe sie um eine Wählerklientel, die einerseits „wertebewusst“ und andererseits „von der Union enttäuscht“ sei.

Damit spielt die Spitzenkandidatin auf die weit verbreitete Unzufriedenheit der Wirtschaftselite und bürgerlicher Kreise mit der zerstrittenen schwarz-gelben Bundesregierung an. Dieser wird kaum mehr zugetraut, gegen den Widerstand der Bevölkerung das von den Finanzmärkten verordnete Spardiktat durchzusetzen und weitere scharfe Angriffe auf den Lebensstandard zu führen.

Mit Jürgen Trittin hat sie dabei einen Partner an ihrer Seite, der zu den schärfsten Verfechtern von Geldgeschenken an die Banken bei gleichzeitiger „fiskalische Disziplin“ gegenüber der Bevölkerung gehört. Seit Ausbruch der Euro-Krise hat er alle Bankenrettungspakete und Gesetze der schwarz-gelben Bundesregierung, die sich auf den Euro bezogen, unterstützt. Merkel kritisiert er dafür, dass sie in der Griechenlandkrise nicht bereitwillig genug Geld für die Rettung der in Griechenland engagierten Banken bereitstelle und in Deutschland zu zögerlich den Rotstift ansetze. Im Deutschen Bundestag zählt er zu den vehementesten Fürsprechern der Europäischen Union und ihres Sparprogramms. „Die Inkarnation der Bürgerlichkeit“, kommentierte Spiegel-Online, und schrieb weiter: „Mittlerweile dürfte sich herumgesprochen haben, dass die Grünen-Anhängerschaft auch vom Einkommen her die Partei der Besserverdienenden schlechthin“ sei. Zuletzt habe die Partei hohe Wahl- und Zustimmungswerte vor allem von Beamten des höheren Dienstes und Unternehmern bekommen. Heute bildeten die Grünen deshalb „den Nukleus des Bürgertums in Deutschland“.

Keine andere deutsche Partei hat sich derart für die Unterstützung des Libyen-Kriegs eingesetzt wie die Grünen. Währen die einstigen Pazifisten in Berlin zu diesem Zeitpunkt an der Macht gewesen, hätten auch Tornados` der deutschen Bundeswehr ihre tödliche Fracht über Tripolis abgeworfen.

Nachdem der UN-Sicherheitsrat mit der ´Resolution 1973` grünes Licht für den Krieg gegeben hatte, verabschiedete das höchste Parteigremium der Grünen, der Länderrat, einen Beschluss, in dem es heißt: "Wir halten die Maßnahmen der Vereinten Nationen insgesamt politisch für notwendig, um die Bevölkerung vor schwersten Menschenrechtsverletzungen zu schützen.“ Der Bundesregierung, die sich im Sicherheitsrat der Stimme enthalten hatte, warf Grünen-Fraktionschefin Renate Künast politisches Versagen vor. „Es ging hier um die politische Aussage und das Bekenntnis, dem libyschen Volk zu helfen – da hat die Bundesregierung versagt“, sagte sie SpiegelOnline.

Auch der frühere grüne Außenminister Joschka Fischer kritisierte die Bundesregierung diesbezüglich: "Wie der Balkan gehört die südliche Gegenküste des Mittelmeers zur unmittelbaren Sicherheitszone der EU“, schrieb er in einem Beitrag für die Süddeutsche Zeitung. "Es ist einfach nur naiv zu meinen, der bevölkerungsreichste und wirtschaftlich stärkste Staat der EU könne und dürfe sich da heraushalten.“ Außenpolitik heiße, "harte strategische Entscheidungen zu verantworten, selbst wenn sie in der Innenpolitik alles andere als populär sind“, betonte Fischer. Ähnlich äußerte sich Fischers langjähriger Freund Daniel Cohn-Bendit, der Fraktionschef der Grünen im Europaparlament. Er setzte sich auf SpiegelOnline vehement für eine Kriegsbeteiligung ein und warf der Bundesregierung vor, sie habe aus Angst vor den Landtagswahlen, „eine einmalige Chance verpasst“.

Die Grünen hatten bereits 1998 dafür gesorgt dass sich deutsche Soldaten erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg wieder an einem Krieg beteiligen. Mit ihrer Zustimmung zum Kosovo-Krieg erkauften sie sich damals den Eintritt in die Bundesregierung. Die deutsche Beteiligung am Afghanistankrieg, der bis heute andauert, erfolgte dann unter der Verantwortung des grünen Außenministers Joschka Fischer.

Auch die Umwandlung der Bundeswehr aus einer Wehrpflichtigenarmee, die der Verteidigung dient, in eine Berufsarmee, die internationale Kriegseinsätze durchführt, wurde von den Grünen vorangetrieben. Sie versuchten den reaktionären Charakter dieser Veränderung zu verschleiern, indem sie die Abschaffung der Wehrpflicht in den Vordergrund stellten – was unter wehrpflichtigen Jugendlichen verständlicherweise populär war.

Mit der Unterstützung für den Libyenkrieg erreichte die Verwandlung der Grünen in eine Kriegspartei eine neue Qualität. Wurden der Kosovo- und der Afghanistankrieg noch von allen etablierten Parteien unterstützt, griffen die Grünen nun eine konservative Regierung eindeutig von rechts an, weil sie militärisch nicht aggressiv genug auftrat, auch wenn die Regierung Merkel eine Kriegsbeteiligung aus taktischen und nicht aus grundsätzlichen Gründen ablehnte.

Anders als früher argumentierten die Grünen nicht nur mit „humanitären“ Gründen, so verlogen und falsch diese auch sind. Sie rechtfertigten den Libyen-Krieg auch mit strategischen Zielen, wie Fischers Auslassungen über Nordafrika als „Sicherheitszone der EU“ unmissverständlich zeigen. Sie nahmen den Tod libyscher Zivilisten und Soldaten billigend in Kauf, um europäische Sicherheitsinteressen – und natürlich auch Ölinteressen – zu befriedigen.

Die Grünen treten als Partei auf, die dem deutschen Militarismus auf die Beine hilft. Sie nutzen dabei ihren zeitweiligen Höhenflug in der Wählergunst.

Bei Landtagswahlen konnten sie ihren Stimmenanteil verdoppeln; in Baden-Württemberg stellen sie sogar erstmals den Ministerpräsidenten.

Der Aufschwung der Grünen erfolgt jedoch nicht wegen, sondern trotz ihrer Kriegspolitik. Noch Mitte März 2011 hatten sich in einer Stern-Umfrage 88 Prozent der Befragten gegen die Entsendung deutscher Truppen nach Libyen ausgesprochen; nur 8 Prozent waren dafür. Nach Kriegsbeginn befürwortete unter dem Einfluss der allgemeinen Propaganda zwar eine knappe Mehrheit den Militäreinsatz, doch eine deutsche Beteiligung lehnten auch weiterhin 65 Prozent ab.

Die Grünen profitieren zum einen von der Krise der Bundesregierung, die in allen wichtigen politischen Fragen zerstritten ist, und vom Niedergang der SPD, die sich mit den Hartz-Gesetzen bei ihren Stammwählern in der Arbeiterklasse nachhaltig diskreditiert hat. Zum anderen hängt ihnen weiterhin der Ruf an, sie bildeten eine Alternative zu den etablierten Parteien, obwohl sie sich längst in das bestehende System integriert haben. Vor allem die nukleare Katastrophe in Japan hat der ehemaligen Anti-Atom-Partei trotz ihrer Heuchelei Aufschwung verliehen. Wer allerdings von den Grünen eine alternative Politik erwartet, wird sein blaues Wunder erleben. Sie reagieren auf den Aufschwung in der Wählergunst mit einem deutlichen Ruck nach rechts. Das gilt nicht nur für die Außen- und Sicherheits-, sondern auch für die Wirtschaftspolitik.

Die Verwandlung der Grünen aus einer kleinbürgerlichen Protestpartei, die aus den Überresten der 68er Bewegung, der Friedens- und der Umweltbewegung hervorging, in eine rechte bürgerliche Partei, die für Militarismus und Austerität eintritt, hat soziale Wurzeln. Den Ton geben bei den Grünen die Vertreter einer wohlhabenden Mittelschicht an, die sozial aufgestiegen sind, während der Lebensstandard der arbeitenden Bevölkerung kontinuierlich sank. Angesichts der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise und des Aufflammens internationaler Klassenkämpfe verteidigen sie rücksichtslos die Privilegien der herrschenden Klasse.

Die Gründer der ´Grünen` stammten aus der Generation, die 1968 auf die Straße gegangen war, um gegen Bildungsnotstand, Vietnamkrieg und den Mief der Adenauer-Ära zu protestieren. Anfang der siebziger Jahre waren sie dann unterschiedliche Wege gegangen: Einige hatten sich der SPD angeschlossen, andere ins Privatleben zurückgezogen und einen alternativen Lebensstil gepflegt, wieder andere hatten maoistische Gruppen gegründet.

In den ´Grünen` fanden sie sich alle wieder zusammen, ergänzt durch Atomkraftgegner, Umweltschützer, Feministinnen und ein paar versprengte Blut-und-Boden-Ideologen.

Kleinster gemeinsamer Nenner dieser unterschiedlichen Strömungen war die Ablehnung des Klassenkampfs. Aus der 68er Bewegung hatten sie das Vorurteil mitgebracht, die Arbeiterklasse sei eine apathische, durch Konsum ins System integrierte, für rückständige Ideen anfällige Masse. Die Erneuerung der Gesellschaft sollte daher auf anderem Wege vor sich gehen: durch Veränderung der persönlichen Denk- und Lebensweise, Schutz der Umwelt, Pazifismus und Auffrischung der bürgerlichen Demokratie. Die theoretischen Stichwortgeber der 68er Bewegung – Herbert Marcuse, Max Horkheimer und Theodor Adorno u.a. – standen so auch bei der Gründung der ´Grünen` Pate, auch wenn dies nicht mehr so offensichtlich war. Sie lehnten die materialistische Geschichtsauffassung ab, laut der "die Produktionsweise des materiellen Lebens den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozess bedingt" (Marx), und vertraten eine idealistische Auffassung, die die Triebkraft gesellschaftlicher Veränderung ins Subjekt verlegt. Nicht der Klassenkampf, sondern die geistige, psychische oder sexuelle Befreiung des Individuums war ihrer Auffassung nach der Motor des gesellschaftlichen Fortschritts. Rudi Dutschke, der all diese Theorien in sich aufgesogen, zu einem ideologischen Amalgam vermischt und so zum Wortführer der 68er Bewegung geworden war, beteiligte sich intensiv an den Vorbereitungen zum Gründungskongress der ´Grünen`, starb aber drei Wochen vorher an den Spätfolgen eines Mordanschlags.

Das radikale Auftreten der Grünen, das damals nicht wenige Konservative und Sozialdemokraten in Angst und Schrecken versetzte, beschränkte sich auf Äußerlichkeiten wie Haarwuchs, Kleidung und andere Lebensgewohnheiten. Im Grunde waren die Grünen rückwärtsgewandt und - im wörtlichen Sinne - konservativ. Sie kritisierten die bestehende Gesellschaft nicht vom Standpunkt der Arbeiterklasse, deren Existenz untrennbar mit der modernen Industrie verbunden ist und die ihre sozialen Probleme nur lösen kann, indem sie die Produktivkräfte von den Fesseln des Privateigentums befreit. Sie kritisierten sie vom Standpunkt des Kleinbürgertums, das sich durch die moderne Industrie bedroht fühlt und versucht, einigen der offensichtlichsten Missständen durch die Rückkehr zu älteren Produktionsformen beizukommen.

Am deutlichsten zeigte dies ihr Wirtschaftsprogramm, das für "eine Abkehr von der nationalen und internationalen Arbeitsteilung" und "eine verbrauchernahe Produktion in lokalen und regionalen Wirtschaftsräumen" eintrat. Ihre programmatischen Bekenntnisse gegen Umweltzerstörung, Krieg und andere gesellschaftliche Übel hinderten sie nicht daran, sich mit den herrschenden Mächten zu arrangieren. Ihre Entwicklung wurde durch ihr gesellschaftliches Sein bestimmt, und nicht durch die utopischen Vorstellungen, die während der Gründerjahre in den Reihen der Grünen kursierten. Und in der gesellschaftlichen Realität stützten sie sich auf die städtischen, gebildeten Mittelschichten, die in den achtziger und neunziger Jahren einen sozialen Aufstieg erlebten, während der Lebensstandard der Arbeiterklasse stagnierte und sank.

Schon Anfang der achtziger Jahre zogen die ´Grünen` in mehrere Landesparlamente ein, 1983 in den Bundestag und 1985 wurde Joschka Fischer in Hessen zum ersten grünen Landesminister vereidigt. 1998 folgte dann der Eintritt in die Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD). Noch bevor diese Regierung die Amtsgeschäfte übernahm, unterstützten die ´Grünen` in einer Sondersitzung des Bundestags die deutsche Teilnahme am Nato-Krieg gegen Jugoslawien. Der ehemalige Straßenkämpfer Joschka Fischer wurde mit dem prestigeträchtigen Amt des Außenministers betraut, um den in der Bevölkerung tief verwurzelten Widerstand gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr zu durchbrechen.

Angesichts der tiefsten Wirtschaftskrise seit siebzig Jahren muss gerade auch die jüngere Generation die Lehren aus der ununterbrochenen Rechtsentwicklung der Grünen ziehen. Die Übel der kapitalistischen Gesellschaft können nicht mit "grünen" Rezepten überwunden werden, die sich auf Korrekturen an oberflächlichen Symptomen beschränken. Der anwachsende Militarismus, soziale Angriffe und Demokratieabbau können nur von einer Partei zurückgewiesen werden, die sich auf den Klassenkampf stützt, die Arbeiterklasse international vereint und für ein sozialistisches Programm zur Abschaffung des Kapitalismus mobilisiert.

Renate im Wunderland: Eine grüne Machtpolitikerin, die Kindern auch schon Mal zeigt, wie empfindsame Lebewesen qualvoll umgebracht werden - Renate Künast.

Die grundlegenden Interessengegensätze zwischen den lohnabhängig Beschäftigten und den zur Arbeitslosigkeit Verdammten einerseits und den Unternehmern und Besitzenden andererseits finden in Wahlprogrammen der ´Grünen` keine Erwähnung. Für Klassengegensätze gibt es darin keinen Platz. Sie werden hinter einem Wust von Versatzstücken aus der Umwelt-, Identitäts- und Kulturpolitik verborgen. Zum Beispiel im Berliner Wahlprogramm zur Abgeordnetenhauswahl 2011:

„Blockaden lösen“, „eine neue politische Kultur“, „Diversity: Politik der Vielfalt“, „Kreativität“, „geschlechtergerechtes Berlin“, „Stadt verschiedener sexueller Identitäten“, „Fahr Rad“ und – immer wieder – „Klimahauptstadt Berlin“, „grüne industrielle Revolution“ sowie „ökologische Stadtentwicklung“ lauten die Schlagworte des grünen Programms. Auch mit sozialen Versprechen geizt es nicht. Die Verheißung von „Arbeit und sozialer Sicherheit für alle“ findet sich darin ebenso wie „gute Bildung für alle“.

Blickt man allerdings hinter die blumigen Worte, stößt man auf eine knallharte Klassenpolitik. Die ´Grünen` sind entschlossen, das Spardiktat des Finanzkapitals mit aller Konsequenz durchzusetzen. Sie wollen den Austeritätskurs des Wowereit-Senats verschärfen. In dieser Frage werden sie ausnahmsweise konkret. Sie verpflichten sich, die in der Verfassung verankerte Schuldenbremse einzuhalten und die 60 Milliarden Schulden des Landes Berlin rasch abzubauen.

„Wollen wir handlungsfähig sein, müssen wir in der kommenden Legislaturperiode angesichts der unvermeidlichen Kostensteigerungen mindestens 500 Millionen Euro effektiv einsparen“, heißt es dazu im Wahlprogramm. „Wahlgeschenke wird es keine geben und mit Ausnahme der Bildung werden wohl alle Politikbereiche von Budgetkürzungen betroffen sein.“ Mit anderen Worten, sämtliche anderen Wahlversprechen, die das Programm der ´Grünen` zieren, dürfen entweder nichts kosten oder werden dem Rotstift zum Opfer fallen.

Im Wowereit-Senat war sieben Jahre lang Thilo Sarrazin für die Sparpolitik verantwortlich. 2009 wechselte er in die Chefetage der Bundesbank und veröffentlichte seine berüchtigte Hetzschrift gegen islamische Immigranten. Das Sparprogramm der ´Grünen` knüpft direkt an das Erbe Sarrazins an. Auch sie wollen vor allem auf Kosten der sozial Schwachen und des Öffentlichen Diensts sparen.

So werden im Wahlprogramm „die Erbringung und das Zustandekommen sozialer Leistungen“ ausdrücklich als Beispiele für Einsparmöglichkeiten genannt. Hier allein sollen mindestens 100 Millionen Euro gekürzt werden. Als weitere Sparreserve wird die Verwaltung angeführt. In diesem Bereich wollen die Grünen durch Personalabbau 250 Millionen Euro im Jahr einsparen.

Auf der Einnahmeseite sollen dagegen lediglich 190 Millionen Euro zusätzlich aufgebracht werden, 150 Millionen durch die Erhöhung der Gewerbesteuer und 40 Millionen durch eine „City-Tax“ auf Hotelübernachtungen. Ob diese Steuern jemals erhoben werden, ist allerdings höchst fraglich, bekennt sich das Wahlprogramm doch ausdrücklich zu den Interessen der Berliner Wirtschaft, die alles daran setzen wird, eine Erhöhung der Steuern zu verhindern.

Das Wahlprogramm buhlt regelrecht um das Vertrauen der Wirtschaft und internationaler Investoren. So heißt es darin: „Wir wollen nicht nur Touristen, sondern auch Investoren überzeugen, nach Berlin zu kommen. Dafür müssen wir unsere Ressourcen anpreisen und uns als verlässlicher Partner präsentieren. Für Berlin als grünen Wirtschaftsstandort national wie international zu werben – das wird zu den ersten Amtshandlungen einer grünen Bürgermeisterin gehören.“

Zu diesem Zweck wollen die ´Grünen` die Berliner Verwaltung an die Bedürfnisse der Wirtschaft anpassen: „Berlins Wirtschaft ist kreativ – Berlins Verwaltung muss es noch werden. Moderne Wirtschaftsverwaltung räumt Hindernisse aus dem Weg und unterstützt Menschen und Unternehmen, die diese Stadt voranbringen wollen.“

An anderer Stelle bieten die ´Grünen` der Berliner Wirtschaft „einen Pakt für Wirtschaft und Arbeit“ an und versprechen: „Wir begreifen die Wirtschaft als Partner, mit dem wir gemeinsam Neues entwickeln.“ Ein solcher Pakt diente bisher immer als Mechanismus für soziale Angriffe. Sakrosankt sind für die ´Grünen` auch die Verpflichtungen des Landes Berlin an die Banken. So werden die Zinszahlungen und die bestehenden Renditezusagen der Sonderfonds, die mit ursächlich für den Berliner Bankenskandal waren, nicht angetastet.

Auch in anderen Passagen des grünen Wahlprogramms wird sein rechter Charakter hinter dem Schleier wohltönender Worte sichtbar. So wollen die Grünen zur Behebung der Finanznot der Stadt „privates und öffentliches Geld miteinander versöhnen“. Damit dürften Projekte der Privat Public Partnership gemeint sein, die ganz und gar keine neue Idee sind und in den vergangenen Jahren dazu geführt haben, dass Städte ihr kommunales Eigentum im Zuge dubioser Finanzgeschäfte verloren.

Die ´Grünen` wollen öffentliche Aufgaben durch Private finanzieren lassen und „im Tausch“ dafür die inhaltliche Mitgestaltung der privaten Geldgeber an den mitfinanzierten Projekten gestatten. Dieses Modell dürfte zu einem weiteren Demokratieabbau führen, denn wer bezahlt, bestimmt auch, wo es lang geht. Die Grünen lehnen sogar die vom rot-roten Senat versprochene Rekommunalisierung der Betriebe der Daseinsvorsorge, wie beispielsweise der Berliner Wasserbetriebe, ab. Auffallend am Programm der ´Grünen` ist auch, dass es auf Polemik gegen SPD und CDU weitgehend verzichtet. Schließlich braucht man sie noch als Koalitionspartner.

Der Name Sarrazin, der für sieben Jahre brutale Sparpolitik und für antiislamische Hetze steht, wird nicht erwähnt. Stattdessen passen sich die Grünen selbst an die Sprache der Rechten an. So fordert Renate Künast von den Migranten und ihren Kindern, sich bei der Integration in die Mehrheitsgesellschaft mehr „anzustrengen“. Sie hat sich in der Integrationspolitik auch bei negativen Zuschreibungen wie „Ehrenmorde“ und „verbrecherische Großfamilien“ innerhalb der Partei durchgesetzt.

Der Stimmenzuwachs der ´Grünen` ist nicht mit Unterstützung für ihr rechtes Programm gleichzusetzen. Sie profitieren von der Krise der anderen bürgerlichen Parteien und dem Fehlen einer fortschrittlichen Alternative in der Arbeiterklasse.

Auf Bundesebene sind Union und FDP in allen wichtigen politischen Fragen zerstritten und haben in den Umfragen ein Rekordtief erreicht. In Berlin hat sich die CDU nie vom Bankenskandal erholt, der einen Abgrund der Korruption offenbarte und 2001 zum Sturz des letzten Regierenden CDU-Bürgermeisters Eberhard Diepgen führte. Seither haben SPD und Linkspartei ein Sparprogramm gegen die Arbeiterklasse durchgesetzt, das selbst konservativ regierte Bundesländer übertrifft und Berlin die zweithöchste Arbeitslosenrate Deutschlands beschert hat.

Das politische Vakuum, das so entstanden ist, füllen jetzt die ´Grünen` auch im Bund als Mehrheitsbeschaffer für die CDU. Ihr diffuses Wahlprogramm findet aufgrund der weit verbreiteten politischen Konfusion einen gewissen Widerhall. Es vertuscht gezielt die Klassenfragen, indem es sogenannte Menschheitsfragen wie den Umweltschutz in den Vordergrund stellt. Außerdem verfügen die Grünen über Stammwähler in Kreisen der wohlhabenden und akademischen Mittelklasse sowie im „alternativen“ Milieu. Für letzteres verkörpern die Grünen weniger ein politisches Programm, als einen alternativen Lebensstil.

Der Höhenflug der Grünen wird nur eine vorübergehende Erscheinung sein. Übernehmen sie die Regierungsverantwortung, wird die Kluft zwischen ihrem lebensfremden Programm und ihrer tatsächlichen Politik schnell sichtbar. Umso dringender ist es, eine sozialistische Alternative in der Arbeiterklasse aufzubauen. Sonst besteht die Gefahr, dass äußerst rechte Kräfte von der resultierenden Enttäuschung profitieren.

Text "Massenprotest in Berlin fordert die Agrarwende" Teil 3