Medien und Krieg - Der Fall Milosevic
NATO-Flop am Amtsgericht
Klaus Hartmann über ein Urteil, das die Sperrung der Spendenkonten für die Verteidigung von Slobodan Milosevic illegal nennt - 'junge Welt' vom 04.03.2006

Richter in Neustadt nennt Sperrung der Spendenkonten für Verteidigung von Slobodan Milosevic illegal. Beschlagnahmte Gelder müssen freigegeben werden

In aufopfernder Pflichterfüllung haben in den vergangenen Monaten deutsche Beamte Banken, Konten und Spender ausgeforscht, um den Spendengeldern auf die Spur zu kommen, die Slobodan Milosevic in Den Haag die Selbstverteidigung ermöglichen. Vor jenem Ad-hoc-Tribunal, das die Zerstörer Jugoslawiens zur Vertuschung ihrer Umtriebe installiert haben.

Als verlängerter Arm der NATO müht sich die Oberfinanzdirektion Koblenz, die Spendensammlung für die Verteidigungskosten von Milosevic zu sabotieren und lahmzulegen. Durch dezente Hinweise wurde erst die Volksbank Darmstadt, dann die Postbank veranlaßt, Spendenkonten zu kündigen, in einem Fall sogar das Privatkonto einer Mitarbeiterin des Verteidigungsteams. Obwohl das Amtsgericht Darmstadt im Jahr 2004 urteilte, das Spendensammeln für eine strafgerichtliche Verteidigung falle nicht unter die EU-Verordnung, mit der die Gelder von »Milosevic und seinem Umfeld eingefroren« werden sollten, war an ein Rückgängigmachen der Kontenkündigung nicht zu denken.

Rechtsbruch aufgedeckt

Trotz dieses Urteils ließen sich die Häscher der Haager Chefanklägerin Carla del Ponte nicht von ihrem Auftrag abbringen, die Spendensammlung zu torpedieren. Als nächste Bank nahmen sie die Kreis- und Stadtsparkasse Darmstadt ins Visier und beschlagnahmten im Oktober 2005 das dort eingerichtete Konto, Beamte der Essener Zollfahndung durchsuchten auf Geheiß aus Koblenz die Privatwohnung des Finanzbevollmächtigten Peter Betscher in Darmstadt, wobei sie Computer, Kontounterlagen und Akten mitgehen ließen. Zum Jahresende wurde Betscher mit einem »Bußgeld« von über 10000 Euro bestraft, und als vorerst »letzter Streich« wurde die Wiener Bank Austria-Creditanstalt bedroht und veranlaßt, das dortige Ersatzspendenkonto einzufrieren.

Gegen das Bußgeld legte Peter Betscher Rechtsmittel ein, und das Amtsgericht in Neustadt an der Weinstraße hatte darüber am 14. Februar zu entscheiden. Die Koblenzer Finanzfahnder verteidigten ihren Bußgeld- und Einziehungsbescheid damit, daß der Beschuldigte »Konten eingerichtet und darauf Finanzmittel zur Verteidigung von Slobodan Milosevic gesammelt« habe, somit habe es »wissentlich und absichtlich an Maßnahmen teilgenommen, um Gelder für Herrn Milosevic bereitzustellen«. Darin läge ein Verstoß gegen die Verordnungen (EG) Nr. 2488/2000 vom 14. November 2000 und Nr. 1205/2001 vom 20. Juli 2001 sowie gegen Paragraph 33 Außenwirtschaftsgesetz und Paragraph 70 Außenwirtschaftsverordnung.

Das sah nun das Amtsgericht in Neustadt völlig anders: »Entgegen der Auffassung der Verwaltungsbehörde ist das Sammeln von Spendengeldern zur Verteidigung von Milosevic in der von dem Betroffenen durchgeführten Form nicht als Ordnungswidrigkeit im Sinne der obengenannten Vorschriften anzusehen«, da »über die Guthaben der fraglichen Konten lediglich der Kontoinhaber, nicht jedoch Herr Milosevic oder ihm nahestehende Personen im Sinne der Verordnung verfügen konnten«.

Unter die fraglichen Verordnungen »kann jedenfalls das streng zweckgerichtete Sammeln von Geldern zur Verteidigung des Herrn Milosevic, die diesem selbst direkt nicht zugute kommen und auf die er keinerlei Zugriffsmöglichkeiten hat, nicht fallen. Eine andere Betrachtungsweise wäre auch mit dem Grundsatz eines fairen Verfahrens (Artikel 6 Abs. 3 c Europäische Menschenrechtskonvention) nicht zu vereinbaren«.

Hieraus folgerte das Gericht messerscharf: »Der Betroffene war deshalb aus rechtlichen Gründen freizusprechen. Die Beschlagnahmung der Guthaben auf den obengenannten Konten war aufzuheben. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen fallen der Staatskasse zur Last.« (Az. 5131 Js 4060/06.2b OWi)

Damit wird nochmals unmißverständlich klargestellt: Die Behinderung der Spendensammlung verstößt gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz eines fairen Verfahrens und damit gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. Damit sind die Häscher Del Pontes eindeutig als Rechtsbrecher gekennzeichnet, mitsamt ihren willigen Vollstreckern in Koblenz und Essen, von den »Helden« in den Bankvorständen ganz zu schweigen.

Dennoch verloren

Bei aller Genugtuung über diesen Sieg des Rechts bleibt wie so oft ein schaler Beigeschmack, denn für den angerichteten Schaden kommen nicht die Rechtsbrecher auf, der bleibt am Komitee für die Verteidigung von Slobodan Milosevic hängen. Zwar werden immer nur kleine Geldbeträge durch Einfrieren blockiert, aber viele Spender sind durch die Schließung und den Wechsel der Bankkonten verunsichert. Manche zweifelten an der Rechtmäßigkeit ihrer Spende, andere an der Korrektheit der Spendenverwendung, wieder andere erhielten ihre Spende von der Bank zurück oder fanden kein Ersatzkonto.

Nach den eigenen Statuten des Ad-hoc-Tribunals stellt das Agieren der deutschen (und österreichischen) Behörden eine »Mißachtung des Gerichts« dar, und zwar nicht nur durch Worte, sondern »tätlich«. In diesem speziellen Fall scheint das UN-Tribunal jedoch nach dem Motto »eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus« verfahren zu wollen: Aufforderungen, gegen die Behinderung der Verteidigung aktiv zu werden, stießen bei der Verwaltung des Sondergerichts auf demonstratives Desinteresse, eine Anfrage hierzu von Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck im Januar 2006 ist bis heute unbeantwortet.

Damit wird indirekt bestätigt, was die Milosevic-Unterstützer von Anfang an behaupteten: Die Behinderung der Spendenaktion ist Teil einer umfassenden Kampagne von Del Ponte und der hinter ihr stehenden NATO-Kreise, um dem »Angeklagten« das Recht auf Selbstverteidigung zu nehmen, ihn (zumindest) mundtot zu machen, die NATO-Version über die Zerstörung Jugoslawiens als alleinseligmachend an die Stelle der historischen Wahrheit zu setzen.

Quelle: http://www.jungewelt.de/2006/03-04/018.php


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