Medien und Krieg - Der Fall Milosevic |
Mord in Den Haag Ralph Hartmann in 'Ossietzky' vom 17.3.2006 "Dieser Prozeß wird nicht beendet werden, denn sein Ende würde eine Niederlage des Haager Tribunals bedeuten. Serbien wird höchstwahrscheinlich eine schwarze Nachricht erhalten: daß Milosevic plötzlich verstorben ist, sagen wir an Herzschlag." Diese Voraussage, gemacht Mitte Januar 2005 vom ehemaligen Chef der jugoslawischen Verwaltung für militärische Sicherheit, General a. D. Aco Tomic, ist eingetroffen. Slobodan Milosevic, langjähriger Präsident Serbiens und Jugoslawiens, ist am Morgen des 11. März tot in seiner drei mal fünf Meter großen Einzelzelle im Scheveninger Gefängnis nahe Den Haag aufgefunden worden. Noch am Vortag hatte er seinem Rechtsberater Zdenko Tomanovic gesagt, daß man ihn vergiften wolle, worüber der Berater umgehend das holländische Justizministerium, die Polizei und die russische Botschaft mit einem handschriftlichen Brief Milosevics an Außenminister Lawrow informierte. Die vom Gericht angeordnete Obduktion - der Wunsch der Angehörigen sie in Moskau durchzuführen, wurde abgelehnt - ergab, daß er an einem Herzinfarkt verstarb. Sei es wie es sei: Das als Schauprozeß vor dem sogenannten Jugoslawientribunal begonnene und aufgrund des Fiaskos der Anklage nahezu zum Geheimprozeß mutierte Gerichtsverfahren gegen Milosevic kann nicht abgeschlossen werden. Die Chefanklägerin Carla del Ponte und mit ihr der von der NATO initiierte, finanzierte und personell ausgestattete Gerichtshof sind einer Niederlage im "Prozeß aller Prozesse", wie sie diesen anfangs selbst genannt hatten, entgangen. So können die Hintermänner des Tribunals in Washington, Berlin und London mit Stolz und Genugtuung auf das Erreichte zurückblicken. Angeklagt haben sie Milosevic am 27. Mai 1999, während des Aggressionskrieges gegen Jugoslawien, wenige Tage nach der Raketenattacke auf das Dragisa-Misovic-Krankenhaus in Belgrad und drei Tage vor dem Terrorangriff auf die Morava-Brücke in Varvarin. Entführt nach den Den Haag haben sie ihn unter Bruch der jugoslawischen Verfassung und internationaler Rechtsnormen am 28. Juni 2001 in einer Nacht- und Nebelaktion, organisiert im engen Zusammenspiel zwischen der NATO, ihren Geheimdiensten und der mit ihrer Hilfe an die Macht gelangten Regierung in Belgrad unter Zoran Djindjic. Am 12. Februar 2002 schließlich ließen sie ihn in den ersten Gerichtssaal des Tribunals am Churchillplatz Nr. 1 führen. Dort begann der Prozeß der Aggressoren gegen den Präsidenten des überfallenen Staates. Vier lange Jahre haben die Ankläger nichts unversucht gelassen, Milosevic der Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Kosovo, Kroatien und Bosnien, dort sogar des Völkermords, zu überführen. Kein einziger der 300 Zeugen, die Frau del Ponte und ihr riesiger Stab an mehr als 250 Verhandlungstagen aufboten, konnte die Anklage stützen. In den vom sich selbst verteidigenden Expräsidenten souverän geführten Kreuzverhören - sie werden in die Rechtsgeschichte eingehen - brachen alle Anschuldigungen trotz fortgesetzter Hilfestellungen der Richter zusammen. Nicht selten wurden aus Zeugen der Anklage, zu denen makabrerweise die für die barbarische Kriegsführung gegen Jugoslawien verantwortlichen NATO-Generäle Wesley Clark und Klaus Naumann gehörten, unfreiwillig Zeugen der Verteidigung. Der Prozeß drohte für seine Initiatoren zu einem Debakel zu werden, und selbst in den USA erhoben sich einflußreiche Stimmen, das Haager "Frankenstein-Monster" zu begraben und die Chefanklägerin in die Wüste zu schicken (s. Ossietzky 4/2005). In ihrer Not schreckten die Gegner Milosevics auch nicht davor zurück, mit ständigen prozessualen Schikanen und mit der Verweigerung erforderlicher medizinischer Behandlung durch Belgrader Ärzte die ohnehin schon angeschlagene Gesundheit des Angeklagten zu untergraben und durch eine Hexenjagd auf seine nächsten Angehörigen, die ihn jahrelang nicht einmal besuchen durften, zusätzlichen psychischen Druck auf ihn auszuüben. Sie haben ihn nicht in die Knie zwingen können, aber seiner von zahlreichen Spezialisten bestätigten lebensgefährlichen Erkrankung haben sie nach Kräften nachgeholfen. Sie verweigerten ihm selbst die Medizin, die ihm jugoslawische Ärzte verordnet hatten, und mißachteten die Warnung eines Ärztekonsiliums, daß er jederzeit einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erleiden könnte. Den letzten Stoß versetzten sie ihm kürzlich mit der Ablehnung seines Antrages, sich wegen seiner akuten Leiden - schwere Beschädigung einer Herzkammer und extrem hoher Blutdruck von 230 zu 130 - am weltbekannten Moskauer Bakuljew-Zentrum von russischen Herzspezialisten behandeln zu lassen. Obwohl sie ihn lange Zeit in dem Glauben ließen, daß seinem Ersuchen stattgegeben wird, und obwohl die russische Regierung schriftliche Garantien für seine Rückführung nach Den Haag gegeben hatte, blieb das Tribunal seinem Ruf treu, ein gefügiges Organ der NATO zu sein. Milosevic hatte neben der so dringend notwendigen Behandlung insgeheim auch ein Wiedersehen mit seiner Frau Mira erhofft. Sein wacher Verstand verkraftete, wie die weitere Befragung seiner überzeugenden Entlastungszeugen zeigte, auch diesen Schlag, sein geschwächtes Herz aber offenbar nicht. Nun hat die NATO sieben Jahre nach dem Überfall auf Jugoslawien endlich auch dessen damaligen Präsidenten zur Strecke gebracht. In Belgrad sprechen die Medien nicht ohne Grund von Mord. Die deutschen dagegen schütten, von wenigen Ausnahmen abgesehen, noch einmal Kübel von Schmutz über den "Belgrader Unhold", den "Schlächter vom Balkan" aus und wiederholen die Lügen von seinem angeblichen nationalistischen Feldzug für ein "Großserbien", die im Prozeß längst widerlegt wurden. Sein eigentliches, in den Augen der NATO unverzeihliches "Verbrechen" - sein Eintreten für die Erhaltung der jugoslawischen Föderation, gegen das Diktat der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds - verschweigen sie. Nicht wenige Politiker und Kommentatoren feiern den Tod von Slobodan Milosevic trotz heuchlerischer Betroffenheitsbekundungen wie einen Sieg. Doch es ist ein Pyrrhussieg. Die Geschichte wird es zeigen. Kontraindizierte Medikamente Anfang Januar 2003 schrieb Ossietzky-Autor Heinrich Hannover an den Präsidenten des Tribunals in den Haag: "Den Prozeß gegen den ehemaligen Präsidenten Jugoslawiens, Slobodan Milosevic, verfolge ich mit kritischem Interesse. Ich war über 40 Jahre als Strafverteidiger tätig und habe Erfahrungen auch in Prozessen der politischen Justiz meines Landes gesammelt. Daher kommen mir die Verletzungen der Regeln eines fairen Verfahrens, die nach und nach bekannt werden, unheimlich bekannt vor. Gerade gegenüber einem Angeklagten, der nach dem Willen der Anklage vor aller Welt als Verbrecher gebrandmarkt werden soll, müßten die für jeden Angeklagten geltenden Menschenrechte besonders sorgfältig beachtet werden, wenn die Weltöffentlichkeit Verfahren und Urteil ernst nehmen soll. Das in den Haag tagende Tribunal setzt sich jedoch in empörender Weise über die Tatsache hinweg, daß Slobodan Milosevic ein kranker Mensch ist, der dringend fachärztlicher Behandlung bedarf. Die von Ihnen aufgestellte Behauptung, Herr Milosevic werde ausreichend ärztlich betreut, ist unwahr. Es ist bekannt geworden, daß ihm sogar kontraindizierte Medikamente verabreicht worden sind. Es entsteht der Eindruck, daß das Tribunal an einem Slobodan Milosevic, der im Vollbesitz seiner gesundheitlichen Kräfte ist und sich selbst verteidigen kann, nicht interessiert ist. Ich schließe mich der schon von deutschen Ärztinnen und Ärzten erhobenen Forderung nachdrücklich an, Herrn Slobodan Milosevic sofort aus der Haft zu entlassen und das Verfahren bis zur Wiederherstellung seiner Gesundheit zu unterbrechen." |
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Gegen die Manipulation der Wahrheit Interview mit Alexander Dorin zu Srebrenica, geführt von Kaspar Trümpy (Schweizer ICSM-Mitglied) am 12.09.2012 |