Medien und Krieg - Wie in vergangenen Kriegen manipuliert wurde, um kriegslüstern zu machen |
Was Bilder beweisen - über die Funktion von Bildern im Krieg gegen Jugoslawien Artikel von Andreas Neumann, August 2000, aus der Zeitschrift Arbeiterfotografie, Ausgabe 88 "'Die Bundesregierung' brauche 'Fakten über Greuel, besser noch Bilder von Grausamkeiten, die Milosevics Schergen begangen haben...' Verteidigungsminister Scharping beschwerte sich öffentlich, die NATO rücke nicht genügend Bilddokumente heraus. 'Ich hoffe, sie ändert das bald', so Scharping Mitte vergangener Woche, denn 'es ist auch eine Schlacht um Information und Propaganda.'" ('Spiegel', 12.4.99, S. 29) Die NATO reagiert schnell. Bereits am Sonntag, dem 11.4. präsentiert sie Bildmaterial von Massengräbern (veröffentlicht z.B. im 'Tagesspiegel' vom 13.4.99).
"Die Nato hat am Sonntag in Brüssel eine Luftaufnahme mit einem möglichen Massengrab bei Orahovac im Süden des Kosovo gezeigt. (1) An der Informationspolitik der Allianz hatte es immer wieder Kritik gegeben." ('Tagesspiegel', 13.4.99) Scharpings Kritik hat also gefruchtet und die damit verbundene Forderung nach wirkungsvollerem Propagandamaterial wurde offensichtlich prompt erfüllt. "NATO-Fotos deuten auf Massaker hin." So heißt die zugehörige, vierspaltig gesetzte Überschrift. Und weiter im Text: "Wie NATO-Sprecher Konrad Freytag mitteilte, deuteten Spuren von Erdarbeiten darauf hin, daß in der Ortschaft Pusto Selo bei Orahovac ein Massengrab ausgehoben sein könnte."
Eine Aufnahme ähnlicher Machart veröffentlicht der 'Spiegel' am 26.4.1999. Das Bild 2 wird auf der Seite eingebaut, ohne daß im Text darauf konkret Bezug genommen würde, geschweige denn, daß das Bild in seiner Glaubwürdigkeit reflektiert und hinterfragt würde. Während im 'Tagesspiegel' noch darauf hingewiesen wird, daß es sich um ein von der NATO hergestelltes Foto handelt, wird diese Herkunft im 'Spiegel' verschwiegen. Als Quelle wird lediglich 'dpa' angegeben. Dieses Bild war bei einer Pressekonferenz der NATO am 17.4.1999 präsentiert worden, und zwar mit den Worten: "Schließlich mögen Sie von Berichten über Greueltaten im Gebiet von Izbica gehört haben. Dieses Bild, am Donnerstag aufgenommen [15.4.1999], zeigt, was in der Nähe des Dorfes bis zu 150 Gräber sein könnten." Wenn es denn erwiesen wäre. "Und unser Handwerk besteht darin, Nachrichten auszustreuen, sie so schnell wie möglich in Umlauf zu bringen, so daß die Behauptungen, die unserer Sache dienen, als erste an die Öffentlichkeit gelangen. Die Schnelligkeit ist entscheidend. Sobald irgendeine Information für uns vorteilhaft ist, sehen wir uns verpflichtet, sie sofort in die öffentliche Meinung einzupflanzen. Denn wir wissen genau: es ist die erste Behauptung, die wirklich zählt. Alle Dementis sind völlig unwirksam... Wichtig ist die Fähigkeit, im richtigen Moment an der richtigen Stelle zu handeln... Es gehört nicht zu unserer Aufgabe, den Wahrheitsgehalt von Informationen zu überprüfen... Unsere Aufgabe ist es, uns dienliche Informationen schneller zu verbreiten und sie an wohlüberlegte Zielgruppen weiterzuleiten... Wir werden nicht bezahlt, um zu moralisieren." So äußert sich 1993 James Harff, Chef der PR-Agentur 'Ruder Finn Global Public Affairs', einer in den USA ansässigen Firma, die beauftragt ist, das Image von Kroatien, Bosnien-Herzegowina und der 'Republik Kosovo' in der Öffentlichkeit positiv zu beeinflussen, was sie ganz wesentlich durch die Schaffung des Feindbilds 'Die Serben' erreicht. Zurück zu den Massengrab-Bildern: Sie werden der Weltöffentlichkeit im Fernsehen und in den Druck-Medien präsentiert, in der Absicht, einen Eindruck von Beweisführung zu liefern. Sie graben sich ins Bewußtsein ein und mehr noch ins Unterbewußtsein - in der Regel, ohne daß dabei die Worte, mit denen sie präsentiert werden, im einzelnen analysiert würden und festgestellt würde, daß es sich um reine Spekulationen handelt, die entscheidenden Textpassagen im Konjunktiv formuliert sind, und ohne die Frage zu stellen, wie die Bilder tatsächlich zustande gekommen sind, ohne sich im klaren zu sein, wie leicht ein Bild manipuliert werden kann, wie leicht am Computer-Bildschirm ein paar grau-schwarze Tupfer erzeugt werden können.
Selbst wenn wir davon ausgehen, daß die Flecken tatsächlicher Bestandteil der Landschaft sind, ist damit nichts belegt. Es müssen deshalb keine Gräber sein. Und selbst wenn wir davon ausgehen, daß es sich um Gräber handelt, müssen hier keine Kosovo-Albaner liegen. Und selbst wenn wir davon ausgehen, daß es sich um Kosovo-Albaner handelt, und noch dazu um Zivilisten, ist es damit nicht erwiesen, daß sie von Serben umgebracht worden sind. Genausogut können die Beerdigten zu den 1400 Opfern gehören, denen bei insgesamt 38.000 Lufteinsätzen mittels Bomben ihr Leben genommen worden ist, wie z.B. bei Djakovica den Menschen in einem Flüchtlingstreck. "In Djakovica behaupteten städtische Beamte, daß 100 Kosovo-Albaner ermordet worden seien, aber daß dann mitten in der Nacht die Serben zurückgekommen wären, um die Leichen wieder auszugraben und abzutransportieren. In Pusto Selo berichteten Dorfbewohner von 106 Männern, die von Serben Ende März gefangengenommen und umgebracht worden seien. Die NATO gab sogar Satellitenaufnahmen frei, und zeigte Bilder, auf denen scheinbar zahlreiche Gräber zu sehen waren. Aber auch diesmal wurden bei einer Untersuchung vor Ort keine Leichen gefunden. Dorfbewohner behaupteten, daß serbisches Militär zurückgekommen sei und Leichen weggeschafft hätte. In Izbica berichteten Flüchtlinge, daß 150 Kosovo-Albaner im März getötet worden seien. Auch diesmal konnten ihre Leichen nirgendwo gefunden werden." Das veröffentlicht der private US-amerikanische Nachrichtendienst Stratfor am 17. Oktober 1999 im Rahmen eines Berichtes, der einen Sturm der Empörung auslöst. Darauf reagiert Stratfor-Chef Dr. George Friedman am 19. Oktober u.a. wie folgt: "Es ist möglich, daß Leichen abtransportiert oder sonstwie weggeschafft worden sind. Deshalb sind die gerichtsmedizinischen Teams vor Ort. Sie sind darin ausgebildet, Verbrechen zu erkennen, auch lange nachdem die Leichen weggeschafft worden sind. Deshalb haben wir auch sehr sorgfältig die Sprecher verschiedener Teams interviewt, einschließlich des FBI. Wir fragten spezifisch, ob sie Beweise für weggeschaffte Leichen gefunden hätten. Als Beweismittel gelten z.B. Blutspuren oder Körperfragmente in den geleerten Gräbern, oder Gase in den Erdklumpen und so weiter. Nach Aussagen des FBI und der anderen Teams haben sie keine Beweise gefunden... Die Frage nach der Anzahl der Toten ist in doppelter Hinsicht von entscheidender Bedeutung. Erstens ist es das, was die NATO behauptet hat, und es macht schon etwas aus, ob die NATO die Wahrheit gesagt hat oder nicht... [die Regierung] hat behauptet, daß Tausende ermordet würden. Wenn das nicht stimmt, dann macht mir das schon etwas aus. Es ist ein Standard, an dem ich meine Regierung messe. Es steht Ihnen frei, sich einen anderen Standard zu wählen."
"Am 3. Juni zeigt dieses ... Bild etwas, was wie ein Gelände erscheint, auf dem ein Bulldozer zugange war. Das ist der schwarze Klecks hier." Mit diesen Worten wird am 9. Juni 1999 im Rahmen einer Pressekonferenz des US-Verteidigungsministeriums noch einmal ein Bild des angeblichen Massengrabgeländes bei Izbica vorgestellt. (3) Allmählich haben die Massengrab-Aufnahmen ihre Wirkung erfüllt. Der Krieg, den sie zu legitimieren geholfen haben, neigt sich dem Ende zu. Wie James Harff sagt: Spätere Dementis sind völlig unwirksam. Dennoch ist es aufschlußreich, ein Jahr nach Kriegsende einen weit abgeschlagen winzigen Artikel zu lesen. (4)
Zwar suggeriert auch dieser Artikel immer noch die erwiesene Existenz einer großen Anzahl von Massengräbern. Aber genaues Lesen besagt das Gegenteil. 'Der Spiegel' am 29.3.1999: "Der Serben-Zar drangsaliert seine albanischen Schutz-befohlenen im Kosovo mit Repressionen, Vertreibung und Morden wie Mitte Januar beim Massaker an 45 Bewohnern des Dorfes Racak. 'Wenn Milosevic keinen Frieden will', drohte Menschenrechtler Clinton, 'dann sind wir entschlossen, ihn am Kriegführen zu hindern.'" Im Bericht der OSZE heißt es zu den Ereignissen in Racak klar: "Die Opfer wurden hingerichtet, viele aus allernächster Nähe erschossen." "Am Freitag [15.1.1999], ein Tag, bevor das Massaker bekannt wurde, machte Außenministerin Madelaine K. Albright darauf aufmerksam, das brüchige Kosovo-Abkommen ... sei dabei zu zerbrechen, so ein Beamter der Administration. Frau Albright sagte dem Weißen Haus, dem Pentagon und anderen Behörden, die Administration stehe im Kosovo vor einem Augenblick der Entscheidung, so der Beamte." (New York Times, 19.1.1999) Was deutet die US-Außenministerin an, wenn sie sagt, das Abkommen sei dabei zu zerbrechen und es stehe ein Augenblick der Entscheidung bevor? Der 'Spiegel' am 25.1.1999 in der Überschrift zu einem groß aufgemachten Artikel: "Nach dem Massaker an Albanern im Dorf Racak ist die NATO zum Eingreifen bereit." Was damit klar wird: Es bedurfte eines Auslösers, um NATO und Öffentlichkeit auf Krieg zu programmieren - das ist bei Kriegen immer so.
Und wie es nach dem Vorgang, der als Massaker bezeichnet wird, ausgesehen hat, illustriert der 'Spiegel' mit einem Bild in einer für dieses Magazin erheblichen Größe. (5) Es bedarf besonderer Ereignisse, um einen Krieg auszulösen, und zur Untermauerung entsprechenden Bildmaterials. Dazu leisten 'Spiegel' und z.B. 'Focus' ihre Beiträge. (6) 'Bild am Sonntag' schreibt zu einem ähnlichen Bild von ausgestochenen Augen, abgetrennten Gliedmaßen und Hinrichtung durch Genick- und Kopfschüsse. Der 'Spiegel' weiß von Verhör und Folter.
Bereitwillig machen sie sich zum Sprachrohr derer, die den Krieg vorbereiten. Dabei kann man sogar im 'Spiegel' - bei genauerem Lesen - stutzig werden. "Es ist schwer, Worte zu finden, wenn man Körper wie diese vor sich sieht, zugerichtet wie bei einer Exekution." So läßt der 'Spiegel' OSZE-Missionschef William Walker, seinerzeit US-Botschafter in El Salvador, als dort die CIA die Todesschwadronen aufbaute, zu Wort kommen. "Zugerichtet wie bei einer Exekution." Gibt er damit unfreiwillig zu, daß es keine war? 'Le Figaro' vom 20.1.1999 fragt: "Am Samstag morgen [16.1. 1999] fanden die Journalisten nur sehr wenig Patronen in der Umgebung des Grabens, wo das Massaker stattgefunden haben soll. Versuchte die UCK, eine militärische Niederlage in einen politischen Sieg zu verwandeln?" Zwei voneinander unabhängige gerichtsmedizinische Teams kommen schließlich in ihren Obduktionsberichten zu dem Ergebnis: "Es gibt keine Hinweise auf aufgesetzte Schüsse oder Erschießung aus der Nähe." (Doris und George Pumphrey in 'Die deutsche Verantwortung für den NATO-Krieg gegen Jugoslawien') Was die Bilder hier für eine Funktion haben? Man kann nicht unterstellen, daß es sich um Fälschungen handelt. Das ist sicher nicht der Fall. Aber sie werden durch den Zusammenhang gefährlich - weil dieser die Bilder zum Beleg für etwas macht, was so nicht stattgefunden hat: eine Inszenierung für Journalisten und Fotografen und vermittels dieser für die Weltöffentlichkeit. "'Man hat den Eindruck, als seien sie hingelegt worden.' Racak: ein inszeniertes Massaker." So heißt es in einem Bericht der 'tagesthemen' vom 23.3.2000, ein Jahr nach Kriegsbeginn. "Ein Vertreter der US-Regierung vertraut der 'New York Times' (4.4.1999) an: 'Es könnte fünfzig Srebrenicas geben' - das wären 350.000 Tote. Der Fernsehsender ABC zitiert einen anderen Regierungsvertreter mit den Worten: 'Es könnten zehntausende junge Männer exekutiert worden sein' (18.4.1999) Das Außenministerium erklärt tags darauf: '500.000 Kosovo-Albaner werden vermißt, und es wird befürchtet, dass sie getötet wurden.' Einen Monat später spricht US-Verteidigungsminister William Cohen von 100.000 Verschwundenen, die womöglich 'umgebracht worden' seien (CBS, 16.5.1999)... Nach der siegreichen Beendigung des Krieges sinkt die im Westen verbreitete Zahl der geschätzten Opfer auf albanischer Seite von sechs- auf fünfstellige Ziffern. Am 19. Juni erklärt das britische Außenministerium, dass 'in über 100 Massakern 10.000 Menschen getötet worden sind. Auch Präsident Clinton nennt am 25. Juni die Zahl von 10.000 getöteten Kosovo-Albanern..." Soweit ein Zitat aus 'Le Monde diplomatique' vom März 2000. Der 'Express' weiß am 12.4.1999 von 250.000 verschwundenen Männern, Konzentrationslagern, Massenerschießungen, Vergewaltigungen, Folter und belegt dies in einem Artikel, für den sie Geheimdienste und Augenzeugen als Quelle angibt, mit dem Bild eines am Boden liegendes Mannes (7) und der Nato-Aufnahme eines zerstörten Dorfes.
Ein einzelner, am Boden liegender Mann soll belegen, daß es Konzentrationslager und Massenerschießungen gegeben hat. Es ist schon ziemlich verwunderlich, was den Lesern hier untergeschoben werden soll. Und viele fallen offensichtlich auf derartigen Schwindel herein. Es ist ein ähnlicher Fall wie bei dem in 'Spiegel' und 'Bild' am 6. bzw. 12. April 1999 veröffentlichten Bild aus einem Video, das einen einzelnen auf dem Boden liegenden Mann zeigt - als Beleg für Massenhinrichtungen und Kriegsgreuel. Auch die 'taz' strengt sich an, dem Krieg gegen Jugoslawien seine Rechtfertigung zu geben. Unter der Überschrift "Die Hinweise auf Massaker im Kosovo verdichten sich" werden "Die Toten von Djakovica" gezeigt. "Die Fotos (8) gehören zu einer Serie von zehn Aufnahmen, die der dänische Fotograf Christian Joergensen von einem Video machte. Das Band wurde Joergensen vor vier Tagen in Makedonien zugespielt. Er nimmt an, daß Flüchtlinge es aus dem Kosovo schmuggelten. Drei Tage lang versuchte Joergensen mit Hilfe zweier Albaner den Inhalt des Videos auf seinen Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Seinen Recherchen zufolge ... zeigen die Aufnahmen 15 Kosovo-Albaner, die Anfang April in der kosovoalbanischen Ortschaft Djakovica von serbischen Sicherheitskräften getötet worden sein sollen..." (30.4.1999)
Etwa drei Monate zuvor hatte der 'Spiegel' das uns bekannte Bild von dem Ereignis veröffentlicht, das als "Das Massaker von Racak" bezeichnet wird. (9) Dieser Umstand und die Tatsache, daß es trotz der Flut von Desinformation Menschen gibt, die genauer hinsehen, wurde der 'taz' zum Verhängnis, auch wenn man schon sehr genau hinsehen muß, um zu erkennen, daß die "Toten von Djakovica" nicht die Toten von Djakovica sind. Aber der Vergleich der Bilder ergibt derart viele Übereinstimmungen in Form und Anordnung der Bildelemente, daß die Fälschung nicht zu vertuschen ist. Die 'taz' mußte die Fälschung eingestehen, ohne deshalb Einsicht zu zeigen: "Dadurch wird die Beschuldigung gegen die serbischen Einheiten wegen Massentötungen in Djakovica nicht hinfällig. Erst vorgestern berichteten wieder Flüchtlinge aus Djakovica dem UN-Flüchtlingswerk UNHCR von grausamen Vorkommnissen." ('taz', 7.5.1999) Was die 'taz' hier vornimmt, ist eine besonders eigenwillige Fälschung. Sie belegt ein Massaker mit Bildern eines anderen Massakers, und noch dazu ausgerechnet desjenigen Massakers, das die entscheidende kriegsauslösende Inszenierung war. Trotz des nachträglichen Eingeständnisses der Fälschung werden die Bilder zusammen mit den zahllosen anderen Bildern und Meldungen bei den Betrachtern und Lesern ihre Wirkung hinterlassen haben. Wir erinnern uns wieder an das Zitat: "Denn wir wissen genau: es ist die erste Behauptung, die wirklich zählt. Alle Dementis sind völlig unwirksam..." Nachträgliche Korrekturen sind ohne Bedeutung. Der Krieg ist geführt, das Ziel der erweiterten Einflußnahme auf dem Balkan ist erreicht. Unter den Augen der Besatzer hat die Vertreibung der serbischen Bevölkerung, der Roma und Juden aus dem Kosovo bis auf geringfügige Ausnahmen stattgefunden. Bilder von der ethnischen Säuberung, vom hundertfachen Mord an der serbischen Bevölkerung und ihrer Vertreibung aus dem Kosovo fehlen. Sie werden nicht benötigt. Sie passen nicht zur herrschenden Interessenlage.
Welche Aussagekraft haben die Bilder auf der Titelseite dieser Ausgabe des 'Spiegel'? (10) Was ist auf ihnen dargestellt? Darüber gibt der 'Spiegel' selbst keine Auskunft. Einzige Information ist die Herkunft der Bilder: sie stammen von den Nachrichtenagenturen dpa und Reuters. Wir finden diese Angaben nach einigem Suchen auf S. 16 im Impressum. Den Betrachtern bleibt bei der Analyse, was auf den Bildern dargestellt ist, lediglich ihr eigenes Vorstellungsvermögen. Ist das so? Nein nicht ganz. Die Gestalter des 'Spiegel' setzen einige Mittel ein, um die Betrachter nicht sich selbst zu überlassen. Und sie machen das durchaus gekonnt. Schließlich sollen die Bilder nicht beliebig wirken. Gewiß ist die Hintergrundfarbe schwarz nicht zufällig gewählt. Der beabsichtigte finstere Eindruck wird dadurch wesentlich hervorgerufen. Unter dem Titelblatt befindet sich noch ein zweites, das als ursprünglich geplantes erscheint. Dadurch wird vermittelt, daß eine außergewöhnliche Situation herrscht, der der 'Spiegel' mit außergewöhnlichem Engagement gerecht zu werden in der Lage ist. Entscheidend für die Gesamtwirkung sind aber mit Sicherheit die Schriftzeilen: das in Schreibmaschinenschrift gesetzte 'Protokoll des Schreckens' und das in (blut)rot gesetzte 'Was geschieht wirklich im Kosovo?'. Das schafft eine Dramatik und Spannung, die die Leser auf das Innere des Heftes verweist, wo ihnen dann dargelegt wird, wie das ganze - wie sie schon ahnen - gemeint ist. 'Was Augenzeugen über die Verbrechen der Serben im Kosovo berichten' ist einer der Hauptartikel überschrieben. Die drei Bilder sollen die Tendenz der Aussage unterstützten. Das linke Bild wirkt auf den ersten Blick wie die Luftaufnahme eines KZ. Anzunehmen ist, daß es sich tatsächlich um von der NATO bombardierte Gebäude handelt. Die Soldaten auf dem mittleren Bild halten die Betrachter für serbische - auf dem Weg zur nächsten Greueltat. Und rechts finden wir ein Bild mit Menschen, die wir als Opfer der serbischen Vertreibung erkennen sollen. Zwischen all den Bilder, die die Greueltaten des 'Feindes' darstellen sollen, beschäftigen wir uns jetzt mit Bildmaterial etwas anderer Art, mit Bildmaterial, das in Zusammenhang steht mit den von der NATO durchgeführten Luftangriffen und den sog. Kollateralschäden. Es geht um die Frage Unfall oder bewußt einkalkulierter Mord an der Zivilbevölkerung. Es geht um die Bombardierung eines Zuges auf der Fahrt von Belgrad nach Thessaloniki. 'Express' vom 13.4.1999: "Die NATO hatte die Brücke, über die der Zug gefahren war, ins Visier genommen. Der Pilot habe den Zug erst in letzter Sekunde gesehen." (11)
In diesem kurzen Satz stecken immerhin zwei Lügen. Zum einen ist es nicht der Pilot, der die Bombe ins Ziel steuert, sondern der Waffensystemoffizier. Die andere Falschaussage liegt in der angeblichen Unabwendbarkeit der Zerstörung des Zuges aufgrund der angeblich extrem kurzen Zeit zu reagieren.
"Die NATO hat bestätigt, daß zwei im Kosovo-Krieg gezeigte Videofilme (12) den Angriff auf einen Personenzug falsch wiedergeben. Die Filme liefen 'schneller, als sie sollten', sagte ein Sprecher des Nato-Hauptquartiers... Er bestätigte damit einen Bericht der 'Frankfurter Rundschau' [vom 6.1.2000]. Darin heißt es, die Nato habe mit den Filmen untermauern wollen, daß der Zug überraschend schnell auf der Brücke erschienen war und der Angriff daher nicht mehr abgebrochen werden konnte. Tatsächlich zeigten die Filme das Geschehen und damit auch den fahrenden Zug in dreifacher Geschwindigkeit." (Kölner Stadt-Anzeiger, 7.1.2000, S.7 unter dem Titel 'Nato-Video gab Zugangriff falsch wieder'). Die Frankfurter Rundschau beschreibt es genauer: der Waffensystemoffizier hatte mindestens 6,9 Sekunden Zeit für eine Reaktion, und das unter der Annahme einer Geschwindigkeit des Zuges von 100 km/h, was in Anbetracht der Streckenverhältnisse noch zu hoch gegriffen sein dürfte. Mord? Die Frage erübrigt sich.
Wie der überwiegende Teil der Medien greift auch 'Bild' auf die Erfindung der PR-Agentur Ruder Finn zurück, Begriffe aus der Zeit des Nationalsozialismus auf 'Die Serben' anzuwenden: Völkermord, Ethnische Säuberungen, Konzentrationslager... Das Bild 13 beweist nichts dergleichen, auch wenn es von den Gestaltern der Bildzeitung fast auf Seitengröße aufgeblasen ist. Es ist fast nichts zu erkennen. Aber im Kontext entfaltet es seine Wirkung. "Leichen, überall Leichen. Erschossene Männer, deren Gesichter mit Baseballschlägern verstümmelt wurden, damit sie niemand identifizieren kann. Bilder des Grauens, Bilder aus dem Kosovo. Verteidigungsminister Rudolf Scharping zeigte sie gestern, um eindringlich zu belegen: So grausam wütet Serben-Führer Milosevic. Deshalb dieser Krieg: Das Massenmorden muß ein Ende haben." So 'Express' vom 28.4.1999 - in gekonnter Weise gestaltet - auf seiner Titelseite. (14)
Und weiter: "Bilder, die den Betrachter sprachlos machen. Bilder, an die wir uns niemals gewöhnen dürfen. Die Fotos, die Verteidigungsminister Rudolf Scharping gestern in Bonn zeigte, entlarven Soldaten von Slobodan Milosevic als Killertruppe. Wenn eine Armee derart brutal gegen Menschen vorgeht, sie massakriert, mit bestialischem Vergnügen niedermetzelt, darf der Westen nicht wegsehen. Dann darf die NATO nicht tatenlos bleiben. Jeder Despot, der Massenmorde an der eigenen Bevölkerung anzettelt, muß wissen, daß die Allianz ihn militärisch bekämpfen wird. Die Dokumente der Grausamkeit legitimieren den Kampfeinsatz." So Thomas Goldau unter dem Titel 'Dokumente des Grauens' im Kommentar des Express vom 28.4.1999. Im Kölner Stadt-Anzeiger vom 29.4.1999, der tags zuvor auch über Scharpings Präsentation der Bilder berichtet hatte, heißt es dazu auf Seite 6 in einem einspaltigen Artikel: "Am Dienstag flimmerten Bilder eines angeblich unbekannten Massakers im Kosovo über die Bildschirme, einige Zeitungen brachten sie auf der Titelseite. Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) hatte die Aufnahmen eines deutschen OSZE-Beobachters präsentiert und kommentiert. Das seien Belege, daß die Serben bereits vor den Verhandlungen über einen Friedensplan systematische Vertreibungen organisiert hätten. Was Scharping offenbar nicht wußte: Bereits vor drei Monaten wurde über den Vorfall berichtet... Scharping datierte das Massaker auf den 29. Januar. Ein Deutscher habe unter Lebensgefahr die Aufnahmen gemacht und den Film - tief geschockt - erst kürzlich zur Verfügung gestellt. Der Mann war nicht der einzige Zeuge. Ein Fotograf der Nachrichtenagentur Reuters war vor Ort, noch am gleichen Tag wurden seine Bilder weltweit publiziert. (15) Was genau in dem kleinen Ort Rogova passiert war, ist unklar. Nach Darstellung der serbischen Seite hatten UCK-Rebellen einen Polizisten bei Durchsuchung eines Hauses umgebracht. Bei der Verfolgung seien die Albaner getötet worden. Für Scharping war die Sache klar: Die Bilder belegen Kriegsverbrechen. Einige Medien ergänzten, Kriegsverbrechen an Zivilisten. Scharping nannte die Bilder Belege, daß solche Verbrechen bereits vor den Verhandlungen von Rambouillet stattgefunden hätten. Verbrechen, auf die die NATO habe reagieren müssen." Diesen Zitaten ist nicht viel hinzufügen. Sie machen aus sich heraus deutlich, auf welch plumpe Weise hier manipuliert worden ist. Für Leser des 'Express' sowie Konsumenten zahlreicher anderer Medien bleibt Scharpings Version ungebrochen im Bewußtsein. Die Kriegstreiber aus Politik und Medien stehen im Kampf um die öffentliche Meinung Seite an Seite. NATO-Sprecher Jamie Shea (gemäß ARD-Sendung vom 28. Oktober 1999): "Kosovo war der erste Medien-Krieg. Der Umgang mit den Medien, der Kampf um die öffentliche Meinung war genauso wichtig wie die Luftangriffe. Dieser Krieg hat sich nicht von selbst erklärt. Die Journalisten waren gleichsam Soldaten in dem Sinne, daß sie der Öffentlichkeit erklären mußten, warum dieser Krieg wichtig war."
Auch nach Ende des Krieges geht der Kampf um die Köpfe der Menschen weiter, z.B. unter Zuhilfenahme des World-Press-Photo-Wettbewerbs. (15) Das Thema Kosovo nimmt auch hier einen breiten Raum ein. Aber mit keinem einzigen Bild werden die von der NATO in Jugoslawien begangenen Kriegsverbrechen thematisiert: keine zerstörten Krankenhäuser, keine Opfer der geächteten Splitterbomben, keine zerstörten Wohnhäuser... World Press: ein Teil der Medien, die sich fast durchweg haben gleichschalten lassen. |
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