Operation Nordafrika |
Libyen und der Imperialismus Sara Flounders, International Action Center, New York, in 'junge Welt', 01.03.2011 - Übersetzung: Doris Pumphrey Von allen Kämpfen, die gegenwärtig in Nordafrika und dem Nahen Osten ausgetragen werden, ist der in Libyen am schwierigsten zu entwirren. Welchen Charakter trägt die Opposition gegen das Regime Muammar Al-Ghaddafis, die, Berichten zufolge, Bengasi im Osten des Landes kontrolliert? Ist es nur ein Zufall, daß die Rebellion in Bengasi begann, einer Stadt, die nicht nur nördlich der reichsten Ölfelder Libyens liegt, sondern auch in der Nähe der meisten seiner Öl- und Gaspipelines, Raffinerien und seines Hafens für verflüssigtes Erdgas? Gibt es einen Plan, das Land zu teilen? Wie groß ist das Risiko einer imperialistischen Militärintervention, die die größte Gefahr für die Menschen der gesamten Region darstellen würde? Libyen ist nicht Ägypten. Sein Führer, Muammar Al-Ghaddafi, war keine Marionette des Imperialismus wie Hosni Mubarak. Über viele Jahre war Ghaddafi Verbündeter von Ländern und Bewegungen, die den Imperialismus bekämpften. Als er in einem Militärputsch 1969 die Macht übernahm, nationalisierte er das libysche Öl und investierte einen Großteil des Geldes in die Entwicklung der libyschen Wirtschaft. Die Lebensbedingungen der Menschen verbesserten sich dramatisch. Deshalb waren die Imperialisten entschlossen, Libyen zu zermürben. 1986 bombardierte die US-Luftwaffe Tripolis und Bengasi und tötete 60 Menschen, darunter auch Ghaddafis kleine Tochter – aber das wird von den Konzernmedien gern verschwiegen. Die USA und die UNO verhängten verheerende Sanktionen, um die libysche Wirtschaft zu ruinieren. Nachdem die USA im Jahr 2003 den Irak überfallen und mit massiven Bombardements – die sie triumphierend »Schockmethode« nannten – große Teile von Bagdad dem Erdboden gleich gemacht hatten, versuchte Ghaddafi, die Gefahr einer weiteren Aggression gegen Libyen abzuwehren, indem er den Imperialisten gegenüber große politische und wirtschaftliche Zugeständnisse machte. Er öffnete die Wirtschaft für ausländische Banken und Konzerne; er akzeptierte die Forderungen des IWF nach »Strukturanpassungen«, privatisierte viele Staatsbetriebe und reduzierte staatliche Subventionen für lebensnotwendige Güter wie Lebensmittel und Benzin. Das libysche Volk leidet unter den gleichen hohen Preisen und der Arbeitslosigkeit als Folge der weltweiten kapitalistischen Wirtschaftskrise, die auch ein Grund für die Rebellionen in anderen Ländern ist. Zweifellos finden die Kämpfe für politische Freiheit und soziale Gerechtigkeit, die die arabische Welt erfaßt haben, Anklang in Libyen. Zweifellos ist die Unzufriedenheit mit dem Ghaddafi-Regime die Motivation für einen bedeutenden Teil der Bevölkerung. Progressive überall sollten jedoch wissen, daß viele, die vom Westen jetzt als Oppositionsführer gefördert werden, langjährige Agenten des Imperialismus sind. Am 22. Februar zeigte die BBC, wie Menschenmengen in Bengasi die grüne Fahne der Republik einholten und sie durch die Fahne des 1969 gestürzten Monarchen König Idris ersetzten. Idris war die Marionette des US-amerikanischen und britischen Imperialismus. Die westlichen Medien stützen einen großen Teil ihrer Berichte auf vermeintliche Tatsachen, die ihnen von der Exilgruppe »National Front for the Salvation of Libya« geliefert werden. Diese Exilgruppe wurde vom CIA trainiert und finanziert. Man muß einfach den Namen der Organisation und das Kürzel des US-Geheimdienstes bei Google eingeben, um Hunderte Hinweise zu finden. In seinem Leitartikel vom 23. Februar schrieb das Wall Street Journal, daß »die USA und Europa helfen sollten, das Ghaddafi-Regime zu stürzen«. In den Vorstandsbüros und Korridoren in Washington spricht jedoch niemand davon, in Kuwait, Saudi-Arabien oder Bahrain zu intervenieren, um die dortigen Diktatoren zu Fall bringen. Das ist undenkbar, trotz all der Lippenbekenntnisse für die Massenkämpfe, die gegenwärtig die Region erschüttern. In Ägypten und Tunesien versuchen die Imperialisten ihr Möglichstes, um die Massen von den Straßen wegzubekommen. Keiner sprach von einer US-Intervention, um den Palästinensern in Gaza zu helfen, als Tausende von ihnen unter der Blockade, den Bomben und während der Invasion Israels starben. Im Gegenteil, die USA intervenierten, um eine Verurteilung des zionistischen Siedlerstaates zu verhindern. Das Interesse des Imperialismus an Libyen ist leicht zu durchschauen. Bloomberg.com schrieb am 22. Februar, daß Libyen zwar nur der drittgrößte Erdöllieferant Afrikas sei, aber erwiesenermaßen die größten Reserven besitze – 44,3 Milliarden Barrel. Libyen hat eine zahlenmäßig relativ kleine Bevölkerung, aber das Potential für gigantische Profite für die großen Ölkonzerne. So sehen es die Superreichen, und das steckt hinter ihrer angeblichen Sorge um demokratische Rechte der libyschen Bevölkerung. Ghaddafis Zugeständnisse sind den imperialistischen Ölbaronen nicht genug. Sie wollen eine Regierung, die sich ihnen vollständig unterwirft. Sie haben Ghaddafi den Sturz der Monarchie und die Verstaatlichung des Öls nie verziehen. In seinen »Reflexionen« schreibt Fidel Castro vom imperialistischen Hunger nach Öl und warnt davor, daß die USA dabei sind, die Grundlage für eine Militärintervention in Libyen zu schaffen. In den USA versuchen einige Kräfte, auf der Straße für eine US-Intervention zu mobilisieren. Wir müssen uns dem mit aller Macht widersetzen und Wohlmeinende an die Millionen von Menschen erinnern, die im Irak und in Afghanistan durch die US-Interventionen den Tod fanden oder fliehen mußten. Progressive Menschen haben Sympathie mit dem, was sie als Volksbewegung in Libyen sehen. Wir können dieser Bewegung am besten helfen, indem wir ihre rechtmäßigen Forderungen unterstützen und gleichzeitig jede imperialistische Intervention verurteilen, egal in welcher Form sie daherkommt. Das libysche Volk muß über seine Zukunft selbst bestimmen können. Die Autorin arbeitet im »International Action Center« in New York und ist Mitglied im Sekretariat der »Workers World Party«, in deren Zeitung der Artikel zuerst erschienen ist. 2009 war Sara Flounders auf Einladung von junge Welt Referentin auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz (»Internationalismus und Gegenmacht heute«) in Berlin. (Quelle: www.jungewelt.de/2011/03-01/048.php) |
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