Rezensionen zum Thema Krieg |
Die Wiedergeburt der Claire Sterling Zu einer Veröffentlichung von Regine Igel über Terrorismus und Geheimdienste in Ausgabe 10/07 der 'Blätter für deutsche und internationale Politik' - kritisch betrachtet
Im Oktober 2007 erscheint in den 'Blättern für deutsche und internationale Politik' ein Artikel mit dem Titel 'Linksterrorismus fremdgesteuert? Die Kooperation von RAF, Roten Brigaden, CIA und KGB' von Regine Igel. Bei der Lektüre werden Erinnerungen an Claire Sterling wach. Wer ist Claire Sterling? Sie ist Autorin des 1981 in den USA erschienenen Buches 'The Terror Network: the Secret War of International Terrorism', das 1983 unter dem Titel 'Das internationale Terror-Netz. Der geheime Krieg gegen die westlichen Demokratien' auch in deutsch in Umlauf gebracht wurde. Es hatte die Aufgabe, den so genannten internationalen Terrorismus als von der Sowjetunion gesteuert hinzustellen - im Rahmen einer - leicht aufzudeckenden - Desinformationskampagne von Seiten der CIA, wie Regine Igel sehr genau weiß und wie es auch David A. Yallop in 'Die Verschwörung der Lügner' (1993) bestätigt: "Vielleicht nicht wissentlich. Aber unwissentlich stand [Claire Sterling] nicht nur in ständigem Kontakt mit der CIA, sondern auch mit dem MI 6 und dem Mossad und wurde geschickt in deren Desinformationskampagne eingespannt. [...] Wie andere vor ihr versuchte Claire Sterling nachzuweisen, daß die Sowjetunion praktisch bei jedem Terrorakt ihre Hand im Spiel hatte." Claire Sterling zitiert u.a. den Chef des Hamburger Verfassungsschutzes Dr. Hans Josef Horchem, der im Juli 1979 im Rahmen eines Vortrags auf der Jerusalemer Konferenz zum 'Internationalen Terrorismus' formuliert, wie es knapper kaum geht: "Der KGB steuert den internationalen Terrorismus." Das war Anfang der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Nun kommt etwa 25 Jahre später Regine Igel, die in dem Artikel der 'Blätter für deutsche und internationale Politik' vermitteln will, der 'internationale Terrorismus' sei lange Zeit zu einseitig auf die CIA bezogen worden. KGB, der Geheimdienst der Sowjetunion, und Stasi - wie sie das Ministerium für Staatssicherheit der DDR nennt - hätten zu wenig im Blickfeld der Betrachtungen gestanden. 12 Punkte, die die Gewichte von West nach Ost verschieben sollen Als zentral im Artikel von Regine Igel ist eine Liste von 12 Punkten zu betrachten, mit denen sie neben einer Vernetzung zwischen deutschen und italienischen Terrorgruppen die Steuerung des 'internationalen Terrorismus' durch KGB und 'Stasi' zu belegen sucht. "Folgende neue Fakten und Indizien untermauern diese Verbindungen", schreibt sie, und führt dann die 12 Punkte auf. Doch die Punkte 1, 2, 3, 4, 7, 8 und 12 enthalten nichts über KGB und 'Stasi'. Lediglich in den Punkten 5, 6, 9, 10 und 11 ist dies Thema. Punkt 5 enthält beiläufig - ohne daß dies belegt würde - die Behauptung, Brigitte Heinrich - an anderer Stelle als 'führende Linksterroristin' bezeichnet - sei nach der 'Wende' als Stasi-Mitarbeiterin überführt worden. Punkt 6 stellt fest, gemäß den Feststellungen einer parlamentarischen Untersuchungskommission zu Terroranschlägen in Italien habe es einen Waffenhandel von der 'Volksfront zur Befreiung Palästinas' (PFLP) an die 'Roten Brigaden' gegeben, der "vom KGB autorisiert" gewesen sei, ohne daß allerdings erläutert würde, worin diese 'Autorisierung' bestanden haben soll. Punkt 9 enthält eine Bemerkung über zwei Personen, die "in Rom, dem Ort der Entführung und Ermordung Aldo Moros" als "zwei aktive KGB-Agenten enttarnt" worden seien. Wann und wie das geschehen sein soll, schreibt Regine Igel nicht. Sie stützt sich lediglich auf Informationen aus Unterlagen, die vom KGB stammen sollen und die 1992 dem - wie sie formuliert - "englischen Geheimdienst in London" (bei dem es sich um den Auslandsgeheimdienst MI6 handeln dürfte) durch Wassili Mitrochin (ein 1984 pensioniertes Mitglied des KGB) übergeben worden sein sollen. Die beiden Personen, die möglicherweise KGB-Agenten sind, sollen demnach mit der Ermordung Moros in Zusammenhang gestanden haben. Die Frage, inwieweit bei der Übergabe-Aktion Desinformation eingeschleust worden sein könnte, stellt Regine Igel nicht. Zudem wird der Eindruck erweckt, als habe Mitrochin Original-Dokumente übergeben. Gemäß Darstellung in einem Buch von Christopher Andrew und Wassili Mitrochin - das Regine Igel als Quelle zwar angibt, aber dessen Titel 'Das Schwarzbuch des KGB - Moskaus Kampf gegen den Westen' sie nicht nennt - handelt es sich lediglich um Notizen, die Mitrochin ab 1974 über Jahre hinweg anhand von KGB-Akten gemacht haben will. Zur Einschätzung des Buches bzw. des zugrunde liegenden Materials wäre es erhellend zu erfahren, daß dieses insbesondere durch das FBI lobende Erwähnung gefunden hat. Ein solcher Hinweis fehlt bei Regine Igel allerdings. Das Buch dürfte dem Dunstkreis des Kalten Krieges zuzurechnen und von daher mit äußerster Vorsicht zu betrachten sein. Punkt 10 enthält die unbelegte Vermutung, daß Mario Moretti, Führer der Roten Brigaden seit 1974, möglicherweise ein Agent des KGB gewesen sein könnte. Punkt 11 enthält die unbelegte Behauptung, daß die 'Carlos-Gruppe' (auch) von Ost-Berlin aus operiert habe und von 'Stasi' bzw. KGB gedeckt worden sei. Dabei verwendet Regine Igel an anderer Stelle unreflektiert den Begriff vom 'Top-Terroristen Carlos', ohne auch nur andeutungsweise der Frage nachzugehen, inwieweit 'Carlos' Produkt einer Desinformationskampagne gewesen sein könnte. Desweiteren erwähnt sie, daß bei der Festnahme einer Person mit dem Namen Christa Margot Fröhlich, die angeblich eine 'zentrale Figur' in der 'Carlos-Gruppe' gewesen sein soll, ein "Koffer voller Sprengstoff tschechischen Ursprungs" gefunden worden sei, ohne deutlich zu machen, was den tschechischen Ursprung belegt. Zudem stellt sich die Frage, was an der Darstellung insgesamt stimmt. Das 2002 erschienene Buch 'Im Schatten des Schakals. Carlos und die Wegbereiter des internationalen Terrorismus' von Oliver Schröm stellt die Verhaftung anders dar: "Am 16. Juni 1982 machte sich Fröhlich schwer beladen in Bukarest auf den Weg. Zunächst flog sie nach Rom, wo sie auf dem Flughafen der italienischen Polizei auffiel, weil sie mit ungewöhnlich schwerem Handgepäck beladen war. Zwei Beamte baten daher, kurz einen Blick in ihre Tasche werfen zu dürfen. Zum Vorschein kamen zu ihrem Entsetzen 20 Kilogramm Sprengstoff des Typs Hexogen." (Taschenbuchausgabe S.280) Danach befand sich der Sprengstoff also nicht in einem Koffer, sondern in einer Tasche des Handgepäcks. Und von der Herkunft des Sprengstoffs ist bei Oliver Schröm nicht die Rede, obwohl Schröm - wie sich insbesondere in dessen Veröffentlichungen zum Thema '11. September' gezeigt hat - zu den Autoren gehört, die gerne gängige Feindbilder bedienen, auch wenn das auf der Basis von Desinformation geschieht. Was Regine Igel auflistet, ist nicht überzeugend. Sie behandelt in der überwiegenden Zahl der 12 Punkte die Frage, inwieweit es Verbindungen zwischen RAF und 'Roten Brigaden gegeben hat, als würde das etwas über die Steuerung durch östliche Geheimdienste besagen. Das, was sie aufführt, ist weniger als das, womit die US-Propagandistin Claire Sterling operiert hat, und über deren Glaubwürdigkeit David A. Yallop schreibt: "Der National Intelligence Officer für die Sowjetunion, der für sowjetische Politik zuständige Chefanalytiker in den US-Nachrichtendiensten [...] erklärte [...] Sterlings 'Fakten' für null und nichtig. Sein Fazit: Es gebe nur wenig oder gar keine Beweise für eine Verflechtung der Sowjetunion mit dem Terrorismus." Im Mai 1981 habe US-Präsident Ronald Reagan einen streng geheimen CIA-Bericht erhalten, dem gemäß Claire Sterlings Behauptungen über eine weltweite, von der Sowjetunion ausgehende terroristische Verschwörung unhaltbar seien. Und auf 'Carlos' bezogen schreibt Yallop: "Sie unternimmt auch keinerlei Versuch, die Echtheit der Aussagen zu überprüfen, die Carlos zugeschrieben wurden. Sie übernimmt kritiklos alle Bemerkungen, die der Venezolaner [Carlos] über seine Arbeit in der kommunistischen Jugend in Caracas und seine Führungsrolle in einer großen kommunistischen Geheimzelle gemacht hatte, und benutzt sie als Rechtfertigung für ihre Behauptung, Carlos sei KGB-Offizier." Es sieht also ganz danach aus, daß die US-Dienste selber zu der Erkenntnis gekommen sind, daß es eine Steuerung des Terrorismus durch den KGB nicht gegeben hat. Dem entsprechend ist in der Igel-Liste der 12 Punkte an 'Fakten und Indizien', die die Steuerung von Terrorgruppen wie die RAF oder die 'Roten Brigaden' durch KGB oder 'Stasi' untermauern sollen, nichts Beweiskräftiges zu finden. Aber darauf aufbauend geht es in ihrem Artikel weiter. Noch mehr Versuche, die Gewichte nach Osten zu verschieben Regine Igel schreibt von Verbindungen zwischen RAF und 'Roten Brigaden' in Sachen Mord an Aldo Moro, um daraus - fern jeder Logik - zu schlußfolgern: "Untersuchungsrichter Imposimato fordert In Zusammenhang mit der Ermordung des Vorsitzenden der italienischen Christdemokraten Aldo Moro am 16.3.1978 zitiert Regine Igel den italienischen Untersuchungsrichter Ferdinando Imposimato mit einem Satz, den dieser ihr gegenüber im Juni 2003 geäußert hat: "Es ist inzwischen unbestritten, dass die CIA der Ausschaltung Moros einen Schub gegeben hat" und suggeriert damit, die CIA habe der Operation nur einen zusätzlichen Impuls gegeben, aber die Initiative für den Mordplan muß von anderer Seite gekommen sein. Regine Igel gibt Spekulationen des ehemaligen Vorsitzenden der italienischen Parlamentarischen Untersuchungskommission Giovanni Pellegrino über "einen verborgenen Pakt zwischen West und Ost in Sachen Terrorismus" wieder. Dessen Äußerungen würden einen solchen Pakt "nahelegen". Dies zeige sich an einer 'Hyperion' genannten, "obskuren Sprachenschule in Paris", die eine "Tarnorganisation für den Linksterrorismus in Europa" und laut Pellegrino ein "Kreuzpunkt für westliche und östliche Geheimdienste" gewesen sei. Regine Igel geht in den Spekulationen noch einen Schritt weiter. Möglicherweise habe es Absprachen zwischen östlichen und westlichen Geheimdiensten gegeben - zwecks Steuerung des 'linken Terrorismus'. Regine Igel weiß sich darin einig mit italienischen Generälen. Auch diese hätten einen solchen Verdacht geäußert. Regine Igel unternimmt weitere Versuche, eine Verbindung zwischen RAF und östlichen Geheimdiensten, insbesondere der 'Stasi' herzustellen. Sie beschreibt eine Person namens Johannes Weinrich als ein Mitglied der 'Carlos-Gruppe' und der 'Revolutionären Zellen', das als "Bindeglied zwischen der PFLP [Volksfront für die Befreiung Palästinas], den westdeutschen Terroristen und der Stasi" zuständig gewesen sei "für die Weitergabe von Waffen, Sprengstoff und Reisepapieren, die von der Stasi kamen". Sie bezieht sich - wie schon oben unter Punkt 9 ihrer Liste - auf Informationen des britischen Geheimdienstes MI6, die dieser von dem Ex-KGB Mann Wassili Mitrochin erhalten haben will. Auch diese Darstellung steht im Widerspruch zu den Ausführungen Schröms. Der schildert in 'Im Schatten des Schakals' (Taschenbuchausgabe S.278/279), daß Weinrich zwar Kontakte zum Ministerium für Staatssicherheit (MfS) hatte, er aber am 31.5.1982 von Bukarest kommend in Ost-Berlin daran gehindert wurde, 25 Kilo Plastiksprengstoff der Marke Nitropenta nach Westdeutschland einzuschleusen. Diese Schilderung widerspricht Regine Igels Behauptung, Weinrich habe Sprengstoff weitergegeben, der von der 'Stasi' kam, oder habe zumindest im Auftrag des MfS gehandelt. Einen Beleg für die Annahme, daß der KGB hinter dem Terror in der Welt steckt, soll die Behauptung liefern, Wadi Haddad, der als 'zweiter Mann' in der PFLP starken Einfluß auf den 'deutschen Linksterrorismus' gehabt habe, sei Agent des KGB gewesen. Sein Deckname sei 'Nazionalist' gewesen. Quelle für diese 'Information' ist wieder 'Das Schwarzbuch des KGB' bzw. das dem Buch zugrunde liegende, über den britischen Geheimdienst MI6 in Umlauf gebrachte Material, in dem es u.a. heißt: "Für den Export des palästinensischen Terrorismus nach Europa war vor allem ein Mann verantwortlich: Wadid Haddad, der stellvertretende Vorsitzende von George Habashs marxistisch-leninistischer Al-Fatah, der Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP)." Dabei fallen zumindest zwei Dinge auf: die Klassifizierung als 'marxistisch-leninistisch' und der Deckname 'Nazionalist'. Die Klassifizierung der Al-Fatah widerspricht allen ernsthaften historischen Darstellungen und riecht nach einem Kampfbegriff aus der Ära des 'Kalten Krieges'. Und die 'Volksfront' als Synonym für die 1959 von Jassir Arafat mitgegründete, angeblich 'marxistisch-leninistische' Al-Fatah hinzustellen, macht die Darstellung zusätzlich unglaubwürdig. Der Deckname soll offensichtlich Assoziationen wecken. 'Nazionalist' enthält das Wort 'Nazi'. Das gilt aber nur für die deutsche Ausgabe des Buches. Im englischen Sprachraum wird der Deckname mit 'Natsionalist' angegeben - dessen Bedeutung sich im Gegensatz zu der deutschen Version nicht ohne weiteres erschließt. All das wird von Regine Igel nicht hinterfragt. RAF-Stasi-Connection Sie verweist auf das 1992 erschienene Buch 'RAF-Stasi-Connection' von Michael Müller und Andrea[s] Kanonenberg und übernimmt den Begriff der 'RAF-Stasi-Connection' ohne jede Distanz. Dieses und ein weiteres Buch führt sie zum Vergleich auf, ohne auch nur andeutungsweise deutlich zu machen, daß sich die beiden Bücher gravierend unterscheiden. Das weitere Buch ist das im gleichen Jahr erschienene 'Das RAF-Phantom - Wozu Politik und Wirtschaft Terroristen brauchen' von Gerhard Wisnewski, Wolfgang Landgraeber und Ekkehard Sieker. Gewissermaßen folgerichtig unterschlägt Regine Igel den zweiten Teil des Titels (Wozu Politik und Wirtschaft Terroristen brauchen), aus dem bereits klar hervorginge, worin der wesentliche Unterschied besteht. Dabei läge es nahe zu betrachten, warum die Behauptungen über die so genannte 'RAF-Stasi-Connection' ausgerechnet kurze Zeit vor dem Mord auf den Treuhand-Chef Detlev Karsten Rohwedder am 1. April 1991 in die Welt gesetzt worden sind. Eine kritische Journalistin hätte sich zu fragen, wer von dem Mord profitiert (so wie es in 'Das RAF-Phantom' geschieht), ohne dabei die Interessen von 'westlicher' Politik und Wirtschaft auszublenden. Ganz im Gegenteil zu Regine Igel ziehen Gerhard Wisnewski, Wolfgang Landgraeber und Ekkehard Sieker in Erwägung - und geben dafür auch nachvollziehbare Hinweise -, daß es sehr wahrscheinlich darum geht, die - nicht mehr existente - 'Stasi' zum Sündenbock zu stempeln, um von den Verstrickungen der eigenen Geheimdienste abzulenken. "Desinformation war schon immer die effektivste Methode der Geheimdienste, ihre eigenen Aktionen zu vernebeln", ist die abschließend formulierte Erkenntnis im Kapitel über die so genannte 'RAF-Stasi-Connection' im Buch 'Das RAF-Phantom'. Bei Regine Igel heißt es desweiteren: "Anzeichen für eine Stasi-RAF-Verbindung gibt es schon seit Anfang der 80er Jahre. So sprachen kooperationswillige ehemalige führende Rot-Brigadisten bei ihren Vernehmungen schon damals von der 'RAF sovietica' oder von der RAF und anderen deutschen Linksterroristen als 'einem Satelliten von anderen'. Offensichtlich wussten sie um den Einfluss der Stasi und damit des KGB auf die RAF." Es ist verblüffend, wie leichtgläubig Regine Igel unbewiesene Behauptungen aufgreift und zu den ihren macht, obwohl sie sehr wohl in der Lage ist, die Gefahr zu sehen, Falschinformation aufzusitzen. Einmal angenommen, es handelt sich bei den 'kooperationswilligen ehemaligen führenden Rot-Brigadisten' um Agenten eines westlichen Geheimdienstes, ist doch nicht davon auszugehen, daß diese Leute im Rahmen einer Vernehmung oder gegenüber den Medien die Wahrheit sagen. Vielmehr ist davon auszugehen, daß es ihnen - wenn sie z.B. die RAF als sowjetisch gesteuert hinstellen - um Desinformation geht, betrieben von westlichen Geheimdiensten wie der CIA. Zeuge einer Wiedergeburt "Der Osten bezweckte über die Stärkung des Terrorismus generell die Schwächung der westlichen Demokratien", schreibt Regine Igel. Das ist der gleiche Tenor und das gleiche Vokabular wie bei Claire Sterling, die vom Krieg zur "Zerstörung der westlichen Demokratien" spricht (S.23). "Sie wurde geschickt in deren Desinformationskampagne eingespannt", schreibt David A. Yallop über Claire Sterlings Rolle für die CIA. Es ist zu befürchten, daß wir mit dem Artikel von Regine Igel Zeuge einer Wiedergeburt der US-Propagandistin werden. Mit Terror den Weg zu mehr Demokratie torpedieren Zu einer Veröffentlichung von Regine Igel über Terrorismus und Geheimdienste in Ausgabe 10/07 der 'Blätter für deutsche und internationale Politik' - positiv betrachtet Im Oktober 2007 erscheint in den 'Blättern für deutsche und internationale Politik' ein Artikel mit dem Titel 'Linksterrorismus fremdgesteuert? Die Kooperation von RAF, Roten Brigaden, CIA und KGB' von Regine Igel. Läßt man eine Menge Ballast außer acht und sieht man über manches unreflektiert verwendete Vokabular hinweg, gibt es Teile in ihren Ausführungen, die durchaus beachtenswert sind. Besonders ist zu würdigen, daß Regine Igel überhaupt einen Zusammenhang zwischen Terrorismus und Geheimdiensten herstellt. Das ist nicht die Regel, wenn wir die umfangreiche Landschaft der Rückblicke auf die Ära betrachten, die sich mit dem Jahr 1968 und den Folgejahren verbindet. In der deutschen Geschichsforschung finde man von Verbindungen des Terrorismus zu Geheimdiensten so gut wie keine Spur, resümiert Regine Igel. Es ist ihr zugute zu halten, daß sie versucht, auf diese Spuren aufmerksam zu machen. Denn es gibt sie offensichtlich. Field Manual 30-31, Anhang B: das wahre Gründungsdokument der RAF? Bei einer Sitzung der Vorsitzenden bzw. der stellvertretenden Vorsitzenden der Geheimdienste Deutschlands, Italiens, Frankreichs, Belgiens, Hollands und Luxemburgs (Club di Berna) am 19. Februar 1969 zum Thema 'Koordinierter Umgang mit den außerparlamentarischen Organisationen' weist der deutsche Teilnehmer Günther Nollau (ab Mai 1972 Präsident des Verfassungsschutzes) darauf hin, dass 'ein amerikanischer Geheimdienst' extremistische Elemente im studentischen Umfeld finanziert habe. Regine Igel erwähnt in diesem Zusammenhang das Field Manual 30/31 (vom 18. März 1970, unterzeichnet vom Generalstabschef der US-Armee, W.C. Westmoreland), und die Operation 'Chaos', einen "1967 in den USA entwickelten Plan, in dem die Bedeutung von Agent Provocateurs in linksextremistischen Gruppen herausgestellt wird". Regine Igel bestätigt damit Gerhard Wisnewski, der in seinem Anfang 2007 erschienenen Buch 'Verschlußsache: Terror' schreibt: "Die rebellierenden Studenten [der 68er-Bewegung] sollen mit geheimdienstlichen Mitteln bekämpft werden: Agenten und V-Männer sollten eingeschleust werden, um die Steuerung der Protestbewegung zu übernehmen. Die in diesen Dingen erfahrenen Behörden der USA entwickeln für solche Fälle gar ein Handbuch: das 'Field Manual 30-31', insbesondere den 'Anhang B'. [...] Dieser Anhang zum 'Field Manual 30-31' der US-Armee ist vermutlich nichts anderes als das wahre Gründungsdokument der RAF: In die Protestbewegung eingeschleuste Provokateure sollten gewalttätige oder nicht gewalttätige Aktionen durchführen, um durch 'die Behörden des Gastlandes' (also zum Beispiel die Bundesregierung) Gegenmaßnahmen zu provozieren. [...] Die 'Politik' der RAF war demnach von Anfang an abgrundtief reaktionär. In Wirklichkeit führte die RAF von Beginn an einen Krieg gegen die Linke. Auf den SDS wurden im April 1968 also zwei Attentate verübt: die Kaufhausbrandstiftung am 2. April [durch Andreas Baader und Gudrun Ensslin] und das Attentat auf den Führer Dutschke am 11. April." (siehe dazu auch die Besprechung von 'Verschlußsache Terror') Regine Igel liefert eine Reihe von Bausteinen zu dem, was Gerhard Wisnewski in seiner strategischen Dimension plastisch vor Augen führt. Die Protestbewegung wird in eine Richtung gesteuert, die zu ihrer Zerstörung führt. Die Ereignisse "greifen ineinander, wie die Räder eines Uhrwerks":
Regine Igels Ausführungen enthalten eine Reihe weiterer Hinweise auf das Zusammenwirken von Terrorszene und Geheimdiensten, insbesondere in Zusammenhang mit der Entführung und Ermordung des italienischen christdemokratischen Politikers Aldo Moro. Bereits in den späten 70er und frühen 80er Jahren seien Staatsanwaltschaften und parlamentarische Untersuchungskommissionen bei ihren Ermittlungen zum italienischen Terrorismus, insbesondere im Fall Aldo Moro, "auf die Steuerung und Deckung durch die CIA, den Mossad und, als deren Helfershelfer, die italienischen Geheimdienste" gestossen. "Die CIA war interessiert an der Ausschaltung Moros. Denn Moro war Mitautor des Historischen Kompromisses, der - so der amerikanische Sicherheitsberater Kissinger - gefährlich war, weil er die kommunistische Partei an die Regierung gebracht hätte." Und weiter entnehmen wir dem Artikel von Regine Igel:
Wenn die Autorin des Blätter-Artikels auch immer wieder ohne die gebührende Distanz auf Quellen und Aussagen zurückgreift, so erkennt sie doch, "dass ehemalige führende Terroristen, insbesondere wenn sie der Zusammenarbeit mit Geheimdiensten verdächtigt werden, weder die ganze Wahrheit noch ausschließlich Wahrheiten von sich geben, und dass Geheimdienste Desinformationen herausschicken, dafür sogar eigene Abteilungen unterhalten." Auch wenn Regine Igel dieser Erkenntnis zuwider handelt, ist ihr doch zugute zu halten, daß sie diesen Satz so formuliert. Mit folgenden Statements schließt Regine Igel ihre Betrachtungen: "Wer heute wirklich um Aufklärung bemüht den Terrorismus aufarbeitet, stößt dabei immer wieder auf massive Mauern des Schweigens. Das liegt in der Natur der Sache, hat man es hier doch auf beiden Seiten mit Geheimorganisationen zu tun - seien es die Terroristen, seien es die 'Verfassungsschützer'. [...] Die Förderung des Terrorismus der 70er und 80er Jahre durch Geheimdienste bleibt ein Tabu. [...] Wenn staatliche Institutionen selbst in illegale Geschehnisse verwickelt sind, ist der politische Aufklärungswille natürlich gering. Zumal sich hinter dem 'Top Secret' der Geheimdienste nicht selten Dinge verbergen, die allen Grundprinzipien der parlamentarischen Demokratie entgegenstehen. Dass die weisungsgebundene Justiz wenig tut, um dieses aufzudecken, ist verständlich. [...] Das Thema RAF ist auch in dieser Hinsicht alles andere als ein Ruhmesblatt - und lange noch nicht abgeschlossen." Damit dürfte sie recht haben. Devise: mehr Demokratie verhindern Und wenn wir in Regine Igels Satz "Der Osten bezweckte über die Stärkung des Terrorismus generell die Schwächung der westlichen Demokratien" darüber hinwegsehen, daß sie den Begriff 'der Osten' verwendet und ihn durch den Begriff 'der Westen' ersetzen, dann vermittelt dieser Satz eine ganz wesentliche Erkenntnis: der Terror ist für den 'Westen' ein Mittel, um den Weg zu echter Demokratie zu torpedieren, ganz im Gegenteil autoritäre, polizeistaatliche Strukturen zu etablieren und dafür zu sorgen, daß die so genannten 'westlichen Demokratien' demokratische Scheinkulissen bleiben, hinter denen die wirklichen Machthaber unbehelligt ihre Interessen durchsetzen können. (Der komplette Artikel von Regine Igel als PDF-Datei: igel0710.pdf) Literaturangaben
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