Israels Krieg im Nahen Osten |
"Wir bitten Sie nachdrücklich, sehr geehrter Herr Botschafter, Ihrer Regierung unseren Protest ... zu übermitteln" Offener Brief von Prof. Dr. Norman Paech (Außenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE im Bundestag) und Wolfgang Gehrcke (Obmann der Fraktion DIE LINKE im Auswärtigen Ausschuss) vom 6.1.2009 an den Botschafter der Republik Israel S.E. Herr Yoram Ben-Zeev, Berlin Sehr geehrter Herr Botschafter, mit Entsetzen verfolgen wir die Nachrichten über das Vorgehen der israelischen Armee im Gazastreifen. Trotz aller internationalen Warnungen behauptet die israelische Regierung, keine andere Wahl gehabt zu haben, nach dem Luftkrieg nun auch zur Bodenoffensive überzugehen. Sie lehnt einen Waffenstillstand nach wie vor kategorisch ab. Dies ist nicht nur in unseren Augen falsch. Denn der Krieg hat bereits zu einer humanitären Katastrophe in diesem dichtbesiedelten Gebiet geführt, aus dem die Menschen nicht flüchten und sich in Sicherheit bringen können. Internationale Hilfsorganisationen berichten von einer sich dramatisch verschlechternden, katastrophalen Versorgungssituation der Bevölkerung. Die Sicherheit Israels wird durch diesen Krieg nicht gefördert, sondern weiter gefährdet. Er provoziert Radikalität auf beiden Seiten und heizt die Eskalation der Gewalt an. Wir haben wiederholt den Raketenbeschuss vom Gazastreifen aus, der das Leben der Menschen im Süden Israels traumatisiert, als unakzeptabel kritisiert und Hamas zur Einstellung aufgefordert. Der Krieg, den die israelische Armee jetzt jedoch seit über einer Woche gegen eine Bevölkerung führt, deren Leben durch eine jahrelange Abriegelung und Blockade paralysiert ist – 79% der Menschen lebten schon vor dem Krieg unter der Armutsgrenze, seit der Schließung der Grenzübergänge am 12. Juni 2007 stehen nach Einschätzung der Weltbank 98% der Betriebe in Gaza still –, ist vollkommen unverhältnismäßig und eine schwere Verletzung des Völkerrechts, welche die Staaten der UNO nicht hinnehmen können. Kein Luftangriff, kein Artilleriefeuer kann auf diesem dichtbevölkerten Gebiet die vom Kriegsvölkerrecht geforderte Unterscheidung zwischen geschützten Zivilisten und legitimen Kampfgegnern gewährleisten. Die israelischen „Ärzte für Menschenrechte“ haben davor gewarnt, „dass das Zielen auf Zivilisten und medizinische Einrichtungen gegen das humanitäre Völkerrecht verstößt. Die vom israelischen Militär ausgewählten Ziele umfassen eindeutig auch zivile Einrichtungen.“ Die hohe Anzahl ziviler Opfer unter den über 500 Toten und über 2000 Verletzten bestätigt leider die Warnungen. Die Zerstörung von Wohngebäuden, Krankenhäusern, Ambulanzen, Universitäts- und Verwaltungsgebäuden, die Unterbrechung der Versorgung mit elektrischem Strom und Trinkwasser, mit den notwendigsten Medikamenten, medizinischen Instrumenten und Blutkonserven – das alles ist nicht nur eine grobe Verletzung des humanitären Völkerrechts, sondern auch unmenschlich in seinen Wirkungen auf eine ohnehin gequälte und wehrlose Bevölkerung. Besonders erschreckend sind die gezielten Angriffe auf die Moscheen, die zumeist den letzten Zufluchtsort für obdachlos gewordene Menschen bilden. Der Vorwurf der israelischen Armee, die Hamas-Kämpfer würden sich hinter den Zivilisten verstecken und diese als Schilde missbrauchen, ist angesichts der Bevölkerungsdichte und der Unmöglichkeit, sich durch Flucht den Angriffen zu entziehen, für uns nicht nachzuvollziehen. Vom israelischen Verteidigungsminister Ehud Barak erfahren wir, dass der Krieg gegen den Gazastreifen ein von langer Hand vorbereiteter Angriff und nicht etwa eine spontane Reaktion auf die Raketen der Hamas ist. Er ist durch kein Recht auf Selbstverteidigung oder Notwehr legitimiert. Zu leicht wird in der Öffentlichkeit vergessen, dass es nicht die Hamas war, die die am 19. Juni 2008 zwischen Israel und den Palästinensern vereinbarte Waffenruhe gebrochen hat. Es war die israelische Armee, die am 4. November 2008 mit einem Angriff die Waffenruhe brach, um einen Tunnel zu sprengen. In den folgenden Gefechten wurden 14 Palästinenser getötet. Diese Informationen haben wir aus der israelischen Tageszeitung Haaretz, die weiter schreibt: „Diese Aktion tief im Gazastreifen hat zur Eskalation geführt. Hamas hat darauf mit einem Hagel von Raketen geantwortet. Israel reagierte mit der Sperrung der Übergänge. So hat die Aktion ‚Gegossenes Blei‘ begonnen. Dabei hat sich Hamas bis zu dem bitteren Tag an den Waffenstillstand gehalten.“ Ihre Regierung hat wiederholt behauptet, sie habe keine andere Wahl gehabt, um die Herrschaft der Hamas zu brechen und den Beschuss durch Raketen zu unterbinden. Zum einen müssen wir Sie daran erinnern, dass die Hamas als die stärkste politische Partei aus den Wahlen vom Januar 2006 hervorging. Die offene Missachtung dieser demokratischen Wahlen durch Ihre Regierung und leider auch der Regierungen der EU und der USA ist eine der Hauptursachen für die nachfolgende Eskalation der Gewalt. Wir haben nie verstanden, warum Ihre Regierung nicht den Vorschlag vom früheren US-Präsidenten Jimmy Carter aufgenommen hat, die Hamas in den Verhandlungsprozess über einen Frieden einzubeziehen. Zum anderen halten wir es für eine Illusion, die Hamas mit militärischen Mitteln schwächen oder gar stürzen zu können. Sie hat im Gegenteil offensichtlich an weiterer Unterstützung unter den Palästinensern als Folge der Aggression gewonnen. Wir fordern von der israelischen Regierung eine sofortige Waffenruhe. Dieser weltweiten Forderung kann und darf sich die israelische Regierung nicht länger verweigern. Wenn die israelische Regierung ihrer völkerrechtlichen Verpflichtung nachkommen und die Abriegelung und Blockade des Gazastreifens aufgeben, sich aus den besetzten Gebieten zurückziehen und die Gründung eines lebensfähigen palästinensischen Staates ermöglichen würde, könnten und müssten zugleich die Selbstmordattentate und Raketenbeschüsse verbindlich beendet werden. Wir verhehlen nicht, dass es uns schmerzlich berührt, dass Bundeskanzlerin Merkel und Präsident Bush so ganz offen gegen das geltende Völkerrecht und gegen die politische und menschliche Vernunft das Vorgehen der israelischen Armee unterstützen und die USA mit ihrem Veto den UNO-Sicherheitsrat lähmen. Wir bitten Sie nachdrücklich, sehr geehrter Herr Botschafter, Ihrer Regierung unseren Protest und die Forderung nach einem sofortigen Stopp der militärischen Angriffe, dem Rückzug der Truppen aus dem Gazastreifen und dem Ende der Blockade zu übermitteln. In der Hoffnung auf eine umgehende Einstellung der Angriffe und eine baldige Friedenslösung. mit vorzüglicher Hochachtung Prof. Dr. Norman Paech Wolfgang Gehrcke Anhang 'Der Spiegel': Gregor Gysi erklärte sein Bedauern über den offenen Brief Markus Deggerich schreibt im 'Spiegel' vom 26.01.2009 (S.26):
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Weiterer Beitrag zum Thema Israel/Palästina: |
Hunderte protestieren in einem offenen Brief gegen Absetzung der Anne-Will-Sendung zum Thema Gaza Offener Brief an den ARD-Chefredakteur, den verantwortlichen Redakteur beim NDR und Anne Will |
Alle Beiträge zu Israel/Palästina im Überblick: |
Tagebuch Israel/Palästina Notizen zu Israels Krieg im Nahen Osten - insbesondere gegen die Bevölkerung Palästinas |
Eine schwarze Fahne Gideon Levy in der israelischen Tageszeitung Haaretz vom 9.7.2006 |
Wer hat begonnen? Gideon Levy in der israelischen Tageszeitung Haaretz vom 13.7.2006 |
Israels Kriegsführung gegen die (palästinensische) Infrastruktur Mike Whitney am 2.7.2006 auf der website 'Information Clearing House' |
Anhaltender Bomben-Terror Israels im Libanon ist keine Selbstverteidigung Offener Brief an die Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland Angelika Merkel, Beirut, 15.7.2006 |
Kriegsanlaß durch Israel provoziert? Über den 'Ausbruch' von Israels Krieg gegen den Libanon am 12. Juli 2006 |
"Wir erkennen den Staat Israel nicht länger an" Auszüge aus dem in 'Aftenposten' vom 5.8.2006 erschienenen Artikel 'Gottes auserwähltes Volk' von Jostein Gaarder |
Antideutsche: deutscher Ableger der Neocons Jürgen Elsässer in 'junge Welt' vom 2.8.2006 in einem Artikel mit dem Titel 'Alte Feinde, neue Feinde' |
Waffentest in Gaza Artikel von Andrea Bistrich und Interview mit Dr. Juma Al Saqqa, Facharzt für plastische Chirurgie und Sprecher des Schifa-Krankenhauses in Gaza-Stadt |
"Rain Man" Bericht von Lama Hourani aus Gaza City vom 17. Oktober 2006 |
Wolf Biermann und 'Die Zeit' mißbrauchen Stolpersteinkünstler Gunter Demnig Betrachtungen zu einem Artikel in der 'Zeit' vom 26. Oktober 2006 |
Mekka entgegen - Muss ein Indianer das Existenzrecht der Vereinigten Staaten anerkennen? Artikel von Uri Avnery, israelischer Friedensaktivist bei Gush Shalom, vom 17.2.2007 |
Eingemauerte sieht man nicht Deutsche Bischöfe sprechen in Israel von Berliner Mauer und Warschauer Ghetto |
Palästina wird von der Landkarte getilgt Flugblatt der Friedensbewegung zum 60. Jahrestag der UN-Entscheidung zur Teilung Palästinas |
Wenn die Leugnung der Nakba unter Strafe gestellt wäre Gedanken zum Buch 'Die ethnische Säuberung Palästinas' von Ilan Pappe - 12.12.2007 |
"Das machen wir selbst" Olympiade 1972 in München, 'Schwarzer September' und die Sabotage des Friedens |
"Erinnern ist nicht genug!" Interview mit der Holocaust-Überlebenden Hedy Epstein |
Das Wüten der Schlächter und die internationale Verantwortung Michael Warschawski, Alternative Information Center (AIC), 4. März 2008 |
Das Megagefängnis Palästina Ilan Pappe, israelischer Historiker, Vorsitzender der Geschichtsfakultät an der Universität Exeter, in 'The Electronic Intifada' vom 5. März 2008 |
Wir feiern Israels Geburtstag nicht Gemeinsamer Brief von über 100 prominenter britische Juden, veröffentlicht am 30. April 2008 im 'Guardian' |
Das gelobte Land? Obama, Emanuel und Israel John v. Whitbeck in 'Counterpunch' vom 7.11.2008 |
Eine bürgerliche Demokratie nur für Juden ist keine Demokratie Elias Davidsson im Interview mit Muslim-Markt, 2.8.2008 |
Eine Tasse Blut für die Bundeskanzlerin von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann am 2.1.2009 und vom Bundesverband Arbeiterfotografie am 4.1.2009 |
Hunderte protestieren in einem offenen Brief gegen Absetzung der Anne-Will-Sendung zum Thema Gaza Offener Brief an den ARD-Chefredakteur, den verantwortlichen Redakteur beim NDR und Anne Will |
'Kindermörder' Joachim Guilliard über die Dämonisierung der Hamas durch böswillig verzerrte Zitate - 7.2.2009 |
Gegen alle Regeln Norman Paech über Gaza und das Völkerrecht - veröffentlicht in 'junge Welt' vom 11.2.2009 |
Das 'Bekenntnis zu Israel' und die deutsche Staatsräson Angela Klein in der Sozialistischen Zeitung (SoZ), April 2009 |
Nakba-Gedenken in Israel bald strafbar? Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann über den Versuch, die Erinnerung auszulöschen, 1.6.2009 |
Protest gegen Israels Überfall auf Bil'in Offener Brief von Willi Übelherr vom 4.8.2009 an den Botschafter Israels in Deutschland |
Rechtsextreme Hetzjagd auf den Frankfurter Iman Sabahattin Türkyilmaz Betrachtungen zu einer von den Medien ausgelösten Kampagne - 27.2.2010 |
"Nicht länger schweigen, sondern intervenieren" Linke Israelis wenden sich mit einem offenen Brief an Die Linke in Deutschland - 27.3.2010 |
Zur offiziellen Anerkennung Israels Textentwurf für eine Erklärung zur gemeinsamen Unterzeichnung durch Islamische Vereine und die zuständige Stadtverwaltung - von Yavuz Özoguz - 12.11.2010 |
Stuttgarter Erklärung "Gleichheit – oder nichts" (Edward W. Said) Schlussdokument der Palästina-Solidaritätskonferenz „Getrennte Vergangenheit - Gemeinsame Zukunft“ - Stuttgart, 26.-28.11.2010 |
"Feigheit vor dem Freund" Kommentar von Evelyn Hecht-Galinski, 4.1.2011 |
Ausverkauf der Vichy-Regierung in Ramallah Kommentar von Evelyn Hecht-Galinski, 27.1.2011 |
Etwas ist faul im Apartheidstaate Israel – Keine Inszenierung für den Apartheidstaat! Offener Brief im Rahmen der BDS-Kampagne an das Berliner Theater 'Schaubühne' vom 2.5.2011 |
Israel mordet mit großer Vorsicht und Präzision! Kommentar von Evelyn Hecht-Galinski vom 21.3.2012 |
Kampf der Opfer gegen die Tätersicht Ausstellung „Die Nakba – Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948“ in Köln - 15.6.2012 |
Stoppt den zionistischen Siegeszug des Antisemitismus Rede von Joseph Massad, gehalten am 10.5.2013 im Rahmen der zweiten Palästina-Solidaritätskonferenz in Stuttgart |
Rassismus - Nicht in unserem Namen Protestaufruf der 'Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost' anläßlich des 3. Deutschen Israel-Kongresses, Berlin, 10.11.2013 |
Michael, gib den Preis zurück! Offener Brief des Bundesverbands Arbeiterfotografie an DGB-Chef Michael Sommer wegen dessen Auszeichnung im Rahmen des 3. Deutschen Israel-Kongresses, 15.11.2013 |
Song for Gaza Aus Anlaß der völkerrechtswidrigen israelischen Militär-Operation »Zuk Eitan« (Fester Felsen) gegen GAZA im Juli 2014 |
Das Massaker in Gaza beenden Offener Brief des Bundesverbands Arbeiterfotografie an die Repräsentanten des Staates Israel und seine Unterstützer, 11.8.2014 |
Gegen die Stützung von Rassismus und Kriegsverbrechen Offener Brief an Gregor Gysi, Petra Pau, Volker Beck, Reinhold Robbe und die Leitung der Volksbühne, 12.11.2014 |
Warum ich Gregor Gysi zur Rede stellen wollte Stellungnahme eines in Israel lebenden Juden, von David Sheen, 13.11.2014 |
Wenn Rechte sich als Linke tarnen Offener Brief an die Unterstützer von Rassismus und Kriegsverbrechen, von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann, 19.11.2014 |