Israels Krieg im Nahen Osten |
Stuttgarter Erklärung Schlussdokument der Palästina-Solidaritätskonferenz 'Getrennte Vergangenheit - Gemeinsame Zukunft' - Stuttgart, 26.-28.11.2010 - getragen von den Organisatoren sowie den unterzeichnenden Konferenz-TeilnehmerInnen und UnterstützerInnen "Gleichheit – oder nichts" (Edward W. Said) Vom 26. bis 28.11.2010 kamen in Stuttgart über 200 TeilnehmerInnen zu einer „Palästina-Solidaritätskonferenz“ zusammen. Thema der dreitägigen Konferenz mit dem Titel „Getrennte Vergangenheit – Gemeinsame Zukunft“ waren „Hindernisse und Perspektiven für eine gerechte Lösung“ des Konflikts zwischen dem Staat Israel und den PalästinenserInnen.
ReferentInnen waren der israelische Historiker Prof. Ilan Pappe von der Universität Exeter (GB), Prof. Haidar Eid von der Al Aqsa Universität Gaza, Prof. Mazin Qumsiyeh von der Birzeit Universität Ramallah, der Mitbegründer des Internetportals Electronic Intifada Ali Abunimah, die palästinensische Aktivistin Lubna Masarwa, der Hamburger Völkerrechtler Prof. Norman Paech, die Publizistin und Menschenrechtsaktivistin Evelyn Hecht-Galinski, Annette Groth von der Linksfraktion des Bundestags, der Rechtsanwalt Jörg Lang, und Attia Rajab sowie Verena Rajab vom Palästinakomitee Stuttgart. Der Jazzmusiker Gilad Atzmon unterstützte die Konferenz mit seinem Grußwort. Die Schauspielerin Julianna Herzberg und Samir Mansour mit seinem Ensemble Layalina gestalteten den Kulturabend. Schirmfrau war die israelisch-deutsche Rechtsanwältin und Menschenrechtlerin Felicia Langer. Die KonferenzteilnehmerInnen aus England, Frankreich, Österreich, der Schweiz, Schweden, USA und der BRD verständigten sich auf Strategien und Zielvorstellungen, die sie gemeinsam verfolgen wollen. Die große Mehrheit stellte fest, dass das dogmatische Festhalten an der Zwei-Staaten-Lösung die tatsächlichen Realitäten ignoriert und von einer falschen Parität zwischen einer kolonialisierten und besetzten Bevölkerung auf der einen Seite und einem Kolonialstaat mit seiner militärischen Übermacht auf der anderen Seite ausgeht. Dies propagiert fälschlicherweise die Möglichkeit einen Frieden zu erreichen, indem den in den 1967 besetzten Gebieten lebenden PalästinenserInnen begrenzte nationale Rechte zugestanden würden, während den in den Grenzen von 1948 lebenden und den vertriebenen Menschen ihre Rechte verwehrt würden. Das Festhalten an der Zwei-Staaten-Lösung verurteilt die PalästinenserInnen mit israelischer Staatsangehörigkeit dazu, als Bürger zweiter Klasse in ihrem angestammten Land zu leben, in einem rassistischen Staat, der ihnen nicht dieselben Rechte wie den jüdischen BürgerInnen gewährt. Außerdem würde das Fortbestehen eines zionistischen Staates den palästinensischen Flüchtlingen aus dessen Territorium das international anerkannte Recht auf Rückkehr verwehren. Die Zwei-Staaten-Lösung kann zu nichts anderem führen als der Vertiefung und Zementierung der Ungleichheit. Das Modell zweier nach Ethnien oder Religionszugehörigkeiten getrennter Staaten bedeutet ethnische Separation oder fundamentale Ungleichheit innerhalb dieser Staaten, wie wir dies im heutigen Israel erleben. Die Ausführungen Ilan Pappes und der palästinensischen ReferentInnen belegten schlüssig, dass der bisherige sogenannte Friedensprozess und die Verhandlungen nur einen Deckmantel für Israels Fortsetzung des Landraubs und der Entrechtung der palästinensischen Bevölkerung abgegeben haben. Am Ende der Diskussion bestand weit gehendes Einvernehmen darüber, dass nur die Schaffung eines gemeinsamen, säkularen und demokratischen Staates auf dem historischen Palästina mit gleichen Rechten für alle Frieden und Gerechtigkeit für PalästinenserInnen und Israelis bringen kann - ein Staat, in dem alle Menschen, gleich welcher Religion und Herkunft, gleichberechtigt zusammenleben. Dies schließt selbstverständlich die aus dem Land vertriebenen PalästinenserInnen mit ein (Einlösung der Resolution 194 der UN-Vollversammlung). Nach wie vor dulden oder unterstützen die maßgeblichen Mächte, vor allem die USA und die EU-Staaten die anhaltenden Verstöße Israels gegen internationales Recht und die Missachtung sämtlicher UN Resolutionen, die die koloniale und diskriminierende Politik Israels als illegal verurteilen. Die Regierungen der USA und der EU tolerieren die ständigen Angriffe auf die palästinensische Bevölkerung und ihre Wohngebiete. Besonders das totale Versagen der „internationalen Gemeinschaft“ während des israelischen Massakers in Gaza im Winter 2008/2009 machte vielen klar, dass allein der Druck zivilgesellschaftlicher Initiativen weltweit eine Änderung der Politik Israels und seiner UnterstützerInnen erzwingen kann. Die Politik der Aushöhlung des internationalen Rechts durch die israelischen Verbündeten betrifft besonders die Bundesrepublik Deutschland, deren Regierungen, Parteien, Gewerkschaften und Medien, die auf ein enges Verhältnis zu Israel eingeschworen sind. Diese billigen Israels Politik der Menschenrechtsverletzungen stillschweigend und befürworten diese teilweise sogar. Eines der aktuellen Beispiele für die Verbindung der Bundesrepublik Deutschland mit dem Apartheidstaat Israel ist die Beteiligung der Deutschen Bahn am Schnellbahnprojekt zwischen Tel Aviv und Jerusalem, das durch das Gebiet der Westbank führt, wozu das Land der dortigen Bevölkerung enteignet werden müsste, während die Palästinenser der Westbank gleichzeitig von der Nutzung der Bahn ausgeschlossen würden. Ein weiteres Beispiel ist die deutsche Unterstützung der Aktivitäten des Jewish National Fund, einer zentralen zionistischen Institution, die die Apartheid im Staat Israel sichert. Gegenwärtig vertreibt der Jewish National Fund mit seinem Aufforstungs- und Siedlungsprojekt im Negev PalästinenserInnen von ihren angestammten Gebieten, wie das Beispiel des Dorfes von Al Arakib bei Beer Sheva deutlich macht, das vor kurzem zum siebten Mal durch israelische Sicherheitskräfte zerstört worden ist. Die KonferenzteilnehmerInnen haben Mittel und Möglichkeiten diskutiert, wie unsere Basisbewegungen in Richtung einer gemeinsamen Zukunft von PalästinenserInnen und Israelis auf der Grundlage der Gleichberechtigung wirksam werden können. Die Hindernisse sind hoch, da es mächtige Interessen für die Beibehaltung der Rolle Israels als imperialem Vorposten Europas und der USA sowie deren wirtschaftlichen und strategischen Interessen gibt. In dieser Rolle wird Israel freie Hand gegeben, Menschenrechte und internationales Recht zu brechen und auszuhöhlen. Das wirkungsvollste Mittel ist die nach dem Vorbild des erfolgreichen Kampfes gegen die Apartheid in Südafrika organisierte Boykott-Kampagne. Die Konferenzteilnehmer -Innen erzielten Übereinstimmung über die dringende Notwendigkeit auch von Deutschland aus die internationale Kampagne für Boykott, Desinvestition und Sanktionen (BDS) gegen Israel zu unterstützen. Sie schlossen sich damit dem von nahezu allen palästinensischen Zivilorganisationen getragenen Appell an, die diskriminierende und kolonialistische Politik der israelischen Regierung zu boykottieren und Druck auf unsere jeweiligen Regierungen und die Wirtschaft auszuüben, Embargos und Sanktionen gegen Israel zu erlassen. Boykottmaßnahmen und Desinvestment sind auch Gegenstand des von palästinensischen Christen im Dezember 2009 verabschiedeten Kairos-Papiers sowie des Kairoer Appells durch den internationalen Gaza Freedom March von Anfang diesen Jahres. Bei dieser Kampagne darf keine Zeit verloren werden, denn jeden Tag gehen die ethnische Säuberung in Palästina und der langsame Genozid an der Bevölkerung Gazas durch die menschenrechtswidrige Blockade weiter. Viele sind bereits gestorben und sterben täglich, weil ihnen die Ausreise zur medizinischen Behandlungen verwehrt wird. Die Verseuchung von Boden und Wasser durch die Hinterlassenschaft des Krieges gegen Gaza führt ebenfalls zu Krankheiten und Tod. Die Kampagne bietet viele Möglichkeiten, sich als Teil eines bereits sehr erfolgreichen weltweiten Netzwerks von Solidaritätsgruppen, Gewerkschaften, antirassistischen Initiativen, globalisierungskritischen Gruppierungen, kirchlichen Gruppen, kritischen jüdischen und palästinensischen Vereinigungen und linken Parteien, überall dort aktiv einzuschalten, wo wir faktisch mit den Machtstrukturen, Institutionen und Politikern verbunden sind, die die Ungleichheit praktizieren und verfestigen. Überall da gilt es diejenigen, die vom israelischen Apartheidregime profitieren, zur Verantwortung zu ziehen. In Deutschland müssen wir uns ganz besonders der militärischen und so genannten Sicherheits-Kooperation mit Israel entgegen stellen. „Diese gewaltlosen Strafmaßnahmen müssen“, so heißt es im Appell vom 9. Juli 2005 (Palestinian United Call for BDS against Israel), „solange aufrechterhalten bleiben, bis Israel seiner Verpflichtung nachkommt, den PalästinenserInnen das unveräußerliche Recht der Selbstbestimmung zuzugestehen, und zur Gänze den Maßstäben internationalen Rechts entspricht“. Folgende Punkte müssen verwirklicht werden (Zitat aus dem Appell)
Boykott, Desinvestition und Sanktionen sind der Schlüsselweg, bei dem jeder – wie früher gegen das südafrikanische Apartheidregime – mithelfen kann, wirtschaftlichen und moralischen Druck aufzubauen. Die BDS-Kampagne hat vor allem eine große symbolische Wirkung, indem sie der israelischen Bevölkerung den Spiegel vorhält und sie mit der Tatsache konfrontiert, dass immer mehr Menschen auf der Welt die Politik ihres Staates als verbrecherisch ansehen. Die zahlreichen Versuche von PalästinenserInnen, Israelis und internationalen Gruppen, die völkerrechtswidrige Blockade Gazas zu durchbrechen, stellen genauso wie BDS eine Methode dar, Unrechtsstrukturen und die Isolierung der Unterdrückten zu durchbrechen. Die KonferenzteilnehmerInnen setzen sich dafür ein, dass weitere Freedom Flotillas und massive Aktionen zu Land und zu Wasser Blockade und Besatzung Gazas und der Westbank beenden. Die Teilnehmer der Stuttgarter-Konferenz setzen sich außerdem ein für:
Es ist höchste Zeit Druck auf Israel auszuüben. Das zionistische System Israels wird nicht von sich aus die Rechte der PalästinenserInnen anerkennen. Jeder verzögerte Tag kostet die Vernichtung menschlicher Existenz. Bei allen Initiativen, die unternommen werden, darf nicht der Eindruck entstehen, als handele es sich um einen Konflikt zwischen zwei gleich starken Kontrahenten. Tatsache ist die absolute Übermacht des israelischen Militärs und Staatsapparats über eine fast wehrlose palästinensische Bevölkerung. Ziel muss es sein, Menschen weltweit schnellstmöglich aufzuklären und für die Rechte der PalästinenserInnen zu mobilisieren. Stuttgart, 10. Dezember 2010 hier unterzeichnen Fotoreportage der Konferenz mit Zitaten: hier Unterzeichnerinnen und Unterzeichner (Stand: 13.3.2011 19 Uhr)
Stellungnahmen zur Stuttgarter Konferenz Frieden und Existenzrecht für Israelis und Palästinenser - Was mit der vom 26. bis 28. November 2010 in Stuttgart durchgeführten Palästina-Konferenz deutlich geworden ist - Resümee von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann - 29.11.2010 Vom 26. bis 28. November 2010 hat in Stuttgart eine Konferenz zum Thema Palästina stattgefunden. Ihr Motto: "Getrennte Vergangenheit - Gemeinsame Zukunft". Anwesend waren Vertreter aus Palästina und Israel, darunter Palästinenser aus Gaza und der Westbank sowie der israelische Historiker Ilan Pappe. Desweiteren die Trägerin des Bundesverdienstkreuzes Felicia Langer, Norman Paech (ehem. außenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der Partei DIE LINKE), Annette Groth (menschenrechtspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Partei DIE LINKE), Evelyn Hecht-Galinski und viele andere mehr. Die Konferenz liefert wichtige Impulse für das Handeln insbesondere der Linken und der Friedensbewegung. Es herrscht weitgehendes Einvernehmen darüber
Zu fordern ist deshalb nicht das Existenzrecht des Staates Israel, sondern das Existenzrecht für Israelis und Palästinenser in gleicher Weise. Eine Zwei-Staaten-Lösung brächte keine gleichberechtigte Teilhabe an den Ressourcen des Landes und keine gleichen Rechte und Chancen für Alle, insbesondere nicht für die (noch) auf israelischem Gebiet lebenden Palästinenser. Die Zwei-Staaten-Lösung wäre der letzte Schritt auf dem Weg zur vollständigen ethnischen Säuberung Israels. Eine Lösung kann deshalb nur in einem gemeinsamen säkularen, demokratischen Staat bestehen, in dem alle Menschen - Israelis und Palästinenser gleich welcher Religion und Herkunft - gleichberechtigt zusammenleben. Für die Erreichung des Ziels eines gemeinsamen Staates für Alle reichen keine Erklärungen, Demonstrationen und Sympathiebekundungen. Dafür bedarf es Formen internationaler Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung, die Israel spürbar unter Druck setzen. Aus eigener Kraft kann sich die palästinensische Bevölkerung aus den Lagern, den Enklaven der Westbank und dem Freiluftgefängnis Gaza nicht befreien. Wie der erfolgreiche Kampf gegen die Apartheid in Südafrika gezeigt hat, bedarf es weltweiter Boykottmaßnahmen und anderer gewaltloser Maßnahmen, die Israel spürbar treffen. Insbesondere Friedensbewegung und Linke müssen sich in ihrer Gesamtheit diese Positionen zu eigen machen. Jeder muss ohne Zeitverzug alles unternehmen, was in seiner Macht steht. Wir dürfen nicht darauf warten, dass Israel von sich aus kollabiert. Jeder Tag Verzug kostet die Vernichtung menschlicher Existenz. Bei allen Initiativen, die unternommen werden, darf nicht der Eindruck entstehen, als handele es sich um einen Konflikt zwischen zwei gleichwertigen Kontrahenten. Fakt ist die absolute Übermacht israelischen Militärs über eine fast wehrlose palästinensische Bevölkerung. Ziel muss es sein, Menschen weltweit schnellstmöglich aufzuklären und zu mobilisieren. Insbesondere wir Deutsche haben die Pflicht, Stellung zu beziehen. Deutschland hat eine Mitschuld am Entstehen Israels und dem damit verbundenen Schicksal der palästinensischen Bevölkerung. Der zu erwartende erneute Vorwurf des Antisemitismus muss energisch zurückgewiesen werden. Eine Verurteilung von Verbrechen ist kein Antisemitismus. Die Lehre, die wir aus unserer Vergangenheit ziehen müssen, besteht darin, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit generell zu verurteilen sind, wo immer sie geschehen. Gedanken über Deutschland und Palästina von Mazin Qumsiyeh, 30.11.2010 (dt. Ellen Rohlfs) Die Konferenz in Stuttgart über Palästina stand unter dem Thema: „Getrennt in der Vergangenheit - zusammen in die Zukunft“. Sie war ausgebucht und hatte einige hochkarätige Redner und eine Menge Energie. Wir lauschten, sprachen, vernetzten uns, kauften einander Bücher ab, aßen, umarmten uns, weinten und lachten. Ich verbrachte viel Zeit mit Nachdenken; vielleicht auch deshalb, weil ich an den Flughäfen lange warten musste oder weil solch eine Konferenz uns die Möglichkeit gibt (über vieles) nachzudenken. Gedanken sind ein gemischter Segen. In jenem Labyrinth von Neuronen, die zuweilen unkontrolliert herumflirren, werden wir in die Vergangenheit befördert und in die Gegenwart und (natürlich) auch mit der Zukunft verbunden. Mit Bildern und Geschichten, Klängen und Gerüchen. Die eine Minute, in der ich an meine Verzögerung von drei Stunden an der Jordanbrücke dachte, während israelische Shin Bet-Agenten herumhasteten und herauszufinden versuchten, was sie mit mir machen sollen. Ich dachte zornig und entrüstet nach, und sprach einen jungen gepflegten ( vielleicht russischen) Burschen zweimal an. Hab ich ihn zu viel oder zu wenig herausgefordert? Während man Deutschland besucht, muss man auch über seine Geschichte nachdenken. Die Gedanken bringen einen auch in Zeiten, bevor man geboren wurde, in Perioden der Geschichte und zu Fakten, über die ich gelesen und die ich überprüft habe und die im Widerspruch zu den Mythen stehen, die täglich der ahnungslosen Öffentlichkeit beigebracht werden. Deutschland lebt in der modernen Gegenwart, aber der Dunst einer schweren und dunklen Vergangenheit ist überall dabei und schafft dicke, verschwommene Visionen. Einige Leute versuchen, Deutsche und sich selbst davon zu überzeugen, dass dies jener Nebel ist, der von einer schwierigen Vergangenheit ausgeht. Wir denken und sprechen davon, wie man den Deutschen am besten erklären kann, dass Schuldgefühle fehlgeleitet werden. Wie erklären wir die Nazi-Zionistische Zusammenarbeit und die Schrecken, die wegen Vorurteilen vor sieben Jahrzehnten wirklich geschahen. Aber am meisten dachte ich darüber nach, wie gut und wie böse Menschen sein können. Schließlich, kam auch Ilan Pappe, ein brillanter Professor und Humanist, der all seine Stammesgrenzen aufgegeben hat, um seine Menschlichkeit zu bewahren. Und was ist mit Ehud Barak, einem Kriegsverbrecher, mit dem Blut von Tausenden an seinen Händen? „Nicht in meinem Namen“ ist die Botschaft einer großartigen jüdisch-deutschen Frau (Evelyn Hecht-Galinski) in ihrer Rede. Ihre klare Stimme wirft wie ein Echo die Stimmen der Propheten zurück, die zu dekadenten Königen in der Vergangenheit sprachen und in leidenschaftlicher, moralischer Klarheit den Horror zum Ausdruck brachten, der sie erwartet, wenn sie ihren zerstörerischen Kurs beibehalten. Als Menschen können wir es uns nicht leisten, daneben zu stehen und zuzusehen, wie sich westliche Regierungen Lobbies unterwerfen und Waffen und Geld senden, das dazu benützt wird, schreckliche Verbrechen zu begehen. Als Bürger dieser Länder können wir nicht schweigen. Ich lauschte Evelyns Worten (die aus dem Deutschen ins Englische übersetzt wurden) und dem Ton ihrer strengen Stimme und ihrem entschiedenen Blick, der in die Herzen einer hypnotisierten Zuhörerschaft drangen. Ich denke, so sieht Anstand und Mut aus . Ich hörte Ilan Pappe zu, der in einfacher und allgemein verständlicher Sprache brillant ausdrückte, was diesem „Problem“ zugrunde liegt (dass es ein einfacher Kolonialismus und Rassismus ist, nichts Besonderes als der Erfolg von Propaganda, vermischt mit Mythen, Lügen und Unsinn). Er erklärte, wie uns erlaubt wird, spezielle israelische Politik zu kritisieren, wie z.B. den Angriff auf Gaza etc. Aber es wird uns nicht erlaubt, die Ideologie (den Zionismus) hinter dieser Politik zu kritisieren. Wir müssen uns weniger mit den Symptomen als mit den Ursachen befassen. Er erwähnte, wie Zionisten selbst Jahrzehnte lang den Terminus „kolonisieren“ benützt haben, um ihre Aktivitäten zu beschreiben, die dahingingen, einen Staat zu schaffen, während man ein Land zerstört (Sein Buch: „Die ethnische Säuberung Palästinas“ bleibt ein Klassiker). Doch meine Gedanken gehen auch zu den ausgerissenen Olivenbäumen in Al-Walaja und wandern über die ganze Landkarte. Gefühle moralischer Empörung, vermischt mit Erinnerungen an die Kindheit, als wir in den Hügeln spielten, die noch nicht von Siedlungen infiziert waren. Ich hörte meinem Freund Dr. Haidar Eid zu, der das Leben in Gaza beschrieb, und konnte nur über die Absurdität nachdenken, dass er weniger als zwei Stunden von mir entfernt lebt, aber wir uns zum ersten mal persönlich viele Tausende Kilometer entfernt in Stuttgart, in Deutschland, treffen können. Es ist nicht fair, dass er mit 1,5 Millionen Gefangenen, deren einziges Verbrechen es ist, nicht jüdisch zu sein, in einem Konzentrationslager eingesperrt ist; dazu kommt auch noch ethnische Säuberung und Besatzung. Haidars Jahre in Südafrika gaben ihm die Möglichkeit, die Ähnlichkeiten und Unterschiede unserer „hafrada“ (hebr. für Trennung) mit der „Apartheid“ (Afrikaans für Trennung) zu verstehen. Ali Abunimahs klare Beschreibung über die BDS-Bewegung und den Medienkampf in den US ergänzte gut unser Reden über das Leben und den Kampf in Palästina. Felicia Langer war auch da. Jahrzehntelang arbeitete sie als israelische Anwältin und versuchte, die palästinensischen politischen Gefangenen in inoffiziellen Gerichten der kolonialen Apartheid zu verteidigen. Ich denke, dass das Bild von ihr und mir und Haidar auf dem Podium wie ein Bild der Zukunft in einem inklusiven demokratischen Staat sein wird. Ich lauschte auch meiner Freundin Lubna Masarwa, die besser als jeder von uns die moralische Entrüstung, die richtig und dringend ist, in Worte brachte. Sie sagte: „Wir kämpfen als Palästinenser und sind müde und wünschen so sehr, dass Ihr mehr tut … es ist dringend notwendig. Die Welt lässt Israel Massaker ausführen und fährt mit der ethnischen Säuberung fort… warum ?… genug ist genug … wir haben die Nase voll..“ Meine Gedanken prallen hier in einem Raum an dunkle Mauern und versuchen, daran zu denken, warum die Krankheit der Apathie unter Menschen so schwer zu heilen ist. Schweigen und Gleichgültigkeit, während Ungerechtigkeit und Kriegsverbrechen begangen werden, ist keine historisch ferne Episode, sondern eine brutale lebendige Realität. Die Kinder in Auschwitz vor 70 Jahren und die Kinder von Gaza, Sabra und Shatila in unserer Zeit, waren schließlich noch Kinder. Ihre traurigen Augen und ihr Leiden mögen vom größten Teil der Menschheit ignoriert werden, aber ihre Wahrheit wird tiefer dringen als jeder Nebel von Mythologie. Es kann im Zeitalter des Internet keiner mehr sagen: „Wir haben nichts davon gewusst.“ Ich sprach über den palästinensischen Volksaufstand (Das Thema meines eben erschienenen Buches) und erklärte so einfach wie möglich, was es bedeutet, hier zu leben, hier zu kämpfen und zu lieben. Ich erklärte, dass wir in diesem als Menschheit alle zusammen gehören und dass dies nicht nur ein Kampf von und für die Palästinenser ist. 130 Jahre lang Widerstand zusammenzufassen ist nicht leicht. Bei einer Konferenz wie der in Stuttgart ist wirklich wenig Zeit; jeder will mit uns reden, ein Buch signiert haben, Visitenkarten austauschen, einander umarmen. Die Organisatoren machten eine großartige Arbeit. Ich blieb bei einem wunderbaren palästinensischen Gastgeber (Anton). Zwei der wichtigsten Organisatoren sprachen auch über den Kampf, den die Beduinengemeinschaften im Negev durchstehen müssen. Attia und Verena Rajab (und ihr junger Sohn, der auch aktiv war) verkörpern Freundlichkeit und harte Arbeit wie auch Liebe, die ein Vorbild für uns alle sind. Es könnte noch mehr über diese Konferenz gesagt werden, aber letzten Endes sagte Lubna genau das Richtige: „Wir haben genug geredet, nun ist Zeit zum Handeln.“ Und alle, die bei der Konferenz waren, krempelten ihre Ärmel hoch und gingen an die Arbeit. Kommentar des UNO-Sonderbeauftragten für Palästina, Richard Falk, zur Stuttgarter Erklärung, die er als Privatperson unterstützt, 28.12.2010 - in deutscher Übersetzung durch luftpost-kl.de Anmerkung des Übersetzers: Wir haben uns bemüht, den sehr verschachtelten englischen Text so ins Deutsche zu übertragen, dass er einigermaßen flüssig zu lesen ist. Professor Richard Falk, ein US-Völkerrechtler, der über 40 Jahre lang an verschiedenen US-Universitäten Vorlesungen über Völkerrecht und internationale Beziehungen gehalten hat, ist seit 2008 Sondergesandter des UN-Menschenrechtsrates für die Palästinensischen Autonomiegebiete. Er hält einen gemeinsamen Staat für Israelis und Palästinenser, wie er in der Stuttgarter Erklärung gefordert wird, für die einzige realistische Perspektive zur Beendigung eines unlösbar erscheinenden Konflikts. Ich nutze diesen Blog, um meine Unterstützung für die Stuttgarter Erklärung zu bekunden; diese Erklärung wurde auf einer bemerkenswerten Konferenz verabschiedet, die im November letzten Jahres in dieser deutschen Stadt veranstaltet wurde. Die Veranstalter der Konferenz sammeln jetzt Unterschriften unter die Stuttgarter Erklärung. Sie kann auf der Website http://senderfreiespalaestina.de unterzeichnet werden. Mit den folgenden drei kurzen Bemerkungen möchte ich auf die Bedeutung der Stuttgarter Erklärung hinweisen: (1) Wenn die Leiden und die Ungerechtigkeit, die den Palästinensern zugemutet werden, jetzt auch in Deutschland so viel Aufmerksamkeit erregen, hat das Symbolcharakter; in Anbetracht der großen Verunsicherung, die das Palästinenser-Problem wegen der Erinnerungen an die Nazi-Vergangenheit und den Holocaust in Deutschland hervorruft, ist das ein weiteres Zeichen für die wachsende Kraft der Kampagne "Solidarität mit den Palästinensern". Die Stuttgarter Erklärung unterstreicht die Tatsache, dass die Untätigkeit der Deutschen angesichts der Situation der Palästinenser nicht länger zu rechtfertigen ist, wenn sie das wegen der schuldbeladenen deutschen Vergangenheit überhaupt jemals war, denn die bisherige Zurückhaltung der Deutschen bedeutete ein stillschweigendes Einverständnis mit der seit Jahrzehnten andauernden kollektiven Verfolgung von Menschen durch ein grausames Regime, und eine Verfolgung dieser Art war ja auch ein Kernelement des deutschen Faschismus. Dieses Einverständnis besteht zwar auf höchster staatlicher Ebene Deutschlands auch weiterhin, die Stuttgarter Erklärung zeigt aber, dass Teile der deutschen Gesellschaft ihre moralische Verpflichtung erkennen, den Palästinensern in ihrer Notlage und in ihrem Kampf beistehen zu müssen. In der Erklärung wird nicht nur eine klare ethisch und rechtlich korrekte Position zu dem Konflikt (zwischen Israel und den Palästinensern) bezogen, sie dokumentiert auch die historisch wichtige Weigerung, sich nicht mehr durch fieberhafte zionistische Bemühungen beirren zu lassen, die jedwede, noch so gut begründete Kritik an der Politik Israels als Antisemitismus zu denunzieren versuchen. Wenn sich die Deutschen nicht mehr länger dadurch einschüchtern lassen, sollten auch wir anderen, die keine historische Bürde dieser Art zu tragen haben, uns nicht mehr beirren lassen. (2) Die politische Bedeutung der Stuttgarter Erklärung besteht darin, dass sie auf die sowohl in intellektueller als auch in politischer Hinsicht wachsende Übereinstimmung zwischen den Palästinensern und ihren engagiertesten Unterstützern auf der ganzen Welt hinweist, die gemeinsam in dem Abzug der Israelis aus den seit 1967 besetzten Gebieten und der anschließenden Errichtung eines palästinensischen Staates auf nur 22 Prozent des ehemals palästinensischen Territoriums keine realistische oder erstrebenswerte Basis für einen gerechten Frieden (zwischen Israelis und Palästinensern) sehen. In der Erklärung wird außerdem festgestellt, dass die Definition Israels als Staat der Juden die (in diesem Staat lebende) Minderheit von etwa 1,5 Millionen Palästinensern dauerhaft zu Bürgern zweiter Klasse im Land ihrer Vorfahren herabstuft; zu Beginn des 21. Jahrhunderts sollten Staatsgrenzen nicht mehr nach religiösen oder ethnischen Gesichtspunkten gezogen werden, weil das weder mit den Menschenrechten, noch mit demokratischen Grundsätzen zu vereinbaren ist. Außerdem hat die illegale Errichtung israelischer Siedlungen (auf palästinensischen Territorium) jetzt ein solches Ausmaß angenommen, dass aus der Besetzung eine De-facto-Annexion geworden ist, die aus politischen Gründen irreversibel sein dürfte. Natürlich müssen die Palästinenser, und nur die Palästinenser, darüber entscheiden, wie sie ihr Recht auf Selbstbestimmung durchsetzen und ihren Kampf darum weiterführen wollen, es ist aber eine offene Frage, wer bei den im Jahr 2011 herrschenden Verhältnissen im Auftrag ALLER Palästinenser sprechen kann. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass in der Stuttgarter Erklärung führende palästinensische Patrioten und ihre stärksten Unterstützer – darunter auch einige israelischer Herkunft – mit einer Stimme sprechen. Die Stuttgarter Erklärung greift das Vermächtnis Edward Saids auf [s. de.wikipedia.org], der für einen gemeinsamen, weltlich ausgerichteten und demokratischen Staat eintrat (in dem Israelis und Palästinenser vereint sind und) der das ganze historische Palästina umfasst. Das ist eine weiterer Grund, diese Erklärung zu unterstützen und zu verbreiten. (3) Die Stuttgarter Erklärung ist auch ein Dokument, das den Gegensatz zwischen den Perspektiven der Bewegung "Solidarität mit den Palästinensern" und den Vorstellungen der internationalen Diplomatie zur Lösung des Konfliktes zwischen Palästinensern und Israelis aufzeigt. Die statische Welt der Diplomatie ist immer noch auf Verhandlungen zwischen Israel und der Palästinensischen Autonomiebehörde fixiert, die zu einem "lebensfähigen und unabhängigen" Palästinenser-Staat führen sollen, der in Frieden mit Israel lebt. Nach den seit 43 Jahren andauernden Übergriffen Israels kann kein lebensfähiger palästinensischer Staat mehr entstehen, zumal er "entmilitarisiert" und auf die Gebiete beschränkt bleiben soll, die israelische Siedlungen, Straßen, Sicherheitszonen und Trennmauern von der West Bank und den 22 Prozent ehemaligen palästinensischen Territoriums übriglassen. Dieser immer noch von der internationalen Diplomatie verfolgte Weg führt nirgendwo hin. Er bleibt eine Illusion und stützt nur die israelische Vorherrschaft. Die in der Stuttgarter Erklärung gemeinsam entwickelte und so einleuchtend formulierte Perspektive, die auf die sanfte Macht der BDS Movement setzt [einer globalen Bewegung, die für einen Boykott israelischer Erzeugnisse, ein Ende des Kapitalzuflusses nach Israel und Sanktionen gegen den jüdischen Staat eintritt, s. bdsmovement.net], bietet beiden Völkern und der gesamten Region eine friedliche Zukunft, die auf Gerechtigkeit und echte Versöhnung aufgebaut ist. Die Frage ist, ob alle, die zu einer Beendigung des (israelisch-palästinensischen) Konfliktes beitragen wollen, auch den Willen und das Durchhaltevermögen haben, der sanften Macht zum Sieg über die brutale Macht zu verhelfen. Kommentar des UNO-Sonderbeauftragten für Palästina, Richard Falk, zur Stuttgarter Erklärung, die er als Privatperson unterstützt, 28.12.2010 - in englischer Originalfassung (richardfalk.wordpress.com) I am using this blog to indicate my support for the Stuttgart Declaration that emerged from an outstanding conference held in that German city last November. The convenors of the conference are seeking signatures. To sign go to this url http://senderfreiespalaestina.de (1) The symbolic awakening of Germany to the suffering and injustice inflicted on the Palestinian, given the great sensitivity of these issues in Germany due to national memories about the Nazi background and the Holocaust, is a further sign of the growing strength of the Palestinian solidarity campaign. It underscores the fact that German passivity with respect to the Palestinian situation can no longer be justified, if it ever could, as a repudiation of this guilt-ridden past, but rather represents an acquiescence in a cruel regime of collective punishment of a people that has gone on for several decades, which was a core element of Naziism. This acquiescence continues at the level of the state in Germany, but the Stuttgart Declaration exhibits a German societal readiness for moral engagement with the Palestinian plight and struggle that expresses moral and legality clarity about the conflict, and should be seen as a historically important refusal to be no longer intimidated by feverish Zionist efforts to portray any and all criticisms of Israel, however well grounded, as nothing more than expressions of anti-semitism. If the Germans are no longer intimidated by this kind of baiting, neither should the rest of us who lack the pretext of history. (2) The political purport of the Stuttgart Declaration is to lend the weight of considered intellectual opinion and political judgment to the growing consensus worldwide among Palestinians and their most committed supporters that the vision of peace by means of Israeli withdrawal from the territories it occupied in 1967, leading to the establishment of a Palestinian state on this 22% segment of historic Palestine, is no longer a realistic or desirable basis for a just peace. As the Declaration makes clear, to confirm the Israeli state as a Jewish state is to consign the Palestinian minority of about 1.5 million to permanent second-class citizenship in the land of their forefathers; there is no way that a religiously and ethnically defined state can be reconciled in the early 21st century with human rights and democracy. Beyond this, the settlement phenomenon, now proceeding at an accelerated pace of unlawful expansion, has converted the occupation by Israel into a de facto reality of annexation, which while being unlawful is politically irreversible as a practical matter. Of course, it is Palestinians, and only Palestinians, that can decide on what satisfies their struggle to realize their right of self-determination, and it is open question as to whether in the circumstances of 2011, there is any single entity that can speak authoritatively on behalf of ALL Palestinians. In this respect, the Stuttgart Declaration is one expression of a voice inflected by the convictions of leading Palestinian patriots and their strongest supporters, including those with an Israeli identity. It is a legacy of Edward Said’s advocacy of a unified secular and democratic state encompassing the whole of historic Palestine that is embodied in the Stuttgart Declaration, and one more reason to support and disseminate it. (3) The Stuttgart Declaration is also a document that exposes the contrast between the perspectives of the Palestinian Solidarity Movement and inter-governmental diplomacy as to how to resolve the Palestine/Israel Conflict. The statist world of diplomacy is still fixed on negotiations between Israel and the Palestinian Authority based on realizing the goal of ‘a viable and and independent’ Palestine living in peace next to Israel. It presupposes an unrealizable goal, given 43 years of Israeli encroachment, of a viable Palestinian state, and imagines that a ‘demilitarized’ Palestinian entity on what remains in the West Bank after the settlement blocs, the infrastructure of roads and security zones, and the separation wall are deducted from the 22% remnant. This inter-governmental road leads no where, but to some combination of illusion combined with Israeli hegemony. The societal perspective, so well articulated in the Stuttgart Declaration, relying on coercive soft power via the BDS movement, offers both peoples and the region a peaceful future based on justice and genuine reconciliation. The issue for all of us committed to this struggle is whether we have the will and commitment to make soft power prevail over hard power. Evelyn Hecht-Galinski, 4.1.2011 (Auszug aus dem Kommentar 'Feigheit vor dem Freund') Warum nutzen die Politiker, wie Gysi und Polenz, ihre Fernsehauftritte nicht, wie z.B. in der Tagesschau, sich anstatt für die Bildzeitungs-Reporter [im Iran] sich für unterdrückte und ihrer Rechte beraubter Palästinenser einzusetzen? Warum spricht man nicht über die mehr als 10.000 gefangenen Palästinenser? Warum sieht man in der Tagesschau nicht das tägliche schleichende Morden von Palästinensern durch Israel? Warum muss ich erst täglich um 19.00 Uhr auf das arte-Journal gehen, um darüber informiert zu werden? Als guter Vorsatz zum Jahresbeginn 2011: BDS (Boycotts, Divestmentment, Sanctions = Boykott, Abbruch der Investitionen, Sanktionen) muss schon aus dem „Innern“ kommen, also bei uns beginnen! Opponieren wir gegen immer neue Städtepartnerschaften mit Israel. Universitäten sollten solange keinen wissenschaftlichen Austausch pflegen, solange die palästinensischen Wissenschaftler unfrei, unter Besatzung Israels leben müssen und nur von „Gnaden“ der „Besatzer“ ein- und ausreisen dürfen. Es soll keinen Parteien- und Gewerkschaftsaustausch, keine Handelsabkommen mit dem „Jüdischen Staat“ geben, solange er sein Unterdrückungs- und Apartheidregime aufrecht erhält. Seit ich Ilan Pappes Buch las – „Die ethnische Säuberung Palästinas“ -, seit ich das Glück hatte, in Stuttgart auf der Palästina-Solidaritätskonferenz dabei sein zu dürfen, und dort gemeinsam mit Ilan Pappe, Mazin Qumsiyeh, Haidar Eid, Ali Abunimah, Lubha Marzwawa als Referentin auftrat, hat sich mein Blick über Deutschland und Palästina nochmals verändert. Welche Tragik – Qumsiyeh und Haidar begegneten sich in Stuttgart (4000 km entfernt) das erste Mal persönlich, beide aus dem besetzten Heimatland, der eine aus der Westbank, der andere aus dem „Freiluftgefängnis“ Gaza. Beide sind ständig der Gefahr ausgesetzt, aufs Neue verhaftet zu werden. Als diese Menschen authentisch und kämpferisch vortrugen, wusste ich, dass „wir deutsche Experten“ kleine Räder im großen Getriebe sind. Wir haben – wie sie sehr richtig forderten – die Pflicht gerade auch als Deutsche mehr zu tun! Es muss erlaubt sein, Zionismus als eine Ideologie des Rassismus und des Kolonialismus zu bezeichnen. Nehmen wir uns ein Beispiel an diesen Forderungen. Es reicht nicht eine „Hoffnungsideologie“ zu verbreiten, nur weil diese auch für gewisse kirchliche und politische Kreise besser „zu verkaufen“ ist. Die Wahrheit ist, die Realität hat die Hoffnung eingeholt. Man kann mit dieser „jüdischen Ideologie“ keine Hoffnung haben, sondern diese nur mit Taten und Fakten bekämpfen. Daher empfehle ich auch Gilad Atzmon und seinen Blog aufmerksam zu lesen. Dieser begnadete Jazz-Saxophonist wird von verschiedenen „Kreisen“ verunglimpft, weil man hier noch nicht so weit ist, sich vorurteilsfrei mit seinen richtigen und hoch intelligenten Thesen auseinanderzusetzen. Wir hatten das Glück, Gilad Atzmon mit einem Grußwort auf der Konferenz erleben zu dürfen. Ein weiterer Gewinn für diese einmalige Konferenz: Vergessen wir die „Experten“ von gestern und lernen wir von den Betroffenen von heute. Vergessen wir die Utopisten, halten wir uns an die Visionäre. Den Weg dazu haben Verena und Attia Rajab mit der Ausrichtung dieser unvergesslichen Konferenz gewiesen. Weshalb ich die Schlusserklärung der Stuttgarter Konferenz mit unterzeichnet habe - Hanspeter Gysin, 5.1.2011 Das Schlussdokument ist eine Zusammenfassung einer 3-tägigen Konferenz an der sich etwa 200 Besucher und rund zwei Dutzend Rednerinnen und Redner getroffen haben. Es beinhaltet, und das kann gar nicht anders sein, auch subjektive Präferenzen und Interpretationen, der Verfasser. Aus meiner Sicht hätte das Thema „X-Staatenlösung“ nicht an erster, sondern an zweiter Stelle stehen und im Umfang des Dokuments durchaus kürzer sein müssen. Die Erklärung beginnt ja mit der Feststellung, dass um (1.) Strategien und (2.) Zielvorstellungen diskutiert worden sei. Zur „Strategie“ Das zionistische Israel kann nur durch massiven politischen Druck seitens der Weltgemeinschaft zu einer Friedenslösung veranlasst werden. Es gibt dort noch kein mehrheitliches Interesse an einem Frieden. Das müsste man mittlerweile begriffen haben. Israel und seine Lobbyisten betreiben seit Jahrzehnten eine systematische und gerade bei der Meinungsbildung in der Zivilgesellschaft Europas und der USA höchst erfolgreiche Kampagne der Diffamierung, Dämonisierung und Delegitimierung der Opfer seiner kolonialistischen Politik. Dem gilt es etwas entgegenzusetzen und eben in erster Linie eine Strategie zu entwickeln. Als Teil der Zivilgesellschaft ausserhalb der politischen, militärischen und polizeilichen Apparate und ohne Zugang zu angehäuftem Kapital, bleiben uns nicht allzu viele Möglichkeiten der Intervention. In einem langwierigen und aufwändigen Prozess sind in den letzten Jahren ein paar interessante Ideen aufgetaucht und vom wesentlichen Teil der Solidaritätsbewegung mit der Bevölkerung Palästinas offenbar für tauglich befunden worden. Ausdruck davon sind die verschiedenen Versuche die Belagerungspolitik Israels zu durchbrechen, der neue und weitgehend akzeptierte Diskurs, der endlich wieder rassistische Ausgrenzung durch Israel klar als Apartheid bezeichnet und als wichtigstes Mittel der öffentlichkeitswirksamen Aktion, die Kampagne Boykott, Desinvestition, Sanktionen. Ich verstehe also nicht, weshalb im Schlusspapier die Strategie da nach hinten verschoben wurde. Zu den „Zielvorstellungen“ Ich bin für eine Welt frei von Zwangsmassnahmen, obwohl dieses Ziel derzeit nicht gerade realistisch erscheint. Und ich bin folgerichtig auch für eine sakuläre Gesellschaft der Erdenmenschen, auf der Basis von Erkenntnissen guter und schlechter Erfahrungen und damit frei vom Streit um Glauben und Mythologien. Dies ist meine Zielvorstellung, obwohl auch diese „Lösung“ nicht gerade vor der Tür steht. Wenn nun in einer Solidaritätsbewegung die Erkenntnis wächst, dass die bisher einzige als Perspektive dargestellte „Lösung“, die Kreation eines zweiten Staates neben Israel, einige fragwürdige Implikationen enthält, dann muss das zur Diskussion gestellt werden. Die Diskussion hat, weil sie eben erstmals geführt wurde, viel Platz eingenommen, sie machte Sinn und fand weitgehenden Konsens. Es gibt für mich keine Berechtigung aufgrund dieser (unglücklichen) Priorisierung im Schlussdokument Rückenschusspolemik zu betreiben. Der als „Zielvorstellung“ benannte Positionsbezug wendet sich ausserdem eindeutig nicht an diepalästinensische Gemeinschaft sondern eben, an die Bewegung der Solidarität. Wenn die dabei ihrpolitische Bewusstsein schärft, umso besser. Es wurde übrigens nicht in Frage gestellt, dass es aufdem Weg zum, „Ziel“ auch Zwischenlösungen geben könnte. Zur „X-Staatenlösung“ Die sogenannte „Zweistaatenlösung“, sie müsste schon als Wortkreation bei politisch bewussten Menschen einige Fragezeichen aufwerfen, schlägt die Errichtung eines zweiten staatlichen Gebildes neben Israel vor. Ist es tatsächlich so, dass die Errichtung eines zweiten Staates, der nur dann ein Staat sein kann, wenn er über die selben Souveränitätsrechte verfügt wie sein Nachbar, realistischer zu bewerkstelligen ist als die Vereinigung der besetzten Gebiete mit dem Besatzerstaat? Weshalb ist dieser Vorschlag in aller Munde, wird von allen unseren Regierungen propagiert, stösst in sämtlichen Massemedien auf Interesse, wird selbst von israelischen Regierungskreisen kaum in Frage gestellt? Woher dieser Konsens auf der anderen Seite? Wie sehen die Vorstellungen bezüglich dieses zweiten Staates aus? Besitzt er offene Grenzen zu Drittstaaten? Hat er die Möglichkeiten von ebenso freiem Handel mit Waren wie Israel? Besteht dieser Staat aus einem zusammenhängenden Gebiet mit uneingeschränkter Bewegungsfreiheit seiner Bürger oder aus von einander isolierten Bantustans? Verfügt dieser Staat über Ressourcen, Wasser, fruchtbares Land, eine intakte Infrastruktur oder wird er zum Ghetto ohne Zukunft, während die Filetstücke des Landes und seine natürlichen Ressourcen in israelischer Hand bleiben? Besitzt er Souveränität, das heisst auch, kann er sich zur Not mit angemessener Waffengewalt gegen Übergriffe der Israelis zur Wehr setzen? Was bedeutet dieser zweite Staat bezüglich der Rechte auf Rückkehr der vertriebenen Bevölkerung? Was bedeutet er bezüglich der israelischen Gelüsten sich der in Israel verbliebenen Palästinenser zu entledigen? So wie ich diese Stuttgarter Konferenz, die für mich übrigens ein Meilenstein in der Geschichte der Solidaritätsbewegung darstellt, aufgefasst habe, ging es hier darum, vor Illusionen in einen zweiten Staat als „Lösung“ zu warnen. Und jetzt schlage ich vor, das Thema wieder hintanzustellen und eine kraftvolle, weltweite BDS-Kampagne an die Hand zu nehmen... Mit freundlichem Gruss Hanspeter Gysin, Teilnehmer aus der Schweiz Anmerkung zu Hanspeter Gysin von Verena Rajab: Der Stellenwert, den die VerfasserInnen der Stuttgarter Erklärung der Ein-Staat-Lösung geben und der Grund, weshalb sie die Zwei-Staaten-Lösung entschieden kritisieren, entspringt der Analyse des Apartheid-Staats Israel. Ohne einen Systemwechsel in Israel gibt es keine Hoffnung auf einen gerechten Frieden. Wenn die Apartheid wirklich überwunden wird, wird es keinen Grund geben, Grenzen zu ziehen und es wird wahrscheinlich auch keiner mehr wollen, denn das Grenzen ziehen ist in der gegenwärtigen Situation fast unmöglich geworden. Das Entscheidende sind mehr denn je gleiche Rechte und Gerechtigkeit. Warum wir die Stuttgarter Erklärung (dennoch) unterschrieben - Doris und George Pumphrey (Nahostkomitee in der Berliner Friko), 9.1.2011 Leider, und wie wir glauben unnötigerweise, ist wegen der Stuttgarter Erklärung ein Streit ausgebrochen, der z.T. zu Animositäten geführt hat unter Leuten, die auf der gleichen Seite stehen und kämpfen. Unterschiedliche Meinungen und Vorschläge sollten uns stärken und nicht entzweien, zumal die Gemeinsamkeiten überwiegen. Was uns in der Stuttgarter Erklärung fehlt, ist der grundsätzliche Hinweis darauf, dass natürlich die Menschen vor Ort die Lösung finden müssen, mit der beide Seiten leben können, dass nur sie darüber bestimmen dürfen, wie sie ihre Nachbarschaft oder ihr Zusammenleben organisieren wollen. Die Souveränität der Völker ist ein hohes Gut, das wir immer verteidigen sollten und verstärkt gerade in diesen Zeiten, da die imperialistischen Kräfte es nach Gutdünken mit den Füßen treten. Wir sind grundsätzlich gegen jede ethnisch oder biologisch definierte Politik, wie sie auch die Zwei-Staaten-Lösung impliziert. Aber wenn die Kontrahenten zu einer Konfliktbeilegung auf ethnischer Grundlage kämen, auch wenn diese nur temporär wäre, dann stünde uns hier in Europa nicht zu ihnen zu sagen, „das dürft und solltet ihr nicht tun“. Der Paragraph in der Stuttgarter Erklärung über die Schaffung eines gemeinsamen Staates ist deshalb unglücklich formuliert. Wir denken, dass es den Intentionen besser entsprochen hätte, den Satz (in Kursiv) anders einzuleiten etwa: Die Geschichte dieses Konfliktes deutet darauf hin, dass langfristig „nur die Schaffung eines gemeinsamen, säkularen und demokratischen Staates auf dem historischen Palästina mit gleichen Rechten für alle Frieden und Gerechtigkeit für PalästinenserInnen und Israelis bringen kann - ein Staat, in dem alle Menschen, gleich welcher Religion und Herkunft, gleichberechtigt zusammenleben.“ Beide Lösungen – zwei Staaten und ein Staat – scheinen gegenwärtig natürlich gleich illusorisch. Die Frage der Ein- oder Zwei-Staaten-Lösung ist auch nicht neu, sondern so alt wie der Konflikt selbst. „Zwei-Staaten“ hatte sich durchgesetzt und wurde während der letzten Jahrzehnte allgemein als Lösung gehandelt. Wenn sie nun nach all den Jahren keinerlei Fortschritte gebracht hat, sondern im Gegenteil, wenn sich immer deutlicher zeigte, dass die Verhandlungen über eine Zwei-Staaten-Lösung Israel nur als Hinhaltetaktik und dem Schaffen von Fakten vor Ort diente, die die Zwei-Staaten-Lösung ad absurdum führen und das Unrecht gegen die Palästinenser nur verstärkten, dann wird es höchste Zeit eine ehrliche Bilanz zu ziehen und die angedachte Lösung grundsätzlich zu hinterfragen. Deshalb ist es richtig, dass die Stuttgarter Erklärung sich gegen das DOGMATISCHE Festhalten an der Zwei-Staaten-Lösung wendet. Diese Kritik richtet sich doch auch an unsere eigenen Regierungen, die sich selbst nur hinter der israelischen Hinhaltetaktik verstecken und damit das Unrecht forcieren. Und sie richtet sich gegen das absurde und penetrant abverlangte Glaubensbekenntnis zum „Existenzrecht“ Israels – gemeint ist natürlich immer das Existenzrecht Israels als jüdischer Staat. Auch wenn es für unser heutiges Engagement hierzulande zweitrangig bleibt, für welche Lösung sich die die Menschen vor Ort am Ende entscheiden, unsere Diskussion hier kann durch die Einbeziehung einer Ein-Staaten-Lösung vorangebracht werden. Denn die Ein-Staaten-Lösung bedeutet auch grundsätzliche Kritik an der zionistischen Ideologie, die dem Unrecht zugrunde liegt. Der Zionismus muss hierzulande viel stärker als zentrales Problem erkannt werden, um gegen den Antisemitismusvorwurf (als Waffe gegen die Kritiker der israelischen Politik) und gegen den tatsächlichen Antisemitismus vorzugehen. Wenn die Zwei-Staaten-Lösung auch innerhalb der Solidaritätsbewegung nicht mehr als Dogma behandelt wird und die Ein-Staaten-Lösung nicht zu einem solchen erhoben wird, wenn also weder die eine noch die andere zum abverlangten Glaubensbekenntnis gemacht wird, dann wird sich die Bewegung auch nicht spalten. Den Spaltungsvorwurf aber schon allein gegen die Stuttgarter Erklärung zu erheben, schafft nur unnötigen Streit und Selbstbeschäftigung. Wenig hilfreich ist der Verdacht, die Stuttgarter Erklärung käme doch nur der anderen Seite entgegen, wo doch jetzt immer mehr Staaten den „unabhängigen Staat Palästina“ anerkennen. Zum einen wäre zu fragen: Angenommen die UNO-Vollversammlung beschließt mehrheitlich die Anerkennung (gegen die Stimmen der USA und ihrer Verbündeten), was dann? Seit wann richtet sich die regionale Großmacht Israel nach Entscheidungen der UNO? Zum anderen: Könnte die Idee der Ausrufung des Staates Palästina einfach nur ein hilfloses Symbol der an Glaubwürdigkeit verlierenden Autonomieregierung sein? Wird nicht auch die Ein-Staaten-Lösung immer mehr unter Palästinensern und Israelis diskutiert? Die Zwei-Staaten-Lösung als Dogma aufzugeben, könnte dazu beitragen, dass nicht nur in der Region vor Ort, sondern auch immer mehr hier lebende Israelis und Palästinenser den Dialog suchen, Gemeinsamkeiten erfahren und sich verbünden. Die Verbundenheit, der gemeinsame Kampf von Schwarzen und Weißen in den USA und Südafrika, war die stärkste Waffe gegen Rassismus und Apartheid. Das wussten die Gegner und es war gerade diese Verbundenheit, die sie mit allen Mitteln bekämpften. Sie wollten die Schwarzen isolieren. Es ist ihnen nicht gelungen. Die Zionisten wollen die Palästinenser isolieren. Es darf ihnen nicht gelingen. Kommentar zur Stuttgarter Konferenz und Stuttgarter Erklärung von Ilan Pappe, 12.1.2011 - in deutscher Fassung auf der Basis der Übersetzung von Ellen Rohlfs Vor kurzem wurden die Organisatoren der Stuttgarter Konferenz und besonders jene, die die Stuttgarter Erklärung unterschrieben haben, von mehreren deutschen Autoren und Politikern heftig kritisiert, auch in dem für Deutsche aus der linken Mitte so typischen aggressiven Ton. Abgesehen von den unwichtigen Aspekten des Streits – wie dem Stil und die eigenartige Fokussierung auf irgendeine Person, die die Erklärung unterschrieben hat – sollten die wesentlichen Fragen und Gesichtspunkte hervorgehoben werden, mit der diese Konferenz einen so wichtigen Beitrag für den Kampf um Palästina geleistet hat. Unter den Aktiven im Kampf um Palästina gibt es auf der einen Seite das orthodoxe Herangehen und auf der anderen eine neue herausfordernde Bewegung. Das orthodoxe Herangehen gründet seine Friedensvision auf eine Zwei-Staaten-Lösung und auf der tiefen Überzeugung, dass eine Veränderung der israelischen Gesellschaft durch das dortige Friedenslager eine gerechte Lösung bringen wird. Zwei völlig souveräne Staaten würden nebeneinander existieren, sie würden sich einig werden, wie das Palästina-Flüchtlingsproblem zu lösen ist, und gemeinsam über die Zukunft Jerusalems entscheiden. Dies schließt auch den Wunsch mit ein, Israel als einen Staat all seiner Bürger zu sehen und nicht nur als einen jüdischen Staat – der jedoch seinen jüdischen Charakter behalten soll. Diese Vision gründete sich einerseits auf den Wunsch, den Palästinensern zu helfen und andererseits auf realpolitische Überlegungen. Sie nährt sich aus einer Überempfindlichkeit gegenüber den Wünschen und Ambitionen der mächtigen israelischen Seite und aus einer übertriebenen Rücksichtnahme auf das internationale Kräfteverhältnis und sie will vor allem auch der amerikanischen Grundposition und Haltung zu diesem Problem entgegenkommen. Es ist dennoch eine aufrichtige Position und in dieser Hinsicht unterscheidet sie sich von der Position der politischen Eliten des Westens. Diese waren viel zynischer als sie ihre sanftere Version der orthodoxen Sicht ins Spiel brachten. Diese Politiker wussten und wissen sehr wohl, dass ihr Diskurs und Plan Israel erlaubt, die Enteignung Palästinas und der Palästinenser ohne Unterbrechung fortzusetzen. Es ist kein glaubwürdiges Rezept zur Beendigung der Kolonisierung Palästinas. Bei den Aktivisten hat die orthodoxe Sicht allmählich an Bedeutung verloren. Sie wird noch immer hochgehalten vom offiziellen Friedenslager in Israel und von den liberalen zionistischen Organisationen weltweit, ebenso wie von den linkeren Politikern in Deutschland und Europa. Im Namen der Realpolitik und der Effizienz wird sie auch in gewisser Weise immer noch von guten Freunden, wie Norman Finkelstein und Noam Chomsky, vertreten. Doch die große Mehrheit der Aktivisten haben die Nase voll davon. Das Aufkommen der BDS-Bewegung - mit ihrem Aufruf der palästinensischen Zivilgesellschaft innerhalb und außerhalb Palästinas, solche Aktionen [Boykott, Kapitalentzug und Sanktionen] durchzuführen, das wachsende Interesse und die Unterstützung für eine Ein-Staaten-Lösung und die Entstehung eines entschiedeneren, wenn auch kleinen, antizionistischen Friedenslagers in Israel haben zu alternativem Denken geführt. Die neue Bewegung, die von Aktivisten in aller Welt, in Israel und in Palästina, unterstützt wird, folgt dem Beispiel der Anti-Apartheid-Solidaritätsbewegung. Das gesamte Palästina war und ist ein Gebiet, das kolonisiert wurde und noch immer kolonisiert und durch Israel in der einen oder anderen Weise besetzt wird und die Palästinenser leben unter diversen legalen und repressiven Herrschaftsformen. Es ist deshalb notwendig, die Realität vor Ort fundamental zu ändern, bevor es zu spät ist. Mit anderen Worten, wir sind Zeugen eines Paradigmenwechsels, der von diesem neuen Aktivismus vertreten wird. (Er hat natürlich viele Elemente alter Ideen aus der PLO-Charta von 1968 und von Aktivistengruppen wie der Abna al-Balad, Matzpen, der PFLP und PDFLP übernommen und der heutigen Realität angepasst, Ideen die 1993 im Namen der Realpolitik fallengelassen wurden.) Das neue Paradigma besteht auf der Analyse Israels als einen kolonialen Siedlerstaat des 21. Jahrhunderts, dessen Ideologie das Haupthindernis für Frieden darstellt. Es sucht friedliche Mittel zur Veränderung dieses Regimes für alle, die dort leben und für jene, die von dort vertrieben wurden. Aktivismus um des Aktivismus willen ist sinnlos. Er muss verknüpft sein mit einer klaren Analyse und Prognose. Zionismus war und ist eine koloniale Siedlerbewegung und Israel ist ein kolonialer Siedlerstaat. So lange dies so bleibt, wird selbst ein Rückzug aus Teilen der Westbank und dem Gazastreifen und die Schaffung eines Bantustans die Enteignung und die ethnische Säuberung, die 1948 begann, nicht beenden. Die Bantustans haben die Apartheid in Südafrika nicht beseitigt. Die neue Bewegung, die mit der Konferenz in Stuttgart ein bedeutendes Zeichen setzte, gibt der Unterstützung für Palästina und den Palästinensern von außerhalb neuen Auftrieb. Sie kann sich aber nicht mit der Frage der palästinensischen Vertretung befassen – dieses Problem kann nur von den Palästinensern selbst gelöst werden – auch nicht mit der Frage, wie die israelischen Juden am besten die Verantwortung für die ethnische Säuberung Palästinas übernehmen sollten und wie eine andere Zukunft erreicht werden kann, in der Araber und Juden zusammenleben können. Aber in Stuttgart waren beide, Palästinenser und Israelis, vor allem auf dem Podium zahlreich vertreten. Die Stuttgarter Erklärung beschreibt sehr gut die Hoffnung beider Seiten, die von anderen moralisch unterstützt wird. Sie enthält Vorschläge für Aktionen in Europa, um die Enteignung von Palästina – nicht nur in kleinen Bereichen – zu beenden. Es ist nicht töricht, auf einen Regimewechsel in Israel zu hoffen, es ist nicht naiv, sich einen Staat vorzustellen, in dem alle gleich sind, und es ist nicht unrealistisch, sich für die bedingungslose Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge in ihre Heimat einzusetzen. Diese Sehnsüchte behindern nicht den Kampf gegen die täglichen israelischen Übergriffe in Palästina. Im Gegenteil, sie geben uns die einzig mögliche rationale Erklärung, warum wir mit demselben Engagement und mit der gleichen moralischen Kraft gegen die Zerstörung von Häusern in Jerusalem, im Negev und im Gazastreifen Widerstand leisten müssen. Stuttgart war eine Station. Der Zug fährt jetzt woanders weiter, zu Universitäten in Amerika, Kirchen in England und Versammlungsräumen von Gewerkschaften in Europa. Hoffen wir, dass er auch Synagogen erreicht. Der Kampf gegen den Zionismus sollte mit nichts anderem verwechselt werden. Der Zionismus ist eine außergewöhnliche Ideologie, eine Ideologie mit einem Staat und einer Armee. Sie schadet nicht nur den Palästinensern, sondern auch den Juden, wo immer sie sind – auch den Juden in Israel. Wir sollten den Organisatoren danken, die Erklärung unterzeichnen und vorwärts gehen. Palästina kann nicht auf deutsche Bedenken und Skrupel Rücksicht nehmen. Wir sollten Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen praktizieren. Dies ist der einzige Weg, der von außen beschritten werden kann, damit beide Völker in Palästina künftig eine faire Chance haben, eine bessere Zukunft zu bauen. Kommentar zur Stuttgarter Konferenz und Stuttgarter Erklärung von Ilan Pappe, 12.1.2011 - in der englischen Originalfassung Recently the organizers of the Stuttgart conference and especially those who signed the Stuttgart declaration came under sever criticism from various writers and politicians in Germany and were exposed at time even to typical German center left abrasive language. Setting aside the insignificant aspects of the dialogue – the style and the bizarre focus on one particular person who signed the declaration – it is important to stress the main issues and the principal points that made this conference such a significant contribution to the struggle for Palestine. The scene of activism in the struggle of Palestine has an orthodoxy on the one hand, and a new challenging movement ,on the other. The Orthodoxy based its vision of peace on a two states solution and on a deep conviction that a change from with the Israeli society, through the 'peace camp' there, will bring about an equitable solution. Two fully sovereign states would live next to each other and would also agree on how to solve the Palestine refugee problem and will decide jointly what kind of a Jerusalem there would be. It also included a wish to see Israel more of a state of all its citizens and less as a Jewish state – but nonetheless retaining its Jewish character. This vision was clearly based on the wish to help the Palestinians on the one hand and on real politick considerations on the other. It was and is driven by over sensitivity for the wishes and ambitions of the powerful Israeli party and by exaggerated consideration for the international balance of power and in particular it is calculated in a way that would fit the basic American position and stances on the issue. It is however a sincere position and in this respect it is different from the position of the political elites of the West which were much more cynical when they pushed forward a softer version of this Orthodox view – these politicians knew and still know that this discourse and plan allows Israel to continue uninterrupted the dispossession of Palestine and the Palestinians and is not in any way a credible formula for ending the colonization of Palestine. This orthodox view has slowly vanished from the scene of activism. The official peace camp in Israel, and the Liberal Zionist organizations world wide still subscribe to it – as do the more leftist politicians in Germany and Europe. In some ways, dear friends such as Norman Finkelstein and Noam Chomsky still endorse it in the name of realpoliik and efficiency. But the vast majority of activists had enough. The emergence of the BDS movement, through the call for such action by the Palestinian civil society inside and outside of Palestine, the growing interests and support for the one state solution and the emergence of a clearer, be it as small, anti Zionist peace camp in Israel, have provided an alternative thinking. The new movement which is supported by activists all around the world, inside Israel and Palestine, is modeled on the anti-Apartheid solidarity movement. The whole of Palestine is an area that was and is colonized, and occupied in one way or form by Israel and in it Palestinians are subject to various legal and oppressive regimes and therefore the need is to change fundamentally the reality on the ground before it would be too late. In other words we have witnessed a paradigm shift represented in this new activism (which of course has many elements of old ideas drawn from the PLO 1968 charter and activist groups such as Abna al-Balad, Matzpen, the PFLP and PDFLP which are updated to the current reality and which were deserted in 1993 in the name of realpolitik). The new paradigm insists on analyzing Israel as a settler colonialist state of the 21st century whose ideology is the main and principal obstacle for peace and seeks peaceful means of changing this regime for the sake of everyone living there and those who were expelled from there. Activism for the sake of activism is useless. It has to be based on an analysis and suggest a prognosis. For this work activism for the sake of activism is useless it has to be connected to a clear analysis and prognosis. Zionism was and is a settler colonialist movement and Israel is a settler colonialist state and as long as this stay like this, even withdrawal from part of the West Bank and the Gaza Strip and the creation of a Bantustan there would not end the dispossession and the ethnic cleansing that began in 1948. Bantustans did not end Apartheid in South Africa. The new movement, in which the meeting in Stuttgart, was an important landmark, is galvanizing OUTSIDE support for Palestine and the Palestinians. It is not, and can not, be concerned with the question of Palestinian representation – this can only be resolved by the Palestinians themselves, or how best is for the Israeli Jews to accept the responsibility for the ethnic cleansing of Palestine and how to move on to a different future where both Arabs and Jews can live together. But in Stuttgart, especially on the podium there was a sizable representation for both Palestinians and Israelis and therefore the declaration wisely describe both their aspirations, supported morally by others, and an outline for action in Europe for bringing an end for the dispossession of Palestine – not just in small parts of it. It is not ridiculous to aspire for a regime change in Israel; it is not naïve to envision a state where everyone is equal and it is not unrealistic to work for the unconditional return of the Palestinian refugees to their homes. Moreover, such wishes do not obstruct the struggle against the current daily Israeli abuses in the land of Palestine; on the contrary, it gives the only possible rational explanation why we should oppose with the same commitment and moral force the demolition of houses in Jerusalem, in the Negev and in the Gaza Strip. Stuttgart was a station, and the train continues now elsewhere to campuses in America, Churches in England and union halls in Europe. Hopefully it will get to synagogues as well and there is no need to confuse the struggle against Zionism, with anything else. This is as it is a formidable ideology, with a state and an army that harmed not only Palestinians but also Jews wherever they are, including in Israel. We should thank the organizers, sign the declaration, and move on. Palestine can not wait for the internal German misgivings and inhibitions. We should boycott, sanction and divest as this is the only way forward for us from the outside so that both peoples in the inside would have fair chance to build a better future. Die Stuttgarter Erklärung für die Gründung eines gemeinsamen Staates Palästina - Analyse von Lawrence Davidson, Professor für Geschichte an der Universität West Chester (Pennsylvania, USA), 26.1.2011 - in deutscher Übersetzung durch luftpost-kl.de Der historische Zusammenhang Als Jassir Arafat 1969 die Palestine Liberation Organization / PLO (die Palästinensische Befreiungsfront) übernahm, machte er aus einem Werkzeug der ägyptischen Regierung eine dynamische vereinigte Organisation zur nationalen Befreiung des palästinensischen Volkes. Was stellte er sich unter dieser nationalen Befreiung eigentlich vor? Arafat hoffte zunächst, aus Israel – einem Staat der ausschließlich Menschen vorbehalten war, die sich wegen ihrer Religion oder Herkunft als Juden betrachteten – und den von den Palästinensern bewohnten Gebieten einen einheitlichen, weltlich ausgerichteten, demokratischen Staat formen zu können, dessen Bürger alle die gleichen Rechte haben sollten. Ein progressiveres politisches Ziel kann man sich kaum vorstellen. Wegen einer Reihe von Faktoren, zu denen die durch den Holocaust verursachten Schuldgefühle, der Druck, den die zionistische obby auf viele Regierungen ausübte, und die weit verbreitete rassistische Einstellung gegenüber Arabern und Muslimen gehören, fand der berechtigte Wunsch der Palästinenser nach einer gemeinsamen, weltlichen ausgerichteten Demokratie im Westen kein Gehör. Weil das der Fall war, nahm die Geschichte ihren bekannten Verlauf. Der Westen war auf einem Auge blind, während Israel sich zu einem Staat entwickelte, der die Palästinenser immer stärker diskriminierte. Auch die arabische Minderheit in Israel wurde immer mehr isoliert, in die Armut getrieben und verachtet. Es ist eine tragische Ironie, dass der Westen, als er im Namen der Demokratie den Kalten Krieg führte, den Palästinensern den Zugang zur Demokratie verwehrte. Israel wurde immer militanter und aggressiver – getrieben von dem zionistischen Mythos, es sei vom Schicksal vorherbestimmt, dass sich die Juden das gesamte Land zwischen dem Fluss Jordan und dem Mittelmeer aneignen müssten. Dieser Machtwahn wurde unglücklicherweise durch den stetigen Zustrom modernster Waffen genährt, die zuerst von Frankreich und dann von den USA geliefert wurden. Die ständig wachsende Macht des zionistischen Staates Israel ließ Arafat bald erkennen, dass seine PLO keinen gemeinsamen, demokratischen, weltlich ausgerichteten Staat durchsetzen konnte. Weil das so war, passte sich die PLO Mitte der 1970er Jahre an die Wirklichkeit an, und strebte jetzt ein Ergebnis an, das als Zwei-Staaten-Lösung bekannt ist. Diese Variante hat eine lange Vorgeschichte. Sie war schon 1937 von der Peel-Kommission (s. http://de.wikipedia.org/wiki/Peel-Kommission) vorgeschlagen worden und wurde im Teilungsplan der UN-Generalversammlung von 1947 wieder aufgegriffen (s. http://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_11/LP02011_310111.pdf); sie sah zwei Staaten, Israel und Palästina, vor, die nebeneinander existieren sollten. In den 1970er Jahren engte die PLO den Traum von der palästinensischen Souveränität auf die West Bank und den Gaza-Streifen ein. Das war eine schwere Entscheidung für die PLO-Führung, denn sie bedeutete den Verzicht auf zwei Drittel des ursprünglichen Palästinenser-Gebietes. Wegen der Machtverhältnisse schien dieser Kompromiss jedoch unvermeidlich zu sein. Es gab aber noch ein zusätzliches Problem. Noch bevor die PLO diese Entscheidung getroffen hatte, besiegte Israel im Sechstagekrieg die verbündeten arabischen Streitkräfte und eroberte auch Gaza und die West Bank. Gleich nach dem Krieg stellte sich heraus, dass die Israelis die eroberten Territorien als "Faustpfand" für kommende Verhandlungen besetzt halten wollten. Das war aber von Anfang an nur ein Täuschungsmanöver. Fast sofort begann der Bau israelischer Siedlungen, der sich seit 2005 auf die West Bank konzentriert; seither haben die Israelis in Verhandlungen, zu denen sie sich herabließen, immer nur mit der Taktik des Hinhaltens gearbeitet und ein (leicht durchschaubares) Doppelspiel getrieben. Jetzt leben mehr als eine halbe Million israelischer Siedler auf der West Bank, obwohl ihre Anwesenheit gegen das Völkerrecht verstößt. Gaza wurde durch die ebenfalls kriminelle israelische Blockade absichtlich in ein großes Gefängnis für verelendete Menschen verwandelt. All das geschah mit ebenso offener wie infamer Unterstützung der USA. Auch deshalb ist die Zwei-Staaten-Lösung zu einem unerfüllbaren Traum geworden. Historische Ereignisse in einem anderen Land könnten den Weg aus der Sackgasse weisen, in welche die Gründung eines Palästinenser-Staates offensichtlich geraten ist. Im Jahr 2005 endete die Apartheid in Südafrika. Dessen rassistisches Regime wurde durch eine Kombination aus innerem Widerstand und Druck von außen zu Fall gebracht. Der teils gewaltsame, teils gewaltlose Widerstand im Innern wurde unterstützt durch einen internationalen Boykott gegen Südafrika, der sich auf vielen Ebenen auswirkte. Dieser Boykott war ein anhaltender wirksamer Akt der Zivilgesellschaft, mit dem die politischen Eliten des Westens schließlich gezwungen werden konnten, ihre Unterstützung für das weiße Regime in Pretoria aufzugeben. Was in Südafrika geschah, hat zwar eine lange Zeit in Anspruch genommen, aber die Machtstrukturen, die wie in Stein gemeißelt schienen, konnten aufgebrochen werden. Die Gesetze zur Rassentrennung waren 1948 offiziell eingeführt worden, und der innerer Widerstand dagegen begann bereits ein Jahr später. Der internationale Boykott weitete sich erst in den 1950er Jahren aus. Es hat also fast sechzig Jahre gedauert, bis die Apartheid beseitigt und ein demokratischer, weltlich geprägter Staat Südafrika mit gleichen Rechten für alle seine Bürger erkämpft werden konnte. Die Geschichte dieses langen Widerstandes und dieses harten Kampfes könnte Inspirationen und ein Modell für den sich entwickelnden Befreiungskampf der Palästinenser liefern. Die Stuttgarter Erklärung Vor dem eingangs geschilderten historischen Hintergrund trafen sich vom 26. bis 28. November in der deutsche Stadt Stuttgart 200 Aktivisten. Ziel der Konferenz war, wie es der israelische Historiker Ilan Pappé formulierte, einen "Paradigmenwechsel" einzuleiten, der zur Aufgabe des Kampfes um die Zwei-Staaten-Lösung zugunsten des Kampfes um einen gemeisamen, demokratischen, weltlich geprägten Staat für Palästinenser und Israelis führen soll. In der Stuttgarter Erklärung wird darauf hingewiesen, dass die Zwei-Staaten-Lösung schon immer unter fatalen, inneren Konstruktionsfehlern gelitten habe. So "verurteile das Festhalten an der Zwei-Staaten-Lösung die PalästinenserInnen mit israelischer Staatsangehörigkeit dazu, als Bürger zweiter Klasse in ihrem angestammten Land zu leben. ... Außerdem würde das Fortbestehen eines zionistischen Staates auf dem Land der palästinensischen Flüchtlinge diesen ihr international anerkanntes Recht auf Rückkehr verwehren". Weil sich die Zionisten dafür entschieden haben, eine Zwei-Staaten-Lösung durch die ständige Vergrößerung des Staates Israel zu verhindern, schlagen die Stuttgarter Aktivisten zur nachhaltigen Lösung (aller Probleme) einen gemeinsamen Staat Palästina für Palästinenser und Israelis vor. Wieder einmal haben Befürworter der Befreiung der Palästinenser ihren Kampf den historischen Gegebenheiten angepasst. Parallelen zu dem Kampf gegen die südafrikanische Apartheid haben ihnen diesen Weg gewiesen. Das Ergebnis ist eine wachsende Zusammenarbeit zwischen der weltweiten Bewegung der Zivilgesellschaft gegen die Rassentrennung und progressiven Palästinensern und Israelis. Die Zusammenarbeit zahlt sich bereits durch einen wachsenden Boykott, ein Nachlassen der Investitionen und Bemühungen um Sanktionen gegen Israel aus. Wird damit die letzte Runde eingeläutet? Wenn die Israelis dieses Bündnis zunehmend bedrohlich finden, haben sie sich das selbst zuzuschreiben. Im Laufe der Jahre haben sie ihre Situation immer wieder völlig falsch eingeschätzt. Ihr Verhalten war durch Hybris und Gier (nach palästinensischem Land) geprägt. Ihre Hybris entsprang der Tatsache, dass ihre (militärische) Überlegenheit immer größer wurde, und der Westen ist sicher mit daran schuld. Auf dieses Ungleichgewicht der Macht zwischen den Israelis und den Palästinensern wird auch in der Stuttgarter Erklärung hingewiesen. "Bei allen Initiativen, die unternommen werden, darf nicht der Eindruck entstehen, als handele es sich um einen Konflikt zwischen zwei gleich starken Kontrahenten. Tatsache ist die absolute Übermacht des israelischen Militärs und Staatsapparats über eine fast wehrlose palästinensische Bevölkerung." Diese Ungleichgewicht hat dazu geführt, dass Israel , wenn es um die (palästinensischen) Gebiete geht (die es sich widerrechtlich angeeignet hat) zu keinerlei Kompromissen bereit ist. Die kürzlich von Al Jazzera veröffentlichten durchgesickerten Palästina-Papiere (weitere Infos dazu unter http://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_11/LP02011_310111.pdf) enthüllen, dass die Palästinensische Autonomiebehörde, die von Mahmud Abbas kontrolliert wird, Israel im Tausch gegen einen Verhandlungsfrieden fast ganze Ost-Jerusalem angeboten hat. Dieses äußerst großzügige Kompromiss-Angebot wird Abbas wahrscheinlich den Hass eines großen Teils der Palästinenser einbringen. Trotzdem haben die Israelis dieses Angebot nicht angenommen. Und warum nicht? Weil ihre führenden Politiker glauben, es sei unnötig, sich auf Kompromisse einzulassen, zumal sie auch ihre ausländischen Unterstützer nicht dazu zwingen werden. Warum sollten sie Kompromisse schließen, wenn Sie sich einfach nehmen können, was Sie wollen? Es ist die Hybris, die Israel dazu ermuntert hat, sich territorial immer weiter auszudehnen; dieses Verhalten betrachten viele Staaten der Welt jetzt zu Recht als offene Zurschaustellung kolonialer Gier (nach Land). Und deshalb ist es Israel, das mit der angestrebten Verwirklichung seines angeblich schicksalhaften zionistischen Auftrages eine neue, vielleicht sogar die letzte Runde des Kampfes (der Palästinenser um ihr Recht) eingeläutet hat. Die führenden Politiker Israels glauben, dass sie durch den Einfluss ihrer Lobbys in den mächtigen Staaten des Westens damit durchkommen werden. Aber der Einfluss dieser Lobbys geht bereits deutlich zurück – wegen der Aufklärungsarbeit der Gegenlobbys (die auch auf die Nöte der Palästinenser hinweisen) und durch eine Boykottkampagne, die immer mehr der gleicht, die das Apartheid-Regime in Südafrika zum Einlenken gebracht hat. Natürlich wird es nicht nur Fortschritte, sondern auch Rückschläge geben. Die zionistischen Fanatiker in den USA werden wohl versuchen, die Unterstützung (der Palästinenser) für illegal erklären zu lassen und damit die verfassungsmäßigen Rechte der US-Bürger noch weiter einzuschränken. Und es kann gut sein, dass es in den letzten Phasen dieses Kampfes auch zu größerer Gewaltanwendung in Israel kommen wird – nicht nur gegen die Palästinenser, israelische Juden könnten auch gegen andere israelische Juden gewaltsam vorgehen. Der Mord an Jitzchak Rabin im Jahr 1995 hat diese Möglichkeit schon angedeutet. Die religiösen Fanatiker in Israel werden bis zuletzt Widerstand leisten. Aber sie werden im Kampf gegen die eigene Regierung untergehen. Am Ende werden die 200 Menschen, die im November 2010 in Stuttgart zusammenkamen, Recht behalten. Eines Tages wird es einen (gemeinsamen) demokratischen, weltlich ausgerichteten Staat für Palästinenser und Israelis geben. Dann kann der Geist Jassir Arafats in Frieden ruhen, und die Welt kann erleichtert aufatmen. Die meisten Muslime werden dieses Ergebnis besser finden, als das, was sie jetzt haben. Und mit den palästi - nensischen Flüchtlingen werden auch die Christen wieder ins "Heilige Land" zurückzukehren. Die Juden können dann damit beginnen, ihre Religion wiederzubeleben, was nach der langen dunklen Nacht, in der sie mit einer rassistischen, zionistischen Ideologie verknüpft war, sicher notwendig sein wird. The Stuttgart Declaration For a One State Solution in Palestine - Analyse von Lawrence Davidson, Professor für Geschichte an der Universität West Chester (Pennsylvania, USA), 26.1.2011 (tothepointanalyses.com) Historical Context When Yasir Arafat took over the Palestine Liberation Organization (PLO) in 1969 he changed it from a tool of the Egyptian government to a dynamic united front seeking national liberation for the Palestinian people. What sort of national liberation? Arafat’s initial hope was to transform Palestine/Israel from an exclusive religious-ethnic state designed for Jews to an inclusive democratic secular state with equality for all its citizens. One could hardly imagine a more progressive political goal. However, because of a series of distorting factors such as guilt felt over the Holocaust, Zionist lobby pressure operating within many governments, and the racism still operating against Arabs and Muslims, neither Palestinians nor their healthy political goal of a secular democracy got fair hearings in the West. That being the case, history unfolded in its now familiar fashion. The West turned a blind eye while Israel grew into an ever more discriminatory society. Its Arab-Israeli minority was ever more segregated, relatively impoverished and despised. So we have the tragic irony that even as the West fought the Cold War in the name of democracy they shut the door to it in Palestine. Israel also grew ever more belligerent and aggressive, driven on by that part of its myth based manifest destiny that envisioned all the land from the Jordan River to the Mediterranean Sea for the Zionists. Such delusions of power were, unfortunately, encouraged by a steady supply of ever more sophisticated weaponry first from France and then from the United States. The growing power of Zionist Israel soon made Arafat realize that the Palestinian resistance movement could not achieve a democratic secular state. This being so, the PLO adapted to reality and, in the mid-1970s, switched the goal to what is known as the Two State Solution. This aim had a long pedigree. It had first been put forward by the Peel Commission in 1937 and then, of course, it was the solution envisioned by the UN partition plan of 1947—two states, Israel and Palestine living side by side. By the 1970s the PLO ended up restricting the dream of Palestinian statehood to the West Bank and Gaza Strip. It was a hard decision for the Palestinian leadership for it meant relinquishing two-thirds of their ancestral homeland. Yet the power relations appeared to make this compromise inevitable. But there was an added problem. Even before this decision was taken by the PLO, the Six Day War was fought. Israel overwhelmed opposing Arab forces and captured Gaza and the West Bank. The story that was put out right after the war was that the Israelis would hold the occupied territories as “bargaining chips.” But it was a sham from the start. Almost immediately the colonizing process began (concentrated on the West Bank after 2005) paralleled with continuous delaying tactics and duplicity whenever the Israelis found themselves having to negotiate. There are now over half a million Israeli settlers in the West Bank, all of whom are there in violation of international law. Gaza, on the other hand, has been purposely reduced to an impoverished open prison by an Israeli blockade that is also criminal in nature. All of this has been done with the familiar if infamous open support of the United States. As a consequence, the two state solution also has become an unachievable dream. It was a foreign set of historical events that would ultimately suggest a way out of the apparent dead end facing the Palestinian struggle. In 2005 apartheid ended in South Africa. What brought down that country’s racist regime was a combined internal/external struggle. Internal resistance, sometimes violent and sometimes non-violent, combined with an international boycott of the country at all levels. This boycott was a prolonged and massive act of civil society that ultimately forced the Western political elites to abandon support for the white regime in Pretoria. What happened in South Africa took a long time and it defied the power relations that appeared set in stone. The apartheid laws were officially introduced in 1948 and internal resistance began about a year later. The international boycott started to grow in the 1950s. Thus it took nearly sixty years of struggle to change that apartheid state into something resembling—a democratic secular state with equality for all its citizens. This history of resistance and struggle, as long and hard as it was, has now emerged as an inspiration and a model for the evolving character of the Palestinian liberation struggle. The Stuttgart Declaration It is against this historical background that 200 activists came to Stuttgart Germany on November 26 to 28, 2010. The aim of the gathering was to “shift the paradigm” as Israeli historian Ilan Pappe suggested, from a struggle for a two state solution back to a struggle for a single democratic secular state in Palestine/Israel. As the conference declaration explains the two state solution has always suffered from fatal inherent flaws. Thus, “the adherence to a 2-State Solution condemns Palestinians with Israeli citizenship to live as second class citizens in their historic country….Furthermore, the continuance of the Zionist state on the land of the Palestinian refugees denies these refugees the internationally recognized right of return.” On the one hand, the Zionists have decided to forestall the two state solution so as to create Greater Israel. On the other, the Stuttgart activists have decided that a sustainable solution for both Palestinians and Israelis requires a Greater Palestine. Thus, once more, proponents of Palestinian liberation have adapted their struggle to the reality of the historical moment. And parallels with the struggle against South African apartheid have shown them the way to do so. The result is a growing alliance between a worldwide anti-apartheid movement of civil society and progressive Palestinians and Israelis. The alliance expresses itself through a growing boycott, divestment and sanctions effort against Israel. The Final Stage? If the Israelis find this alliance increasingly frightening they have only themselves to blame. Over the years they have continuously and seriously misjudged their situation. They have been led to do so by hubris and greed. The hubris comes from having too much power for their own good, and in this the West is certainly complicit. The imbalance of power between the Israelis and the Palestinians is presented in stark terms by the Stuttgart Declaration. “Our initiatives must avoid giving the impression that this is a conflict between two equally powerful adversaries. In truth, the Israeli military has absolute superiority over a practically defenseless Palestinian people.” On the ground this imbalance has translated into a disdain for serious compromise on the part of Israel. The recent release of leaked documents by Al-Jazeera reveals that the Palestine National Authority under the control of Mahmud Abbas recently offered Israel almost all of East Jerusalem as part of a peace plan land swap. It was an outrageously generous compromise offer that will probably earn Abbas the hatred of a large number of his countrymen. Nonetheless, the Israelis failed to take up the offer. Why not? Because their leaders believe it is unnecessary to compromise and, in addition, they feel that there is no outside party that can force them to do so. Why make compromises when you can simply take what you want? This is the hubris that has encouraged Israel to pursue territorial expansion that much of the world now interprets, quite correctly, as a public display of colonial greed. And so it is Israel, acting out its alleged Zionist destiny, that has brought us to a new, and perhaps final stage of the struggle. Israel’s leaders think they are protected by the influence of their allied lobbies in the powerful nations of the West. But these lobbies are already being aggressively challenged both by counter lobbies and by the same sort of mass campaign that isolated and eventually brought down the apartheid system of South Africa. It will of course take time. There will be ups and downs. The Zionist fanatics in the U.S. might very well try to make the entire effort illegal and thus undermine the very constitutional rights of Americas. And there is a good chance that in the last phases of this struggle there will be ever greater violence in Israel. Not only against the Palestinians, but violence of Israeli Jew against Israeli Jew. The assassination of Yitzhak Rabin in 1995 strongly suggests this possibility. There will be a last stand by the religious fanatics in Israel. They will go down fighting their own government. In the end, I believe that the 200 people who came together at Stuttgart in November 2010 will be vindicated. Eventually there will be a democratic secular state in Palestine/Israel. At that juncture the spirit of Yasir Arafat can rest in peace and the world can give a sigh of relief. Most Muslims will find this outcome acceptable given what went before it. And, along with the Palestinian refugees, Christians too will start returning to the “Holy Land.” As for the Jews, they can then begin reconstructing their religion, for it will certainly need it after the long dark night during which it was tied to a racist political ideology. Evelyn Hecht-Galinski, 27.1.2011 (Auszug aus dem Kommentar 'Ausverkauf der Vichy-Regierung in Ramallah') Seit der Veröffentlichung der „Palästina Papiere“ sollte auch dem letzten „Experten“ die Farce der Zweistaatenlösung und des so genannten Friedensprozesses klar geworden sein. Ali Abunimah von der Electronic Intifada ist einer der brillantesten Palästina-Analysten. Er war schon auf der Stuttgarter Konferenz ein begnadeter Redner und Kenner der Materie. Nicht umsonst wurde er zu Al Dschasira nach Katar geholt, um dort täglich die Palästina Papiere zu kommentieren. Aus diesem Grund war und ist die Stuttgarter Konferenz und die Stuttgarter Erklärung ein Meilenstein in der Zukunftsorientierung für einen künftigen Staat Palästina. Ich empfehle den Artikel von Ilan Pappe zur Stuttgarter Konferenz, ebenso den von Richard Falk. Die Stuttgarter Erklärung beinhaltet die ganze Bandbreite dieser wichtigen Erkenntnis.
Die Zeit ist reif für Veränderung. Sagen wir der Kanzlerin Merkel, dass sie anstatt anlässlich einer erneuten Preisverleihung von irgend einer jüdischen Organisation (die wievielte?) unkritisch den „Jüdischen Staat“ zu unterstützen, die Zeichen der Zeit erkennt, umschwenkt (kann sie ja sonst auch sehr gut) und auf das begangene Unrecht hinweist. Israel braucht auch keinen Besuch unseres Bundespräsidenten mit seiner Tochter – unkritisch, einseitig wie in Yad Vashem, in Sderot, bei den Eltern von Gilad Shalit – , sondern Besuche von Jugendlichen, die ein Kontrastprogramm inklusive elender palästinensischer Zustände geboten bekommen, um sich ein objektives Bild zu machen. Was ist schließlich davon zu halten, dass die medizinische Situation in Gaza ständig schlimmer wird, aber in deutschen Zeitungen fast nur über die „menschliche Atmosphäre“ im größten „Klinikum im Nahen Osten“ berichtet wird, über das Scheba Krankenhaus in Tel Aviv (oder über Charity Parties mit Charlotte Knobloch, Hubert Burda in St. Moritz), wo es immer mehr junge Medizinstudenten hinzieht? Die Medien, die Politik entmündigen uns. Wir bekommen nur noch „Zerkleinertes und Vorgekochtes“ vorgesetzt. Die Palästina Papiere haben es auch dem letzten „Ahnungslosen“ gezeigt: Der Nahost-Friedensprozess“ war und ist eine „Fata Morgana“. Die Zweistaatenlösung hat ausgedient. Die Einstaatenlösung ist die einzige noch verbliebene Konsequenz, wie auf der Stuttgarter Konferenz hinreichend dargestellt wurde. Die „Vichy Regierung“ gab sich alle Mühe, den Israelis alles für einen eigenen Staat zu geben, aber Israel war nie zufrieden und ist erst zufrieden, wenn alles unter Kontrolle des Jüdischen Staates bleibt – wie jetzt auch schon. „Friss oder stirb!“ ist keine Basis für Frieden. Sie ist jedoch die Basis, auf deren Säulen Israels Politik steht. Die „Vichy Regierung“ hat keine Existenzberechtigung mehr. Sie hat kein Mandat und vertritt niemanden außer sich selbst. Ergo bleibt es dabei: ODS (One Democratic State). Ein säkularer, demokratischer Staat ist die einzige verbliebene Option für einen gerechten Frieden für das palästinensische Volk. Aus einem Kommentar der "Luftpost - Friedenspolitische Mitteilungen aus der US-Militärregion Kaiserslautern/Ramstein", 31.1.2011 (luftpost-kl.de) [...] Mit dem schon vor der Gründung des Staates Israel am 14. Mai 1948 von israelischen Siedlern begonnenen Raub palästinensischen Landes wird offensichtlich das Ziel verfolgt, die Palästinenser durch fortgesetzte Vertreibung und ständige Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen auch noch aus der West Bank und dem Gaza-Streifen, also aus den Gebieten zu verdrängen, die ihnen nach dem Israelischen Unabhängigkeitskrieg von 1948 verblieben sind [...] Seit dem Sechstagekrieg 1967 werden auch die West Bank und der Gaza-Streifen von der israelischen Armee kontrolliert. Der Gaza-Streifen ist heute völlig von der Außenwelt abgeschnitten, und alle Zugänge werden von den Streitkräften Israels blockiert. Die [...] Karte (entnommen aus imemc.org) bildet die gegenwärtigen Zustände auf der West Bank ab. Nur die dunkelbraun eingefärbten Siedlungen der in dem Oslo-Abkommen als Zone A bezeichneten Gebiete stehen unter alleiniger Kontrolle der Palästinenser. Die mittelbraun eingefärbten Gebiete der Zone B werden von der israelischen Armee mit kontrolliert. Die blau und weiß eingefärbten Gebiete sind israelischen Siedlern vorbehalten, und auch die hellbraun eingefärbten, als "Naturschutzgebiete" bezeichneten Areale der Zone C stehen ausschließlich unter israelischer Kontrolle. Der derzeit amtierende israelische Außenminister Avigdor Lieberman hat den Palästinensern gerade angeboten, die aus den Zonen A und B gebildeten verstreut liegenden Inseln zu ihrem "Staat" zu erklären. Der würde aus über 25 räumlich voneinander getrennten Reservaten bestehen und nur 13 Prozent des den Palästinensern von der UN-Generalversammlung zugesprochenen Landes umfassen. Lieberman verhöhnt mit seinem "Angebot" nicht nur die Palästinenser, sondern auch die UNO und alle westlichen Politiker, die immer noch davon träumen, den Konflikt zwischen dem zionistischen Regime Israels und den Palästinensern mit der "Zweistaaten-Lösung" beenden zu können. Da es bis heute keinen von der UNO anerkannten eigenständigen Palästinenser-Staat gibt, der UN-Aufteilungsplan für Palästina also nicht realisiert wurde, ist die UN-Generalversammlung, die den Aufteilungsplan beschlossen hat, de jure weiterhin dafür verantwortlich, dass die Palästinenser endlich zu ihrem Recht kommen. Weil sich, wie nachgewiesen, die Zweistaaten-Lösung nicht realisieren lässt, muss die UNO schon aus juristischen Gründen alles tun, um die 1947 ebenfalls erwogenen Einstaaten-Lösung durchzusetzen. Palästina ist für drei monotheistische Weltreligionen – für das Judentum, das Christentum und den Islam – ein "Heilges Land". Wenn die UNO ihrer Verantwortung für ein gleichberechtigtes und friedliches Nebeneinander aller in diesem Land lebenden Menschen unter - schiedlicher Religion gerecht werden will, muss sie das ganze ehemalige britische Mandatsgebiet Palästina so lange unter UN-Verwaltung stellen und kontrollieren, bis seine Einwohner sich auf eine gerechte einvernehmliche Regelung aller bestehenden Probleme, einschließlich der Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge und der Abgeltung aller Wiedergutmachungs- und Entschädigungsansprüche, verständigt haben. Das wird natürlich nur möglich sein, wenn die zu treffenden harten Entscheidungen nicht wieder durch US-Vetos im UN-Sicherheitsrat blockiert werden können, sondern – wie bei der Entscheidung über den Aufteilungsplan – mehrheitlich von der UN-Generalversammlung beschlossen und durchgesetzt werden. Damit könnten die Staaten der Welt gleichzeitig Israel in die Schranken weisen und verhindern, dass es sich weiterhin über alle gegen seine illegalen Aktivitäten gerichteten UN-Resolutionen hinwegsetzt und das Völkerrecht ständig mit Füßen tritt. Am Ende dieses von der UNO mit Blauhelm-Soldaten überwachten Friedensprozesses sollte ein gemeinsamer, säkularer und demokratischer Staat Palästina stehen, in dem alle Menschen, unabhängig von ihrer Religion und Herkunft, gleichberechtigt zusammenleben können. Aus einer Debatte um die 'Stuttgarter Erklärung' 15.12.2010 13:06 - eMail von Thomas Immanuel Steinberg Liebe Anneliese, lieber Andreas, trägt das Eintreten für einen statt zwei Staaten im ehemaligen britischen Mandatsgebiet Palästina dazu bei, den Willen sowohl der israelischen Regierung als auch der großen Mehrheit der jüdischen Bevölkerung zu Besatzung und Expansion zu brechen? Zeigt, wie! Ich vermag es nicht zu erkennen. Herzlich, Thomas 16.12.2010 15:59 - eMail von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann Lieber Thomas, wir wollen eine ganz kurze Antwort versuchen. Die Orientierung auf die Zwei-Staaten-Lösung hat unseres Erachtens einen rassistischen Ansatz. Zu realisieren sind beide Lösungen fast nicht. Die Apartheid in Südafrika zu Fall zu bringen, war auch nicht einfach. In jedem Fall bedarf es enormer Anstrengungen. Mobilisieren lassen sich Menschen - wenn überhaupt - eher dann, wenn sie eine Lösung vor Augen haben, die mit ihren Vorstellungen von Menschenrechten, Humanismus und Antifaschismus im Einklang stehen. Diese Motivation gilt zumindest für uns. Warum der Ein-Staaten-Lösung der Vorrang zu geben ist, ist unseres Erachtens in der Stuttgarter Erklärung sehr gut begründet. Von daher würden wir natürlich sehr wünschen, wenn Du auch zu den Unterzeichnern gehören würdest... Mit besten Grüßen Anneliese und Andreas 16.12.2010 16:20 - eMail von Thomas Immanuel Steinberg Liebe Zwei, ich versuche, kurz zu replizieren. Die israelische Regierung, getrieben von israelischen und US-amerikanischen Rüstungs- und Sicherheitsindustrie-Kapital, gestützt auf die Mehrheit der jüdischen Israelis, will jeden Frieden verhindern. Ihr Wille muß gebrochen werden. Das geht durch Boykott, Desinvestment und Sanktionen gegen den Staat Israel und seine wirtschaftliche Basis. Manche finden, wie Ihr, zwei Staaten hätten etwas Rassistisches an sich. Stimmt. Wie fast jeder, letztlich sogar jeder Staat. Andere befürchten, ein einziger Staat Israel/Palästina, wenn überhaupt, könne nur hyper-rassistisch geraten. Ich teile die Befürchtung. Bei diesem Sachstand halte ich ein Abweichen von allen internationalen Resolutionen ("zwei Staaten") für spalterisch, mindestens aber für eine Ablenkung von der Aufgabe, gemeinsam mit dem Boykott zu beginnen. Noch eine Frage: Kann ich Eure Antwort (anonym oder mit Namen?) und meine Replik darauf bei mir ins Netz stellen? Herzlich, Thomas Immanuel Steinberg 18.12.2010 11:37 - eMail von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann Lieber Thomas, das kannst Du gerne machen, wenn Du willst auch mit unseren Namen. Wünschen würden wir uns einen Link auf die Seite, wo wir die Debatte wiedergeben wollen (http://www.arbeiterfotografie.com/israel/index-israel-0048.html). Du gestattest noch eine Anmerkung: Natürlich sind beide Lösungen sehr schwer zu erreichen. Und in beiden Fällen gibt es keine Garantie dafür, daß sie in einer annehmbaren Weise umgesetzt werden. Aber Du gestehst Doch sicher zu, daß eine Ein-Staaten-Lösung die Grundlage dafür bietet, gleiche Rechte und Chancen und vor allem gleichen Zugang zu den Resourcen des Landes zu ermöglichen. Klar, es hängt davon ab, wie sie realisiert wird - ob die 1000jährigen Olivenbäume weiter leben können, ohne ausgerissen zu werden... Übrigens haben alle palästinensischen Referenten die Stuttgarter Erklärung unterzeichnet - und auch Dr. med. Omar Abo Basha, Vorsitzender der Palästinensischen Ärzte- und Apotheker Vereinigung Deutschland e.V., die die Veranstaltung mit Norman Finkelstein ausgerichtet hat. Mit besten Grüßen Anneliese und Andreas 17.12.2010 13:37 - eMail von Paul Grasse Liebe Stuttgarter Soli-Aktivisten, liebe GenossInnen, liebe Freunde, Ich hatte mich schon einmal kurz geäußert, als Ihr angegfangen habt, das Papier zu diskutieren. Richtig finde ich, dass diese Konferenz einen Abschluss gebraucht hätte. Allerdings kann man so etwas nicht nachholen und vor allem nicht nachholend legitimieren. Ich will sagen, dass eine Resolution auf dem jeweiligen Event besprochen werden muss und nicht im Nachhinein von einigen verfasst werden kann. Nun war die Konferenz derart strukturiert, dass eine wirkliche Debatte um die heißen Punkte (BDS, Right of Return, one state) im Publikum nicht geführt werden konnte. Das ist kein Problem, ist nur eben nicht mit einer Entscheidungsfindung vereinbar. Gezeigt hat sich das im allerletzten Podium, wo dann erstmals eine Debatte im Publikum durchgesetzt werden konnte. Der scheinbare Konsens, der beide Tage vorher geherrscht hatte, brach hier sofort auf. Das Papier gibt aber trotzdem den scheinbaren Konsens wieder, der auf den meisten Podien der Konfrenz tatsächlich geherrscht haben mag, aber nicht im Publikum. Ich finde die inhaltlichen Ansagen in dem Papier durchaus richtig. Ich finde aber nicht, dass diese ziemlich fortgeschrittenen Punkte zur Voraussetzung eines solidarischen Engagements gemacht werden dürfen. Das wird der Solibewegung eher schaden als nützen. Es gibt nun einmal für die nötigen politischen Debatten keine Abkürzung. Es ist meiner Einschätzung nach nicht möglich, das Ziel der Ausweitung der Solibewegung v.a. auf Gewerkschaften mit dieser Plattform zu erreichen, die Latte ist schlicht zu hoch. Einen gravierenden Fehler finde ich die prominente Erwähnung von Atzmon. [Anmerkung: Gilad Atzmon wird eingangs aufgeführt wie alle anderen Akteure auch] Ich finde zwar nicht, dass er ein Rassist ist, das möchte ich vorweg schicken. Seine "Radikalität" und die kulturalistischen Ansätze sowie die in Deutschland doch recht schräge Relativierung des deutschen gegenüber dem israelischen Militarismus (israelisch schlimmer, weil Demokratie) würde ich auf seinen biographischen Hintergrund zurück führen. Von Marx kennen wir eine ähnliche Vermischeung von materieller und Kulturkritik in Hinsicht auf das Judentum. Er ist kein Antisemit und kein Rassist, richtig, solche Debatten um die tieferen theologischen Eigenheiten des Judentums können auch gern unter jüdischen oder säkularen Theologen oder Religionswissenschaftlern geführt werden. Aber es ist wenig zielweisend, Menschen, die vom Judentum sehr wenig wissen, damit zu konfrontieren, dass das Judentum keinen Frieden kenne etc. Das ist im Effekt eine totale Verkürzung und schneidet den Weg ab, als Solidaritätsbewegung gemeinsam mit religiösen Juden zu arbeiten. Rassismus ist immer die Spaltung der Unterdrückten durch die Herrschenden, das ist nicht Atzmons Geschäft. Aber dennoch ist der Hintergrund des Zionismus Imperialismus und nicht die jüdische Religion. Nicht jeder teilt die Analyse von Funktion und Praxis des Rassismus. Deshalb dient die Erwähnung von Atzmon unseren Gegnern und lädt sie zur Instrumentalisierung des vermeintlich "antisemitischen" Gilad Atzmon ein. Ich finde einfach, dass das nicht nötig. Effektiv denke ich und sehe mich da mit Inge Höger und auch Annette Groth einig, dass es am Besten ist, wenn ich und auch andere Linke (ich weiß, es haben auch schon Linke unterschrieben, das können die individuell entscheiden) das so nicht unterezichnen. Gleichzeitig bin ich aber auch dagegen, sich zu distanzieren. Meine Empfehlung an Aktivistinenn, mit denen ich spreche, ist, sich sozusagen "verhalten" zu verhalten, also gar nicht. Dessen unbenommen danke ich Euch für die hervorragende Konferenz und hoffe, dass sie ein Auftakt und kein Schlusspunkt zu einer besseren, stärkeren, breiteren Palsätina-Soliarbeit in Deutschland sein wird. Mit solidarischen Grüßen, Paul Grasse 16.12.2010 14:05 - eMail von Viktoria Waltz tut mir leid, ich finde die Angelegenheit eine dumme Vermischung von einer! Einstaatenlösung mit den notwendigen Forderungen nach Einhaltung der Beschlüsse und Menschenrechte und des boykotts etc. . Dies bringt eine zusätzliche Spaltung der Bewegung und ist Bevormundung sowohl des palästinensischen Widerstands als auch der Solidaritätbewegung und das finde ich nahezu kriminiell - wo die Bewegung sowieso schwach ist und der Gegner so immens aktiv und stark und sich gerade wieder neue Finanzen auf seine Konten scheffelt um noch mehr Propaganda für Israel machen zu können. Ich bin echt sauer und hatte schon ein merkwürdiges und nun scheints richtiges Gefühl bei der Stuttgarter Initiative, die plötzlich sich als nationale Konferenz auszuwachsen schien mit dieser Einbahnschiene - ein Coup. Dabei hätten wir wirklich nichts dringenderes als eine nationale Konferenz, die sich auf die international anerkannten Rechte als Basis geltend macht und unserern Machthabern vorhält. Ich kann mir auch nicht denken, dass Ilan Pappe damit so einverstaden sein kann, der da wie ien zeuge gehandlet wird, denn in München hat er noch gesagt, welche der Lösungen richtig ist ist nicht die eznetrale Frage und auch nicht von hier aus entscheidbar - wichtig ist, dass Israel seinen Part macht, zurückgeht auf vor 67, die eigene Schuld an der Nakba und das dadurch geschaffene Flüchtlignsproblem anerkennt und erst dann auf gleicher Augenhöhe verhandeln kann - kann mir nicht vorstellen, dass er jetzt nur die Einstaatenlösung propagiert hätte. Wer ist da denn wirklich dahinter? Fraktionen? Das ist doch tödlich. So viel Erfahrung dürften Linke doch inzwischen haben, dass sowas nur den Gegnern in die Hände spielt. Gruß Viktoria 18.12.2010 17:54 - eMail von von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann Liebe Viktoria, hab trotz Deiner harschen Kritik herzlichen Dank für Deine Reaktion auf unseren Hinweis auf die Stuttgarter Erklärung. Wir denken, beide Lösungen zu erreichen, ist fast unmöglich. Und in beiden Fällen gibt es keine Garantie dafür, daß sie in einer annehmbaren Weise umgesetzt werden. Die Konferenz hat uns aber davon überzeugt, daß eine Ein-Staaten-Lösung eher die Grundlage dafür bietet, gleiche Rechte und Chancen und gleichen Zugang zu den Resourcen des Landes zu ermöglichen, und sie die Lösung ist, die das rassistische Denken überwindet. Es hängt wesentlich davon ab, wie sie realisiert wird. Uns ist es wichtig, eine Vision vor Augen zu haben - auch wenn sie heute vielleicht noch utopisch scheint - nach der Devise: Seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche. Übrigens haben alle palästinensischen Referenten die Stuttgarter Erklärung unterzeichnet. Zu den Unterzeichnern gehören auch:
Damit haben wir das Gefühl, uns für ein Ziel zu engagieren, das auch dem (großer Teile) der palästinensischen Bevölkerung entspricht. Vielleicht muß die Zuversicht, daß ein Staat entstehen kann, in dem bisher verfeindete Menschen gleichberechtigt zusammen leben können, erst noch wachsen. Wir haben diese Hoffnung. Wir haben die Hoffnung, daß diese Vision das Engagement der Menschen beflügelt. Für uns ist dieser Gedanke nicht tödlich, nein er gibt uns Kraft - gerade in einer Situation, in der der Propaganda-Etat für ein zionistisches, rassistisches Israel wieder einmal hochgefahren wird... Mit besten Grüßen Anneliese und Andreas 19.12.2010 17:51 - eMail von AS Hiermit unterstütze ich ausdrücklich die Position der Arbeiterfotografen Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann. AS 19.12.2010 19:23 - eMail von Verena und Attia Rajab Lieber Thomas Immanuel Steinberg, in die Debatte um die Stuttgarter Erklärung möchten wir uns gerne einschalten. Wir finden es schade, dass du das Eintreten für die Ein-Staat-Lösung als Spaltung und als Ablenkung von der notwendigen BDS-Bewegung betrachtest. Dies tun die PalästinenserInnen glücklicherweise nicht, wie du beispielsweise an den ReferentInnen der Stuttgarter Konferenz sehen kannst, die eine führende Rolle im zivilen palästinensischen Widerstand in der Westbank und im Gazastreifen spielen. Wir möchten auch auf Uri Davis verweisen, der zwar Mitglied des Fatah-Revolutionsrates ist, sich aber nie auf die Zwei-Staaten-Lösung festgelegt hat. Hätten wir nur die Zwei-Staaten-Lösung im Blick, würden wir den so wichtigen Widerstand der PalästinenserInnen innerhalb Israels, in Galiläa, dem Dreickecksgebiet und im Negev außen vor lassen. Das wäre fatal. Gerade die Analysen von Uri Davis zeigen, dass wir uns auf einen Systemwechsel im Apartheid-Staat Israel selbst konzentrieren müssen. Nicht umsonst spielt der Jewish National Fund im BDS-Movement der PalästinenserInnen und internationaler Gruppen eine ganz zentrale Rolle. Der Jewish National Fund ist Bestandteil des Apartheid-Staates und tritt in der Besatzungsmaschinerie in der Westbank eher am Rande und unter anderem Namen auf. Für eine gerechte Lösung ist ein Systemwechsel im Staat Israel (wie der in Apartheid-Südafrika) unerlässlich. Apartheid-Israel ist nicht friedensfähig, wie wir zur Genüge in den vergangenen Jahrzehnten erlebt haben. Daher greift die "nationale Lösung", nämlich die Zwei-Staaten-Lösung zu kurz. Nicht umsonst ist die Hoffnung über die Zwei-Staaten-Lösung zu Gerechtigkeit und Frieden zu gelangen, in der Vergangenheit ständig enttäuscht worden. Wir vom Palästinakomitee Stuttgart haben immer den Systemwechsel in Israel in den Vordergrund gestellt. Wenn wir den nicht erreichen, werden wir den Hyper-Rassismus in der Zwei-Staaten-Lösung (als Mini-Bantustan-Modell ohne Wasser und andere Existengrundlagen) und in der Ein-Staaten-Lösung gleichermaßen erleben. Wenn man die Symptome einer Kranhkeit ohne die Ursachen behandelt, wird der Patient nicht geheilt, wie Ilan Pappe zur Art und Weise hier in Deutschland mit Israel umzugehen, gesagt hat. Wer dies nachhören will, findet dies im ersten Panel der Konferenz. Ganz unabhängig von der Palästina-Frage können wir einen Apartheid-Staat wie das derzeitig Israel (mit Privilegien in der EU und mit deutschen Steuergeldern finanziert) sowieso nicht dulden. Wir hoffen, dass endlich auch unsere KritikerInnen damit aufhören, den Palästinensern von Deutschland aus die Zwei-Staaten-Lösung vorzuschreiben, wie sie es in den vergangenen Jahrzehnten getan haben. Sie tun es gerade wieder, indem sie die Stuttgarter Erklärung angreifen, in der PalästinserInnen ihre Vorstellungen eingebracht haben. Oder fürchten unsere KritikerInnen etwa, keine Zuschüsse mehr für ihre Arbeit zu bekommen, wenn sie von der Zwei-Staaten-Lösung abweichen. Dieses Modell wird von der deutschen Regierung/EU/USA stabilisiert, indem alle Finanzhilfen an die palästinensische Behörde davon abhängig gemacht werden. In der Hoffnung, dass du unsere Mail auch wirklich veröffentlichst grüßen wir dich herzlich Attia und Verena Palästinakomitee Stuttgart 19.12.2010 20:20 - eMail von Günter Schenk Lieber Thomas, ich bin sicher, dass Du Deine kurze Einschätzung so nicht veröffentlicht hättest, wenn Du entweder bei der Konferenz anwesend gewesen wärest, oder zumindest die Hauptvorträge, die ungekürzt als Video-Aufzeichnungen veröffentlicht sind, angehört hättest. Dies gilt auch und insbesonders für die sonst so ausgezeichnet informierte und argumentierende Viktoria Waltz (auch sie hat eine Konferenz kommentiert, von der sie allenfalls aus dem Munde anderer gehört hat. So kenne ich Viktoria sonst nicht). Ich bin recht erstaunt, wie man hier die Palästinenser Israels so gänzlich außer Betrachtung lässt. Ich hatte glücklicherweise die Gelegenheit, 2 Tage lang die Hauptrednerin aus dem 48er Gebiet Palästinas, nämlich aus Jerusalem, bei mir zu Gast zu haben. Was ich von Lubna erfuhr, bestätigte meine lang vorher entstandene (nicht ohne innere Auseinandersetzung!) Meinung, dass es falsch ist, die Geschichte, wie es auch Uri Avnery tut, 1967 beginnen zu lassen. Nein, sie beginnt 1948 (oder früher) und findet ihre Fortsetzung heute, jeden Tag. Diese Geschichte heißt - neben Besatzung - Vertreibung. Das mag man - mit gutem, oder weniger gutem Grund - in Ramallah nicht so sehen. Auch nicht unbedingt im nahen Bir-Zeit, was ein weiterer Beleg für den "Erfolg" Israels ist, zu spalten, was zusammen gehört. Siehst Du nicht die Erpressung "des Westens", wie gehabt, mit Geld? Ich hab 2 Tage vor der Abreise nach Gaza mit Fawaz Abu-Sitta (er lehrt dort Wirtschaftsrecht) ein langes Ferngespräch geführt, und ihm gegenüber meine Unzufriedenheit mit der nicht nur in Palästina sondern vornehmlich hier, bei uns, überwiegenden Vorstellung von getrennten Nationalstaatlichkeit Israels und Palästinas ausgedrückt, mit allen ihr innewohnenden neuen Gefahren. Seine Antwort, spontan: "Wenn doch mehr Menschen wie Sie, sich dafür stark machten... bei uns würde ihnen der Zulauf der Massen sicher sein". Wohlgemerkt ein Mann, der nach den Massaker aus dem sicheren Berlin ins "Hamasland" Gaza zurückzukehren auf dem Weg war. Das stärkste Gegenargument gegen Deinen heute veröffentlichten Kurzkommentar sehe ich im letzten Absatz von Verenas und Attias Schreiben: Läuten bei Dir nicht die Alarmglocken, wenn die EU-Staaten und die USA den Geldzufluss von Millionen Unterstützergelder nach Ramallah davon abhängig machen, dass von dort aus ausschließlich die Zweistaatenlösung angestrebt wird ? Das ist doch, und Du weißt es gut, allein im Interesse der Rassisten in Tel Aviv, New York und, warum nicht, in London, Paris und gewiss auch Berlin. Was sagte mir Lubna, auf dem Weg zum Straßburger Bahnhof: Die Deutschen sind immer noch die Gleichen... Vorher waren es die Juden, jetzt sind es wir, Palästinaneser, "Araber halt". Ich war erschocken und doch, sie hatte Wahrheit ausgesprochen, so wie ich sie längst sehe. Es gibt allzuviele Gründe, an beiden Zukunftsmodellen Kritik zu üben, sie beide für phantastisch zu halten. Wenn aber beide Modelle, das der zwei Staaten (was, wie Du weißt, ohnehin ein Phantom sind) und das des gemeinsamen Antiapartheid-Staates, phantastisch sind, so ist aus zahlreichen Gründen das Modell der Zukunft dem Modell der uneingelösten Vergangenheit vorzuziehen. Dass es dazu eines langen Atems bedarf, mit Beständig- und Zielstrebigkeit hat dieses Modell mit jedem andern visionären Modell gemeinsam. Wenn der politische Zionismus mehr als ein halbes Jahrhundert brauchte , um die Köpfe der Menschen zu vergiften. so wird es doch möglich sein, dem einzigen, seit der frz. Revolution existierenden Demokratiemodell allen Widerlichkeiten zum Trotz zum Durchbruch zu verhelfen. Ohne Gift in den Köpfen! Die großen Vorträge in Stuttgart zeigten ganz eindeutig den Weg. Man muss sie aber gehört haben, sonst reden die einen über Birnen, die andern über Äpfel. Mit herzlichen Grüßen Günter 19.12.2010 22:35 - eMail von Joachim Guilliard Lieber Thomas, ich bezweifele, dass man dies jetzt per Mail-Diskussion klären kann. Daher nur soviel: Meiner Meinung sollten wir uns nicht zu sehr damit beschäftigen, was realpolitisch möglich ist. Ich fand es schon immer am sinnvollsten, im Falle von Unterdrückung von Völkern, Besatzung etc., das zu vertreten, was richtig und gerecht ist und nicht das, was aufgrund der Machtverhältnisse möglich ist. Damit stärkt man doch den Rücken der Betroffenen am besten. Was die dann als realistisch anvisieren, ist ihre Sache. Wir können uns aber doch nicht dafür einsetzen, dass sie jetzt halt den zerfledderten, angegammelten Spatz nehmen sollen, so er evtl. noch in ihre Hände fällt, weil alle anderen Bestrebungen noch übler enden könnten. Die Argumente für die Ein-Staat-Lösung haben für mich einen ganz praktischen Nutzen, sie thematisieren wichtige Punkte, die sonst immer völlig unberücksichtigt bleiben: die Diskriminierung und anhaltende Vertreibung der Palästinenser in Israel, sowie das Los derer, die in Flüchtingslagern leben müssen. Unabhängig wie es in Palästina weitergeht, behalten die in der Ein-Staat-Lösung enthaltenen Forderungen nach völliger Gleichberechtigung und Rückkehr oder Entschädigung immer ihre volle Berechtigung. Wirklich schade, dass Du in Stuttgart nicht dabei warst. Am Ende meinte auch Norman Paech (zum Schluß seines Referats), dass er bis dato die Argumente von Avnery und Zuckermann überzeugend fand, nun aber festgestellt habe, dass die Argumente für die Ein-Staat-Lösung von Ilan Pappe, Ali Abunamah ... überzeugender sind. Beste Grüße, Joachim 19.12.2010 - Streit um den Jackpot - Anerkennung eines palästinensischen Staates – oder Verewigung der israelischen Besatzung und Annektion - eMail von Knut Mellenthin (Thomas dazu: "dessen Position ich teile") Lieber Thomas, mit Schrecken habe ich sowohl die Stuttgarter Erklärung als auch die Auseinandersetzung darum zur Kenntnis genommen. Um aber kein Missverständnis zuzulassen, schicke ich als persönliche Anmerkung voraus, dass der Kommunistische Bund ("Arbeiterkampf") sich schon nach dem Oktoberkrieg von 1973 in einer Art programmatischer Erklärung für einen einzigen multinationalen Staat im ehemaligen britischen Mandatsgebiet ausgesprochen hat. Verfasst war diese Stellungnahme von mir und einem weiteren leitenden Genossen. Einiges von unserer Position verdankten wir der Gruppe Matzpen, für die sich damals meiner Erinnerung nach auch Daniel Cohn-Bendit einsetzte, und einer noch kleineren Gruppe, die sich Ma'avak nannte, wenn ich nicht irre. Sie stand in näherem Zusammenhang mit der "Red Front", die im Wikipedia-Eintrag erwähnt wird. Das ist nunmehr erstaunliche 37 Jahre her. Rund 20 Jahre später habe ich die Idee des einen Staates noch einmal im "Arbeiterkampf" – der damals vielleicht schon "AK" oder "analyse & kritik" hieß – gegen meinen langjährigen Genossen Jürgen Reents verteidigt, der inzwischen Chefredakteur des ND geworden ist. Also, ich war früher nicht dagegen und bin auch heute nicht dagegen. Allerdings, das haben wir schon 1973 gesagt: Dieser Staat ist nicht gegen, sondern nur gemeinsam mit der jüdischen Bevölkerung Israels durchzusetzen. Alles andere wäre weder rechtmäßig noch realistisch. Und wer sich um das Recht schon nicht schert, sollte wenigstens vor der Realität ein bisschen Respekt haben. Der multinationale Staat ist also so wahnsinnig schwer zu verwirklichen wie einiges andere, für das wir mal angetreten sind. Dennoch wäre er die optimale Lösung. Wenn aber ausgerechnet in einer historischen Situation, wo die internationale Anerkennung eines palästinensischen Staates erstmals in Reichweite rückt und es einen positiven Trend gibt – man nehme nur die Stellungnahmen Brasiliens, Argentiniens und Boliviens –, gegen das "Zwei-Staaten-Modell" gestänkert wird und die Ein-Staat-Forderung nicht nur alternativ, sondern explizit aggressiv-polemisch dagegen gestellt wird, ist der Sachverhalt so sonnenklar, dass die alte Frage "Wem nützt das?" sich erübrigt. Objektiv betrachtet handelt es sich um ein Störmanöver, ohne dass ich auch nur einem einzigen Menschen, der jetzt für die Stuttgarter Erklärung eintritt, etwas Böses unterstellen will. Die Politik hat ihre Logik, und die ist nicht immer vom Willen der beteiligten Menschen abhängig. Wenn jemand beleidigt ist, weil ich der Meinung bin, er sei in dieser Frage auf dem Holzweg, tut es mir leid. Diesen Streit jetzt zu führen – das sage ich nicht an deine Adresse, denn dein Einspruch ist legitim und notwendig, sondern an die Gegenseite – erinnert mich an eine Familie, die sich hoffnungslos entzweit, weil man sich nicht einig werden kann, was man mit den Millionen macht, falls man demnächst den Jackpot knackt. Das ist in der gegebenen Situation eine Debatte, die zu gar nichts führt, schon gar nicht jedenfalls zu Gutem. Die PLO hat kurz nach dem Oktoberkrieg von 1973, es war vermutlich 1974, eine Resolution verabschiedet, in der es sinngemäß hieß: "Wir halten an unseren Forderungen fest. Aber wir werden auf jedem Stück Land, das wir dem Feind entreißen können, damit beginnen, unseren Staat zu errichten." Das sollte, scheint mir, nach wie vor die Grundlage sein. Ich fand es daher falsch, dass die PLO nach der Verabschiedung ihrer Unabhängigkeitserklärung (Algier, 15. November 1988) so wenig getan hat, um internationale Anerkennung für ihren Staat zu erreichen. Auf diese Weise wurden 22 Jahre verloren. Heute steht die Frage in der Realität nur so: Anerkennung eines palästinensischen Staates – wofür die Mehrheit der internationalen Staatengemeinschaft zu gewinnen sein sollte – oder Verewigung der israelischen Besatzung und Annektion, wofür vermutlich die USA, die EU und ein paar Südseeinseln eintreten werden. Herzliche Grüße, kt., 19. Dezember 2010 20.12.2010 22:17 - eMail von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann Lieber Thomas, lieber Knut, unseres Erachtens verdanken wir der Palästina-Konferenz mit der Stuttgarter Erklärung sehr wichtige Impulse. Und wir finden es auch wichtig, daß die Debatte darum öffentlich geführt wird. Was kann es besseres und erfolgreicheres geben als eine Veranstaltung, die derart zu einem öffentlichen Diskurs führt. Daraus können zwar auch die Gegner Kapital schlagen. Aber wichtiger ist es unseres Erachtens, daß die Argumente, wie sie sich in der Stuttgarter Erklärung niedergeschlagen haben, eine breite Öffentlichkeit erreichen. Wir wollen hier nicht noch einmal auf die unserer Meinung nach sehr überzeugenden Argumente für die Strategie, wie sie mit der Stuttgarter Erklärung deutlich wird, eingehen. Das haben Verena, Attia, Günter und Joachim sehr überzeugend getan. Wir möchten hier nur betonen, daß die Konferenz nicht nur die Befreiung der Palästinenser im Auge hat, sondern daß mit der Konferenz auch eine gedankliche Befreiung stattgefunden hat. Mit ihr ist ein Ausbruch aus der alleinigen Orientierung auf die Zwei-Staaten-Lösung gelungen. Wir finden es nicht gut, wenn das Einbringen von Ideen - wenn sie auch nicht alle gänzlich neu sind - als ein (bewußter) Akt der Spaltung und ein Störmanöver, das der anderen Seite nützt, hingestellt wird. Das geht unseres Erachtens zu weit. Wir sollten die Debatte so führen, daß sie uns gemeinsam weiterbringt. Es ist sicher richtig, daß zweierlei zusammentrifft: die Konferenz mit der Orientierung auf die Ein-Staaten-Lösung und die Welle von Anerkennungen von Palästina als separatem Staat in den Grenzen von 1967. Das Zusammentreffen ist aber von den Organistoren der Konferenz mit Gewißheit nicht geplant. Die Konferenz kann keine Reaktion auf die Anerkennungswelle sein, denn die kam erst danach. Eher ist es umgekehrt vorstellbar: daß die Anerkennungswelle eine Reaktion auf die erstarkende Ein-Staaten-Bewegung ist. Lieber Knut, Karin Leukefeld schreibt heute, am 20.12.2010, in jW - auf der Seite, auf der auch die Stuttgarter Erklärung dokumentiert ist:
Mit besten Grüßen Anneliese und Andreas 20.12.2010 - Einigkeit - Stellungnahme von Norman Paech Liebe Freundinnen und Freunde, seit kurzem erhalte ich mails, die mich auffordern, die Stuttgarter Erklärung zu unterschreiben, andere warnen mich davor. Da ich durch den wildwuchernden Mail-Verkehr nicht mehr durchschaue, möchte ich noch einmal meine Entscheidung kurz erklären, warum ich die Stuttgarter Erklärung angesichts dieser Diskussion nicht unterschreibe. Wie ich schon auf der Konferenz gesagt habe, halte ich die Ein- wie auch die Zweistaatenlösung derzeit gleichermaßen für unrealistisch. Israel wird das Besatzungsregime mit all seinen Verbrechen und Zerstörungen weiterführen, geduldet von den USA und den Staaten der EU. Unsere Haupt- und dringendste Aufgabe ist es daher, diese Besatzung, den Kern allen Übels, zu beseitigen. Dieses haben wir vor allem gegenüber unseren eigenen Regierungen durchzusetzen. Dazu haben wir uns auf die BDS-Kampagne zu konzentrieren, um den Druck auf die israelische Regierung zu erhöhen. Dies allein wird noch erhebliche Aufklärungsarbeit und Anstrengung in unserer Gesellschaft erfordern. Erst wenn die Besatzung aufgehoben ist, wird sich das Problem stellen, in welcher staatlichen Organisation Juden und Araber in Palästina miteinander leben wollen. Doch das ist allein ihr Problem, welches wir jetzt nicht mit dogmatischen Positionen zu bestimmen haben. Wenn derzeit in der israelischen wie palästinensischen Diskussion die Ein- bzw. Zwei-Staaten-Lösung erwogen wird, so haben wir ihr zunächst aufmerksam zu folgen, mit mehr Sympathie für die eine oder andere Lösung. Eine Dogmatisierung eine der beiden Positionen, wie sie in der jetzigen Diskussion erfolgt, vermag allenfalls die Solidarität mit den Palästinensern zu spalten und den primären Kampf gegen die Besatzung zu schwächen - trotz aller Freundschaftsbekundungen. Wer der Meinung ist, dass der Kampf gegen die Besatzung nur auf der Basis einer der beiden Staatslösungen richtig und wirksam zu führen ist, sollte sich ernsthaft fragen, ob er damit nicht schon die Ohnmacht der Bewegung durch ihre Spaltung hervorruft. Ich weiß nicht, warum eine Abschlusserklärung auf der Konferenz versäumt worden ist. Der Versuch, sie jetzt nachzuholen, hat sie vollkommen verselbständigt und ganz unabhängig von der Konferenz zum Forum eines allgemeinen Glaubenskrieges gemacht. Sie ist nutzlos, da sie nicht auf der Tagesordnung steht. Denn das offizielle Bekenntnis zu einer Zwei-Staaten-Lösung durch Israel, PLO, USA und EU wird durch ihre Praxis forcierter kriegerischer Besatzung ad absurdum geführt. Und das Gegenbekenntnis zu einer Ein-Staaten Lösung wird unter den Bedingungen fortdauernder Besatzung nur noch schärfere Apartheidsbedingungen herbeiführen. Ich habe nichts dagegen, wenn die gegenwärtige Version der sog. Stuttgarter Erklärung so in die Medien eingeht, wie sie dort schon zitiert wird. Aber verlangt bitte keine Eidesleistung in Form von Unterschriften. Sie bewegen nichts. Man wird an ihnen höchstens später einmal erkennen, wer nicht unterschrieben hat. Unsere Aufgabe ist die Bewegung gegen die völkerrechtswidrige und unmenschliche Besatzung und dafür brauchen wir Einigkeit. Mit solidarischen Grüßen Norman Paech 22.12.2010 16:39 - eMail von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann Lieber Norman, wir verstehen Dich nicht. Es ist zwar richtig, daß Du auf der Konferenz von der Unrealisierbarkeit der Ein- als auch der Zwei-Staaten-Lösung gesprochen hast. Du hast dies auf die Gegenwart bezogen, indem Du gesagt hast: "Alle beiden - ob Ein- oder Zwei-Staaten-Lösung - halte ich im Augenblick für gleich unrealistisch." Das sehen wir ähnlich. Und nachdem Du die unterschiedlichen Positionen von Uri Avnery und Moshe Zuckermann auf der einen und Ilan Pappe und Ali Abunimah auf der anderen Seite angesprochen hast, hast Du selber ganz klar mit folgenden Worten Stellung bezogen:
Nach Deinen Worten müsse zudem folgendes für uns im Vordergrund stehen: "Beseitigung der Besatzung, vollkommene Gleichstellung der Palästinenser und die Anerkennung des Rückkehrrechts derjenigen, die vertrieben sind." Auch das entspricht doch genau dem, was in der Stuttgarter Erklärung zu lesen ist. Die liest sich so, als seien Deine Äußerungen fast 1:1 übernommen. Dort werden die Ziele wie folgt formuliert:
Und dann hast Du noch gesagt - bezugnehmend auf den Umstand, daß Du nicht mehr der Bundestagsfraktion der Partei DIE LINKE angehörst: "Jetzt bin ich befreit von dem politischen Gefängnis." Das würden wir uns wirklich wünschen. Es geht um den Entwurf einer Vision - unabhängig von ihrer momentanen Realisierbarkeit. Das leistet die Stuttgarter Erklärung ganz vorzüglich. Du hast bewiesen, daß Du die gleiche Vision hast. Und wir sehen keinen Grund, warum wir uns nicht alle diesbezüglich einig sein sollten... Mit besten Grüßen Anneliese und Andreas 21.12.2010 19:43 - Ein- oder Zweistaatenlösung für Palästina? - Stellungnahme von Ludwig Watzal (between-the-lines-ludwig-watzal.blogspot.com) Vom 26. bis 28. November 2010 fand in Stuttgart eine Palästina-Solidaritätskonferenz unter dem Titel „Getrennte Vergangenheit - Gemeinsame Zukunft“ statt, in deren Folge eine so genannte Stuttgarter Erklärung veröffentlicht worden ist, die sich für eine Einstaatenlösung als“ Königsweg“ zur Lösung des Nahostkonflikts im Namen der Referenten/Innen und der Mehrzahl der Teilnehmer/Innen ausspricht. Der Duktus der Erklärung ist in Teilen aggressiv und polemisch. Es wird nicht eine sachliche Alternative angeboten, sondern die Befürworter einer Zweistaatenlösung werden dahingehend diskreditiert, dass sie angeblich „dogmatisch“ an einer solchen festhalten würden und die „Realitäten“ ignorierten. Des Weiteren würde eine Zweistaatenlösung die „Ungleichheit“ vertiefen und zementieren. Völlig unredlich ist die implizite Verbindung zwischen Einstaatenlösung und der BDS-Kampagne (Boykott, Deinvestition und Sanktionen). Eine an weltweiter Unterstützung gewinnende Bewegung, die auf das Ende der Besetzung des palästinensischen Heimatlandes durch Israel abzielt, wird mit einem unpolitischen, weil unrealistischen Ziel der Einstaatenlösung verbunden. Die Debatte um eine Einstaatenlösung ist fast so alt wie der Konflikt selber. Nicht erst die Unterzeichner der „Stuttgarter Erklärung“ haben dies entdeckt, sondern bereits Martin Buber, Gerschom Scholem u. v. a. m.; sie haben sich in den dreißiger und vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts für diese fortschrittlichste aller Lösungen eingesetzt. Matzpen in Israel, die Kommunistische Partei Israels, ja selbst der Kommunistische Bund in der Bundesrepublik Deutschland haben sich für einen multinationalen Staat in Palästina ausgesprochen. Die Geschichte ist leider darüber hinweggegangen. Konnten sich die jüdischen Vertreter einer Einstaatenlösung schon nicht gegen die Vorstellung der damaligen Vertreter des Zionismus auf der internationalen Bühne durchsetzen, umso weniger werden die heutigen Vertreter dieser Idee gehört werden. Die Gründung eines jüdischen Staates war spätestens seit der Verkündung der „Balfour-Erklärung“ dezidiertes Ziel nicht nur des britischen Empires, sondern spätestens seit der Präsidentschaft Woodrow Wilsons auch das Ziel der US-amerikanischen Außenpolitik, von den zionistischen Vertretern gar nicht zu reden. Wer die Debatte in den Vereinten Nationen kennt, sollte wissen, dass die zionistischen Vertreter damals nur ein einziges Ziel verfolgten, und zwar die Gründung eines jüdischen Staates auf der Grundlage des „public law“. Der Holocaust spielte bei dieser Debatte keine Rolle. Die einzige Macht, die dieses Argument für die Staatsgründung in die Debatte eingeführt hatte, war der damalige Vertreter der Sowjetunion im UN-Sicherheitsrat, Andrei Gromyko. Seine Argumentation für das Recht des jüdischen Volkes auf einen eigenen Staat beruhte auf der Katastrophe des Holocausts, wie dies John Strawson von der „University of East London“ in seiner Untersuchung „Partitioning Palestine“ überzeugend dokumentiert hat. Da alle politischen Aktionen des palästinensischen Widerstandes und auch die Verhandlungen über eine Zweistaatenlösung fruchtlos geblieben sind, scheinen die Verfasser der „Stuttgarter Erklärung“ zu dem Schluss gekommen zu sein, es einmal mit Aktionen zur Erreichung einer Einstaatenlösung zu versuchen. Das politisch Fatale ist jedoch, dass sie diesen Vorschlag mit der gerade laufen BDS-Kampagne verbinden, die jedoch auf ein anderes Ziel gerichtet ist, und zwar durch internationalen Druck die Beendigung der Besetzung palästinensischen Landes zu erreichen. Damit wird der BDS-Aktion schwerer Schaden zugefügt, weil es die palästinensische und internationale Kampagne mit einer utopischen politischen Forderung überfrachtet; so etwas wirkt kontraproduktiv. Auf diese spalterischen Tendenzen hat zuerst die Dortmunder Raumplanerin Viktoria Waltz in einer Email hingewiesen, die für Furore innerhalb der Community gesorgt hat. Auch Thomas Immanuel Steinberg hat diesen negativen Aspekt betont. Die Forderung nach einer Einstaatenlösung hat in Israel vielleicht ein Dutzend Befürworter, die keinerlei politischen Einfluss haben. Die gesamte politische Elite des Landes ist dagegen. Auch unter der palästinensischen politischen Elite scheint es Frustrierte zu geben, die sich von dem so genannten Friedensprozess ein „Singapur“ erhofft haben. Sie wollen nun die Trümmer ihrer politischen Unfähigkeit den israelischen Besatzern vor die Füße werfen und sich wieder bequem in der US-amerikanisch-europäisch-finanzierten Besatzungsherrschaft einrichten. Eine Einstaatenlösung würde für sie die Akzeptanz von Bürgern zweiter Klasse auf ewig bedeuten. Selbst der israelische Friedensaktivist Uri Avnery, der von rechtsnationalistischen und rechtsextremen Kreisen als „linksextrem“ eingeschätzt wird, hält von diesem Konzept gar nichts. "Das ist leeres Geschwätz einiger weniger Professoren, die schlicht die Nase voll haben von Israel und es auflösen wollen." Auch für Noam Chomsky, Norman Finkelstein und Felicia Langer sprechen politische und völkerrechtliche Gründe gegen das Konzept einer Einstaatenlösung. Es ist merkwürdig, dass die „Schirmfrau“ dieser Stuttgarter Veranstaltung über diese Erklärung vorab nicht informiert worden ist. In Ihrer Rede auf dieser Konferenz erklärte sie, dass man behaupte, dass die Zweistaatenlösung nicht mehr in Frage komme, weil dies für die Palästinenser nur in einem Bantustan enden könne, was für sie unannehmbar sei. Sie erinnerte die Zuhörerschaft daran, dass die französische Kolonialmacht nach ihrer Niederlage in Algerien eine Million französischer Siedler aus dem Land transferiert habe. Die Einstaatenlösung habe zwar „wunderschöne Eigenschaften“, aber sie fürchte, dass sie „unrealistisch“ sei. In einem Interview mit mir erklärte Felicia Langer: „Das Schlussdokument - die so genannte Stuttgarter Erklärung - spaltet, anstatt sich auf die wichtigste Aufgabe, nämlich den Kampf gegen Besatzung und die gegenwärtige barbarische Politik Israels gegenüber den Palästinensern zu konzentrieren. Das palästinensische Volk muss alleine über die Lösung entscheiden, und man soll seinen Kampf unterstützen. Eine beleidigende Terminologie über das ´dogmatische Festhalten der so genannten internationalen Gemeinschaft an der Zweistaatenlösung` etc. ist fehl am Platz. Diese Erklärung zersplittert unsere Reihen, deren Einheit wir so dringend brauchen`; sie ist ein Eigentor, deshalb bin ich dagegen.“ Die internationale Solidaritätsbewegung sollte sich auf Folgendes konzentrieren: Primär muss es ihr um das Ende der israelischen Besatzungspolitik und die Gründung eines palästinensischen Staates in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht gehen. Das Recht auf Heimat und das Selbstbestimmungsrecht stehen jedem Volk nach Völkerrecht zu. Die Zweistaatenlösung wurde bereits durch die UN-Teilungsresolution vorbestimmt. Die Vertreter des palästinensischen Volkes haben sich dazu erst 1988 in Algier durchringen können, als PLO-Chef Yassir Arafat nicht nur den Staat Palästina proklamiert, sondern auch den Staat Israel in den Grenzen von 1967 anerkannt hat. Dass sich die PLO ursprünglich einmal für einen säkularen Staat in ganz Palästina eingesetzt hat, ist Geschichte. Die gesamte internationale Staatengemeinschaft vertritt die These von zwei Staaten im Gebiet des historischen Palästina. Sie sollte deshalb alles daransetzen, dass dieses Ziel schnellstens erreicht wird, da sonst kein Territorium mehr zur Verfügung steht, auf dem die Palästinenser ihren Staat errichten können. Es muss das Ziel sein, diesen Staat auf der Grundlage des Völkerrechts zu gründen, dies bedeutet, dass alle seit der Besetzung im Jahre 1967 einseitig vorgenommen politischen Maßnahmen der Besatzungsmacht rückgängig zu machen sind, da sie dem Völkerrecht widersprechen. Hauptzielländer der Solidaritätsbewegung müssen deshalb die USA und die wichtigsten Staaten der Europäische Union sein, da sie die treuesten Verbündeten Israels sind und dessen völkerrechts- und menschenrechtswidrige Politik vorbehaltlos unterstützen. Aber auch die anderen Mitgliedstaaten der UNO sind wichtig, wie die jüngsten diplomatischen Anerkennungen eines Staates Palästina durch Brasilien, Argentinien und Bolivien zeigen. Die UNO als Institution steht immer noch in der Pflicht, den zweiten Teil der Teilungsresolution politisch umzusetzen, und zwar die Gründung des Staates Palästina prioritär zu verfolgen. Die Solidaritätsbewegung muss darüber hinaus noch eine zweite Stoßrichtung haben, und zwar die Innenpolitik des Staates Israel. Israel definiert sich selber als „jüdisch und demokratisch“, was kluge und weitsichtige Israelis für ein Oxymoron, einen Widerspruch in sich, und für einen Irrweg halten. Israel ist in weiten Teilen eine sehr lebendige Demokratie, aber im klassischen Wortsinne nur für seine jüdischen Staatsbürger. Alle nicht-jüdischen Bürger des Landes sind Bürger zweiter Klasse. Es gibt zahlreiche Gesetze und Verordnungen, die diesen diskriminierenden Status festschreiben. Das Ziel der Solidaritätsbewegung muss sein, dies öffentlich zu machen, damit sich Israel von einer „Ethnokratie“ zu einer Demokratie im westlichen Sinne für alle seine Bewohner wandelt. Es gehört auch zur Pflicht der Unterstützer Israels, ihre doppelten Standards aufzugeben und die Führung des Landes zu überzeugen, sich zu einer Demokratie im klassisch-westlichen Verständnis zu wandeln. Ein solcher Staat aller seine Bürger neben einem souveränen Staat Palästina, der diesen Namen verdient, liegt im Interesse aller Beteiligten. Ein Haupthindernis auf dem Weg zu einer vollwertigen Demokratie scheint die Ideologie des Zionismus darzustellen. Sie sollte deshalb auch im Fokus der Solidaritätsbewegung stehen. Wie brisant eine Zionismus-kritische Haltung ist, die bis zur persönlichen Vernichtung reichen kann, zeigt das Beispiel von Ilan Pappé, der, um wieder frei lehren zu können, ins Exil nach Großbritannien gehen musste. Der Solidaritätsbewegung sollte bewusst bleiben, dass, was auch immer das palästinensische Volk nach dem Ende der Besetzung für sich in freier Selbstbestimmung entscheiden wird, zu akzeptieren ist. Primäres Ziel muss das Ende der Besetzung sein, alles andere wird sich dann ergeben. 24.12.2010 16:08 - eMail von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann Lieber Ludwig Watzal, wir möchten zu Ihrem Artikel nicht komplett Stellung nehmen. Es sind im Rahmen der Debatte bereits eine ganze Reihe von Aspekten reflektiert worden. Aber gestatten Sie uns einige Fragen: Warum wird einer Bewegung, für die in der Stuttgarter Erklärung explizit geworben wird, nämlich der BDS-Kampagne - Schaden zugefügt, wenn in diesem Zusammenhang eine Vision, ein Ziel formuliert wird, das über die Forderung nach Beendigung der Besatzung hinausgeht? Warum muß betont werden, daß die eine Lösung unrealistisch ist, wenn das auf die andere in fast gleicher Weise zutrifft - um damit eine in Deutschland gerade entstehende Diskussion im Keim zu ersticken? Und vor allem fragen wir: wo ist der allergische Punkt, der dazu führt, daß, nachdem lange Zeit fast ausschließlich - also doch schon fast alternativlos und damit dogmatisch - auf die Zwei-Staaten-Lösung orientiert worden ist, und jetzt gewagt wird, die Ein-Staaten-Lösung verstärkt ins Blickfeld zu rücken, ein regelrechter Aufschrei des Entsetzens ertönt? Und gestatten Sie uns, an einen Artikel des britischen Journalisten Jonathan Cook aus dem Jahr 2008 zu erinnern. Vielleicht ist er geeignet, die unterschiedlichen Positionen zusammenzuführen. Jonathan Cook schreibt in seinem Artikel mit dem Titel "Ein Staat oder zwei - weder noch - das Thema ist der Zionismus" (counterpunch.org):
In dem unvorstellbaren Fall, daß Israel das Land teilen sollte, wäre ein jüdischer Staat auf Dauer nicht in der Lage, mit den Folgen einer solchen Teilung zu leben. Die Aufrechterhaltung eines ethnischen israelischen Staates würde sich schlussendlich als untragbar erweisen: ökologisch, demographisch und letztlich physisch... Solange Israel ein ethnischer Staat ist, wird es gezwungen sein, die Besatzung weiter zu treiben und die Politik der ethnischen Säuberung zu intensivieren, um die Gefahr eines echten palästinensischen politischen Einflusses zu verhindern... In Wahrheit sind sowohl die Ein-Staaten- als auch eine echte Zwei-Staaten-Regelung unmöglich - angesichts von Israels Entschlossenheit, ein jüdischer Staat zu bleiben. Das Hindernis für eine Lösung besteht also nicht im Problem der Teilung des Landes sondern im Zionismus selber, der Ideologie ethnischer Überlegenheit [supremacism], die die derzeitige Rechtgläubigkeit in Israel ist. Solange Israel ein zionistischer Staat ist, werden seine Führer weder den einen Staat noch die zwei wirklichen Staaten erlauben. Die Lösung reduziert sich deshalb auf die Frage, wie der Zionismus zu besiegen ist. So fügt es sich, daß der beste Weg, auf dem dies erreicht werden kann, darin besteht, der Illusion der Zwei-Staaten-Träumer entgegenzutreten und zu erklären, warum Israel hinsichtlich der Suche nach Frieden ständig in dem irrigen Glauben ist. Mit anderen Worten: wir sollten damit aufhören, uns selbst mit dem heiligen Gral der Zwei-Staaten-Lösung zu verwirren, und unsere Energie auf etwas Nützlicheres richten: Israel als jüdischen Staat und die Ideologie, die dies hochhält, diskreditieren. Schlußendlich dürfte die ansehnliche Fassade des Zionismus in sich zusammenfallen. Ohne Zionismus wird das Hindernis bei der Schaffung entweder des einen oder der zwei Staaten endgültig beseitigt sein. Und wenn das der Fall ist: warum sollten wir uns dann nicht für diejenige Lösung einsetzen, die die weitestgehende Gerechtigkeit für Israelis als auch für die Palästinenser bringt?" Mit besten Grüßen und Wünschen für eine friedliche, gerechte Zukunft Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann 24.12.2010 - Zu einer typisch deutschen Diskussion um Palästina - Stellungnahme von Verena und Attia Rajab (Palästinakomitee Stuttgart) Die Stuttgarter Palästina Solidaritätskonferenz vom 26. bis 28. November 2010 hat in erfolgreicher Weise Wege für die zukünftige Solidaritätsarbeit beleuchtet. Unter dem Titel „Getrennte Vergangenheit – Gemeinsame Zukunft, Hindernisse und Perspektiven für eine gerechte Lösung“ referierten und diskutierten PalästinenserInnen, Israelis, Deutsche und AktivistInnen aus vielen anderen Ländern über die Frage Rassismus und Apartheid, Unterstützung des palästinensischen zivilen Widerstandes durch BDS und die Perspektive der Ein-Staat-Lösung. Die Konferenz wurde von der Mehrheit der TeilnehmerInnen als positiv empfunden, das Abschlussdokument, die Stuttgarter Erklärung, haben eine Woche nach ihrem Erscheinen 475 UnterstützerInnen aus der Bundesrepublik und vielen weiteren Ländern unterzeichnet und die Zahl wächst rasch. Trotzdem ist um die Stuttgarter Erklärung eine Debatte entstanden, die kontraproduktiv für die Bewegung werden kann. Zwar melden sich nur wenige KritikerInnen zu Wort, doch sie führen die Diskussion umso schärfer und mit diffamierenden Argumenten. Gegen keine der inzwischen recht zahlreichen Ein Staaten-Konferenzen, die in den letzten sieben Jahren in Lausanne, London, Madrid, Haifa und Texas stattgefunden haben, hat es eine so erbitterte Reaktion gegeben. Die Reaktion von Außenstehenden auf die Stuttgarter Konferenz nimmt eine traurige deutsche Ausnahmestellung ein. An der Diskussion um die abschließende Stuttgarter Erklärung zeigt sich auch, wie schwer es ist, in Deutschland den Aspekt des Apartheid-Staats Israel und die Konsequenzen aus seiner möglichen Überwindung ins Zentrum zu stellen. Für die ReferentInnen, die OrganisatorInnen und die Mehrheit der KonferenzteilnehmerInnen stellt die Apartheid-Gesellschaft des zionistischen Israels den Kern des Problems dar. Daher darf nicht nur die Besatzung von einer internationalen Bürgerrechtsbewegung bekämpft werden, vielmehr müssen die Säulen der Apartheid, die rassistischen Strukturen des Staats Israels im Zentrum von Boykott, Divestment and Sanctions (BDS) stehen. So ist es auch im Aufruf der palästinensischen Zivilgesellshaft zu BDS gegen Israel festgehalten. Aus dem palästinensischen BDS-Aufruf geht eindeutig hervor, dass die Maßnahmen so lange fortgeführt werden, bis auch die PalästinenserInnen in Israel gleiche Rechte haben und das Rückkehrrecht der Palästinensischen Flüchtlinge an die Orte, von denen sie vertrieben worden sind und nicht nach Jericho und Gaza (wie viele der KritikerInnen meinen) eingelöst ist (Punkt 2 und 3 in der Erklärung der palästinensischen Zivilgesellschaft vom 9. Juli 2005). Dies soll geschehen, selbst wenn sich die israelischen Besatzungstruppen vorher aus der Westbank zurückgezogen haben und die Gaza-Blockade beendet worden ist. Ludwig Watzal beschränkt die BDS-Bewegung dagegen auf die Besatzung und beweist damit ein mangelhaftes Verständnis der internationalen Kampagne. Würden wir ihm und anderen KritikerInnen folgen, entstände eine deutsche Sondersituation und eine Spaltung der internationalen Bewegung. „Spaltung und Sektierertum“ nennen die KritikerInnen Viktoria Waltz, Ludwig Watzal, Thomas Immanuel Steinberg und Knut Mellenthin die Forderung einer Ein-Staat-Lösung in der Stuttgarter Konferenz und der Erklärung. Damit unterscheiden sie sich von den Bürgerrechtsbewegungen in Palästina und Israel. Diese Bewegungen sind offen und relativieren die Menschenrechte nicht. Deutliches Beispiel dafür sind die ReferentInnen der Stuttgarter Konferenz, die alle eine führende Rolle im zivilen palästinensischen Widerstand in der Westbank und im Gazastreifen spielen. Der Referent Mazin Qumsiyeh ist am 22. Dezember beim Protest gegen die Apartheid-Mauer und die Besatzung verhaftet worden. Ein weiteres Beispiel ist Uri Davis, der zwar Mitglied des Fatah-Revolutionsrates ist, sich aber nie auf die Zwei-Staaten-Lösung hat festlegen lassen und wie viele andere Aktivisten aus Palästina/Israel selbstverständlich zu den UnterzeichnerInnen der Stuttgarter Erklärung gehört. Wer dagegen den KritikerInnen folgt, zensiert die AktivistInnen in Palästina/Israel und hält an der Spaltung der Bevölkerung in Religionsgruppen fest. Und schlimmer noch, er schließt den zivilen Widerstand innerhalb der Grünen Linie, im Negev, in Galiläa und an vielen anderen Orten von der Unterstützung durch die deutsche Menschenrechtsbewegung aus. Dies ist bei den KritikerInnen der Stuttgarter Erklärung leider schon seit vielen Jahren Praxis. Sonderbarerweise verschanzen sich die KritikerInnen hinter dem Argument, man könne den PalästinenserInnen nicht von Deutschland aus das Ein- oder Zwei-Staaten-Modell vorschreiben. Dies tun sie jedoch seit Jahrzehnten selbst, indem sie die Ein-Staaten-Lösung gar nicht in Betracht ziehen und die Zwei-Staaten-Lösung als die einzig richtige darstellen. So soll es ihrer Meinung nach offensichtlich weitergehen, obwohl sich die Zwei-Staaten-Lösung seit langer Zeit in der Sackgasse befindet. Da hilft es auch nicht, das tote Pferd mit einer Vorspiegelung falscher Tatsachen zu beleben. Es ist eben nicht so, dass die „internationale Anerkennung eines palästinensischen Staates erstmals in Reichweite rückt“, wie Knut Mellenthin behauptet. Der Aufruf von Abbas, den palästinensischen Staat anzuerkennen, ist ein verzweifelter Versuch, aus der blockierten Situation zu entrinnen, indem er den Ausruf des palästinensischen Staates in Algier im Jahr 1988 wiederholt. Die Reaktion auf Abbas (5 lateinamerikanische Staaten sprachen die Anerkennung aus) beschreibt die traurige Wirklichkeit. Nach Algier im Jahr 1988 waren es noch 167 Staaten, die den Staat Palästina anerkannt haben. Aber selbst, wenn sich Israel nach Algier aus dem Gebiet in den Grenzen von 1967 zurückgezogen hätte, wäre das Problem nicht gelöst gewesen. Was wäre mit dem Rückkehrrecht der Flüchtlinge und was mit den diskriminierten PalästinenserInnen innerhalb Israels passiert? Wären mit dem Apartheid-Staat so zentrale Fragen wie die gerechte Aufteilung der Wasservorräte zu lösen gewesen? Wohl kaum: Israel bezieht etwa die Hälfte seines Wassers aus der Westbank. Das Problem sind nicht Staatsgrenzen, sondern das Selbstbestimmungsrecht aller PalästinenserInnen und die Anerkennung ihrer Menschenrechte (Freiheit und Gleichheit). Für eine gerechte Lösung ist ein Systemwechsel im Staat Israel selbst (wie der in Apartheid-Südafrika) die Voraussetzung, dies zeigen die Analysen von Uri Davis und anderen. Wie in Apartheid-Südafrika wird die Einstellung der israelisch-jüdischen Bevölkerung überraschend schnell kippen, sobald das Apartheid-System selbst in Frage gestellt wird. Bleiben die Apartheid-Strukturen im Staat Israel erhalten, werden wir weiterhin jüdisch-israelische BürgerInnen erleben, die zu 55 % keine Wohnungen an nicht-jüdische BürgerInnen vermieten wollen (siehe F.A.Z. vom 8. 12.2010) und die Parteien wählen, die den so genannten Transfer aller nicht-jüdischen BürgerInnen in den palästinensischen Kanton-Staat der KritikerInnen der Stuttgarter Erklärung planen. Diese Absicht haben die PolitikerInnen von Kadima bis Beitunha gleichermaßen. Die KritikerInnen müssen sich fragen, ob sie sich selbst vorstellen können, auf Dauer neben solch rassistischen Nachbarn zu wohnen. Den PalästinenserInnen muten sie das offensichtlich zu. Vielleicht liegt es an diesen offensichtlichen Verhältnissen, dass die Ein-Staat-Lösung doch ein paar BefürworterInnen mehr hat als das „Dutzend“, das der Kritiker Ludwig Watzal in Israel ausfindig macht. Allein zur Konferenz in Haifa im Juni 2010 kamen 250 TeilnehmerInnen. Zahlreiche weitere internationale Ein-Staat-Konferenzen mit jeweils Hunderten von TeilnehmerInnen gingen ihr voraus. An den UnterzeichnerInnen der Stuttgarter Erklärung, kann man erkennen, wie viele palästinensische Gewerkschaften, Vereine und Initiativen hinter der Stuttgarter Erklärung und ihrer Forderung nach einem gemeinsamen demokratischen und säkularen Staat stehen. Die Polemik und Aggressivität, die Ludwig Watzal den VerfasserInnen der Stuttgarter Erklärung vorwirft, findet sich wohl eher in seinem Beitrag, in dem sich so viele gezielt falsche Behauptungen finden. Dazu gehört auch, dass Watzal in seinem Artikel die Worte der Schirmfrau Felicia Langer auf der Stuttgarter Konferenz verdreht wiedergibt. Felicia Langer bezeichnete die Ein-Staatenlösung“ zwar tatsächlich als „wunderschön“, aber „unrealistisch“, doch sie fügte auch hinzu „die Hoffnung bleibt“. Sie hat sie also nicht völlig dagegen ausgesprochen, wie Watzal seinen LeserInnen das glauben machen will (siehe die entsprechende Videos auf public solidarity und you tube). Die VerfasserInnen der Stuttgarter Erklärung sind die letzten, die die Solidaritätsbewegung in Deutschland spalten wollen. Die Analyse, die auf der Konferenz vertreten wurde, spiegelt die Auffassung des Stuttgarter Palästinakomitees seit seiner Gründung im Jahr 1982 wider und trotzdem haben die Mitglieder über Jahrzehnte mit allen anderen Initiativen erfolgreich zusammengearbeitet. Dass eine wirkungsvolle Konferenz mit dem Thema Ein-Staat-Lösung in Deutschland mit harten Angriffen beantwortet würde, haben die OrganisatorInnen erwartet. Das gehört zu den Hindernissen, mit denen sie in der Bundesrepublik und den hiesigen verkrusteten Positionen zur Palästinafrage rechnen mussten. Traurig stimmt auch, dass sich die KritikerInnen den Weg zu einem Frieden nur über die Unterstützung durch Regierungen und die UNO vorstellen können, egal wie wenig sich dieser Weg bewährt hat. Wie in Deutschland üblich, fehlt das Vertrauen in die Kraft einer sozialen und Bürgerrechtsbewegung. In der Hoffnung auf mehr produktive Offenheit in der Diskussion und klarere Orientierung an den Betroffenen im Konflikt wird derzeit in Stuttgart ein Workshop im Frühjahr zum Thema Boycott, Divestment und Sanctions vorbereitet. Attia und Verena Rajab Palästinakomitee Stuttgart 25.12.2010 17:42 - Hermann Dierkes zur Stellungnahme von Verena und Attia Rajab vom 24.12.2010 Sehr schön, diese Debatte ist absolut notwendig, weil sie als politische Option unter den Palästinensern immer mehr AnhängerInnen findet. Ausserdem sollte allen klar sein, dass für die Solidaritätsbewegung der gemeinsame Kampf um das Selbstbestimmungsrecht, das Ende der Besatzung, die Durchsetzung von Völkerrecht und die Respektierung der Menschenrechte für die Palästinenser und damit der Kampf gegen die deutsche, EU- und US-Komplizenschaft auch weiter weiterhin im Vordergrund stehen muß. Es ist "unsere" Regierung, die aus machtpolitischen/militärstrategischen und wirtschaftlichen Gründen im Nahen Osten auf unerträgliche Weise Partei ist. Sie ist unser Hauptgegner! Die Perspektive des gemeinsamen säkularen Staats hat auch den Vorteil, dass sie entscheidende programmatische Fragen aufwirft, denen sich jede und jeder stellen muß (gleiche zivile und soziale Rechte, Freiheit, Antirassismus usw.). Die alte Orientierung auf Zweistaatigkeit (auch von palästinensischer Seite vorwiegend immer als Übergangsform verstanden) ist auch aus meiner Sicht unter den inzwischen geschaffenen Fakten eindeutig obsolet bzw. erscheint immer mehr als eine Falle für die Palästinenser. Laßt uns darum streiten, polemisisieren, aber sie nicht als Scheidelinie einsetzen gegenüber allen, die das anders sehen, aber sich vorbehaltlos für das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser einsetzen. Hermann Dierkes 24.12.2010 12:29 - Eine Bestätigung für politische Irrationalität - Reaktion von Ludwig Watzal auf die Stellungnahme von Verena und Attia Rajab vom 24.12.2010 (between-the-lines-ludwig-watzal.blogspot.com) Normalerweise reagiere ich nicht auf diese Art von persönlich-aggressiven und emotionalen Anmerkungen, die in der Regel mehr über die eingeschränkte Vermittlungsfähigkeit der Verfasser/in aussagen, als ihnen lieb sein kann. Ich nehme kein einziges Wort meiner sachlichen Bewertung dieses Dokumentes zurück, weise aber die zahlreichen falschen Behauptungen und Unterstellungen in ihrem Beitrag zurück. So findet sich in meinem Beitrag nicht das mir unterstellte Begriffspaar „Spaltung und Sektierertum“. In meinem Beitrag befinden sich auch keine „gezielt falschen Behauptungen“. Diese verzerrte Wahrnehmung macht man an dem von mir nicht zitierten Halbsatz von Frau Langer fest, die in Bezug auf die „Einstaatenlösung“ auch gesagt hat, „die Hoffnung bleibt“. Diese Floskel hat keinerlei politische Bedeutung, wenn man ihre Rede in Gänze liest. Eines ihrer Bücher trägt auch den Titel: „Um Hoffnung kämpfen“. In der Tat darf man dem Palästinensischen Volk die Hoffnung auf einen eigenen demokratischen Staat in Freiheit von fremder Besetzung nicht nehmen. Dass der Staat Israel einer dieser Nachbarstaaten ist, sollte den Verfassern der „Stuttgarter Erklärung“ aber auch klar sein. An dieser Art von „Debatte“ werde ich mich nicht länger beteiligen. 25.12.2010 21:04 - Solidarität ist die schönste Blume der Menschheit - eMail von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann Lieber Ludwig Watzal, wir haben Ihre Erwiderung auf die Stellungnahme von Verena und Attia Rajab gelesen. Darin nimmt die Position von Felicia Langer eine zentrale Rolle ein. Sie schreiben in Ihrer Replik mit dem Titel "Eine Bestätigung für politische Irrationalität":
Und dann sagt sie darauf bezugnehmend:
Mit besten Grüßen und Wünschen für eine friedliche, gerechte Zukunft Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann 26.12.2010 10:19 - eMail von Sophia Deeg Ihr Lieben, noch ein Gedanke dazu: Das gesamte historische Palästina ist von Israel selber zu EINEM Terrain gemacht worden, über das es herrscht. Israel selber hat den EINEN Staat geschaffen, einen Staat, in dem die dort Lebenden und die von dort Vertriebenen alle möglichen Abstufungen von unterschiedlichen Bürgerrechten und Menschenrechten genießen oder eben nicht genießen. Unsere Forderung lautet sehr simpel, bezogen auf diesen Apartheidsstaat: Schluss mit der Apartheid - gleiches Recht für alle, die dort zu Hause sind. Das ist, wie mir scheint, mit der "Ein-Staten-Lösung" gemeint. Liebe Grüße, Sophia 27.12.2010 17:33 - eMail von Norman Paech Liebe Anneliese und Andreas, die Weihnachtstage sind vorbei und da entdecke ich Eure Mail. Ihr habt sie urbi et orbi versandt, so bleibt mir auch nichts anderes übrig, als meinen kurzen Versuch, den scheinbaren Widerspruch aufzuklären, in die Welt zu schicken. Ihr werdet bemerkt haben, dass ich mich gar nicht gegen die letztendlich formulierte Erklärung, sondern gegen die Aufforderung gewandt habe, sie nun noch nachträglich durch Unterschriften zu ratifizieren und zu dogmatisieren. Die danach entfachten kontroversen mails haben mich nur in meiner Ablehnung bestärkt. Noch einmal: es ist vollkommen gleichgültig, welche Position die Bewegung und ich zur Staatenbildung haben. Das einzig Wichtige für die hiesige Bewegung, so sie sich den Solidaritätsbewegung nennen will, ist, mit aller Kraft an der Beseitigung der Besatzung mitzuarbeiten. Ich hätte es für günstiger erachtet, wenn die Stuttgarter Erklärung sich etwas entspannter zu den beiden Staaten-Alternativen geäußert hätte. Ich hoffe, sie richtet weiter keinen Schaden an, als die Kontroversen bisher. Nützen wird sie auch nicht - denn sie reflektiert nur das, was es bisher auch gab: zwei unterschiedliche Position zur Staatenfrage. Wirklich weiter weisend ist sie nur in ihrer Position zu BDS. Obwohl ich nichts von meinen Äußerungen auf der Konferenz zurücknehmen muss, polemisiere ich jetzt auch nicht gegen die Initiativen der lateinamerikanischen Staaten, Palästina in den Grenzen von 1967 anzuerkennen. Wahrscheinlich setzen diese Entscheidungen Israel viel mehr unter Druck als die Stuttgarter Erklärung. Und soll ich mich etwa in die Schmollecke zurückziehen, wenn der rätselhafte Lauf der Geschichte wirklich die Zwei-Staaten-Lösung einst auf die Tagesordnung setzt? Der eine mag sie als endgültige, die andere als Übergangslösung betrachten - wenn nur die Besatzung beseitigt wird, die Gleichberechtigung aller Menschen gesichert und die Rückkehr der Flüchtlinge geordnet wird. Und so wünsche ich Euch ein friedliches Jahresende, das uns alle auf die gleiche Spur im neuen Jahr 2011 schieben möge. Mit solidarischen Grüßen Norman Paech 27.12.2010 21:51 - Falsche Nichteinmischung - Warum der demokratische Staat in Palästina als konsequenter Antikolonialismus auch unsere Sache ist - Stellungnahme von Willi Langthaler (antiimperialista.org) Liebe Freundinnen und Freunde! Ohne auf die Frage des Unterschreibens der Stuttgarter Erklärung weiter einzugehen (was ich selbst sehr wichtig finde), sind jedoch ein paar Argumente in der Perspektivendebatte gefallen, die ich kommentieren möchte. Die Stuttgarter Konferenz für einen gemeinsamen demokratischen Staat hat heftige Diskussionen ausgelöst. Gut so, denn genau dafür werden solche Ereignisse ausgerichtet. Stellen wir uns den Zweiflern, die da sagen: 1) der demokratische Staat sei unrealistisch 2) die Forderung spalte die Solidarität 3) er sei nicht unsere Sache 4) er spiele der zionistischen Rechten in die Hände Unrealistisch? Mit diesem Argument kann man zunächst jede fortschrittliche Politik unter den Bedingungen der Herrschaft der kapitalistischen Oligarchie töten. Das gilt insbesondere für die gegenwärtige Periode, in der die Eliten zur Herrschaftssicherung Zugeständnisse der Vergangenheit zurücknehmen. Daraus kann man dann den Schluss der totalen Ohnmacht ziehen und beliebig Versuche der tiefgreifenden Veränderung als unrealistisch diskreditieren. Dann ertönt der Ruf zur systemkonformen Realpolitik. Doch gerade die zwei Staaten nebeneinander haben sich als unrealistisch selbst im Sinne von Realpolitik erwiesen. Erlauben wir uns einen kurzen Blick auf die Vorgeschichte: Der palästinensische Staat an der Seite Israel wurde vor einem Vierteljahrhundert lanciert, weil der Sieg über den Zionismus als nunmehr unmöglich erschienen war. Man dachte, man könnte mit dem Zionismus Kompromisse schließen. Warum sollte es in aller Welt funktionieren und nur in Nahost nicht? Im Abtausch mit dünn kaschierten Bantustans war man bereit den kolonialen Eroberungen der Vergangenheit den Sanktus zu erteilen. (Überall auf der Welt war es von entscheidender politisch-ideologischer Bedeutung, dass die aus den Befreiungsbewegungen hervorgegangenen neuen politischen Eliten mehr oder weniger ungünstigen Vereinbarungen mit den alten Herrschern zustimmten.) Natürlich gegen gutes Geld für die Fatah-Eliten, so wie überall sonst auf der Welt auch. Doch die Jahre und Jahrzehnte vergingen, ohne dass Israel auch nur ein Zugeständnis machte. Im Gegenteil, je mehr man Israel bot desto mehr verlangte es. Ewig konnte man das palästinensische Volk aber nicht verarschen. Daher brach die zweite Intifada aus und brachte Clintons Fiebertraum der konfliktfreien ultrakapitalistischen Neuen Weltordnung zum Zerplatzen. Der darauf folgende Wahlsieg der Hamas war nur weiterer Ausdruck des erneuerten Widerstandswillens des palästinensischen Volkes. Mit dem Wiedererstarken des Widerstands der Palästinenser verlor die Inszenierung des Friedensprozesses für Israel an Bedeutung, denn er hatte sich als Methode der Ruhighaltung, sei es der Palästinenser, sei es der globalen öffentlichen Meinung, verbraucht. Der Zionismus setzt seine Kolonisierung auch ungeschminkt fort, mit umso größerer Verve. Entgegen den anfänglich vollmundigen Versprechungen Obamas schauen die USA und Europa zu. Als Israel das ohnehin verlogene Moratorium für den Siedlungsbau aufhob meine die US-Diplomatie unschuldig, dass man sie daran nicht hindern könne. Die Anerkennung des nicht existenten Palästinenserstaates durch ein paar lateinamerikanische Linksregierungen ist eine nette Geste der Solidarität von weit weg. Wenn sie etwas zeigt, dann den Wunsch dieser Regierungen sich von den USA abzusetzen. Gut so. Sie als Schritt in Richtung Palästinenserstaat zu interpretieren ist jedoch besten Fall Selbstbetrug, wenn nicht politischer Betrug wider besseren Wissens. Es gibt keinen vernünftigen Grund anzunehmen, dass zukünftig ein palästinensischer Staat an der Seite Israels möglich wäre. Selbst in der Situation äußerster Schwäche der Palästinenser, die Bantustans hingenommen hätten, hatte Israel nicht gewollt. Für stabile Herrschaft ist es an sich der günstigste Fall, wenn sich die Unterdrückten als frei deklarieren oder sogar selbst so verstehen, ohne dass sich ihr realer Status verändern würde. Doch Israel missachtet diese Logik. Denn es will kein noch so kleines formales Hindernis zur angestrebten totalen Herrschaft über Palästina aufrichten. Umso weniger würde Israel einen palästinensischen Staat akzeptieren, wenn mehr reale Macht dahinter stehen würde, denn das schränkte Israels ungeteilte Souveränität über Palästina ein. Dann müssen die Palästinenser eben diesen Separatstaat erkämpfen!? Doch wen lockt das Ziel eines übermächtigen Apartheidstaates mit arabischen Bantustans noch hinter dem Ofen hervor, wo er zudem sich auch unter den größten Zugeständnissen nicht als möglich erwiesen hat? Ist es da nicht gleich vernünftiger ein unmittelbar ebenso wenig mögliches Ziel zu verfolgen, nämlich das Ende des Kolonialismus überhaupt? Bei den Europäern und Deutschen, die sich zwar auf der Seite der Palästinenser wähnen aber das Ende eines jüdischen Kolonialstaates für unrealistisch erklären, ist in Wirklichkeit nach wie vor die vermeintliche Vergangenheitsbewältigung Vater des politischen Gedankens. Noch immer spukt der Holocaust in den Köpfen herum, der so in den Kolonialkonflikt eingebracht wird, dass der Kolonialismus unantastbar bleibt (sprich: Existenzrecht Israels). Doch was kümmert die Palästinenser der Holocaust? Sie sehen mit recht nicht ein, dass sie für ihn büßen sollen und nicht Europa oder eigentlich – und das fügen wir hinzu – die kapitalistisch-imperialistischen Eliten, die die Hauptverantwortung tragen. Das einzige Ziel, dass es wert ist verfolgt zu werden und die dafür notwendigen Opfer zu erbringen, ist das Ende des Kolonialismus überhaupt. Es ist nichts mehr als die Demokratie, die von der globalen Oligarchie für sich in Anspruch genommen, aber nicht gewehrt wird. Ehemaligen Kolonisten und ehemals Kolonisierten sollen schlicht gleiche Rechte zukommen. Das mag gegenwärtig nicht möglich sein, aber für weniger als dieses elementare Menschenrecht zu kämpfen bietet weder Hoffnung noch Würde. Zudem, wir glauben nicht an die ewige Herrschaft des US-Empires. Bereits nach zehn Jahren permanenten Präventivkriegs erscheint Washingtons Alleinherrschaftsanspruch ramponiert. Die Tendenz zu einer multipolaren Ordnung ist allseits spürbar. Hinzu kommt die Wirtschaftskrise und der Aufstieg der Peripherie repräsentiert durch China, was die geopolitischen Verhältnisse durcheinander wirbelt. Und am aller wichtigsten: in vielen Teile der Welt hat sich der Widerstand von unten (einschließlich des bewaffneten) fest etabliert. Israel zieht seine Überlegenheit allein aus der westlichen Unterstützung. Jede Schwächung des imperialen Westens bedeutet auch eine Schwächung Israels. Allein schon die Tendenz zum Multipolarismus wird dem palästinensischen Widerstand neuen Spielraum bieten. Der Weg ist weit, aber eine Welt ohne Imperialismus ist möglich. Einzig diese von der französischen Revolution angestoßene Bewegung für Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit kann die Geister beflügeln, nichts weniger. Nicht aber eine halbwarme Apartheid von des Westens Gnaden. Denkt man in historischen Dimensionen von Jahrzehnten oder gar Generationen, dann ist der demokratische Staat eine durchaus mobilisierende und realistische Perspektive, ein paar palästinensische Bantustans hingegen eine lächerliche Schimäre. Spaltung? Niemand, der politisch bei Trost ist, hat den demokratischen Staat zur Vorbedingung für die Palästina-Solidarität gemacht, schon gar nicht die Stuttgarter Erklärung. Noch wurde die Boykott-Bewegung auf die Unterstützer des demokratischen Staates beschränkt. Gegen den schleichenden Genozid in Gaza, den kolonialen Landraub, die tagtäglichen Verbrechen der Besatzung usw. ist jede Meinungsäußerung, jede Aktivität willkommen, und sei sie noch so partiell. Doch diese elementare Mobilisierung soll uns nicht daran hindern den größeren Kontext in den Blick zu nehmen, die historischen Perspektiven zu diskutieren. Das ist insbesondere dann wichtig, wenn ein Paradigma, das ein Vierteljahrhundert den Leitstern abgab, verbraucht ist. Zwei Staaten nebeneinander sind offensichtlich überholt, ein Klotz am Bein, der den Lauf der Dinge bremst. Das auszusprechen ist einerseits wichtig, um die Augen über den Zionismus zu öffnen, den es in einer fortschrittlichen Variante nicht geben kann. Kolonialismus bleibt Kolonialismus und ist immer Feind der Emanzipation. Punktum. Andererseits gibt eine historische Perspektive dem Kampf im Kleinen erst seinen Sinn. Boykott Israels, Gaza-Schiffe, usw. sind schön und gut, aber nur um einen ewigen Konflikt auszutragen? Der demokratische Staat bietet dies und spornt an. Viele werden sich an das wegweisende Buch von Helga Baumgarten Anfang der 90er Jahre mit dem Titel „Befreiung in den Staat“ erinnern (das wir nie teilten und damit für zwei Jahrzehnte in die Isolation rutschten). Heute beflügelt dieselbe Baumgarten die Aussicht auf einen demokratischen Staat. Was an der Offensive für einen demokratischen Staat spalten sollte bleibt schleierhaft. Im Gegenteil, diejenigen, die der Position für einen demokratischen Staat kein politisches Bürgerrecht einräumen wollen, sind die Spalter. Einmal ganz abgesehen davon, dass man seine stärkste Waffe aus der Hand geben würde. Nicht unsere Sache? Diejenigen, die die zwei Staaten nicht mehr verteidigen wollen aber dennoch nicht für einen gemeinsamen demokratischen Staat eintreten, verweisen im Rückzug darauf, dass diese Entscheidung einzig den Menschen vor Ort obliege. Was ist das anderes als die Anwendung des Prinzips der Selbstbestimmung? Kann man da noch etwas einwenden? Dabei gerät aber eine klitzekleine Kleinigkeit aus dem Blickfeld. Bei den „Menschen vor Ort“ handelt es sich nicht um eine homogene Gruppe oder zu einem politischen Subjekt konstituiertes (nationales) Kollektiv, sondern um Kolonisten auf der einen und Kolonisierte auf der anderen Seite. Ruft man sich das ins Gedächtnis, dann kann Selbstbestimmung nicht in gleicher Weise für Unterdrücker und Unterdrückte gelten. Israel ist der letzte bedeutende europäische Kolonialstaat, allerdings hochgerüstet mit einem moralisch unschlagbaren Alibi, dem Holocaust. Der Völkermord an den Juden wird zur Legitimation für die Vernichtung der arabischen Palästinenser als Nation umfunktioniert. Gleichsam als Sühne für vergangene Verbrechen meint man in Deutschland und Österreich besonders auf die Palästinenser eindreschen und Israel unverbrüchliche Solidarität angedeihen lassen zu müssen. Wir glauben, dass es unsere Pflicht ist – gerade als Lehre aus der Katastrophe der Vergangenheit – gegen jeden Kolonialismus aufzutreten, der als solcher die Unterdrückten und Kolonisierten zu Untermenschen machen muss. Wehret den Anfängen heißt in der Gegenwart gegen einen jüdischen Separatstaat aufzutreten, denn dieser kann die Araber nur zu Menschen zweiter Klasse machen, kann nur Apartheid, Separation bedeuten, insbesondere wenn es dazu noch einen komplementären palästinensischen Separatstaat gibt. Zwei Staaten sind also keineswegs eine harmlose, moderate Alternative, sondern Legitimation für vergangene und zukünftige „ethnische Säuberungen“ (so der Neusprech, richtiger: rassistisch motivierte nationale Säuberungen). (Daran sieht man übrigens auch die ideologische Verbohrtheit und auch Hybris des Zionismus, der mit international anerkannten Bantustans weit besser fahren würde.) Antikolonialismus kann also nur das Ziel eines gemeinsamen demokratischen Staates formulieren, alles andere bedeutet Fortsetzung des Zionismus, das heißt des Kolonialismus. Was die Juden in Nahost anbelangt, so spitzt es der Zionismus gerne darauf zu: Existenzrecht Israels versus Antisemitismus. Historisch gesehen ist aber das genaue Gegenteil wahr: Die jüdische Existenz in Nahost wird am besten durch den demokratischen Staat gesichert, während der zionistische Kolonialismus nur mit Gewalt durchgesetzt werden kann, damit entsprechend der zionistischen Formel Zionismus gleich Judentum einen sekundären Antisemitismus anheizt. Es ist als letztlich der Zionismus selbst, der das jüdische Existenzrecht ständig verpfändet. Fazit: Gerade wenn wir im Zentrum des Weltsystems den Antikolonialismus als unsere Hauptaufgabe verstehen, ist ein antikolonialer Staat die Minimalforderung. Es darf kein Rest des Kolonialismus bleiben, es muss also Demokratie für alle zugänglich gemacht werden, dafür müssen wir innerhalb der Kolonialnationen kämpfen. Wie dieser Staat zu gestalten sein wird, bleibt dann Sache der Befreiungsbewegung. Zwei separierte Staaten sind hingegen eine neokoloniale Lösung. Und weil der Westen Ursprung und Motor des kolonialen Konflikts ist, ist es auch sehr wohl unsere Sache, ob es zu einer anti- oder neokolonialen Lösung kommt. Gerade wegen unserer Geschichte ist der demokratische Staat unsere Sache! Spiel der Rechten? Der bekennende Linkszionist Uri Avneri hatte die Forderung nach einem demokratischen Staat zu diskreditieren versucht, indem er darauf hinwies, dass einige zionistische Rechte damit operierten. Doch wer kann sich ernsthaft darüber wundern, wenn der Zionismus Argumente zu bringen versucht, die über Rasse und Religion hinausgehen mit denen nur mehr in Isreal buchstäblich Staat zu machen ist? Die Israelfreude trommeln seit Jahr und Tag, dass es sich bei Israel um die einzige Demokratie des Nahen Osten handeln würde. Klar, für Juden ist es eine (westliche) Demokratie, so wie auch die griechische eine war, wenn man kein Sklave oder nicht weiblich war. Die exklusive Herrendemokratie muss danach trachten seine Ausgeschlossenen möglichst aus dem Blickfeld zu rücken oder sie zu dehumanisieren. Wir kennen das aus dem Westen. Den Feinden der Demokratie darf selbst keine Demokratie zukommen. Die Sklaven haben das Maul zu halten, sonst sind sie Terroristen. Ist doch einfach und klar. Siehe Gaza. Dass die Demokratie Netanjahus (Bushs, Sarkozys und Merkels) nicht die unsere ist, bedarf keiner weiteren Erläuterung. solidarische Grüße Willi Langthaler 28.12.2010 00:57 - eMail von Shraga Elam Die Diskussion um EINEN oder ZWEI Staaten ist völlig falsch, denn im Grunde geht es lediglich um die Frage, was für EINEN Staat es auf dem Gesamtgebiet Palästinas geben wird. Der EINE Staat ist nicht lediglich ein Traum sondern eine Realität schon heute. Es ist aber ein Albtraum und ein Apartheidstaat. Es gibt einige Varianten des EINEN Staates. Und der Mini-Palästina-Staat auf den 1967-Gebieten ist nicht nur nicht realistisch, sondern ist eigentlich gar nicht als ein richtiger selbständiger Staat vorgesehen (siehe z.B. die Genfer Initiative). Israel wird weiterhin alle Gebiete militärisch, politisch und ökonomisch kontrollieren. Das realistischste Szenario ist eine Fortsetzung der bestehenden Situation, d.h. eine eskalierende schleichende Vertreibung der PalästinenserInnen mit wiederkehrenden Gewaltausbrüchen bis zur Vollendung des Projekts. Wenn beispielsweise morgen oder übermorgen eine palästinensische bewaffnete Aktion die Tötung von mehreren Israelis verursachen würde, würde es bestimmt eine sehr blutige Rache geben. Ein „optimistischeres“ Szenario ist, dass es mehr oder weniger beim Status-Quo bleibt. Dies ist aber praktisch undenkbar. Die einzige positive Perspektive ist ein demokratischer Staat auf dem Gesamtgebiet. Diese Perspektive ist objektiv möglich. Subjektiv passiert ganz wenig, weil die BefürworterInnen bis jetzt keine effektive Handlungsweise gefunden haben, nicht zuletzt weil bei den palästinensischen Machteliten die Illusion der ZWEI Staaten vorherrscht. Sowohl die korrupte Führung der palästinensischen Autonomiebehörde wie auch die Hamas-Führung wollen ihre Machtposition in der jetzigen Form nicht aufgeben. Es ist offensichtlich, dass wenn sich sowohl das Hamas- wie auch das Fatah-Regime auflösen würden und der Druck auf Israel grösser wird, allen PalästinenserInnen unter seiner Herrschaft Stimmrecht zu geben, es eine ganz neue Situation geben würde, vor der auch Zionisten wie Avnery Angst haben. Es wäre nämlich durchaus denkbar, dass dann die PalästinenserInnen - ohne einen einzigen Schuss - die Mehrheit der Stimmen im Lande haben bzw. eine ganz gewichtige politische Macht bilden. Es würde den Zionisten sehr schwer fallen, die Demokratisierung des Landes zu verhindern. Es gibt schon heute eine Unterstützung für diese Vision - sogar bei einigen Likkud-MKs und anderen aus ihrem Lager. Ich sage nicht, dass es ein einfacher Weg ist. Aber gangbar ist er schon. Und im Moment blockieren die palästinensischen Regime in Ramallah und Gaza sowie die BefürworterInnen der Zwei-Staaten-„Lösung“ die effektiven Schritte in dieser Richtung. 30.12.2010 - Zukunftsgemälde, mal hell, mal düster - Ausführungen von Thomas Immanuel Steinberg (steinbergrecherche.com) Statt unsere Hausaufgaben zu machen, führen wir eine trügerische Debatte um die Zahl der Staaten im ehemaligen britischen Mandatsgebiet Palästina. In Israel herrscht Pogromstimmung. Regierung und jüdische Mehrheit stacheln zur Rassentrennung auf. Widerständler beziehen Prügel von der jüdisch-israelischen Polizei, werden bei der Einreise vom Geheimdienst mit Gefängnis bedroht, Verweigerer eingekerkert. Palästinensisch-israelische Bürger sollen einen Treueeid auf den jüdischen Staat und seinen jüdisch-israelischen Polizei- und Militärapparat schwören, einen Eid, den sie nicht ableisten können oder sofort brechen werden. Israel, so Moshe Zuckermann, faschisiert sich. Unterdessen fordern in Deutschland Hunderte mit der Stuttgarter Erklärung einen gemeinsamen Staat für Israelis und Palästinenser, darunter viele meiner Leser. Manche wollen, daß auch ich die Erklärung unterzeichne. Zwei Staaten, düster und hell Zu Recht malen die Unterstützer der Erklärung die Zukunft der Palästinenser nach Gründung eines eigenen Staates neben Israel in dunklen Farben. Die Kolonisatoren auf palästinensischem Gebiet, ihre Regierung, die Mehrheit der jüdischen Israelis, die christlichen Zionisten, die Rüstungslobby in den USA unter Führung von AIPAC, der Tycoon Rupert Murdoch und Springer wollen buchstäblich Krieg führen, um zu verhindern, daß Palästina lebt. Das sind wahrhaft finstere Aussichten. Mit gleichem Recht jedoch sagt Norman Finkelstein: Die Sache ist ganz einfach. Israel erfüllt die internationalen Forderungen nach Ende der Besatzung und Räumung der jüdischen Kolonien. Es gewährt den Palästinensern das Rückkehrrecht, und Ost-Jerusalem wird Hauptstadt Palästinas. Der Rest sind Kleinigkeiten. Hell leuchtet die Zukunft. Doch diese Zukunft wollen die jüdischen Israelis nicht, und nicht ihre Parteigänger. Ein Staat, hell und düster Zu Recht halten die Unterzeichner die Schaffung eines binationalen Staates Israel/Palästina für einfach: Jeder hat eine Stimme, alle haben gleiche Rechte und Pflichten, staatliche Diskriminierung ist verboten, gesellschaftliche Diskriminierung wird unterbunden, kommunale und regionale Unterschiede dagegen dürfen sein. Kurz: Wie in der Schweiz zwischen Welschen und Deutschschweizern, wird es Sticheleien geben, aber nur wenige ernsthafte Verletzungen. Doch die jüdischen Israelis wollen auch diese Zukunft nicht, jedenfalls die Mehrheit nicht; die jüdisch-israelische Regierung nicht; und nicht ihre mächtigen Parteigänger. Man kann sich daher vom binationalen Staat Palästina/Israel (und gar vom Weg dorthin) ein ebenso düsteres Bild malen wie von zwei Staaten: siehe Katholiken und Protestanten in Nordirland, Tamilen und Singalesen in Sri Lanka... Von einem sozialistischen binationalen Staat kann man sich ein helleres Bild malen, als jetzt Südafrika abgibt, oder von gar keinem Staat ein leuchtendes Bild – oder ein rabenschwarzes, je nach Glaubensrichtung. Israel faschisiert sich Das Problem freilich bleibt immer das gleiche: Israel ist rassistisch, es faschisiert sich in allen Fasern. Jüdische Bewohner, Regierung und Parteigänger in aller Welt wollen besetzt halten, kolonisieren, expandieren, unterdrücken, jetzt und weiterhin, ob in zwei Staaten, in einem oder gar keinem Staat. Somit stellt der eine binationale Staat ebenso wenig eine Lösung des zugrunde liegenden Problems dar wie zwei Staaten, er liefert ebenso wenig eine Perspektive wie zwei Staaten oder gar keiner. Mut zum Boykott Unser aller Hausaufgabe heißt daher Boykott. Warum nimmt die BDS-Kampagne in Kanada und USA, in Frankreich und anderswo Fahrt auf, während wir debattieren? Unter anderm weil wir proklamieren, debattieren und signieren. Stattdessen müssen wir endlich den Mut fassen und mit Schildern vor den Laden um die Ecke ziehen, der Produkte aus dem jüdischen Kolonien auf palästinensischem Boden oder aus dem Massakerstaat Israel verkauft. In Hamburg könnte endlich, endlich bald ein erster Schritt getan werden. Es sei denn, wir debattieren lieber weiter. Eingangs hatte ich gefragt: "Trägt das Eintreten für einen statt zwei Staaten im ehemaligen britischen Mandatsgebiet Palästina dazu bei, den Willen sowohl der israelischen Regierung als auch der großen Mehrheit der jüdischen Bevölkerung zu Besatzung und Expansion zu brechen? Zeigt, wie! Ich vermag es nicht zu erkennen." Ich vermag es bis heute nicht. 31.12.2010 12:28 - "Ich habe nur einen Wunsch für Israel - daß es ein Staat seiner Bürger wird." - eMail von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann Liebe Mitstreiter, am 8.10.2010 veröffentlichte 'Le Monde diplomatique' einen Artikel von Alain Gresh (www.monde-diplomatique.de). Darin wird die EIN-Staaten-Lösung aus einer ganz unerwarteten Perspektive betrachtet. Darauf möchten wir hinweisen. Der Artikel beginnt mit folgender Passage:
Der Erste, Reuven Rivlin, mag es nicht, wenn man von einer demografischen Bedrohung durch die arabische Bevölkerung spricht. Diese Denkweise beschwöre "letztlich die Umsiedlung oder gar Vernichtung der Araber herauf. Das ist doch entsetzlich. Wenn ich bei meinen Unterrichtsbesuchen mitbekomme, dass in simulierten Wahlen Lieberman [Außenminister und Chef der rechtsextremen Partei Israel Beitenu] 40 Prozent der Stimmen erhält, und ich Kinder sagen höre, man müsste die Araber umbringen. [...] Aber das kommt von der herablassenden Haltung der Sozialisten [der Arbeitspartei], die sagen: ,Wir [die Juden] hier, und sie [die Araber] dort.' Das habe ich nie verstanden. Als Jabotinsky (Anführer der zionistischen Rechten, 1880-1940), 'Zion gehört uns' sagte, meinte er damit einen jüdischen Premierminister und einen arabischen Vize." (Ha'aretz, 15.7.2010) Der zweite, Mosche Arens, war zwischen 1983 und 2003 mehrmals Verteidigungs- und Außenminister. Der politische Pate von Ministerpräsident Netanjahu, der als Falke gilt, schrieb im Juni in der Tageszeitung Ha'aretz: "Was wäre, wenn sich die israelische Souveränität auf Judäa und Samaria erstrecken und man der palästinensischen Bevölkerung die israelische Staatsangehörigkeit anbieten würde? Diejenigen, die, ob in Israel oder im Ausland lebend, die ,Besetzung' als unerträglichen Missstand ansehen, müssten doch sehr erleichtert über diese Änderung sein, die eine Last von Israel nähme." ('Is there another option?', Ha'aretz, 2.6.2010) ... Die dritte Person, die jetzt den israelischen Konsens infrage gestellt hat, ist Zipi Hotovely, die jüngste Abgeordnete im Parlament, ein aufsteigender Stern des Likud, dem sie auf persönliche Einladung Netanjahus hin beigetreten ist. Den Rückzug aus dem Gazastreifen vor fünf Jahren hält sie für einen Fehler: Er habe gezeigt, dass alle Abzugspläne zum Scheitern verurteilt seien. Sie ist für den Erhalt der Siedlungen: "Die Juden haben in Hebron gelebt, in Bet El. Das sind biblische Orte. In Hebron begann König David mit der Errichtung seines Reichs. Ich finde nicht, dass wir sie aufgeben können. Was würde Zionismus dann noch bedeuten? Zionismus meint Rückkehr nach Zion, nach Jerusalem, an die biblischen Stätten. Wir müssen bei den Friedensverhandlungen darauf achten, dass die Siedler nicht entwurzelt werden." (TheJewishPress.com, 10.7.2009) Die einzige Lösung sei es deshalb, das israelische Gesetz auf das gesamte Westjordanland auszudehnen und den Palästinensern Staatsbürgerschaft und Wahlrecht zu gewähren - kurz, einen gemeinsamen Staat zu schaffen. Und der kann für sie, wie für Rivlin und Arens, nur ein "jüdischer Staat" sein. Im Verlauf der Ausführungen von Alain Gresh kommt auch Robert Malley zu Wort, der im Juli 2000 als Berater von Präsident Clinton an den Camp-David-Verhandlungen teilnahm:
Wie dem auch sei, entspricht es sicher humanistischem Denken, Angst, Hass und Vorurteile abzubauen - und die Zuversicht zu wecken, daß ein Gemeinwesen entstehen kann, das die Interessen aller Gruppen in gleicher Weise berücksichtigt - selbstverständlich in dem Bewußtsein, daß es auf die konkrete (vertragliche) Ausgestaltung dieser Vision ankommt. Um mit Gilad Atzmon zu sprechen: "Ich habe nur einen Wunsch für Israel - daß es ein Staat seiner Bürger wird." Und dann stellt sich die Frage: Warum wenden sich viele Menschen - auch in der Linken und der Friedensbewegung - erschrocken von dieser Vision ab, anstatt sich auf den Gedanken einer gemeinsamen Zukunft einzulassen und mögliche Wege dahin in Betracht zu ziehen bzw. die intellektuelle Leistung zu vollbringen, Vorschläge für eine Umsetzung gemeinsam zu erarbeiten? Mit besten Grüßen und Wünschen für eine friedliche, gerechte Zukunft Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann 31.12.2010 12:28 - eMail von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann Lieber Thomas, das Ganze ist uns ein Rätsel. Wir können es uns nicht erklären, was Dich - wie auch andere - dazu gebracht hat, gegen eine unserer Meinung nach sehr wichtige Debatte zu Felde zu ziehen, die Du selber ganz wesentlich mit angestossen hast. Wo ist der entscheidende Punkt, der Dich jetzt so handeln läßt? Und dann wundert es uns, daß Du den Argumenten nur sehr einseitig Raum gibst. Kannst Du uns das erklären? Mit besten Grüßen und Wünschen für das kommende Jahr Anneliese und Andreas 01.01.2011 11:48 - eMail von Thomas Immanuel Steinberg Liebe Zwei, ich habe den Anstoß zu der Überlegung zu geben versucht, daß die Debatte um 1 oder 2 Staaten davon wegführen könnte, was zu tun ist. Ich will gerade keine Debatte um Zukunftsgemälde, die sich jeder nach Gusto fertigen kann, ohne die Tagesaufgabe anpacken zu müssen: Boykott. Wo ist der Boykott in Stuttgart, Hamburg, Berlin oder Köln? Stattdessen verlangt die Stuttgarter Resolution ein Bekenntnis zu einem möglichen Ausgang des Kampfes, der sich als ebenso schauderhaft herausstellen kann wie jeder andere: eben weil die jüdisch-israelische Seite auf Eroberung und Krieg beharrt. Deren Beharren ist das Problem. Schwer zu verstehen? Das verstehe ich nicht. Herzlich, Thomas 2.1.2011 14:59 - Präzisierung unserer Frage - eMail von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann Lieber Thomas, wenn Du unsere Frage nicht verstehst, müssen wir sie präzisieren. Du hast bei uns am 15.12.2010 13:06 in Sachen Ein- bzw. Zwei-Staaten-Lösung angefragt. Darauf haben wir (kurz) geantwortet. Du hast dann angefragt, ob Du das veröffentlichen darst. Dem haben wir zugestimmt. Nach Deiner Veröffentlichung haben sich Verena und Attia Rajab in die Debatte eingeschaltet. Und dann ging es weiter. Deswegen haben wir geschrieben, daß Du es gewesen bist, der die Debatte ganz wesentlich angestossen hast. Und daraus ergibt sich die Frage, wer oder was in Dir das Umschwenken hervorgerufen hat, jetzt die Auffassung zu vertreten, daß die Debatte um eine Vision für Palästina/Israel und den Weg dahin schädlich sei. Und auf die zweite Frage, warum Du den Argumenten in dieser Debatte so einseitig Raum gibst, bist Du noch gar nicht eingegangen. Aber wir müssen unsererseits zugestehen, daß wir Deine Eingangsfrage, wie es mittels der Orientierung auf eine EIN-Staaten-Lösung möglich ist, "den Willen sowohl der israelischen Regierung als auch der großen Mehrheit der jüdischen Bevölkerung zu Besatzung und Expansion zu brechen", noch nicht ausreichend beantwortet haben. Das liegt aber auch daran, daß wir dafür kein Patentrezept zur Verfügung haben. Sonst würden wir es Dir sicher nicht vorenthalten. Wir sehen es aber sehr wohl als eine wichtige Aufgabe, daß wir gemeinsam eine Strategie zur Umsetzung des von Dir Angemahnten entwickeln. Und wir können Dir mitteilen, wie von jüdisch-othodoxer Seite ein Lösungsweg gesehen wird:
Vollständige Auflösung des "Staates Israel" Ein Vorschlag von NETUREI-KARTA INTERNATIONAL Die Wurzel des Problems: Die Palästinenser wollen das ihnen von "Israel" 1948 geraubte Land zurück, aber diese wollen es ihnen nie und nimmer zurückgeben. Schließlich haben sie es ja "rechtmäßig" von der UNO zugesprochen erhalten! Die Gründung eines "Staates Israel" auf Kosten der dort ansässigen Palästinenser war ein Fehlentscheid, ein historisches Unrecht, das von immer mehr Menschen nicht mehr akzeptiert wird. Dieser “Staat Israel” muss auf rasche und friedliche Weise aufgelöst werden. Die von dort ausgehende Gefahr kann nicht mehr verantwortet werden. Von Neturei Karta International wird dazu folgender Plan vorgeschlagen: 1. Der Staat “Israel” wird durch UNO-Beschluss aufgelöst. Der UNO-Beschluss von 1948, also die Teilung Palästinas und die Gründung des Staates Israel, wird als Irrtum und Unrecht anerkannt und rückgängig gemacht. 2. Das palästinensische Volk übernimmt die volle Souveränität über das gesamte Land, inklusive das Gebiet des heutigen “Staates Israel”. Die UNO übernimmt nach der Auflösung des ‘Staates Israel’ das Mandat über das Land und tritt in Verhandlungen mit einer provisorischen palästinensischen Regierung, über die Übergabe des Staatsgebietes an diese. Nach der Übernahme formiert sich diese zu einer definitiven Regierung, unter Ausrufung des neuen Palästinenser-Staates. 3. Einwohnerpolitik: Juden die bereits dort leben, sollen, sofern eine zukünftige palästinensische Regierung damit einverstanden ist, unter dem Status von Einwanderern unter palästinensischer Hoheit im Land wohnhaft bleiben dürfen, und von den palästinensischen Behörden auf Antrag als gleichberechtigte palästinensische Staatsbürger aufgenommen werden können. Die UNO und die Nationen bereiten Gesetze vor, welche die damit zusammenhängenden Fragen regeln sollen. Der Ablauf und die Ausführung des Ganzen soll so gerecht, human und schmerzlos als möglich gestaltet werden. Eine genügend lange Abwicklungsdauer der Aktion wird dafür vorzusehen sein. 4. Zusammenleben: Die Unterbreiter dieses Vorschlages hoffen, dass nach der Annahme und Durchführung dieses Plans die aufgestauten Rache- und Hassgefühle überwunden werden, und alle dort ansässigen Menschen wieder in bestem Einvernehmen und gegenseitiger Achtung werden zusammen leben können, wie in all den Jahren vor der zionistischen Katastrophe. Das mag utopisch erscheinen, ist aber die einzig wirklich reale und ernstzunehmende friedliche Lösungsmöglichkeit dieses ansonsten unlösbaren Problems... (http://www.derisraelit.org/p/die-losung-des-nahostproblems_01.html) Was wir aber hundertprozentig wissen: das Prinzip der Gleichheit entspricht wesentlich eher unserer Auffassung als das der Separation und der Trennung nach Rassen oder Religionen. Deswegen orientieren wir lieber auf ein Ziel, das unseren Grundauffassungen entspricht. Das gibt uns Kraft - und wir hoffen - vielen anderen Menschen auch. Eine Protestbewegung braucht Kraft - besonders die BDS-Kampagne. Die Forderung nach Ende der Besatzung ist gut - aber unseres Erachtens nicht ausreichend. Das Ende der Apartheid ist mindestens ebenso entscheidend. Das sehen sehr viele genauso - selbst die Kritiker der Stuttgarter Erklärung. Die Forderung nach Ende der Apartheid ist aber letzten Endes die nach Ende der Ungleichheit, also die nach gleichen Rechten in einem Gemeinweisen. Es muß doch erlaubt sein, uns das klar zu machen. Oder nicht? Mit besten Grüßen Anneliese und Andreas 30.12.2010 21:12 - Wider die Einstaatenlösung als Dogma - Stellungnahme von Ludwig Watzal (between-the-lines-ludwig-watzal.blogspot.com) Als ich am 24. Dezember 2010 die emotionsgeladene Stellungnahme von Attia und Verena Rajab gegen meinen Beitrag „Ein- oder Zweistaatenlösung für Palästina?" auf der Website „Palästina-Portal“ gelesen hatte, habe ich eine kurze Erwiderung verfasst, weil ich es unter meinem Niveau empfinde, mich mit einem solch indiskutablen Text auseinanderzusetzen. Dieser Text erschien dann tatsächlich noch einmal in der Online-Zeitung „Neue Rheinische Zeitung“ vom 29. Dezember 2010. Die Rajabs arbeiten nicht nur mit falschen Tatsachenbehauptungen, sondern auch mit hanebüchenen politischen Unterstellungen, durch die man versucht, mich zu diskreditieren oder einen Keil zwischen die seriösen Kritiker dieser als Dogma daherkommenden Ein-Staaten-Utopie zu treiben. Ich habe die Erklärung auch kritisiert, weil sie eine politisch-schädliche und unnütze Verbindung zwischen einer sinnvollen Kampagne (BDS) und einer utopischen politischen Forderung hergestellt hat, und zwar der „Einstaatenlösung“ als „Königsweg“ zur Lösung des Nahostkonflikts. Diese Utopie wird mittlerweile als das Non plus Ultra mit Zähnen und Klauen verteidigt, obwohl den in Stuttgart versammelten Aktivisten/Innen hätte klar sein müssen, das kein einziger Mitgliedstaat der UNO diese Utopie unterstützt, weil alle UN-Resolutionen auf die Schaffung eines souveränen Staates Palästina neben Israel abzielen. Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass es zwei „Stuttgarter Erklärungen“ gibt, die erste datiert vom 6. Dezember, die andere vom 10. Dezember; sie liegt jetzt zur Unterzeichnung im Cyberspace aus. In der Erklärung vom 6. Dezember, die nur einige Tage online stand, finden sich sehr interessante, fragwürdige Formulierungen, die mich stutzig gemacht haben, und die ein schales Licht auf die vermutlich wirklichen Motive der Veranstalter werfen. So heißt es in der Erklärung vom 6. Dezember: „Jeder muss ohne Zeitverzögerung alles unternehmen, was in seiner Macht steht. Wir dürfen nicht darauf warten, dass Israel von sich aus kollabiert.“ Politisch weißgewaschen erscheint diese Passage in der Erklärung vom 10. Dezember wie folgt: „Es ist höchste Zeit(,) Druck auf Israel auszuüben. Das zionistische System Israels wird nicht von sich aus die Rechte der PalästinenserInnen anerkennen.“ Und weiter steht in der Erklärung vom 6. Dezember: Und was soll getan werden, um Unrechtsstrukturen und die Isolierung der Unterdrückten zu durchbrechen: „Wir werden mit einer weiteren Freedom Flotilla und einer Flut von Aktionen zu Land und zu Wasser die Mauern und Blockaden um Gaza und die Westbank einreißen und überrennen.“ Realistischer dazu in der Erklärung vom 10. Dezember: „Die KonferenzteilnehmerInnen setzen sich dafür ein, dass weitere Freedom Flotillas und massive Aktionen zu Land und zu Wasser Blockade und Besatzung Gazas und der Westbank beenden.“ Folgender Schlussabsatz in der Erklärung vom 6. Dezember fehlt in der vom 10. Dezember: „Insbesondere wir Deutschen haben die Pflicht, Stellung zu beziehen. Deutschland hat eine Mitschuld an dem, was den Palästinensern/Innen angetan wurde als Folge deutscher Geschichte. Gerade die deutsche Vergangenheit fordert von uns ein besonders hohes Verantwortungsbewusstsein im Umgang mit den Menschenrechten und wenn es um Vertreibungen und ethnische Säuberung geht.“ Diese typisch deutsche Behauptung entbehrt jeglicher historischer Grundlage, weil es bei der Debatte in der UNO im Zusammenhang mit der Teilungsresolution nicht um die deutschen Verbrechen am europäischen Judentum gegangen ist. Selbst von zionistischer Seite wurden nicht die Verbrechen des Holocausts als „unterstützendes“ Argument für die Gründung eines jüdischen Staates in die Debatte eingeführt. Das Ziel der Zionisten war, einen jüdischen Staat auf der Grundlage des „public law“ zu gründen, d. h., Israel wäre auch ohne die Katastrophe des Holocaust gegründet worden. Die einzige Macht, die die Gründung eines Staates für das jüdische Volk aufgrund des Holocaust und des Versagens des Westens, einen solchen nicht verhindert zu haben, gefordert hat, war die Sowjetunion in der Person ihres UN-Vertreters Andrej Gromyko, des späteren sowjetischen Außenministers. Die weiteren impertinenten Unterstellungen mir und den anderen Kritiker/Innen gegenüber sind keines Kommentares, geschweige denn eines rationalen Gegenargumentes wert. Ich habe an keiner Stelle meines Beitrages das Begriffspaar „Spaltung und Sektierertum“ verwendet. Dies hatte ich aber bereits am 24. Dezember richtiggestellt. Es ist auch frappierend, wie leichtfertig die Autoren/in mit dem Begriff „Apartheid-Staat Israel“ um sich werfen. Auch da bedarf es der Differenzierung zwischen der ehemaligen Apartheid in Südafrika und einer „Israeli Apartheid“, wie das der britische Journalist Ben White in seinem gleichnamigen Buch getan hat. Die beiden Autoren/In versuchen einen Satz der Schirmfrau dieser Konferenz, Felicia Langer, gegen meine Kritik in Stellung zu bringen, weil ich ihren Satz angeblich verdreht und den letzten Halbsatz, „die Hoffnung bleibt“, nicht zitiert habe. Jetzt zu behaupten, sie habe sich nicht völlig gegen die Einstaatenlösung ausgesprochen, scheint nur ihrer Höflichkeit geschuldet gewesen zu sein. Wie peinlich wäre es gewesen, wenn sie öffentlich die Veranstalter und die anderen Redner desavouiert hätte? Wer dies von Felicia Langer erwartet hätte, kennt sie nicht wirklich. In meinem bereits zitierten Interview vom 24. Dezember hat sie eindeutig gegen die Stuttgarter-Erklärung Stellung genommen. In diesem Interview hat sie aber weiter gesagt: „Ich habe mich beleidigt gefühlt, weil man die Zweistaatenlösung als eine dogmatische bezeichnet hat.“ Liest man ihre ganze Rede, dann steht der Satz „Die Ein-Staat-Lösung, die hier vorgestellt wird, hat wunderschöne Eigenschaften, ich fürchte aber, dass sie unrealistisch ist; aber die Hoffnung bleibt“, völlig singulär dar und kann nicht als eine Unterstützung für diese Utopie in Anspruch genommen werden. Welchen Sinne ergibt dann der folgende Satz: „Ich habe doch noch in Erinnerung, dass eine Million französische Siedler Algerien verlassen haben.“ Wer Frau Langer versucht, für die Utopie einer Einstaatenlösung zu vereinnahmen, handelt nicht nur wider den Geist ihrer Rede, sondern auch zutiefst unredlich. Der Halbsatz, „die Hoffnung bleibt“, könne sowohl für die Ein- als auch Zweistaatenlösung herhalten. „In Tausenden von Vorträgen habe ich über eine Zweistaatenlösung gesprochen, weil eine andere Lösung jenseits meines Vorstellungsvermögens gelegen hat“, erklärte sie weiter in dem Interview. Die Einstaatenlösung sei nicht realistisch, und als “Israelin und Deutsche kann ich nicht für die Auslöschung Israels sein, gleichwohl ich das ethnozentrische System ablehne. Israel muss sich demokratisieren und entzionisieren und ein Staat aller seiner Bewohner werden. Daneben sollte es einen demokratischen Staat Palästina geben, der frei von israelischer Besatzung ist. Ob sich beide Staaten in Zukunft einmal vereinigen oder in einer noch größeren Konföderation aufgehen, kann nur die Zukunft zeigen.“ Die Autoren/In erwecken den Eindruck, als sei die Einstaatenlösung eine Idee, die von einer Massenbewegung getragen sei; dies ist jedoch nicht so. Mich erinnert dies an die 1980er Jahre als im Nachrüstungsstreit Teile der SPD meinten, ihre Parteitagsbeschlüsse hätten irgendetwas mit der Wirklichkeit zu tun oder könnten diese verändern. Dieser Hybris schrieb Hans Apel Folgendes ins Stammbuch: "Schließlich ist die SPD ja nicht die dritte Weltmacht." Und noch eine abschließende Bemerkung: Meine Behauptung, dass sich in Israel vielleicht ein Dutzend (=12 Personen) für eine Einstaatenlösung aussprechen, ist bisher noch untertroffen worden. Tatsache ist: von 834 Unterzeichner/Innen (Stand 30.12., 21.22 Uhr) sind gerade einmal sechs, die als Heimatland „Israel“ angegeben haben. Uri Davis hat Palästina, Jeff Halper hat Palästina/Israel und Ilan Pappé hat United Kingdom als Heimatstaat eingetragen. Zum Dutzend fehlen also noch sechs „waschechte“ Israelis, die sich zu ihrem Heimatland Israel bekennen. Die internationale Solidaritätsbewegung sollte sich nicht grundlos spalten und schwächen, sondern ihre Aktionen so abstimmen und einsetzen, dass sie den größten Nutzen für die Befreiung des palästinensischen Volkes von israelischer Besatzungsherrschaft bewirken. Darauf richtet sich auch primär die BDS-Kampagne. Die zweite Stoßrichtung muss auf die Wandlung Israels von einer „Ethnokratie“ hin zu einer Demokratie im westlichen Verständnis abzielen. Dass dabei der zionistischen Ideologie das Hauptaugenmerk zu gelten hat, bedarf für Kenner keiner Diskussion. Das größte Hindernis für die Lösung des Nahostkonflikts stellt die Ideologie des Zionismus dar. Ohne eine „Entzionisierung“ Israels, wie es Michel Warschawski genannt hat, wird das Land kein Staat aller seiner Bewohner werden können. Erst wenn dieses Ziel erreicht sein wird, kann auch der Nahostkonflikt gelöst werden. Für kluge und weitsichtige Israelis ist es klar, dass Israel keine Zukunft als „jüdischer und demokratischer“ Staat haben wird. Die zionistische israelische politische Elite muss sich zwischen „jüdisch“ oder „demokratisch“ entscheiden. Stimmen, die fordern, dass Fatah und Hamas die besetzten Gebiete wieder der alleinigen Verantwortung der israelischen Besatzer übergeben sollten, um dann zu hoffen, sie könnten aufgrund einer palästinensischen Mehrheit die Forderung „One man, one vote“ durchsetzen, geben sich politischen Illusionen über die Resistenz der zionistischen Ideologie hin. Um politische Veränderungen in Israel zu bewirken, bedarf es einer Mehrheit der israelischen Staatsbürger und massiven Drucks der internationalen Staatengemeinschaft. Bei der bereits auf Hochtouren laufenden Verleumdungskampagne der „Israellobby“ in Verbindung mit der israelischen Regierung gegen so genannte Israelkritiker ist die Konzentration aller pro-palästinensischen Kräfte angesagt und nicht der Streit über eine politische Utopie. Sollte sich die Solidaritätsbewegung darüber spalten, wäre dies politischer Selbstmord. 31.12.2010 - Wer verschanzt sich eigentlich hinter dogmatischen Barrieren? - Stellungnahme von Verena und Attia Rajab (Palästinakomitee Stuttgart) zu den erneuten Vorwürfen von Dr. Ludwig Watzal Leider müssen wir nochmals Stellung beziehen. Denn in einem Text zur Stuttgarter Erklärung von Dr. Ludwig Watzal vom 30. Dezember 2010 finden sich erneut falsche Darstellungen. Dieser Text befindet sich auf Dr. Watzals Homepage und auf dem Palästinaportal. Dr. Watzal schreibt, es gebe zwei Stuttgarter Erklärungen, eine vom 6. Dezember und eine vom 10. Dezember. Diese Feststellung ist ganz einfach falsch. Richtig ist: Es gab einen Entwurf der Stuttgarter Erklärung, der von verschiedenen bekannten Initiativen und Personen, die in der Palästinasolidarität aktiv sind und an der Konferenz teilgenommen haben, verfasst wurde. Dieser Entwurf war während der Diskussion eindeutig als solcher gekennzeichnet, nur im privaten Email-Verkehr der Konferenz-TeilnehmerInnen zugänglich und gilt seit der Veröffentlichung der eigentlichen Stuttgarter Erklärung nicht mehr. Nur die Fassung vom 10. Dezember wurde im Netz veröffentlicht. Wie Dr. Watzal den Entwurf erhalten hat, wissen wir nicht, denn er hat nicht an der Konferenz teilgenommen. Zur journalistischen Korrektheit gehört es jedoch, einen Entwurf als solchen zu benennen und nicht einfach eine zweite Stuttgarter Erklärung daraus zu konstruieren. Doch nun zu den „fragwürdige Formulierungen“, die Dr. Watzal „stutzig gemacht haben“ und die Dr. Watzal dazu bringen, den OrganisatorInnen der Konferenz, unehrliche Absichten zu unterstellen. Watzal schreibt nämlich, diese Formulierungen würden „ein schales Licht auf die vermutlich wirklichen Motive der Veranstalter werfen.“ Was ist eigentlich „fragwürdig“ an dem Satz im Entwurf: „Wir werden mit einer weiteren Freedom Flotilla und einer Flut von Aktionen zu Land und zu Wasser die Mauern und Blockaden um Gaza und die Westbank einreißen und überrennen.“ Gerade zivile Aktionen wie die Gaza-Flotille im Frühsommer dieses Jahres haben die Positionierung in UN, EU und im deutschen Bundestag gegenüber der für die Zivilbevölkerung tödlichen Gaza-Blockade ein gutes Stück nach vorne gebracht. Die sonst für Appelle so unempfindliche israelische Regierung sah sich sogar gezwungen, die Sperren leicht zu lockern. Ohne ein solches Engagement von Free Gaza und Viva Palästina wären die BewohnerInnen des Gazastreifens von den mächtigen in der internationalen Staatengemeinschaft wohl schon vergessen worden. Ähnliches gilt für die PalästinenserInnen hinter der Apartheidsmauer auf der Westbank. Die zivilen Initiativen müssen die Blockade Israels tatsächlich geradezu brechen, hat Dr. Watzal etwas dagegen, wenn die BürgerInnen den Menschenrechten dort zur Geltung verhelfen, wo internationale Institutionen und Regierungen versagen? Und was ist „fragwürdig“ an folgendem Abschnitt, der im Entwurf steht: „Insbesondere wir Deutschen haben die Pflicht, Stellung zu beziehen. Deutschland hat eine Mitschuld an dem, was den Palästinensern/Innen angetan wurde als Folge deutscher Geschichte. Gerade die deutsche Vergangenheit fordert von uns ein besonders hohes Verantwortungsbewusstsein im Umgang mit den Menschenrechten und wenn es um Vertreibungen und ethnische Säuberung geht.“ Es ist nicht richtig, wenn Dr. Watzal schreibt, dieser Abschnitt entbehre „jeglicher historischen Grundlage“. Wolfgang Gehrcke, Jutta von Freyberg und Harri Grünberg nehmen auf die Gromyko-Äußerung Bezug und zitieren Arno Lustiger, der über die Rolle der Sowjetunion beim Teilungsplan klar und deutlich schreibt: „Ohne die Intervention der Sowjetunion wäre der Staat Israel nicht gegründet worden, zumindestens 1948 nicht.“ Es folgen Hinweise auf die vielen JüdInnen in den Lagern für Displaced Persons, unter deren Druck die UNO 1947 und den folgenden Jahren stand (siehe „Die deutsche Linke, der Zionismus und der Nahostkonflikt, Köln 2009, S. 105) Ohne den deutschen Nationalsozialismus wäre wohl auch kaum eine ausreichend große Zahl JüdInnen dem zionistischen Aufruf nach Palästina zu emigrieren, gefolgt. Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache. In den 30er Jahren steigt die Zahl der EinwanderInnen sprunghaft an (1935 kamen beispielsweise 30-mal so viele JüdInnen nach Palästina wie im Jahr 1928). Und was ist fragwürdig an dem Satz aus dem Entwurf: „Jeder muss ohne Zeitverzögerung alles unternehmen, was in seiner Macht steht. Wir dürfen nicht darauf warten, dass Israel von sich aus kollabiert“, der im Entwurf eindeutig und unzweifelhaft im Zusammenhang steht mit folgender Erklärung zum BDS-Aufruf: „Die internationale BDS-Kampagne richtet sich selbstverständlich nicht gegen JüdInnen und auch nicht gegen israelische BürgerInnen als solche, sondern allein gegen die Unterdrückungspolitik eines Staates und gegen die Firmen und Institutionen, die an der Besatzung beteiligt sind, sie unterstützen oder davon profitieren. Sie wird daher von zahlreichen jüdischen Organisationen wie auch israelischen Persönlichkeiten unterstützt.“ So isoliert und in fragwürdiger Weise wie Dr. Watzal ihn zitiert, eröffnet der obige Satz die Möglichkeit der Spekulation in jeglicher Richtung. Was beabsichtig Dr. Watzal mit diesem fragwürdigen Umgang mit Zitaten? Unsensibel wird Dr. Watzal dann, wenn er auf die relativ geringe Zahl von UnterzeichnerInnen der Stuttgarter Erklärung eingeht, die als Land „Israel“ angeben. Wir gehen davon aus, dass auch er von dem massiven Druck weiß, den die derzeitige israelische Regierung auf all ihre GegnerInnen ausübt. Auch Dr. Watzal ist sicher bekannt, dass in der Knesset darüber diskutiert wird, all denjenigen die Staatsbürgerschaft zu entziehen, deren Loyalität zum Staat Israel in Zweifel gezogen werden kann. Unsere Hochachtung gilt daher allen UnterzeichnerInnen, die trotzdem gewagt haben, ihre kritische Haltung gegenüber einem Apartheid-Staat durch ihre namentliche Unterschrift öffentlich zu machen. Wir möchten Dr. Watzal hier nicht überzeugen, dass es sich bei Israel genauso um einen Apartheid-Staat wie beim ehemaligen Südafrika. Wir verwehren uns aber gegen die Behauptung, wir seien bei der Verwendung des Begriffs Apartheid „leichtfertig“ vorgegangen oder hätten damit „um uns geworfen“, wie Dr. Watzal schreibt. Der Begriff „Apartheid“ mit Bezug auf Israel beruht auf seit den 80er Jahren bekannten Analysen von Uri Davis, Ilan Pappe und vielen anderen, unter ihnen sind nicht zuletzt Südafrikaner (Ronnie Kasrils). Ben White kann in diesem Zusammenhang auch nicht als Zeuge gegen unsere Verwendung des Begriffs Apartheid für Israel zitiert werden, wie es Dr. Watzal tut. Ben White schreibt nämlich zur Apartheid Israels auf seiner Homepage: “Leaving aside the differences and similarities with South Africa, Israel’s policies towards the Palestinians since 1948 have met the definition of apartheid in international law - with important ramifications for the responsibilities of the international community and civil society”. (Also auch nach der Ansicht von Ben White erfüllt Israel die Definition der Apartheid nach internationalem Recht und zwar seit 1948, das heißt nicht nur in der Westbank und im Gazastreifen). Wir bitten Herrn Dr. Watzal auch, uns zu erklären, in welchem Punkt wir uns unter seinem Niveau befinden? Wir möchten ihn auch fragen, ob sich etwa auch Richard Falk, Jeff Halper, Hedy Epstein, Evelyn Hecht-Galinski und Hajo G. Mayer und die palästinensischen ReferentInnen auf der Stuttgarter Konferenz unter seinem Niveau befinden. Sie alle haben die Stuttgarter Erklärung unterschrieben. Ludwig Watzal wiederholt auch wieder die Keule des Spaltungsvorwurfs gegenüber allen, die die Ein-Staat-Lösung vertreten und die Zwei-Staaten-Lösung kritisieren. Wir sind auf jeden Fall seit Jahrzehnten mitten in der Solidaritätsbewegung, egal, ob es sich um BefürworterInnen der Ein- oder der Zwei-Staaten-Lösung handelt. Dagegen zieht es Dr. Watzal offensichtlich vor, UnterstützerInnen der Ein-Staat-Lösung anzugreifen. Das bedauern wir. Ein Wort in eigener Sache: Die OrganisatorInnen der Stuttgarter Konferenz haben einen von sehr vielen als positiv empfundenen Beitrag zur Solidaritätsbewegung geleistet. Auch die Stuttgarter Erklärung ist inzwischen von 850 UnterstützerInnen unterzeichnet worden, unter ihnen ist Richard Falk, der die Erklärung sogar auf seiner Website veröffentlicht hat (http://richardfalk.wordpress.com/). Jeder kann sich vorstellen, dass die Konferenz eine lange und intensive Vorbereitung erforderte. Umso enttäuschter sind alle OrganistorInnen nun über eine wochenlang andauernde Debatte mit schweren Vorwürfen, die von Personen geführt wird, die nicht an der Konferenz teilgenommen haben. Dies hält die Solidaritätsbewegung von wichtigen zukünftigen Aufgaben ab, für die unter anderem auch die Konferenz Impulse gegeben hat. Wir sollten nun endlich nach vorne schauen. Wir sind davon überzeugt, dass die Stuttgarter Konferenz und Erklärung mit ihren neuen Perspektiven sich auch in der BRD durchsetzen werden, wenn dies auch mit langen und schweren Geburtswehen verbunden ist. Wir wünschen Dr. Watzal und uns im neuen Jahr Beiträge zur Solidaritätsarbeit, die eine wirkliche Perspektive für die PalästinenserInnen haben und tatsächlich dazu beitragen, Apartheid und Besatzung zu beenden. 2.1.2011 14:56 - Die persönlichen Angriffe einstellen - zu den Gemeinsamkeiten zurückfinden - eMail von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann Lieber Ludwig Watzal, wir können Ihre Gedanken in weiten Teilen nicht nachvollziehen! Uns stellt sich erneut die Frage: woraus resultieren diese erregten, persönlichen Angriffe? Die Stuttgarter Erklärung ist eine Stellungnahme mit ungewohntem Weitblick. Es wäre ja akzeptabel, wenn dagegen Argumente vorgebracht werden. Aber warum treten an deren Stelle persönliche Angriffe? Eine sachliche, an der Erarbeitung gemeinsamer Ziele orientierte Debatte würde ganz wesentlich dazu beitragen, die Bewegung zu stärken. Wenn Sie immer wieder behaupten, aus dem Auftreten von Felicia Langer bei der Stuttgarter Konferenz spreche keinerlei Unterstützung für die Ein-Staaten-Lösung, dann geht das einfach an den Fakten vorbei. Selbst wenn sich Felicia Langer in ihrer Rede auf der Konferenz nicht zur Ein-Staaten-Lösung geäußert hätte - was sie aber getan hat - reicht allein die Tatsache aus, daß sie sich für eine Konferenz, bei der es ganz offensichtlich um die Orientierung auf die Ein-Staaten-Lösung geht, als Schirmfrau zur Verfügung gestellt hat. Das allein macht ihre Unterstützung mehr als deutlich. Der Satz „Ich habe mich beleidigt gefühlt, weil man die Zweistaatenlösung als eine dogmatische bezeichnet hat“ geht vollkommen an der intendierten Aussage der Stuttgarter Erklärung vorbei. Es geht um das Aufbrechen des dogmatischen Festhaltens an der Zwei-Staaten-Lösung als der einzigen Möglichkeit. Das ist etwas vollkommen anderes. Das hat auch nichts damit zu tun, daß die Ein-Staaten-Lösung zu einem Dogma erhoben werden soll. Beides sind Unterstellungen, die offensichtlich ein freies, konstruktives Nachdenken über eine sehr naheliegende, humanistisch getragene Vision unterbinden sollen. Lieber Ludwig Watzal, es ist nie behauptet worden, daß Sie das Begriffspaar "Spaltung und Sektierertum" verwendet haben. Wenn Sie in diesem Zusammenhang emotional aufgeladen mit "Die weiteren impertinenten Unterstellungen mir und den anderen Kritiker/Innen gegenüber sind keines Kommentares, geschweige denn eines rationalen Gegenargumentes wert" reagieren, dann entbehrt das einer sachlichen Grundlage. In der Stellungnahme von Verena und Attia Rajab bezog sich die Formulierung "Spaltung und Sektierertum" summierend auf mehrere Autoren, die sich gegen die Stuttgarter Erklärung gewandt haben. Sie sind einer derjenigen, die von Spaltung schreiben. Das wollen Sie doch nicht abstreiten. Die Formulierung "Deutschland hat eine Mitschuld an dem, was den Palästinensern/Innen angetan wurde als Folge deutscher Geschichte. Gerade die deutsche Vergangenheit fordert von uns ein besonders hohes Verantwortungsbewusstsein im Umgang mit den Menschenrechten und wenn es um Vertreibungen und ethnische Säuberung geht“ kontern Sie mit "Diese typisch deutsche Behauptung entbehrt jeglicher historischer Grundlage..." Wie kann man zu so einer Einschätzung kommen? Judenverfolgungen ließen spätestens seit Herzl die zionistische Forderung nach einem eigenen Staat Gestalt annehmen. Und laufend instrumentalisiert Israel speziell den Holocaust für die eigenen Verbrechen an den Palästinensern. Und die Zionisten haben mit den Nazis geheime Verträge geschlossen - mit dem Ziel, Juden nach Palästina zu bringen. Es besteht der begründete Verdacht, daß Zionisten "die radikale deutsche Judenpolitik" sogar begrüßt haben, weil "damit der Bestand der jüdischen Bevölkerung in Palästina so vermehrt werde, daß in absehbarer Zeit mit einer Mehrheit der Juden gegenüber den Arabern in Palästina gerechnet werden könne." (Haganah-Offizier Feivel Polkes, Oktober 1937) Wie kann man all das übersehen? Sie schreiben resümierend:
Mit besten Grüßen und Wünschen für eine friedliche, gerechte Zukunft Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann 6.1.2011 - Versöhnen, Verbinden und nicht spalten - Sind Spaltungen der Solidaritätsbewegung erwünscht, notwendig oder sogar gewollt? - von Erhard Arendt (www.arendt-art.de/deutsch/palestina) Es ist um die Stuttgarter Konferenz und die nachfolgende Schlusserklärung ein sehr sinnloses, unnötiges und selbstzerstörerisches Streitgespräch entstanden. Letztlich hat es zu unnötigen und schädlichen Spaltungen innerhalb der Solidaritätsbewegung geführt und auch ich, der eigentlich unparteiisch agierte wurde mit einbezogen. Reaktionen veranlassen mich, nun allgemein zu den „Spielregeln“, die ich auf meinen Seiten pflege, Stellung zu nehmen und sie noch einmal zu verdeutlichen. Die Möglichkeit einer Ein-Staat-Lösung war mir schon vorher bekannt. Ob Vision oder Utopie, es gibt einen breiten, unterstützenswerten und zu akzeptierenden Spielraum. So lehne ich sie nicht ab, sehe sie aber auch nicht als einzigen Lösungsweg an, halte sie aber für utopischer als andere mögliche Lösungen. Ich werde auch weiterhin „gute“ Gedanken dazu, auch zur Zwei-Staaten-Lösung, zu jeder nur möglichen Lösungsmöglichkeit veröffentlichen. Nicht ich, nicht wir sind letztlich die Akteure, die entscheiden können. Vertreter einer auch möglichen Zwei-Staaten Lösung als Dogmatiker zu bezeichnen, sie zu angeblichen "Experten" in Anführungzeichen zu degradieren hat mich persönlich betroffen gemacht. Dies hat, wie sich zeigte, zu einer sinnlosen Spaltung geführt. Einige meiner generellen „Spielregeln“ und Grenzen sind:
Schon kurz nach der Veröffentlichung der Schlusserklärung schrieb Frau Dr. Viktoria Waltz: „Dies bringt eine zusätzliche Spaltung der Bewegung und ist Bevormundung sowohl des palästinensischen Widerstands als auch der Solidaritätbewegung und das finde ich nahezu kriminell“. Eine andere Aktivistin schrieb schon bevor die endgültige Schlusserklärung veröffentlich wurde warnend: „Ich plädiere ganz nachdrücklich für einen unaufgeregten Umgang miteinander. Wir haben doch eigentlich genug damit zu tun, über die Politik Israels entsetzt zu sein, nun ziehen wir es vor, gegenseitig über uns selbst entsetzt zu sein. Das wird unsere politischen Gegner freuen. Schade, aber es muss doch irgendwie anders gehen.“ Die derzeitige Entwicklung, die immer mehr eskaliert, zeigt, wie recht sie hatten. Nun ist das, was auch ich befürchtete, eingetreten. Es gibt eine mehr als unnötige, zunehmend bösartig betriebene Spaltung innerhalb unserer Solidaritätsbewegung. Sie war teilweise mehr oder weniger in einem erschreckenden privaten Emailwechsel erkennbar, wurde dort betrieben. Immer deutlicher erkennbar waren auch spalterische persönliche Angriffe. Mittlerweile kann man sie nicht mehr als nicht beabsichtigt endschuldigen. Diese wurden nun mehr und mehr entstellend in die Öffentlichkeit getragen. Das bewegt auch mich dazu Stellung zu nehmen. Ich hatte in den genannten Grenzen beiden Seiten NEUTRAL eine öffentliche Plattform geboten. Eine schon immer existierende „Spielregel“ meiner Seiten ist es aber, dass ich Texte, in denen andersdenkende Friedensaktivisten, Positionen delegitimiert, verunglimpft und beleidigt werden, nicht akzeptiere und veröffentliche. Als in den anfänglichen Diskussionstexten anerkannte Experten, weil sie nicht einseitig einer Ein-Staat Lösung vertreten wollten, diffamiert wurden, man sie „Experten“ in Anführungszeichen, Dogmatiker nannte, weckte das zunehmend meinen Widerspruchgeist. Als diese Entwicklung sich andeutete, habe ich noch – ohne zu werten - einzig und allein an diesem Punkt Einspruch erhoben und gesagt, dass ich Texte, in denen Mitglieder des Netzwerks, nur weil sie andere Meinungen vertreten, delegitimiert werden, nicht veröffentlichen werde. Hier warf mir dann z. B. Frau Evelyn Hecht-Galinski unter anderem vor: „Schade, dass Du mit zweierlei Maß misst.“ Sie wusste aber, dass ich auch zu anderen Zeiten, ohne angeblich mit „ zweierlei Maß“ zu messen auch Veröffentlichungen verweigert habe. Meine Grundregeln ist schon immer VERBINDEN STATT SPALTEN gewesen. Das sah ich alles als Diskussion unter Freunden. Die Verfasser des Textes hatten auch die strittigen Formulierungen entfernt, und ich schrieb Frau Evelyn Hecht-Galinski , dass die Angelegenheit längst geklärt ist, und ich deswegen natürlich den Text nun veröffentlicht hätte. Auf Umwegen erfuhr ich nun heute zu meiner Verwunderung - ohne dass ich vorher davon Kenntnis hatte - dass Frau Evelyn Hecht-Galinski - sicherlich eine bisher verdienstvolle Aktivistin - nun an einem scheinbar größeren Kreis Emails verteilt, in denen sie verbreitet: „Ab sofort schreibe ich nicht mehr für das Palästina Portal.“ In einem aktuellen Artikel schreibt sie ebenfalls spaltend: „Vergessen wir die „Experten“ von gestern und lernen wir von den Betroffenen von heute kennen. Vergessen wir die Utopisten, halten wir uns an die Visionäre.“ Sie weiß, dass ich extremistische Positionen ablehne und deswegen seit Jahren z. B. keine Texte mehr von Gilad Atzmon veröffentliche. (Siehe auch den Text von Dr. Watzal) In ihrem neuen Kommentar - davon muss ich mich distanzieren - schreibt sie: „Dieser begnadete Jazz-Saxophonist wird von verschiedenen „Kreisen“ verunglimpft, weil man hier noch nicht so weit ist, sich vorurteilsfrei mit seinen richtigen und hoch intelligenten Thesen auseinanderzusetzen.“ Ich denke Atzmon zu kritisieren, heißt ihn nicht zu „verunglimpfen“. Wir sind noch nicht alle gleichgeschaltet. Manch seiner Thesen sind ganz und gar nicht „richtig und hoch intelligent“ und aus der „Auseinandersetzung“ mit ihm entstand entstand bei vielen ein kritisches Urteil. Es ist legitim und notwendig extremistische Positionen abzulehnen. Ok, diese anderslautende Meinungen muss ich akzeptieren, kann ich aber auch nicht veröffentlichen. Aus all dem mit Unterstellungen und zunehmender Veröffentlichung eine öffentliche Spaltung zu inszenieren, schadet der Solidaritätsbewegung enorm. Man kann als kreativer Mensch trefflich darüber streiten, was Utopien und was Visionen sind. Eine Vision zu haben, das erinnert mich an eine „religiöse Erscheinung“; diese kann ja gut und schön sein. Es widerspricht dem aber auch nicht, dass andere Menschen andere gleichwertige Visionen haben, dass andere vielleicht sogar eine Vielfalt von Visionen haben. Es ist wichtig, vordringlicher unsere Aktivitäten in einer Zusammenarbeit zu verstärken. Die Solidaritätsbewegung grundlos zu spalten, sollte nicht dazugehören. Das man nun aus seiner Vision heraus, aus anderen Motiven einen Spaltungsprozess inszeniert, schadet der deutschen Solidaritätsbewegung mehr als es je ein Henryk M. Broder oder der Mossad hätten erreichen können. Ob diese Vision diesen Preis wert ist? Warum wurde das so inszeniert? Weiterhin werde ich unterschiedliche Positionen vorstellen und vertreten lassen. Auch – wenn sie nicht destruktiv und extremistisch sind – die der Anhänger der Ein-Staat-Lösung. Weiterhin werde ich mich für ein MITEINANDER gegen Spaltungsversuche aussprechen und entsprechend handeln. Liebe Leser, bitte engagieren Sie sich für ein MITEINANDER... 6.1.2011 18:29 - Zur 'Vision' einer Einstaatenlösung im Nahen Osten - von Ludwig Watzal (between-the-lines-ludwig-watzal.blogspot.com) Die Stuttgarter-Konferenz von Ende November und die darauffolgende „Stuttgarter Erklärung“ haben sich als das entpuppt, was Kritiker befürchtet haben, und zwar als Dokument der Spaltung der zivilgesellschaftlichen Solidaritätsbewegung in so genannte Visionäre und alte „Experten“, die man hinter sich lassen müsse. Nicht „Utopisten“ seien gefragt, sondern „Visionäre“. Altbundeskanzler Helmut Schmidt hat den Kritikern seiner pragmatischen Haltung in der Nachrüstungsdebatte, die ihm einen Mangel an „Visionen“ vorgeworfen haben, geantwortet: „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.“ Die „Vision“ einer Einstaatenlösung kann nur von Israel durch die weitere Kolonisierung des palästinensischen Heimatlandes realisiert werden. Die „Vision“ einer Einstaatenlösung ist eine Utopie wie die „Civitas solis“ („Der Sonnenstaat“) von Thommaso Campanella, und die „Visionäre“ sind die eigentlichen Utopisten. Wenn in einem Artikel in der „Neue Rheinische Zeitung“ mit dem Titel „Feigheit vor dem Freund“ in einer Art totaler Verkennung der machtpolitischen Realitäten behauptet wird, es reiche nicht, eine „Hoffnungsideologie“ zu verbreiten, nur weil sich diese in gewissen kirchlichen und politischen Kreisen besser verkaufe, stellt sich zwangsläufig die Frage, wer denn angeblich eine solche Ideologie verkaufe. Man kann sich zwar denken, auf wen diese Giftpfeile abgeschossen worden sind, aber ein offenes Wort der Verfasserin würde der Klärung der Fronten dienen. Wer das Blog des hervorragenden Jazz-Saxophonisten Gilad Atzmon völlig unreflektiert lobt und weiter überschwänglich bekennt, das Atzmon durch seine Grußwort-Einlage fasziniert habe, unterschlägt, dass Atzmon durch seine extremistischen Positionen, wie z. B. sein Eintritt für die „Auflösung Israels“ und die Ersetzung durch einen gesamtpalästinensischen Staat, nicht nur dafür massiven Widerspruch geerntet hat, sondern auch wegen seiner geschichtsrevisionistischen Thesen von weiten Teilen der Solidaritätsbewegung abgelehnt wird. Die zivilgesellschaftliche Solidaritätsbewegung sollte einen solchen Weg in den Extremismus nicht mitgehen, weil dies Wasser auf die Mühlen der laufenden Delegitimierungskampagne der israelischen Regierung und ihrer Unterstützter gegen so genannte Israelkritiker wäre. Die Meinungen zu einer Einstaatenlösung wie die zu einer Zweistaatenlösung sollten als intellektuelle Denkmodelle den gleichen Stellwert besitzen und undogmatisch diskutiert werden. Wer daraus unnötig einen „Glaubenskrieg“ macht, spaltet nicht nur die zivilgesellschaftliche Solidaritätsbewegung, sondern fällt auch der BDS-Kampagne in den Rücken. 7.1.2011 20:05 - Über die Krankheit des Denkens - von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann Lieber Ludwig Watzal, es ist erschreckend, wie versucht wird, ein zielgerichtetes Nachdenken über die humanistische Vision eines Gemeinwesens mit gleichen Rechten für Alle als krank hinzustellen. Was wäre dann alles krank, wenn wir uns auf diese Ebene des Denkens begeben? Dann wäre jede Vision von einer besseren Welt krank. Dann wären alle krank, die sagen "Eine bessere Welt ist möglich". Und nur die Realpolitiker und ihre Hintermänner, die über Leichen gehen, wären gesund. Und es ist erschreckend, wenn das Eintreten für eine humanistische Zielvorstellung als Akt der Spaltung bezeichnet wird. Wer führt hier die Spaltung herbei: Sind es diejenigen, die ihre Meinung zum Ausdruck bringen, daß eine Lösung erstrebenswert ist, die vereint anstatt nach Rasse, Religion oder sonstwelchen Kriterien zu separieren, und dafür Überzeugungsarbeit leisten? Oder sind es diejenigen, die unentwegt - getrieben wovon auch immer - das Wort 'Spaltung' im Munde führen, anstatt in produktiver Auseinandersetzung auf Gemeinsamkeiten zu orientieren. Und darüber hinaus ist es erschreckend, wenn jetzt auch noch ungewohnte Gedanken als extremistisch disqualifiziert werden sollen. Wenn Gilad Atzmon zur Verwirklichung der Vision die Ersetzung Israels durch einen gesamtpalästinensischen Staat erwägt, dann kann man dieser Position zustimmen oder nicht - eine Position übrigens, die von orthodoxen Juden sehr dezidiert vertreten wird (derisraelit.org). Die Verwendung des Begriffs 'extremistisch' aber dient genau so dem Abwürgen von Gedankengängen, wie das die Drohung mit 'Spaltung' tut. Mit besten Grüßen und Wünschen für einen gerechten Frieden Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann 7.1.2011 21:34 - von Abi Melzer Liebe Anneliese und Andreas, man kann zu Gilad Atzmon stehen wie man will und ich zB möchte mich nicht mit seinen krankhaften Visionen identifizieren, aber zu schreiben, dass seine Position von „orthodoxen Juden“ vertreten werden ist ganz einfach falsch. Es sind die Ultra-Orthodoxen, die Neturei Carta Anhänger, die schon immer gegen den Staat Israel waren und in Israel eine äußerst kleine Minderheit von wenigen tausend Seelen darstellen. Sie waren schon immer gegen den Zionismus, und mit Recht, und haben den Staat Israel nie anerkannt, und das aus ihrem Standpunkt aus gesehen auch vollkommen mit Recht. Aber Gilad Atzmon ist von diesen genauso weit entfernt, wie er vom Zionismus entfernt ist. Mich stört seine Radikalität und die Tatsache, dass er bereit ist sich mit Antisemiten und Nazis zusammen zu tun, um sein Ziel zu erreichen. Es ist heute auch absolut absurd und phatologisch gegen den Staat Israel zu sein, wo inzwischen immerhin mehr als fünf Millionen Nicht-Palästinenser leben. Ich und mit mir viele andere, bin gegen die Apartheid-Politik dieses Staates. Ich bin für eine Einstaaten-Lösung, weil die Zweistaaten-Lösung überhaupt nicht mehr möglich ist, aber ich habe vollstes Verständnis für Palästinenser, die eine Zweistaaten-Lösung wollen, weil auch sie ihren eigenen, rein palästinensischen Staat haben wollen. Deshalb sollten wir endlich diese Debatte dorthin verlegen, wo sie hingehört, in den Mülleimer. Es ist nicht unsere Debatte. Es ist die Debatte der Palästinenser und wir können und wollen es ihnen auch nicht abnehmen. Und es ist übrigens auch die Debatte der Israelis, denn wir können auch nicht über deren Kopf hinweg entscheiden und schon gar nicht Entscheidungen durchsetzen. Also was soll das Ganze? An wen soll diese sogenannte Resolution, auch wenn sie inzwischen von 900 Menschen unterschrieben wurde, gesandt werden? An Benjamin Netanjahu, damit er sie in den Papierkorb wirf oder sich damit seinen Hintern abwischt? Es ist doch dumm und schwachsinnig seine Energien in eine Debatte zu investieren, die zu nichts führt. Absolut gar nichts. Und deshalb sollten Leute, die Visionen haben, zum Arzt gehen. Ben Gurion sagte zwar, wer keine Träume hat (Visionen) ist kein Realist, aber er meinte eben, man muss in der Politik in erster Linie Realist sein und erst in zweiter Linie Träume haben. Realistisch gesehen ist weder die Einstaaten- noch die Zweistaaten-Lösung machbar. Das Einzige was wir machen können, wenn wir uns nicht lächerlich machen wollen, ist aufklären, informieren, eine anständige BDS Kampagne durchführen, die nichts mit „Kauf nicht bei Juden“ gemein haben soll und versuchen Druck auf unsere Politiker und Medien auszuüben, damit sie nach und nach Israel politisch, gesellschaftlich und ökonomisch isolieren. Und eines Tages wird es kommen. Und wie es heute in Israel aussieht und wie es sich dort entwickelt, ist Israel auf dem besten Wege sich selbst abzuschaffen und zu delegitimieren. Der Versuch mit allen Mitteln Leuten dazu zu bringen eine Resolution zu unterschreiben, die zwar sehr schön, human und visionär ist, aber wertlos, spaltet und provoziert. Hört deshalb auf damit. Es reicht. Der Kongress in Stuttgart war wunderbar und hat uns allen viel zum Nachdenken gegeben. Denken wir also nach und hören wir auf uns zu streiten. Es gibt noch viel zu tun. Packen wir es an. Abi Melzer www.dersemit.de 8.1.2011 11:31 - von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann Lieber Abi, Vielen Dank... für Deine eMail im Rahmen der Spezial-Auseinandersetzung. Wir haben registriert:
Mit besten Grüßen Anneliese und Andreas 9.1.2011 22:35 - Zur Debattenkultur - Wettstreit der Ideen - von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann Lieber Erhard, seit Veröffentlichung der Stuttgarter Erklärung gibt es eine Debatte darum. Das ist gut. Warum aber führen wir die nicht offen und fair? Warum werden die Argumente nicht offen ausgetauscht, damit sich alle Interessierten eine eigene Meinung bilden können. Warum beispielsweise tut Ludwig Watzal so, als existierten wir für ihn gar nicht? Warum beispielsweise veröffentlichst Du unsere Erwiderung auf Ludwig Watzal nicht, sondern nur die an uns gerichtete Antwort von Abi Melzer (ohne Anrede)? Was soll das anhaltende Heraufbeschwören von Spaltung - jetzt auch noch mit dramatischem Einstiegsbild auf Deiner website? Glaubst Du, daß der UNO-Sonderbeauftragte für Palästina, Richard Falk, spalten will, wenn er seine Meinung bekundet? Glaubst Du, daß der Mitwirkende an der UNO-Menschenrechtscharta, Stéphane Hessel, spalten will? Daß der israelische Historiker Ilan Pappe spalten will? Glaubst Du, daß all die palästinensischen Personen und Organisationen dies wollen? Glaubst Du das von all den weiteren Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern? War es Uri Avnerys Ziel zu spalten, als er 2007 die Ein-Staaten-Lösung als "gefährliche Idee" bezeichnete und in der Idee eines weltweiten Boykotts eine "komplette Illusion" sah? (arendt-art.de) Oder ging es Ilan Pappe um Spaltung, als er die Zwei-Staaten-Formel als gescheitert erkannt hat und durch die Idee des EINEN demokratischen Staat ein neues Nachdenken über die Frage ausgelöst sieht, wie die israelische Besatzung durch Boykott, Divestment und Sanktionen (BDS) besiegt werden kann? (arendt-art.de) In diesem Sinne schreibt Evelyn Hecht-Galinski: "Vergessen wir die Utopisten, halten wir uns an die Visionäre.“ Will sie deshalb spalten? Will die Stuttgarter Erklärung spalten, wenn darin im Sinne von Ilan Pappe formuliert ist: "dass das dogmatische Festhalten an der Zwei-Staaten-Lösung die tatsächlichen Realitäten ignoriert"? Nein, das Eintreten für eine politische Lösung bedeutet alles andere als Spaltung. Es handelt sich um einen Wettstreit der Ideen. Die Unterzeichnungsaktion ist eine wirksame Form von Öffentlichkeitsarbeit für ein Ziel und dafür, den Weg dorthin zu ebnen (mittels Aufklärung und BDS). Streitkultur ist eine ganz wichtige Sache - besonders unter denjenigen, die dazu beitragen wollen, daß Auseinandersetzungen ganz anderer Größenordnung beigelegt werden:
Beste Grüße Anneliese und Andreas 10.01.2011 01:12 - von Erhard Arendt (Er bittet darum, seine Antwort nicht zu veröffentlichen) 11.1.2011 20:00 - Vorsicht! Vorsicht! Vorsicht! In der Sache Gilad Atzmon! - von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann Liebe Streiter für Palästina, am 10. Januar 2011 erreichte Teile der Palästina-Solidarität ein Text, der Gilad Atzmon ins Visier nimmt - ohne konkrete Autorenangabe (siehe unten). Er kam aus der Mitte der Bewegung selbst. Welchen Weg er zuvor genommen hatte, bevor er an einen größeren Verteiler geschickt wurde, ist nicht nachvollziehbar. Der Vorgang gibt einen tiefen Einblick in Methoden und Strategien zur Schwächung, Zersetzung und Ausschaltung unbequemer Bewegungen. In dem Text - des unbekannten Autors - wird ein Artikel der Ruhr-Nachrichten - ohne Datum und Quellenangabe - herangezogen, in dem Gilad Atzmon Nähe zu Holocaust-Leugnern unterstellt wird und behauptet wird, Gilad Atzmon habe geäußert:
Perfide ist dann, wie Gilad Atzmon über den verfälschenden Artikel mit dem Themenkomplex Holocaust-Leugnung in Verbindung gebracht wird: "Sylvia Stolz, die Anwältin, die den holocaustleugnenden 'Gelehrten' Ernst Zündel verteidigte" habe "einen Zeitungsartikel über den Auftritt des weltbekannten israelischen Künstlers Gilad Atzmon in Bochum vorgelesen." Damit wird böswillig eine geistige Nähe unterstellt. Das entspricht genau der immer wieder praktizierten Strategie, unbequeme Positionen durch neo-faschistische (Geheimdienst durchsetzte) Organe wie die NPD loben zu lassen, um sie auf diese Weise zu diskreditieren. Was in dem Text des nicht genannten Autors als nächstes gegen Gilad Atzmon ins Feld geführt wird, sind zwei Artikel, die Gilad Atzmon angeblich in den höchsten Tönen loben. Einer der Artikel stammt aus der Tageszeitung 'junge Welt' (2), die als "Zentralorgan der deutschen Nationalbolschewisten" verunglimpft wird. In diesem Artikel kommt der Name Gilad Atzmon nur ein einziges Mal vor. Die Rede ist darin von den "jahrelangen Hetzkampagnen gegen jüdische Wissenschaftler, Intellektuelle und Künstler wie Moshe Zuckermann, Moshe Zimmermann, Uri Avneri, Irit Katriel, Felicia Langer, Michael Warschawsky, Gilad Atzmon, Amira Hass, Shraga Elam und viele andere, die es wagen, sich dem zionistischen Mainstream zu widersetzen und dafür wegen »nichtjüdischer« Ansichten angegriffen werden." Der Artikel stammt aus der Ausgabe der 'jungen Welt' vom 8.4.2005 und ist geschrieben von Klaus Hartmann, dem Bundesvorsitzenden des Deutschen Freidenkerverbandes und Unterzeichner der Stuttgarter Erklärung. Es mag sein, daß Klaus Hartmann Gilad Atzmon schätzt, aber das bringt er hier nicht zum Ausdruck. Die Behauptung des nicht genannten Autors ist also eine grobe Verfälschung. Die Nennung der weiteren - österreichischen - Quelle (3) erweckt den Eindruck, als handele es sich hier um einen weiteren Fall. Tatsächlich findet sich hier aber der gleiche Text von Klaus Hartmann. Also auch hier Vorspiegelung falscher Tatsachen. Als nächstes stellt sich die Frage, was es mit der fehlenden Autorenangabe auf sich hat. Die Antwort ist verblüffend und erschreckend zugleich. Autor ist Karl Pfeifer, Autor bei Henryk M. Broders "Achse des Guten", wo er zum Beispiel die BDS-Kampagne zu diffamieren sucht, in dem er sie mit der Nazi-Parole "Kauft nicht bei Juden!" in Verbindung bringt (4). Und sein hier betrachteter Text stammt von der deutsch-israelischen website hagalil.com (5) und basiert auf dem englischsprachigen pro-zionistischen Blog "Judeosphere" (6). Allerdings hat der Autor Karl Pfeifer - wie es heißt - "redigierend" eingegriffen und dabei wesentliche Teile hinzugefügt. Also Manipulation auf der ganzen Linie. Damit wird klar: der zionistische Propaganda-Apparat unternimmt hier den Versuch, mit seiner Desinformation in die Bewegung der Palästina-Solidarität einzudringen und diese von innen heraus zu spalten und letztlich zu zerstören. Das dürfen wir nicht zulassen. Und es ist Henryk M. Broder höchstpersönlich, der die Vorgänge um die Bochumer Veranstaltung mit Gilad Atzmon in seiner "Achse des Guten" am 02.12.2005 entstellend beschreibt - aber so breit, daß an Aufklärung Interessierten - ungewollt - einiges klar werden kann (7). Nur ein Beispiel: er zitiert aus dem Leserbrief, in dem es heißt:
Versetzen wir uns einen Moment in die Rolle der Machthabenden. Dann kann uns das, was passiert, nicht wundern. Warum sollten die Machthabenden mit ihrer kriminellen Energie darauf verzichten, störende Kräfte - beispielsweise in der Linken und der Friedensbewegung - zu schwächen und auszuschalten - von außen und innen? Die BDS-Kampagne gegen Israel muß aus dieser Sicht bekämpft werden. Und die Idee der Ein-Staaten-Lösung erst recht. Dazu sind (fast) alle Mittel recht. Dessen sollten wir uns bewußt sein und uns bei unserer wichtigen Arbeit nicht einschüchtern und irritieren lassen. Mit besten Grüßen und Wünschen für einen gerechten Frieden Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann PS: übrigens auch im Palästina-Portal ist der Vorgang angerissen: "18.1.2009 - Warnung vor Nazis und Henryk M. Broder - Thomas Immanuel Steinberg - Nazis und Henryk M. Broder rechtfertigen ihren Haß mit dem Artikel: die einen den ihren auf Juden, der andere den seinen auf Gegner der israelischen Staats- und Regierungspolitik: Der Artikel von Thorsten Hoops, am 29. Mai 2005 [gemeint ist wahrscheinlich der 29. November] in der Bochumer Ausgabe der Ruhr Nachrichten veröffentlicht, erweckt den Eindruck, der britische Jazz-Saxophonist und Schriftsteller Gilad Atzmon stünde den Nazis nahe. Einmütig haben Nazis und Henryk M. Broder diesen Eindruck verstärkt; die einen zuletzt in einem Prozeß gegen Syvia Stolz, die Rechtsanwältin von Ernst Zündel, der andere auf seiner Achse des Guten. Thorsten Hoops von den Ruhr Nachrichten hatte über eine Diskussion mit Gilad Atzmon beim Macondo Literaturfestival im „Bahnhof Langendreer“, einem Bochumer Kultur- und Veranstaltungszentrum, berichtet. Sowohl der Veranstalter, als auch Gilad Atzmon haben der Darstellung des Journalisten scharf wiedersprochen, auf Deutsch und Englisch. Beide machen deutlich: Gilad Atzmon hat mit Nazis nichts zu schaffen. Er ist ein Gegner der israelischen Staats- und Regierungspolitik wie du und ich. T:I:S, 18. Januar 2008. Dank an Günter Schenk" (8) (1) http://www.bo-alternativ.de/macondo-leserbrief.htm (2) http://www.jungewelt.de/2005/04-08/003.php (3) http://www.kominform.at/article.php?story=20050415190644744 (4) http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/kauft_nicht_beim_juden/ (5) http://www.hagalil.com/01/de/Antisemitismus.php?itemid=1741 (6) http://www.thejudeosphere.com/?p=588 (7) http://www.achgut.de/dadgd/view_article.php?aid=1417 (8) http://www.arendt-erhard.de/deutsch/Henryk_m_broder/henryk-m-broder-4.htm Am 10.1.2011 in der Palästina-Solidaritätsbewegung verbreiteter Text: "Gilad Atzmon als Zeuge einer Holocaustleugnerin" Der Jazzmusiker Gilad Atzmon, der sich auch als antisemitischer anti-Israel Aktivist einen Namen gemacht hat, wurde wieder einmal in den Nachrichten erwähnt... Sylvia Stolz, die Anwältin, die den holocaustleugnenden "Gelehrten" Ernst Zündel verteidigte, wurde von einem deutschen Gericht zu 3 ½ Jahren Haft verurteilt und erhielt ein fünfjähriges Berufsverbot. Kein Zufall, dass Iran Press darüber u.a. berichtete: "Während der Gerichtsverhandlung des revisionistischen Gelehrten Ernst Zündel, nannte Stolz den Holocaust "die größte Lüge der Weltgeschichte". Stolz hat wie berichtet, einen Zeitungsartikel über den Auftritt des weltbekannten israelischen Künstlers Gilad Atzmon in Bochum vorgelesen. Atzmon bezeichnete u.a. öffentlich, "die uns bekannte Geschichtsschreibung über den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust als eine komplette, von Amerikanern und Zionisten initiierte Fälschung"." http://www.presstv.ir/detail.aspx?id=38848§ionid=351020604 Atzmon befindet sich im Dunstkreis des schwedisch-russischen Antisemiten Adam Ermash, früher Jöran Jermas, der unter dem Namen "Israel Shamir" schreibt und unterstützt Holocaust "Revisionisten". Gilad Atzmon meinte laut Ruhr Nachrichten in Bochum auch: "Der wahre Feind sei nicht Hitler, sondern Stalin gewesen. Die Deutschen sollten dies endlich erkennen und sich nicht länger schuldig und auch nicht verantwortlich fühlen. "Ihr seid die Opfer"." Das hindert natürlich nicht das Zentralorgan der deutschen Nationalbolschewisten Atzmon in höchsten Tönen zu loben. https://www.jungewelt.de/loginFailed.php?ref=/2005/04-08/003.php und auch die nationalbolschewistische österreichische Website schlägt in die gleiche Kerbe www.kominform.at/article.php?story=20050415190644744 Atzmon war 2007 Gast des DKP Pressefestes: www.dkp-online.de/pressefest/2007/prog/start.htm Gilad Atzmon ist nicht nur ein Liebling der Nationalbolschewisten sondern auch der Neonazi und Rechtsextremisten, wie man im Google bestätigt findet. Quelle Judeosphere, 17.1.08, Witness for the Defense 18.01.2011 13:27 - Offener Brief an meine anti-zionistischen MitstreiterInnen - von Elias Davidsson Liebe MitstreiterInnen im Kampf gegen den Zionismus und für die Gerechtigkeit in Palästina, Ich habe aus der Distanz die aufgewühlte Debatte um Gilad Atzmon verfolgt. Der Mann hat mich vor einigen Jahren öffentlich verleumdet und erniedrigt. Ich muss daher gestehen, dass ich ihn nicht besonders gerne mag. Ich bin auch durch seine Selbstdarstellung leicht irritiert. Ich habe also gefühlsmäßig Sympathie mit jenen, die mit Atzmon nichts zu tun haben wollen. Dagegen: wenn ich seine Schriften lese, die nun als Beweise für seine unerträgliche bzw. rassistische Einstellung vorgelegt werden, fühle ich mich - als Wissenschaftlier - verpflichtet, Atzmon zu verteidigen. Nicht weil ich seine Ideen bzw. Schwerpunkte unbedingt teile, sondern weil seine Fragestellungen legitim, relevant und anregend sind. Das ist sein Verdienst. Ich kann aus seinen gerügten, mir bekannten Zeilen keine rassistische Einstellung herauslesen. Wenn er falsche sachliche Behauptungen macht, sollen diese sachlich widerlegt werden. Das gilt aber für jeden Publizisten. Fragestellungen über jüdische Identität oder über den Holocaust sind - meiner Meinung nach - völlig legitim und haben offensichtlich etwas mit dem Zionismus zu tun. Laut Palästina-Portal sagte Atzmon in Stuttgart (in deutscher Übersetzung): "Ich denke, dass Israel weit schlimmer ist als Nazi-Deutschland. Warum? Israel ist eine Demokratie. Nazi-Deutschland war keine Demokratie. Der Reichstag wurde aufgelöst, die Deutschen haben null Verantwortung für Handlungen und Verbrechen, die von den Nazis begangen und ausgeführt wurden. Und Israel ist eine Demokratie und jeder Bürger ist mitschuldig. Jeder Bürger ist mitschuldig, so wie ich mitschuldig an den Verbrechen bin, die im Irak begangen werden als ein britischer Staatsbürger." Man kann diese leicht unbeholfene Formulierung bedauern, denn Israel ist offensichtlich, was das Ausmaß des Verbrechens angeht, nicht "schlimmer" als Nazi-Deutschland. Niemand, auch nicht Atzmon, behauptet, Israel vernichte Millionen von Menschen oder verbiete Gechlechtsverkehr zwischen Gojim und Juden, um nur zwei Beispiele zu nennen. Atzmon erklärt auch, was er mit seiner ungeschickten Formulierung meint, nämlich dass die Verantwortung der Bevölkerung eines demokratischen Regimes grösser ist als die einer Bevölkerung, die in einem Polizeistaat lebt. Diese These macht Sinn. Es ist - aus ethischer Sicht - tatsächlich schlimmer, wenn die Mehrheit einer Bevölkerung ohne Zwang Kriegsverbrechen unterstützt, als wenn eine Bevölkerung davon nichts weiss, oder unter Zwang eine Politik dulden muss. Eine Bevölkerung, die demokratische Rechte geniesst, trägt offensichtlich eine größere moralische Verantwortung für die Verbrechen ihrer Regierung als eine unmündige Bevölkerung. Ich habe keine sachlichen Einwände gegen diese These gelesen, bloß Empörung. Auch seine Hinterfragung des Holocausts ist - meines Erachtens - legitim. Wenn es möglich war, die ganze Welt im Zeitalter des Internets über die Ereignisse des 11. September 2001 zu betrügen, so war es vor 50 Jahren noch viel leichter, die Völker hinsichtlich verschiedener Aspekte des Holocausts zu betrügen. Solche Betrügereien können wir jedenfalls nicht ausschliessen, denn hinter der offiziellen Holocaust-Story standen ganz gewaltige Interessen, die nicht unbedingt die Wahrheit als oberstes Gesetz betrachteten. Ich möchte mich damit nicht in irgendeiner Weise mit einer spezifischen Interpretation des Holocausts identifizieren, sondern mich nüchtern zur Problematik der Geschichtsbewältigung äußern, damit auch kontroversen Ideen ein Freiraum gelassen wird. Unser Freund Norman Finkelstein hat immerhin darauf hingewiesen, dass der Holocaust systematisch instrumentalisiert wurde und immer weiter instrumentalisiert wird. Damit liegt fest, dass bestimmte Kreise ein reges und recht materielles Interesse an einer bestimmten Geschichtschreibung hatten (und haben). Ich bedauere nur, dass ein Mann wie Atzmon - und nicht nur er - sich mehr für die Aufklärung von mutmasslichen Mythen über den Holocaust einsetzt als für die Aufklärung des Mythos des islamistischen Terrorismus, der mit den Anschlägen des 11. September ins Leben gerufen wurde und der jeden Tag Opfer bringt: Kriege gegen ganze Völker, die schleichende Entstehung eines Polizeistaates in westlichen Ländern, die Verbreitung der Islamophobie (wie bei Hitler des Antisemitismus), und die Ausschaltung des Rechtsstaates. Hier dreht es sich nicht um die Zukunft eines einzigen unterdrückten Volkes (Palästinenser), sondern um die Errichtung eines globalen Polizeistaates, in dem alle Völker unterdrückt werden. Ich plädiere daher für eine leichte Änderung in den Schwerpunkten unseres Kampfes bzw. für die Eingliederung der Aufklärung der neuen Mythen gegen Muslime in unseren Kampf gegen den Zionismus. Ich bitte meine anti-zionistischen Freundinnen und Freunde, ihre Gefühle in ihrem Umgang mit Mitstreiterinnen zu zähmen. Uns allen geht es um die Bekämpfung einer Ideologie und Staatspraxis (Zionismus), die schon fast 100 Jahren Unrecht in Palästina stiftet und den Weltfrieden gefährdet. Wir tun das aus ethischen Gründen. Wir sollten uns auf dieses Ziel konzentrieren - auch wenn jeder von uns aus verschiedener persönlicher Lage zu diesen Schlussfolgerungen gekommen ist - und auch wenn Mitstreiter sich undiplomatisch oder fehlerhaft äußern. Es soll uns nicht interessieren, wer mit wem geschlafen hat, wer an wen Geld überwiesen hat oder ob jene Mitstreiter nachts schnarchen. Heute Anti-Zionist zu sein, ist eine Last, die wir bereit sind zu tragen. Wir sollten unseren MitstreiterInnen echte Solidarität zeigen - trotz unserer persönlichen Neigungen bzw. Abneigungen. Mit solidarischen Grüßen, Elias Davidsson Geb. in Palästina 1941 18. Januar 2011 (im Gedenken an meine liebe Mutter, die heute 95 Jahre geworden wäre) 10.2.2011 - Was hat Gilad Atzmon in Stuttgart wirklich gesagt? - von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann Ein wesentlicher Satz - gleich zu Beginn von Gilad Atzmons Grußwort auf der Stuttgarter Konferenz - ist sicher folgender: "Wir alle sind uns über 'EINEN Staat' einig, wir alle stimmen darin überein, dass dies die wahrscheinlich einzige ethische und universale Herangehensweise an die Krise ist. Wir alle sind uns einig, dass dies der richtige Weg zum Frieden ist." Der jüdisch sozialisierte Gilad Atzmon führt in diesem Zusammenhang aus, daß Universalität und Frieden im Sinne von Versöhnung der jüdischen und besonders der israelischen Kultur sehr fremd seien. Jüdische Kultur sei stammesorientiert. Und wenn Israelis das Wort 'shalom' verwenden, sei damit nicht Frieden sondern Sicherheit für Juden gemeint. Außerdem ist es für ihn entscheidend, mittels Boykott, Kapitalentzug und Sanktionen (BDS) maximalen Druck auf Israel zu entwickeln. Daß derartige Äußerungen bei Verfechtern rassistischer zionistischer Ideologie krasse Reaktionen hervorrufen, ist verständlich. Daß dies auch innerhalb der Palästina-Solidarität der Fall ist, ist nur schwer nachvollziehbar. Herausgegriffen wurde bislang insbesondere die folgende Passage: "Ich denke, dass Israel weit schlimmer ist als Nazi-Deutschland. Warum? Israel ist eine Demokratie. Nazi-Deutschland war keine Demokratie. Der Reichstag wurde aufgelöst, die Deutschen haben null Verantwortung für Handlungen und Verbrechen, die von den Nazis begangen und ausgeführt wurden. Und Israel ist eine Demokratie und jeder Bürger ist mitschuldig. Jeder Bürger ist mitschuldig, so wie ich mitschuldig an den Verbrechen bin, die im Irak begangen werden als ein britischer Staatsbürger." Diese Passage diente dazu, Gilad Atzmon zu disqualifizieren und eine Diskussion mit ihm abzulehnen. Ist das gerechtfertigt? Die Antwort ergibt sich, wenn wir betrachten, aus welchem Zusammenhang diese Sätze herausgegriffen sind. Die herausgelöste Passage ist Teil eines Nebengedankens, mit der er erläutert, warum ihm Vergleiche mißfallen - Vergleiche zwischen Israel und Nazi-Deutschland und zwischen Israel und Südafrika. Das wird mit der Reduktion auf die herausgelöste Passage unterschlagen. [siehe dazu den kompletten Einschub: unten] Im wesentlichen aber geht es Gilad Atzmon darum, den Israelis einen seines Erachtens sehr wichtigen Gedanken nahe zu bringen, den er wie folgt ausführt: "Aber dann wurde mir ein sehr, sehr wichtiges Konzept klar. Und es ist das einzige Konzept, das wir den Israelis nahe bringen können. Und es ist sehr einfach [hier folgt der Einschub mit der herausgelösten Passage - siehe unten] Ich denke, dass die Angst der Israelis und die Hysterie über die Delegitimierung Israels etwas mit der Tatsache zu tun hat, dass sie vielleicht zu erkennen beginnen, dass sie mit den Palästinensern zusammen leben werden... Dies ist das Wichtigste, das ich selbst Ihnen heute sagen kann. Die Israelis sind nun gefangen – Gefangene palästinensischer zukünftiger Güte. Keiner kann den Israelis das vergeben, was sie tun, weder die Briten noch die Franzosen noch die Deutschen – all diese Verbrechen. Das einzige Volk, das ihnen jemals vergeben können wird, sind die Palästinenser. Damit Israelis Begnadigung erfahren, müssen sie JETZT anfangen, zu denken, weil sie – [sie müssen anfangen zu denken:] Wir sind vom Schicksal dazu verurteilt, in dieser Gesellschaft zu leben. Dies ist nunmehr ein unumkehrbarer Prozess. Es wird EIN Staat sein und wir müssen sicher stellen, dass sie dies verstehen – und verstehen, dass sie bei allem, was sie jetzt tun, von palästinensischer Güte abhängig sind. Wir müssen ihnen diesen Punkt klar machen." Das ist ein ungewöhnlicher Gedankengang, aber keineswegs ein zu verurteilender, sondern ein sehr überzeugender, menschlicher Gedankengang, bei dem wir mithelfen sollten, daß er Verbreitung findet. Wir dürfen nicht weiter mitspielen bei der Vertauschung von Räubern und Beraubten, von Unterdrückern und Unterdrückten, von Terroristen und Terrorisierten. Wir müssen erkennen, wer an wem über Jahrzehnte systematisch Verbrechen begangen hat. Und in diesem Zusammenhang müssen wir entsprechend des Gedankens von Gilad Atzmon erkennen: das darf so nicht weiter gehen. Jedes weitere Verbrechen, das Israel an den Palästinensern begeht, schürt den Haß gegen diesen Staat und macht eine Versöhnung immer unmöglicher. Das können wir nicht wollen - insbesondere wenn wir tatsächlich Bestandteil einer christlichen Kultur sind. Der gedankliche Einschub lautet komplett [die herausgelöste Passage ist kursiv hervorgehoben]: "Wir hörten bereits vom Vergleich zwischen Israeli – Israel und Nazi-Deutschland. Ich mag diesen Vergleich nicht, weil ich denke, dass Israel weit schlimmer als Nazi-Deutschland ist. Warum? Israel ist eine Demokratie. Nazi-Deutschland war keine Demokratie. Der Reichstag wurde aufgelöst, die Deutschen hatten Null Verantwortung für Taten, die von den Nazis verübt wurden. Nur Leute, die direkt ein Verbrechen begingen oder es politisch leiteten. Und Israel ist eine Demokratie: jeder Bürger ist mitschuldig - ebenso sehr, wie ich als britischer Staatsbürger an dem Verbrechen mitschuldig bin, das gerade jetzt in Irak begangen wird. Offensichtlich bin ich nicht so verantwortlich wie Tony Blair oder Lord Goldsmith oder evtl. Lord Levy, der sein Geldbeschaffer Nr. 1 war. Der Vergleich zwischen Israel und Südafrika... es gab [in Südafrika] Massaker - aber es gab keinen Völkermord, keine genozidale Politik gegen Schwarze. Das ist [jedoch], was in Israel geschieht, was in Gaza 2008/2009 geschah. Allerdings liebe ich Vergleiche nicht, doch..." Das sind - nebenbei vorgebrachte - Überlegungen, die dennoch zu Denken geben - aber keineswegs dazu berechtigen, die Kommunikation zu verweigern - zumal im Mittelpunkt ein Konzept steht, das humaner kaum sein kann. Komplettes Transkript des von Gilad Atzmon am 27.11.2010 in Stuttgart vorgetragenen Grußworts: Good afternoon, I'm very very delighted to be here, I wasn't planning to be here. And I' am just having a concert not far from here. Ahm - I'm very delighted to sit on this platform with pretty incredible people. I think that you've managed to gather the - few of the most profound and eloquent intellectuals and speakers and activists on this very important issue. I've very short time 'cause I've to leave soon. I will try - I usually manage to say everything I want to say just in a very few words because I don't hold back. I've a reputation for being a suicidal activist. We all agree about one state, we all agree that this is the - probably the only ethical and universal approach to the crisis. We all agree that that this is the right means toward peace. But somehow we tend to forget or to dismiss the fact that the word 'universal' is very foreign to Jewish culture. Jewish culture is tribally orientated. We always tend to forget the clear fact that peace that - you know, you see 'peace' in the form of reconciliation, loving your neighbour - again is very foreign to Jewish culture and definitely Israeli culture. Israelis have the word 'shalom' - you have heard the word 'shalom' - but 'shalom' doesn't mean peace. 'Shalom' means security to the Jews. It's a very different concept. You had war in this country - twice at least in [the] last century and you managed to evolve into a situation at peace and you have reconciliation. I travel a lot between, you know, these European countries that used to fight. Now, interesting enough the Zionism was a very interesting project. It was there to civilize the Jews. This is not Gilad Atzmon, this is Herzl. He said, 'We want to be people like all other people.' Means: We want to transcend ourselves beyond the tribal ideology. We want to understand what peace is all about. We want to be authentic to living on a land to [phon.:] walk / [Evtl. semant. :] work??. It was quite a nice idea except the fact that it was on the expense of other people - you know. Probably we think about naive/nice??, we want, Jews, we want to ... [unhörbar / abgebrochen]. It's not a bad idea, but probably this planet is not the right place. Just because the notion of loving your neighbour is foreign to this culture. This is why Christ is such an interesting revelation. He said: 'Everything is fine, just let's accept the fact that we are all brothers and sisters. ---- Anyway, what we want to pursue with this agenda and as - I think as I understood, Ilan and Ali Abunima mentioned - we are a mass movement. Inspite of our politicians that betrayed on regular basis not just about Palestine: Look at your economy. Palestine is just one side of the story. The Zionification of Western politics is a disastruous – a disastrous story. And it's because a - a lot [because] - of the Zionist war that we are fighting and that nobody wants to talk about. War in Iraq - 1.5 million Iraqis ... . Not very complicated to see and I think that a lot of people are seeing it. And the question is how to transform this movement into a mass movement. This is one issue. The other very interesting thing we can do and we spoke – I'm sure - quite a bit, I heard a bit about the BDS - sanctions, boycott, [dis]investments - is to put - not to stop ourselves - to put as much pressure on Israel as we can. And I, rather than talking in very academic and philosophical manner - I tell you something very - a small story, I['ll] share a story that happened to me last week. Few days ago at least a very brave Israeli has managed to leak a list of 200 Israeli war criminals. Have you heard about it? For some reason that I don't know - I don't know what is the reason, in the Israeli press it came out - they blamed me for being the person which is pretty – I would be very proud to, but it wasn't me. I don't live in Israel, I don't live in this place. There was a question [from the audience – Übers.] about identity - I define myself as an Hebrew speaking Palestinian - you know. You know, so - and I won't live in Palestine before it is Palestine, before it's free Palestine. So, I am definitely not the person but I - apparently on the net I was the first to [be] link[ed] to it. Regardless of the 200 death threats that I managed to receive. Israeli news channel that published the fact, the false fact, you know - that I am the person, yeah, the person behind it, contacted me and I managed to talk to them. And I was quite shocked because they were only interested to find the whistleblower, the person who leaked. I told them, I said: I really don't understand. You have 200 war criminals. Apparently it's a leak from your ministry of defense or from the attorney general or what - you know, whatever - and you are concerned with the person. Actually the person that did it did the best thing that anyone could do for Israel. It tries to explain to the next generation of Israeli combattants that there will be a clear price, that there will be consequences for nonethical [ergänze: acts] or war crimes, whatever. Aaahm, I think that the people of the Israeli news channel were not very interested in my views. But I then realized a very, very important concept. And it's the only concept that we can deliver to the Israelis. And it is very simple. We heard already comparison between Israeli - Israel and Nazi Germany. I don't like this comparison because I really think that Israel is far worse than Nazi Germany. Why? Israel is a democracy. Nazi Germany was't a democracy, the Reichstag was dissolved. The Germans had zero responsibility for acts that were committed by Nazis. Only people who were directly perpetrating a crime or were politically leading it. And Israel is a democracy, every citizen is complicit [Frage von Atzmon: „2 Minutes? ...[unhörbar] Ja, ja.“] Every citizen is complicit as much as I am complicit in the crime that is committed in Iraq right now - as a British citizen. I am not - obviously - I am not as responsible as Tony Blair or Lord Goldsmith or may be Lord Levy, who was his number 1 fund-raiser. The comparison between Israel and South Africa: South Africans didn't kill - there were massacres - but there was no genocide, genocidal policy - against blacks. This is what is happening in Israel, what happened in Gaza in 2008 - 2009. However, I don't like comparisons, but I think that the fear of the Israelis and the hysteria to do with the delegitimization of Israel has something to do with the fact that they may start to realize that they are going to live with Palestinians. [unhörbare Rücksprache mit anderen Panelists] No, no, no, I'm coming to my point. [cross-talk] This is the most important thing I can tell you today myself. Israelis are now imprisoned - imprisoned by Palestinian future kindness. No-one can forgive the Israelis for what they do, nor the British, nor the French, nor the Germans all those crimes. The only people that will ever be able to forgive them are the Palestinians. For Israelis to get amnesty they have to start to think now because they - we are doomed to live in this society. This is [an] irreversible process now. It will be 1 state and we have to make sure that they understand it - and to understand that everything they do now – they are dependent on Palestinian kindness. We have to make this point clear to them. Deutsche Übersetzung des Transkripts des von Gilad Atzmon am 27.11.2010 in Stuttgart vorgetragenen Grußworts: Einen guten Nachmittag. Ich freue mich sehr, hier zu sein; ich plante nicht, hier zu sein. Und ich habe gerade ein Konzert nicht weit von hier. Ahm – Ich freue mich sehr, zusammen mit recht unglaublichen Leute auf dieser Bühne zu sitzen. Ich denke, dass es Ihnen gelungen ist, die – ein paar der profundesten und eloquentesten Intellektuellen und Redner und Aktivisten zu diesem sehr wichtigen Thema zu versammeln. Ich habe [nur] ganz kurz Zeit, da ich bald [wieder] aufbrechen muss. Ich werde versuchen – üblicherweise gelingt es mir, alles, was ich sagen will, mit nur einigen wenigen Worten zu sagen, weil ich [mich] nicht zurückhalte. Ich habe den Ruf, ein selbstmörderischer Aktivist zu sein. Wir alle sind uns über „EINEN Staat“ einig, wir alle stimmen darin überein, dass dies die – wahrscheinlich die einzige ethische und universale Herangehensweise an die Krise ist. Wir alle sind uns einig, dass dies der richtige Weg zum Frieden ist. Aber irgendwie tendieren wir dazu, die Tatsache zu vergessen oder von der Hand zu weisen, dass das Wort „universal“ der jüdischen Kultur sehr fremd ist. Die jüdische Kultur ist tribal orientiert. Wir neigen stets dazu, die klare Tatsache zu vergessen, dass Frieden -– Sie wissen: Sie sehen „Frieden“ in der Gestalt von Versöhnung, Nächstenliebe –- wiederum der jüdischen Kultur und definitiv der israelischen Kultur sehr fremd ist. Israelis haben das Wort „Schalom“ - Sie haben das Wort „Schalom“ gehört – aber „Schalom“ bedeutet nicht „Frieden“. „Schalom“ bedeutet für die Juden Sicherheit. Dies ist ein gänzlich anderes Konzept. Sie hatten Krieg in diesem Land - mindestens zweimal im letzten Jahrhundert - und Sie haben die Entwicklung hin zu einem Zustand des Friedens geschafft - und Sie haben Versöhnung. Ich reise viel zwischen, Sie wissen, diesen europäischen Ländern, die [sich] zu bekämpfen pflegten. Nun, interessanterweise war der Zionismus ein sehr interessantes Projekt. Er war dazu da, die Juden zu zivilisieren. Dies ist nicht Gilad Atzmon, dies ist Herzel [der dies sagt]. Er sagte: „Wir wollen Menschen wie alle anderen Menschen sein.“ Das bedeutet: „Wir wollen über uns selbst hinausgehen - über die Stammesideologie hinaus. Wir wollen verstehen, was es alles mit dem Frieden auf sich hat. Wir wollen authentisch auf einem Land leben, auf dem wir [phonet.:] gehen [semant.: das wir bearbeiten??] [können]. Es war eine recht schöne Idee, abgesehen von der Tatsache, dass dies auf Kosten anderer Menschen ging, wie Sie wissen. Wahrscheinlich denken wir über ... schön, wir wollen, [wir] Juden, wir wollen .. [unhörbar/abgebrochen]. Es ist keine schlechte Idee, aber wahrscheinlich ist dieser Planet nicht der richtige Ort dafür. Eben weil der Gedanke der Nächstenliebe dieser Kultur fremd ist. Aus diesem Grunde ist Christus eine solch interessante Offenbarung. Er sagte: „Alles schön und gut, nur lasst uns die Tatsache akzeptieren, dass wir alle Brüder und Schwestern sind. ---- Auf jeden Fall: Was wir mit dieser Agenda verfolgen möchten und als – ich glaube, wie ich verstanden habe, Ilan und Ali Abunima erwähnten es – wir sind eine Massenbewegung. Trotz unserer Politiker, die uns regelmäßig nicht nur bezüglich Palästinas betrogen. Schauen Sie sich Ihre Wirtschaft an. Palästina ist nur eine Seite der Geschichte. Die Zionisierung der westlichen Politik ist eine verheerende – eine verheerende Geschichte. Und dies wegen – es ist in einem großen Maße wegen des zionistischen Krieges, den wir kämpfen und über den niemand sprechen will. Krieg in Irak – 1,5 Millionen Irakis ... Nicht sehr kompliziert zu sehen und ich glaube, dass eine Menge Leute dies sehen. Und die Frage ist, wie diese Bewegung in eine Massenbewegung zu transformieren ist. Dies ist ein Thema. Die andere sehr interessante Sache, die wir tun können, und wir sprachen – Ich bin sicher – recht viel, Ich hörte etwas über BDS – Sanktionen, Boykott, [Des]Investionen – ist nun – nicht uns zu stoppen – ist, so viel Druck auf Israel auszuüben, wie wir können. Und ich werde Ihnen – anstatt in sehr akademischer und philosophischer Weise zu sprechen – eine kleine Geschichte erzählen, ich werde eine Geschichte berichten, die mir in der letzten Woche passiert ist. Vor ein paar Tagen ist es zumindest einem tapferen Israeli gelungen, eine Liste von 200 israelischen Kriegsverbrechern durchsickern zu lassen. Haben Sie davon gehört? Aus einem Grunde, den ich nicht kenne – Ich weiß nicht, was der Grund ist – es kam in der israelischen Presse heraus – beschuldigten sie mich, die[se] Person zu sein, was ziemlich – ich wäre sehr stolz darauf, aber ich war es nicht. Ich lebe nicht in Israel, ich lebe dort nicht. Es gab eine Frage [aus dem Publikum – Übers.] zur Identität: ich definiere mich als Hebräisch sprechenden Palästinenser, Sie wissen. Sie wissen, also – und ich werde erst in Palästina leben, wenn es Palästina ist, wenn es ein freies Palästina ist. Ich bin also definitiv nicht die[se] Person, aber ich - im Internet war ich offensichtlich der Erste, der damit in Verbindung gebracht wurde. Abgesehen von den 200 Todesdrohungen, die es mir gelungen ist, zu bekommen. [Der] israelische Nachrichtenkanal, der diese Tatsache, die falsche Tatsache veröffentlichte, - Sie wissen: dass ich die Person, ja, die Person dahinter bin - nahm mit mir Kontakt auf und ich schaffte es, mit ihnen zu sprechen. Und ich war ziemlich schockiert, da sie nur daran interessiert waren, den Whistleblower zu finden, die Person, die dies hat durchsickern lassen. Ich sagte ihnen, ich sagte: „Ich verstehe wirklich nicht. Sie haben 200 Kriegsverbrecher. Offensichtlich ist es ein Leck in Ihrem Verteidigungsministerium oder beim Generalstaatsanwalt oder was, Sie wissen schon, was auch immer und Sie beschäftigen sich [nur] mit dieser Person. Tatsächlich hat die Person, die dies tat, das Beste getan, das jemand für Israel tun könnte. Dies versucht, der nächsten Generation israelischer Kämpfer zu erklären, dass es einen deutlichen Preis geben wird, dass es Konsequenzen für nicht-ethische [ergänzt:Taten – Übers.] oder Kriegsverbrechen, was auch immer, geben wird. Aahm, ich denke, dass die Leute vom israelischen Nachrichtenkanal nicht sehr an meinen Ansichten interessiert waren. Aber dann wurde mir ein sehr, sehr wichtiges Konzept klar. Und es ist das einzige Konzept, das wir den Israelis nahe bringen können. Und es ist sehr einfach. Wir hörten bereits vom Vergleich zwischen Israeli – Israel und Nazi-Deutschland. Ich mag diesen Vergleich nicht, weil ich denke, dass Israel weit schlimmer als Nazi-Deutschland ist. Warum? Israel ist eine Demokratie. Nazi-Deutschland war keine Demokratie. Der Reichstag wurde aufgelöst, die Deutschen hatten Null Verantwortung für Taten, die von Nazis verübt wurden. Nur Leute, die direkt ein Verbrechen begingen oder es politisch leiteten. Und Israel ist eine Demokratie: jeder Bürger ist mitschuldig [Frage von Atzmon:] 2 Minutes? ... [unhörbar] Ja, ja. Jeder Bürger ist mitschuldig - ebenso sehr, wie ich an dem Verbrechen mitschuldig bin, das gerade jetzt im Irak begangen wird - als britischer Staatsbürger. Offensichtlich bin ich nicht so verantwortlich wie Tony Blair oder Lord Goldsmith oder evtl. Lord Levy, der sein Geldbeschaffer Nr. 1 war. Der Vergleich zwischen israel und Südafrika: Südafrikaner töteten nicht – es gab Massaker – aber es gab keinen Genozid, keine genozidale Politik gegen Schwarze. Dies ist [jedoch], was in Israel geschieht, was in Gaza 2008-2009 geschah. Allerdings liebe ich Vergleiche nicht, doch ich denke, dass die Angst der Israelis und die Hysterie über die Delegitimierung Israels etwas mit der Tatsache zu tun hat, dass sie vielleicht zu erkennen beginnen, dass sie mit den Palästinensern zusammen leben werden. [Unhörbare Rücksprache mit anderen Panelists – Übers.] Nein, nein, nein, Ich komme zu meinem Punkt. [Wortwechsel] Dies ist das Wichtigste, das ich selbst Ihnen heute sagen kann. Die Israelis sind nun gefangen – Gefangene palästinensischer zukünftiger Güte. Keiner kann den Israelis das vergeben, was sie tun, weder die Briten noch die Franzosen noch die Deutschen – all diese Verbrechen. Das einzige Volk, das ihnen jemals vergeben können wird, sind die Palästinenser. Damit Israelis Begnadigung erfahren, müssen sie JETZT anfangen, zu denken, weil sie – [sie müssen anfangen zu denken:] Wir sind vom Schicksal dazu verurteilt, in dieser Gesellschaft zu leben. Dies ist nunmehr ein unumkehrbarer Prozess. Es wird 1 Staat sein und wir müssen sicher stellen, dass sie dies verstehen – und verstehen, dass sie bei allem, was sie jetzt tun, von palästinensischer Güte abhängig sind. Wir müssen ihnen diesen Punkt klar machen. [Dank an A.S. für die Erstellung von Transkript und Übersetzung] Die Debatte als PDF-Datei |
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Wer hat begonnen? Gideon Levy in der israelischen Tageszeitung Haaretz vom 13.7.2006 |
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Michael, gib den Preis zurück! Offener Brief des Bundesverbands Arbeiterfotografie an DGB-Chef Michael Sommer wegen dessen Auszeichnung im Rahmen des 3. Deutschen Israel-Kongresses, 15.11.2013 |
Song for Gaza Aus Anlaß der völkerrechtswidrigen israelischen Militär-Operation »Zuk Eitan« (Fester Felsen) gegen GAZA im Juli 2014 |
Das Massaker in Gaza beenden Offener Brief des Bundesverbands Arbeiterfotografie an die Repräsentanten des Staates Israel und seine Unterstützer, 11.8.2014 |
Gegen die Stützung von Rassismus und Kriegsverbrechen Offener Brief an Gregor Gysi, Petra Pau, Volker Beck, Reinhold Robbe und die Leitung der Volksbühne, 12.11.2014 |
Warum ich Gregor Gysi zur Rede stellen wollte Stellungnahme eines in Israel lebenden Juden, von David Sheen, 13.11.2014 |
Wenn Rechte sich als Linke tarnen Offener Brief an die Unterstützer von Rassismus und Kriegsverbrechen, von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann, 19.11.2014 |