Drohender Kriegsschauplatz Iran |
Atombombe auf Israel, um die palästinensischen Freunde zu befreien? Walter van Rossum über die Iran-Berichterstattung in seinem Buch 'Die Tagesshow - Wie man in 15 Minuten die Welt unbegreiflich macht', September 2007 Alle Jahre wieder fühlen sich die Vereinigten Staaten von Amerika in ihrer Sicherheit bedroht und drohen mit einem Präventivkrieg. Die USA haben nach dem zweiten Weltkrieg Dutzende solcher Kriege im Namen der Freiheit geführt. Bis auf drei Ausnahmen sind sie sämtlich völkerrechtlich als Angriffskriege einzustufen. Und in keinem einzigen Fall ist dabei die Freiheit zum Zuge gekommen, es blieben Millionen Tote, Traumatisierte, Verkrüppelte zurück, zerstörte Länder, die fortan von abhängigen und korrupten Regimes regiert wurden. Die Bilanz ist höllisch, gleichwohl wenig bekannt. Auch im Fall des Irak gab es keine wahrnehmbare Bedrohung, es gibt vielmehr zahllose Indizien, die dafür sprechen, dass die USA den Bedrohungsfall von A-Z vorsätzlich inszeniert haben, um einen imperialistischen Angriffskrieg zu führen. Kaum hatten sie den Irak überfallen, begannen sie das Spiel zu wiederholen. Diesmal ging es um den Iran - und geht es noch. Iran baut Atombomben, lautet die Direktive. Und unsere Tageshows sind wieder voll dabei. Ich habe Anne Will freundlich gefragt, ob sie denn nichts gelernt habe aus der amerikanischen Propagandapolitik in Sachen Irak. Und ob man dem Zuschauer nicht vor allem erst mal klar machen müsste, was es mit dem iranischen Atomprogramm auf sich hat? Anne Will hält das für eine völlig falsche Darstellung. Oh, nein, man hat die Sache genau richtig dargestellt. Das Problem sei ja wohl, dass man dem Iran unterstellt, er wolle Uran nicht nur aus friedlichen Zwecken anreichern. Und dazu hat ja auch der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad erheblich beigetragen. Der wäre ja schließlich kein Waisenknabe, und habe immerhin die Absicht, Israel zu vernichten. Das sagt er ganz klar. Das könne sie, Anne Will, mir aber zeigen. Ob ich das Spiegel-Interview gelesen habe? Außerdem hat er seine Absichten auf verschiedenen Großkundgebungen in Teheran wiederholt, das haben wir ja auch in unseren Beiträgen gezeigt. Das ist ja sein Credo. Inwiefern die Mullahs dahinterstehen, wissen wir nicht. Jedenfalls haben Sie ihn nicht zurückgepfiffen. Mit anderen Worten: Anne Will vertritt exakt die Linie der Bush-Administration. Das ist ihr gutes Recht. Problematischer wird es dadurch, dass auch Tagesschau und Tagesthemen der Sache kaum distanzierter gegenüberstehen. Denn bestenfalls ist diese Sicht der Dinge einfach komisch: dass nämlich der Iran jetzt schnell eine Atombombe baut und sie auf Israel wirft, um die palästinensischen Freunde zu befreien, und dann geht es mit Langstreckenwaffen weiter nach Europa und Amerika. Man muss schon mental ziemlich zerrüttet sein, um in solchen Plänen den Hauch von Logik und Plausibilität zu erkennen. Vor allem gibt es keine handfesten Fakten, die das belegten. Dafür hat man jede Menge gezielte Halbwahrheiten und Unterstellungen in Umlauf gebracht. Doch wie wir gelernt haben, schließt das offenbar Groteske nicht das entsetzlich Gefährliche aus. Schließlich haben die USA bereits mit dem Einsatz militärischer Mittel gedroht, was laut UNO-Charta bereits eine kriegerische Handlung bedeutet, doch von den Tagesshows als ganz normaler Vorgang dargestellt wird. Kurz, anstatt die Sache durch Informationen klarzustellen, machen sich die Tagesshows mal wieder zum Vollstreckungsgehilfen. Denn entgegen Anne Wills Behauptung, man habe genau informiert, habe ich weder in Tagesschau noch in Tagesthemen auch nur einen einzigen Bericht gefunden, der den iranischen Nuklearfrevel exakt beim Namen nennt. Angesichts des entsetzlich schlechten ARD-Archivs mag ich vielleicht diese eine Sendung übersehen haben, doch es wäre schon erstaunlich, denn alle von mir zu diesem Thema untersuchten Sendungen bieten Bericht für Bericht die selbe unverzeihliche Mischung aus Halbwahrheiten und amerikanischem Propagandafilm. Es empfiehlt sich deshalb, zunächst einmal die Probleme des iranischen Atomprogramms so dazustellen, wie es die Tatsachen gebieten. Übrigens, ja, ich habe das Spiegel-Interview mit Mahmud Ahmadinedschad gelesen. Darin findet sich nicht der kleinste Hinweis darauf, dass der iranische Präsident plante, Israel zu vernichten. Ich lese das eher als Kammerspiel, in dem drei reichlich überforderte Spiegel-Redakteure versuchen, Ahmadinedschad zu solchen Äußerungen zu provozieren. Und im Eifer des Gefechts merken sie gar nicht, dass der iranische Präsident eine Menge Punkte formuliert, die man hier sonst gerne vergisst. Dass Ahamdinedschad kein Freund Israels ist, wird man ihm nicht verdenken, schließlich wird zur Zeit in Israel in aller Beiläufigkeit offen diskutiert, ob man nicht mal den Iran bombardieren solle, wie man es ja zuvor schon mit dem Irak gehalten hat und mit noch einigen Ländern, die in israelischer Reichweite liegen. Doch bekanntlich ist von der Bedrohung, die von Israel ausgeht, grundsätzlich nie die Rede. Stets ist die Existenz Israels bedroht, und damit sind alle Mittel erlaubt. Außerdem erinnert Ahmadinedschad an die Unterstützung des Schah-Regimes durch den Westen und daran, dass der irakische Angriff gegen den Iran von der freien Welt in jeder Hinsicht unterstützt wurde. Man möchte seine Ausführungen in einigen Punkten noch ergänzen. Zum Beispiel wurde die erste iranische Demokratie unter dem Präsidenten Mossadegh 1953 mit Hilfe von amerikanischen und britischen Geheimdiensten weggeputscht, weil Mossaddegh sich erlaubt hatte, die Ölquellen zu verstaatlichen - mit dem Ergebnis, dass Reza Pahlevi auf dem Pfauenthron Platz nehmen konnte. Ein Mann, über dessen brutale Diktatur die "freie Welt" generös hinwegzublicken pflegte, Hauptsache das Öl floss wieder durch britische und amerikanische Firmen. Und mit Recht verweist Ahmadinedschad darauf, dass man keine Probleme hatte, diesem furchtbaren Diktator alle Technologien zur Verfügung zu stellen, die den Aufbau einer Atomindustrie ermöglichten. Als dann aber wegen des Regimes des Schahs die Mullahs an die Macht geraten konnten, fiel der freien Welt nichts anderes ein, als Saddam Hussein einen Krieg gegen das Nachbarland führen zu lassen. Man stattete den Mann mit allem aus, was sein gewaltbereites Herz begehrte. Auch mit den furchtbarsten Massenvernichtungswaffen. Als Hussein dann achtmal Giftgas gegen den Iran zum Einsatz gebracht hatte, schafften es die Amerikaner, das auch noch als iranischen Propagandatrick zu verkaufen, obwohl sie teilweise Saddam Hussein selbst die Ziele für seine Einsätze souffliert hatten. Der Iran wandte sich mehrfach wegen des Einsatzes verbotener chemischer und biologischer Waffen an die Vereinten Nationen, doch es gab es in der UNO nicht einmal diplomatische Irritation, denn die Herolde der freien Welt wollten nichts über irgendwelche Massenvernichtungswaffen wissen. So gesehen bekommt man eine Ahnung davon, warum die Iraner so ihre Zweifel an der Lauterkeit des Westens haben. Wenn man schließlich bedenkt, dass der Atomwaffenverdacht gegen den Iran genau in dem Moment laut wurde, als man bereits deutlich mit den Vorbereitungen auf die Irak-Invasion beschäftigt war - und zwar im Namen eines gefälschten Verdachts auf Besitz von Massenvernichtungswaffen - und die "freie Welt" entweder den Irrsinn mitveranstaltete oder aber ihm tatenlos zuschaute, wenn man außerdem in Betracht zieht, dass gleichzeitig im Osten Irans Afghanistan von NATO-Truppen und amerikanischen Anti-Terror-Einheiten besetzt wurde und der Iran sich fortwährend amerikanischen Kriegsdrohungen ausgesetzt sieht, dann ahnt man vielleicht, wer sich hier bedroht fühlen muss - und zwar völlig zu Recht. Unter diesen Umständen, die die "freie Welt" in Jahrzehnten mühseliger Arbeit hergestellt und dabei den Tod von Millionen von Menschen nicht gescheut hat, wäre es sogar verständlich, wenn der Iran nach Atomwaffen strebte. Doch es wäre in gar keinem Falle wünschenswert. Was ist also dran - an dem iranischen "Nuklearprogramm"? Allein der Begriff wird so verwendet, dass der Eindruck entstehen muss, hier ginge es um etwas Unheimliches. Es gilt zunächst auf eine grundlegende Kleinigkeit zu verweisen, die kaum zur Sprache kommt, wenn vom iranischen "Atomprogramm" gesprochen wird: Selbstverständlich darf der Iran atomare Anlagen und atomare Forschung betreiben. Iran hat - wie fast alle Staaten - den Atomwaffensperrvertrag unterschrieben und sich damit verpflichtet, keine Atomwaffen zu entwickeln. Für die Behauptung, Iran baue "die Bombe", gibt es keinerlei handfeste Beweise. Noch Ende 2006 veröffentlichte der amerikanische Publizist Seymour Hersh die Ergebnisse einer geheimen Studie der CIA, die ausdrücklich bestätigt, keinerlei Hinweise auf verbotene nukleare Programme gefunden zu haben. (1) Doch in der Tat hat der Iran mehrfach gegen den Atomwaffensperrvertrag verstoßen. Teheran hatte u.a. damit begonnen, Uran anzureichern, ohne die Internationale Atomenergieorganisation in Wien (IAEO) zu informieren. Urananreicherung wird von vielen Staaten betrieben und ist auch keineswegs verboten, solange es sich um eine niedrige Urananreicherung zum Zweck der Energiegewinnung handelt. Der Verstoß Irans besteht allein darin, die Inbetriebnahme ihrer Anlagen zur Urananreicherung nicht der IAEO gemeldet zu haben, denn diese Anlagen müssen von der Atomenergiebehörde regelmäßig kontrolliert werden. Im Herbst 2004 hat Teheran sogar Zusatzprotokolle zum Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet, in denen der IAEO das Recht auf verschärfte und unangemeldete Kontrollen der iranischen Atomanlagen zugesagt wird. In der Zwischenzeit hat sich der internationale Druck auf den Iran dramatisch erhöht und die UNO hat - unter dem Druck der USA - ganz normale nukleartechnische Vorgänge wie die Urananreicherung verboten, seit dem gilt die iranische Insubordination als eine Art Beweis für die finsteren Absichten der Iraner. Trotzdem gibt es so wenig Beweise für ein geheimes Atomwaffenprogramm wie es Beweise für Saddam Husseins "Massenvernichtungswaffen" gegeben hat. Allein die Politik der Kriminalisierung ist identisch. Eine internationale Gruppe von Atomwaffengegnern hat eine Liste sämtlicher Verstöße zusammengestellt. (2) Wenn man den Atomwaffensperrvertrag ernst nimmt, dann handelte es sich bei diesen Vorgängen eindeutig um Verstöße. Um sich eine Vorstellung über die Größenordnung dieser Verstöße zu machen, wäre es allerdings wichtig, sich darüber im Klaren zu sein, in welchem Ausmaß die Großmacht, die auf der strikten Einhaltung des Atomwaffensperrvertrags pocht, diesen Vertrag im Falle der eigenen Interessen ignoriert. Hier ein kleiner Auszug aus dem Sündenregister der Atommacht USA:
Schließlich kann man noch daran erinnern, dass Syrien 2006 den Vorschlag gemacht hat, sämtliche Atomwaffen aus der Konfliktzone des Nahen und Mittleren Ostens komplett zu verbannen. George Bush d.J. hat diesen Vorschlag umgehend ablehnt. Denn das hätte natürlich auch bedeutet, dass Israel seine "geheimen" Atomwaffen hätte vernichten müssen. Und dabei wäre vermutlich auch zu Tage getreten, in welchem Ausmaß die USA das israelische "Atomprogramm" mitinstalliert haben - vollkommen illegal selbstverständlich. Sieht man die Sache so, dann zeichnet sich ein etwas anderes Szenario ab, als es unsere Tagesshows zu vermitteln belieben. Es bleibt wenig übrig von der iranischen Bombe, sehr viel deutlicher wird dagegen das legitime Sicherheitsbedürfnis des Iran. Ich habe mir Dutzende von Sendungen aus dem Hause ARD-aktuell über das angebliche Nuklearprogramm des Iran angeschaut. In keiner einzigen wurde je erklärt, worin denn das aggressive Atomprogramm des Iran eigentlich bestehe. In den allermeisten Fällen schien es den Berichterstattern schon zu genügen, dass Iran überhaupt über nukleare Technologie verfügt, um sämtliche Bedrohungsszenarien der USA für begründet zu erachten. Und prinzipiell entfiel dabei der kleine Hinweis, dass der Iran, wie andere Staaten auch, nukleare Forschung betreiben wie auch Anlagen zur friedlichen Nutzung der Atomenergie errichten darf. Vielleicht hat es im Laufe der letzten Jahre tatsächlich mal einen Bericht gegeben, in denen solche Informationen vorkamen. Doch in der überwältigenden Mehrheit aller Beiträge wurde das weder gesagt noch angedeutet und insofern dem Zuschauer der entscheidende Schlüssel zum Verständnis des iranischen "Atomprogramms" vorenthalten. Ich untersuche im Folgenden drei gewöhnliche Beiträge, die beispielhaft zeigen, wie man bei ARD-aktuell politisch äußerst angepasste Nachrichten macht. Nehmen wir also die Tagesschau vom 9. Juli 2003 20 Uhr. Nur zur Erinnerung: das ist zwei Monate nach dem die USA ‚mission accomplished' im Irak gefeiert hatten. Der Irak ist von den USA und ihren Verbündeten besetzt. Seitdem hatte sich nicht der geringste Hinweis auf Saddam Husseins Massenvernichtungswaffen gefunden. Die Gefahr für die amerikanische Politik besteht zu diesem Zeitpunkt u. a. darin, dass die bislang unterdrückte Mehrheit der Schiiten im Irak sich keineswegs an den Vorstellungen der Amerikaner zu orientieren bereit ist, sondern sich eher an die schiitischen Glaubensbrüder im Iran hält. Höchste Zeit also, im Iran einen neuen potentiellen Feind auszumachen, und zwar mit der gleichen Politik des Verdachts, die soeben im Irak funktioniert hat, obwohl die Fälschungen längst aufgeflogen sind. Da berichtet Dieter Sauter aus Istanbul über den Besuch von Mohammed El Baradei, den Chef der Internationalen Atombehörde, in Teheran. El Baradei dringe auf Unterzeichnung der Zusatzprotokolle. Was es mit den Zusatzprotokollen auf sich hat, das erklärt Sauter nicht. Der iranische Staatspräsident verlangt dafür Gegenleistungen. Zuerst müsse Amerika seinen Handelsboykott gegen den Iran aufgeben und das Land mit moderner Stromtechnologie versorgt werden. Doch dann sagt Sauter, wo das Problem liegt: "In den atomaren Forschungsanlagen des Iran befasse man sich auch damit, wie die Bombe gebaut wird, vermuten die USA und auch die EU wollen dem einen Riegel vorschieben." Russland baut im Süden des Landes die ersten Atomkraftwerke des Landes. All dies soll unangemeldet kontrolliert werden können. Worauf der Verdacht der Bush-Administration und der EU gründe, das erfahren wir natürlich nicht. Doch Sauter ermittelt: Wir sehen Bilder einer Pressekonferenz, angeblich handelt es ich um einen Studentenverband. "Studenten in Teheran sprachen sich gestern offiziell gegen die Unterzeichnung eines solchen Zusatzprotokolls aus. Der Vertreter des iranischen Studentenverbandes fordert: ‚Wir wollen auch die Atombombe, auch Israel habe solche Waffen.' Das offizielle Teheran beteuert indes: Wir wollen keine Atomwaffen. Baradei sagt zu, wenn Iran die Zusatzprotokolle unterzeichne, dann könne Iran auch mit moderner Atomtechnologie rechnen." Der Bericht endet mit einem interessanten Aufsager: "Die Regierung in Teheran weiß, auch wenn sie noch heute die Zusatzprotokolle unterzeichnen würde, der Druck aus Amerika würde deshalb um gar nichts nachlassen. Auch die EU und der deutsche Außenminister haben schon zu erkennen gegeben, nur die Unterzeichnung der Zusatzprotokolle würde auch das Misstrauen der EU nicht vollständig zerstreuen." Fast könnte man glauben, Sauter wollte dem Zuschauer reinen Wein einschenken: Selbst, wenn die Iraner alle verschärften Bedingungen der Atomenergiebehörde akzeptieren, ist es noch lange nicht genug. Erst wenn der Iran auf seine souveränen Rechte verzichtet, wenn es sich dem amerikanischen Druck beugt, erst dann geben Bush & Friends Ruhe. Dabei ist es geblieben, so ist der Stand der Dinge noch Anfang 2007. Doch ganz so deutlich will Sauter das natürlich nicht sagen, eher reicht er dem Zuschauer - wie sich das im Land der unbegrenzten Pressefreiheit gehört - einen vieldeutigen Kassiber, der sich nur dem entschlüsselt, der wesentlich mehr weiß, als die Tagesshows zu berichten gewillt sind. Machen wir einen Sprung von knapp drei Jahren. Jahre, in denen nach Belieben und Ermessen der USA immer mal wieder Druck gemacht wurde, Kriegsdrohungen ausgesprochen und angedeutet wurden, kurz, in denen man die angespannte Situation stetig unter Dampf hielt. Der Iran hat die Zusatzprotokolle unterschrieben, der Druck hat sich eher erhöht. Doch seit Mitte 2005 ist Mahmut Ahmadinedschad neuer Präsident des Iran, und der Mann ist wie geschaffen für die amerikanische Politik. Er versteigt sich gerne zu wüsten Ausfällen gegen Israel. Während man im Westen schon wieder händeringend vom Existenzrecht Israels schwärmt, übersieht man gerne, dass Israel es mit dem Existenzrecht anderer Völker nicht so genau nimmt. Und bereits 2005 hatte der amerikanische Journalist Seymour Hersh aufgedeckt, dass amerikanische und israelische Agenten im Iran bereits Ziele für einen militärischen Überfall ausspioniert hatten. (4) Und ebenso wenig wie Hersh geht es mir darum, Ahmadinesschad zu einem liebenswerten Zeitgenossen zu erklären, es geht alleine darum, wie Ahmadinedschad zur Zielscheibe westlicher "Befreiungskriege" bzw. Präventivschläge aufgebaut wird. In der Tagesschau, 20 Uhr, vom 10. Januar 2006 berichtet Sven Kuntze einmal mehr von der iranischen Bedrohung. Man sieht den deutschen Außenminister umringt von Sicherheitsbeamten, er strahlt Entschlossenheit aus. Kuntze: "Seit den frühen Morgenstunden weiß der Außenminister, dass der Iran sein Atomforschungsprogramm wieder aufgenommen hat und damit vermutlich eine internationale Krise heraufbeschworen hat." O-Ton Steinmeier: "Heute morgen hat die iranische Regierung offenkundig angefangen, die Siegel zu brechen zu Atomanlagen in Natans und damit Linien überschritten, von denen sie wusste, dass sie nicht ohne Folgen bleiben werden." Denn - so erläutert der Reporter - die Wiederaufnahme der Arbeiten in der Atomanlage von Natans gefährdeten die Bemühungen der EU, den Konflikt friedlich und ohne Einbeziehung der UN beizulegen. Doch leider verrät er nicht, worin der Konflikt eigentlich besteht. Es genügt also darauf hinzuweisen, dass der britische Außenminister die Befürchtungen seines deutschen Amtskollegen teilt - O-Ton Jack Straw: "Das gibt zu tiefer Besorgnis Anlass und verletzt die Abmachungen mit der Atomenergieagentur." Wie stets hält man den Atem an, wenn der Vertreter einer Nation, die das Völkerrecht im großen Maßstab schlicht ignoriert, sich auf internationale Abmachungen beruft. Kuntze fährt fort: "Der Vizechef der iranischen Atombehörde habe hingegen beteuert, sein Land handle in Übereinstimmung mit der Wiener Atomagentur. Deren Chef El Baradei unterstrich allerdings, das Verhalten Teherans könne nicht ohne Folgen bleiben." Doch immer noch versteht niemand, worin eigentlich das iranische Verbrechen bestehen soll. Hatte El Baradei nicht zugesichert, nach Unterzeichnung der Zusatzprotokolle wäre alles in Ordnung? Und der Bericht weiter: "Vermutlich Donnerstag treffen sich die Außenminister Frankreichs und Englands bei dem deutschen Kollegen." O-Ton Steinmeier: "Um zu sehen, ob unsere Verhandlungen der EU 3 [Deutschland, Frankreich, England] eine weitere Grundlage haben." Weder in diesem Beitrag noch in anderen Beiträgen wird je erklärt, welches Mandat eigentlich die "EU 3" habe, und was um Himmels Willen Herrn Steinmeier und Kollegen autorisiert, den Iran zur Einstellung seines Atomprogramms aufzufordern und zum Verzicht auf jegliche Form der Urananreicherung. Denn genau das waren die Forderungen der Europäer. Sie gleichen aufs Haar den Forderungen der Amerikaner. Andreas Zumach kommentiert in seinem Buch Die kommenden Kriege: "Auf eine solche Forderung, die eine Diskriminierung Irans anderen Ländern gegenüber bedeutet, würde sich jedoch auch eine demokratisch gewählte Regierung in Teheran nicht einlassen. David Kay, der ehemalige Chefwaffeninspekteur der USA im Irak, stellte Anfang 2005 völlig zu Recht fest, ‚die Eliminierung der heute im Iran vorhandenen atomaren Kenntnisse, Fähigkeiten und Kapazitäten wäre - wenn überhaupt - nur möglich um den Preis eines Krieges und der Besetzung des Landes." (5) Kuntzes Bericht schließt so: "Das Weiße Haus erklärte hingegen in Washington: Sollte Iran sein Atomprogramm fortsetzen, müsste der Fall vor den UN-Sicherheitsrat gebracht werden. Genau das, was die Europäer seit Jahren zu verhindern versuchen. Sie wären mit ihren Bemühungen gescheitert. Denn die USA haben in der Vergangenheit stets betont, dass sie eine atomare Aufrüstung des Iran nicht zulassen und auf jeden Fall verhindern würden." Und wieder stößt man auf einen verrätselten Kommentar. Warum wollen die Europäer eigentlich unbedingt verhindern, dass die Angelegenheit vor den UN-Sicherheitsrat gebracht wird? Der Fachmann versteht: in diesem Falle könnten die USA wieder verschärfte Sanktionen gegen den Iran durchsetzen. Das hieße aber auch, dass die Handelsbeziehungen mit dem Iran erheblichen Beschränkungen unterlägen. Andererseits stellt sich dann die Frage, warum auch die Europäer den Iran mit unannehmbaren Forderungen in Schach halten? Doch schließlich gelingt Sven Kuntze wieder in aller Beiläufigkeit anzukündigen, was sämtlichen bekannten Rechtsnormen zuwider liefe: nämlich dass die USA in jedem Falle - UNO hin oder her - dem Iran keinerlei Nutzung der Atomtechnologie zugestehen werden. Notfalls werde man sich militärisch zu helfen wissen. Und George Bush hat diese Option mehrfach ausgesprochen. Schließen wir unsere Beschreibung mit einer kurzen Meldung der Tagesschau vom 25. März 2007, 20 Uhr: "Iran hat die verschärften UN-Sanktionen im Zusammenhang mit seinem Atomprogramm zurückgewiesen. Ein Sprecher des Außenministeriums sagte, das Nuklearprogramm diene ausschließlich friedlichen Zwecken. EU Chef-Diplomat Solana kündigte an, er wolle neue Verhandlungen über den Stopp der Urananreicherung aufnehmen. Der UN-Sicherheitsrat hatte die Resolution gestern einstimmig angenommen. Bestimmte Auslandskonten sollen jetzt eingefroren und Waffenexporte aus Iran unterbunden werden." Ich sage es noch einmal: man hätte diese Meldung oder Dutzende andere auswählen können, stets wird man mit einem Fait accompli konfrontiert, ohne dass der Zuschauer die geringste Grundlage zur Beurteilung dieser Politik hätte. Um nur die einfachste aller Fragen zu stellen: Was hat sich der Iran eigentlich zu Schulden kommen lassen? Wie kommt es zu der Entscheidung des Sicherheitsrates? Welches Mandat hat Herr Solana, den Iran zum Stopp der Urananreicherung aufzufordern? Hat diese Politik eigentlich noch irgend etwas mit dem Iran zu tun und nicht vielmehr hauptsächlich mit den Vereinigten Staaten von Amerika? Handelt es sich bei den Entscheidungen des Sicherheitsrates nicht vielleicht darum, die USA an einem neuen Militärschlag im Nahen Osten zu hindern? Man darf sagen, die Tageschau steht allen Optionen zur Verfügung. Das nennt sie objektiv. Fußnoten: 1 Seymour Hersh, The Next Act. The New Yorker. 27. November 2006. 2 Die Streitpunkte: Der Iran behauptet, erst seit 1997 ein Zentrifugenprogramm zu betreiben. Dennoch entdeckte die IAEO, dass bereits seit 1985 an dieser Technologie gearbeitet wurde. Es ist umstritten, ob die erste Phase von 1985 bis 1997 bereits als Programm zu bezeichnen ist oder nur als dessen Vorbereitung, wie der Iran es sieht. Das Programm wurde nicht autonom entwickelt, wie der Iran ursprünglich behauptete, sondern kam mit ausländischer Hilfe zustande. Abdul Qadeer Khan, der "Vater" der pakistanischen Atombombe, gestand, Technologie an Libyen, Nordkorea und den Iran verkauft zu haben. Die IAEO entdeckte kleine Mengen hochangereicherten Urans (HEU). HEU wird in der Regel nicht zivil genutzt und dient dem Bau von Atomwaffen. Der Iran behauptet, dass das HEU nur eine "Verunreinigung" von Komponenten aus Pakistan sei. Allerdings sind die Mengen größer als normalerweise von einer Verunreinigung zu erwarten wären. Zudem ist der IAEO kein Vergleich mit HEU aus Pakistan möglich, weil sowohl der Iran eine Probeentnahme als auch Pakistan ein Interview mit dem Atomwissenschaftler Khan verweigert. In einem Bericht vom Oktober 2003 beschrieb der Iran sein Atomprogramm. Dabei wurde die Existenz eines älteren Zentrifugen-Typs (P-1) zugegeben. Allerdings war bekannt, dass Libyen die effizientere und neuere Versionen (P-2) von Pakistan erworben hatte. Damit konfrontiert, gestand der Iran, ebenfalls P-2s gekauft, jedoch nicht damit gearbeitet zu haben. Eine Privatfirma habe damit experimentiert und sie modifiziert. Zwei der IAEO nicht gemeldete Anlagen - Natanz und Arak - wurden erst durch Informationen einer iranischen Widerstandsgruppe im Exil bekannt. Unter den Regelungen des NPT-Zusatzprotokolls hat der Iran sich verpflichtet, alle relevanten Nuklearanlagen freiwillig zu melden und für Inspektionen zu öffnen. Zwei Mal verweigerte der Iran IAEO-Inspektoren Zugang zu den verdächtigten Einrichtungen, währenddessen - laut IAEO - Objekte aus den Anlagen entfernt wurden." www.atomwaffena-z.info/heute/heut_iran.html. 3 www.atomwaffena-z.info/heute/heut_atomwaffenstaaten.html 4 Seymour Hersh, The Coming wars. What the Pentagon can now do in secret. The New Yorker, 24. Januar 2005. 5 Andreas Zumach, Die kommenden Kriege, S. 80f.
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Weiterer Beitrag aus dem Buch: |
Tagesschau als Konsensmedium (vorgetragen im Rahmen des Medienpolitischen Forums bei der Veranstaltung '80 Jahre Arbeiterfotografie - 80 Jahre Gegenwind' in Erfurt 2007) |
Weiterer Beitrag zum drohenden Kriegsschauplatz Iran: |
Alle Beiträge zum Iran im Überblick: |
Tagebuch Iran Notizen aus dem Kontext des drohenden Krieges gegen den Iran |
Die 'Welt', ein 'genialer Netzwerker' und der Angriffskrieg gegen den Iran Anmerkungen zu einem Artikel in der 'Welt', 12.2.2006 |
Was die Kriegspropagandisten von sich geben Äußerungen von Angela Merkel, George W. Bush, John McCain, Joseph Lieberman, Donald Rumsfeld, Condoleezza Rice, John Bolton, Ehud Olmert (Stand: 29.4.2006) |
Stoppt den Krieg gegen Iran, bevor er beginnt! - Stop the war on Iran before it starts! Internationaler Appell - Online-Petition |
Israel, Iran und die Atomwaffen Knut Mellenthin in 'junge Welt' vom 19.10.2005 |
'Israel von der Landkarte löschen' - Der Krieg gegen den Iran hat längst begonnen Über die angeblichen Äußerungen des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad, 9.3.2006 (zuletzt erweitert am 9.4.2006) |
Bomben auf den Iran? - Gedanken zum Iran-Krieg Artikel von Prof. Georg Meggle, 18.1.2006 |
Kriegspropaganda für die Massen - Feindbild Iran Veröffentlichungen aus 'Bild' und 'Bild am Sonntag' ab Dezember 2005 |
Leugnet Irans Präsident den Holocaust oder legt er die Finger in die Wunde des Westens? Eine Analyse der Medienrhetorik auf dem Weg zum Krieg gegen den Iran, 3.4.2006 (erweitert am 9.4.2006) |
Eine gelungene Infektion Über die Funktion eines Horst Mahler in der kriegsvorbereitenden Propagandakampagne gegen den Iran, 14.4.2006 |
Wer nicht mitspielt, ist Antisemit Wie die 'taz' den Planungen der USA für einen Atomkrieg gegen den Iran begegnet, 22.4.2006 |
Iran: Dreck, Teufel, Pfeifen und Pfifferlinge Was die 'westlichen' Medien aus Ahmadinedschads Äußerungen vom 28.4.2006 machen |
Genug ist genug! - 'Nur' Verbrechen gegen die Menschheit oder schleichender Völkermord? Eine Dokumentation von Ellen Rohlfs zur Situation in Palästina, 2005/2006 |
Von Nazis nicht für einen Krieg gegen den Iran einspannen lassen! Über die Rolle einer von Nazis angemeldeten Pro-Iran-Demo am 17.6.2006 in Frankfurt-Sachsenhausen |
Wie wir dem Krieg den Weg bahnen Eine Überlegung zur Strategie für einen Krieg gegen den Iran, 4.6.2006 |
Auf dem Weg zum Höhepunkt der Kriegspropaganda Eine Betrachtung über den 'Spiegel' vom 29.5.2006 und das darin enthaltene Interview mit dem iranischen Präsidenten |
War is Brewing - Krieg braut sich zusammen... Das Kapital verlangt von der US-Regierung irgendeinen Angriff zur Stabilisierung des Kapitalismus - Betrachtung von Daniel Neun (0815-Info), 22.6.2006 |
Der Gerechtigkeit halber (2) Strafanzeige gegen die Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, wegen Beleidigung des Staatspräsidenten des Iran |
"Seien Sie herzlich gegrüßt!" Brief von Irans Präsident Ahmadinedschad an Bundeskanzlerin Merkel vom 20.7.2006 |
"Noble Americans - Ehrenwerte Amerikaner" Brief von Irans Präsident Ahmadinedschad vom 29.11.2006 (in der englischen Fassung) |
Das Lügennetz über dem Iran Analyse des österreichischen Autors Malte Olschewski über die manipulierte Berichterstattung über den Iran und seinen Präsidenten Ahmadinedschad |
Verhindern Sie diesen Krieg! Offener Brief an Bundeskanzlerin Frau Angela Merkel, 19.2.2007 |
Herr der Bombe Wie wir vom Kölner Stadt-Anzeiger mit dem Gedanken eines Krieges gegen den Iran vertraut gemacht werden sollen - über eine Veröffentlichung vom 8.2.2007 |
Der nächste Krieg in Sicht - Wann fallen US-Bomben auf Teheran? Michael Opperskalski in 'Geheim', Ausgabe vom 31.3.2007 |
Desinformation im 'Kölner Stadt-Anzeiger' Äußerungen von Mohamed ElBaradei am 24.5.2007 in Sachen Iran |
Die Strategie des bösen Spiels 'Report Mainz' konstruiert Ahmadinedschad-NPD-Bezug - Sendung vom 10.12.2007 |
'Von der Landkarte tilgen': Die Spitze eines Eisbergs Eine Strategie zur Verfälschung der Äußerungen des iranischen Präsidenten - von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann (29. Juli 2008) |
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